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20blue minutes #03: Sebastian Elsässer

20blue hour
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27 Plays2 years ago

20blue minutes ist der kleine Podcast vom Research Institute 20blue. In etwas weniger Zeit als der klassischen 20blue hour präsentieren wir in diesem Format aktuelle Gespräche, Interviews oder Hintergründe für alle schlauen Köpfe, die etwas weniger Zeit haben.

Die dritte Folge ist Teil der Hintergrundgespräche zu unserer nächsten, etwas anderen 20blue hour zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Anja Mutschler spricht mit Dr. Sebastian Elsässer von der Universität Kiel, der als Islamwissenschaftler schon früher mit Krisen, Kriegen und der Reaktion “des Westens” vertraut war und, auch als Politologe, realistischen Pragmatismus anmahnt.

Abonnieren Sie den Feed der 20blue hour, in dem Anja Mutschler mit Expert:innen über aktuelle gesellschaftliche Debatten spricht. Eine Denkzeit für Audiophile, deren Namen eine Hommage an die „blaue Stunde“ ist. Jene Zeit zwischen Tag und Nacht, in der vieles möglich ist. Unsere 20blue minutes ergänzen die vollständigen Folgen mit kürzeren und aktuellen Gesprächen.

https://www.twenty.blue/

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Transcript

Einleitung und Vorstellung des Gastes

00:00:04
Speaker
20 Blue Minutes, der kleine Podcast vom Research Institut 20 Blue.
00:00:13
Speaker
Hallo, mein Name ist Anja Mutschler von 20Blue und ich habe da mal eine

Putins Krieg aus islamischer und politikwissenschaftlicher Sicht

00:00:19
Speaker
Frage. Und zwar an Sebastian Elsesser, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Kiel, Islamwissenschaftler und Politikwissenschaftler, unter anderem in Berlin und Kairo studiert. Ich kenne ihn schon lange und freue mich sehr, Sebastian, dass du heute da bist, um über
00:00:36
Speaker
eine Einordnung zu sprechen als Islam- und Politikwissenschaftler zu Putins Krieg. Ich werde das so bezeichnen. Wir können ja auch gleich nochmal drüber sprechen, ob das für dich auch eine gültige Bezeichnung

Systemische Perspektive auf nicht-westliche Konflikte

00:00:47
Speaker
ist. Du hast für mich eine spannende Perspektive, weil du aus systemischer Sicht als Politikwissenschaftler draufguckst und als Islamwissenschaftler auch mit einem Hintergrund, der mir fehlt, eine differenzierte Betrachtung wie
00:01:04
Speaker
nicht-westliche, regionale Konflikte und verschiedene daraus entstehende Vorurteile oder Betrohungsgefühle dann wiederum rückwirken auf Politik, die wir machen. Ja, schön, dass du da bist, Sebastian.

Emotionale Herausforderungen bei Kriegsdiskussionen

00:01:20
Speaker
Ja, hallo Anja. Wunderbar.
00:01:23
Speaker
Meine erste Frage ist so ein bisschen gefühlig, weil ich das Thema gar nicht so gut rational allein betrachten kann. Es ist dieses Gespräch ja Teil von mehreren Gesprächen, die ich jetzt führe für die aktuelle Ausgabe des Podcasts 20 Blue Hours. Und die Ursache dafür ist, dass ich es ganz schwierig finde, irgendwas Abschließendes zu sagen. Es ist jetzt auch mit dir eine Suchbewegung, also keine Sorge, ich erwarte keine abschließende Antwort.
00:01:51
Speaker
Aber was mich immer begleitet bei allem, was ich höre und lese, da gibt es ja dann auch Dinge, die man als positiv darstellt. Und dann denke ich immer, Mann, es gibt nichts Gutes an einem Krieg. Punkt. Und jetzt will ich mal von dir wissen, ob dir das auch so geht.

Vereinfachung von Konfliktausgängen

00:02:09
Speaker
Es ist verlockend, manchmal vielleicht in so einem Krieg oder manchmal spitzen sich ja Konflikte so zu und manchmal denkt man so, ach, irgendwie, wenigstens gibt es jetzt bald eine Lösung, auch wenn sie gewaltsam ist. Es ist aber eine Versuchung, die Sachen einfacher zu denken, als sie sind. Ich glaube, du hast schon recht, letztendlich kommen sehr viel schlechter Sachen aus so was raus als gute Sachen. Das Beste, was man erwarten kann, dass vielleicht viele Menschen und auch die betroffenen Länder ohne
00:02:39
Speaker
größeren, längeren Schaden da rausgehen.

Desensibilisierung zu Kriegen im Nahen Osten

00:02:43
Speaker
Was das Emotionale angeht aus meiner Perspektive, als Islamwissenschaftler oder jemand, der sich mit dem Nahen und Mittleren Osten beschafft, ist man vielleicht eher dran gewohnt, dass es halt auch sowas wie Kriege und kriegerische Konflikte gibt und vielleicht auch so ein bisschen abgestumpft, sich nicht immer so anfassen zu lassen, woran viele Leute auch zu knabbern haben, wie
00:03:06
Speaker
Putin selbst, wenn man ihn sozusagen als vielleicht so ein bisschen chauvinistischen Russen akzeptiert hat, warum muss er das seinem Volk und auch dem ukrainischen Volk

Herausforderungen für das westliche Selbstbild durch Kriege

00:03:16
Speaker
antun? So ein Gedanke, den ich natürlich schon so ein bisschen hatte in dem Zusammenhang, wenn man die Reaktion vieler Menschen in Deutschland sieht, der Krieg zeigt das, was ich mir auch öfters denke, wenn Sevi über die arabische Welt diskutiert wird, dass man nicht so weit kommt, wenn man nur auf sich selber guckt.
00:03:32
Speaker
Auch im Guten, wenn man die positiven Ziele, die man sich erhofft und die man vielleicht auch natürlich nach außen projizieren möchte, glaubt, umsetzen zu können, indem man nur auf sich selbst guckt und wie viele Menschen in Deutschland auf ihre eigene Friedensbewegtheit und Friedensbemühungen
00:03:52
Speaker
und sich darauf sehr viel eingebildet haben und das ist natürlich sozusagen brutale Realitätsschock.

Geopolitische Situationen und Worte finden

00:03:57
Speaker
Ja, das ist auch der Teil, wo ich immer bei mir selber und bei vielen anderen natürlich auch, ich meine, man öffnet Twitter und dann schließt man es irgendwann wieder genervt,
00:04:09
Speaker
Da sind wir ja zu Hause mit so einer halbwegs selbstmitleidigen Haltung auch. Also es ist super schwierig, gerade überhaupt eine Begrifflichkeit zu finden, wo man den Eindruck hat, es wird der Sache gerecht. Wenn du sagst, lass uns mal von unserer eigenen Perspektive wegschauen, würde dir da jetzt auch einfallen, wo man hinschauen sollte.

Fokussierung der Unterstützung und Realismus

00:04:37
Speaker
Natürlich sollte man hinschauen zu den Leuten, mit denen man sich was gemeinsam hat, mit denen man solidarisch sein möchte, die einem Hoffnung geben. In die Richtung sollte man schauen, aber glaube ich auch mit dem realistischen Blick, dass man für die jetzt ganz kurzfristig, natürlich so abgesehen davon, dass man den Geflüchteten helfen kann und so, aber ansonsten ganz
00:05:06
Speaker
auf das erste erstmal nicht viel tun kann. Findest du, dass die aktuelle westliche Politik die richtigen Dinge tut?

Notwendigkeit westlicher Militärpolitik

00:05:18
Speaker
Im Großen und Ganzen ja, glaube ich. Natürlich kann man die Konsequenzen im Einzelnen noch nicht absehen, aber ich glaube schon, dass jetzt auch eine militärische Antwort auch nötig ist. Also ich sehe da keine Alternative dazu. Sicherlich wird man das auch
00:05:36
Speaker
in Zukunft daran arbeiten müssen, das auch wieder einzufangen. Das löst natürlich wieder auch... Das ist ja klar. Und das ist aber nicht bei jeder Politik so. Man hat da auch wieder Leute mit dem Boot, mit denen man eigentlich nicht so gern zusammen im Boot sein möchte. Und das kann man auch jetzt schon wissen. Werden da vielleicht Begehrlichkeiten geweckt, gegen die man später ankämpfen muss.

Einheitliche westliche Reaktion auf Konflikte

00:06:00
Speaker
Aber ich finde, das sollte man ganz realistisch und gelassen so sehen.
00:06:04
Speaker
Und nicht sagen, wenn wir jetzt irgendwie Waffenlieferung oder Aufrüstung oder so, dann löst das jetzt irgendwie eine Lawine aus und das können wir dann nicht mehr kontrollieren. Die Frage ist halt, was wäre jetzt auch die Alternative gewesen zu dieser geeinten Antwort? Also die Kritikpunkte sehe ich durchaus auch, aber jenseits des Meckern hören sich dann auch selten irgendwas, was jetzt akut auch helfen würde.
00:06:35
Speaker
Die geeinte Antwort ist auch was ganz Wichtiges und was Positives. Wenn man sieht, wie deutsche oder europäische Außenpolitik gegenüber der südlichen Mittelmeerregion in den letzten Jahrzehnten war, ist es immer wieder die Unfähigkeit, irgendwie eine gemeinsame Position zu finden, die dafür sorgt, dass Europa im Allgemeinen da wenig Einfluss genommen hat und auch ganz negative Entwicklungen nicht verhindern konnte.

Geopolitische Ausrichtung und Lernmöglichkeiten

00:07:02
Speaker
beispielsweise das russische Engagement in Syrien, das ja jetzt auch viel erwähnt wird.
00:07:08
Speaker
Und denkst du, dass die schlechten Erfahrungen von Zankereien jetzt diese einige Antwort überhaupt erst ermöglicht haben? Also gibt es einen Lerneffekt, den wir jetzt sehen können? Gerade du als Islamwissenschaftler siehst das ja wahrscheinlich sehr differenziert. Das von Arabischer Frühling bis zu Syrien gibt es ja ganz viele Beispiele von Unterstützung oder Nichtunterstützung. Haben wir was gelernt?

Rechtliche Herausforderungen bei Russlands Interventionen

00:07:34
Speaker
Ich glaube nicht, dass es ein Lerneffekt ist. Es ist eher Glück, Zufall bzw. die Konstellation einfach, dass wir hier einen Konflikt haben, wo jetzt vor allem natürlich die Interessengegensätze zwischen den nationalistischen Regierungen in Osteuropa und westeuropäischen Ländern keine oder nur eine geringe Rolle spielen.
00:07:54
Speaker
dass zum einen, dass es eben derart glattanter Bruch von außenpolitischen Konventionen ist, dass es sich leicht ist, sich zu einigen. Und die Russen haben ja auch in ganzen vorherigen Kriegen immer sehr viel vorsichtiger und im Schatten der Legalität agiert. Und das ist ja auch die Europäische Union oder auch Länder, die sozusagen eine Außenpolitik betreiben, wo man eben
00:08:21
Speaker
Hauptsächlich auf Verhandlungen, auf Verträge, SET und so weiter, tut man sich natürlich eher schwer, wenn Sachen unter dem Deckmantel der Legalität geschehen. Ja, die russische Intervention in Syrien war ja quasi auf Einladung der syrischen Regierung, also aus dem rein Verständnis von internationalem Recht und so weiter. Und dass man sich hält, hat man da natürlich wenig schon Argumente erst mal dagegen vorzugehen.
00:08:47
Speaker
Also ist jedenfalls schwierig, da müsste man die syrische Regierung für illegitim erklären, auf welcher Basis macht man das und so weiter und so fort, alles viel einfacher

Putins Motivationen und Blockmentalitäten

00:08:56
Speaker
jetzt. Aber es ist dann doch erstaunlich, wenn man genau dann diese Inkaufnahme
00:09:03
Speaker
Also ich maße mir jetzt keinen Urteil an, wie Putins Zustand ist, aber das muss doch klar gewesen sein, dass so ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, wie du es richtigerweise gesagt hast, auch zu einer sehr eindeutigen Antwort führt, zumal

Europäische Unabhängigkeit in Verteidigungspolitik

00:09:23
Speaker
Naja, der Russe taucht ja jetzt irgendwie wieder auf, ist noch wie ein verschüttetes Gedächtnis, habe ich den Eindruck. Also diese Blogdenke wurde, fand ich, recht schnell wieder aktivierbar. Und ich frage mich, du hast wahrscheinlich auch keine Antwort, aber ich frage mich schon, wie viel
00:09:47
Speaker
wie viel da in Kauf genommen worden ist. Und wenn ja, was ist jetzt das Ziel? Ist das Ziel so eine neue Blockbildung? Hat das Scharm? Ja, vielleicht kannst du da, hast du da irgendeine Meinung, die mir weiterhilft? Ja, vor diesen neuen Blockbildungsideen muss man sich erhöhten. Also wenn da eine wichtige Lektion vielleicht ist, aus dem jetzt, was jetzt geschieht, ist, dass Europa unabhängig von den USA handlungsfähig sein muss und vielleicht eben tatsächlich auch militärisch. Denn
00:10:16
Speaker
als Westen jetzt wieder irgendwie zu

Einfluss der geografischen Nähe auf Konfliktwahrnehmung

00:10:20
Speaker
sagen, jetzt haben wir als Westen wieder zusammengefunden und engagieren uns jetzt wieder mehr international. Das kann man auch von dem ersten Blick sehen, auch wenn man beispielsweise auf die arabische Welt schaut, dass das überhaupt nicht weitführt. Also wenn man sich irgendwie ein Interesse hat an der menschenrechtsorientierten Außenpolitik oder eine, die
00:10:40
Speaker
versucht, irgendwelche Spielräume auszunützen Richtung Demokratisierung oder so. Ich glaube, man braucht sich da keine Illusionen machen. Dass man eigentlich eine eigene europäische Außenpolitik braucht, meinst du? Ja. Weil die amerikanische nicht so wertebasiert ist, wie wir jetzt hoffen, dass die neueuropäische wäre. Ja, zum einen. Man hat vor allem sehr unberechenbare Personalien.
00:11:09
Speaker
gerade jetzt ja. Trump hat beispielsweise vor allem Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten ziemlich carte blanche gegeben und sie auch als noch, sie waren vorher natürlich auch schon, das ist ja auch eine Tradition irgendwie die USA und bestimmte Staaten in der Region auch mit Militärbasen und so weiter. Aber Trump hat unter anderem eben den carte blanche gegeben, sich da auch in
00:11:37
Speaker
verschiedene Konflikte einzumischen und wo die humanitären Folgen teilweise auch dramatisch waren. Insofern kann man sich da überhaupt nicht auf die Amerikaner verlassen. Und warum sollte man also für die USA, auch wenn man vielleicht jetzt da eine Regierung hat, die anders denkt, aber für die Amerikaner sind Fluchtbewegungen aus der Region nicht was, was sie direkt angeht. Und für Europa sind es Konflikte in der Nachbarregion, die zu

Kulturelle Nähe und Konfliktwahrnehmung

00:12:05
Speaker
Fluchtbewegungen führen, was was direkt wiederum innenpolitische Auswirkungen haben kann. Deswegen sehr viel näher dran.
00:12:15
Speaker
Das näher dran ist ein wichtiger Stichpunkt. Also es gibt ja zwei Sachen, die man beobachten kann. Das eine ist, es wird je weiter weg die Ukraine ist, desto mehr über einen Kamm geschert. Aus Putin wird Russland, aus Russland wird Russland und Weißrussland. Was mit Sanktionen belegt ist, das ist sehr sichtbar. Je nach geografischer Distanz wachsen da Zuweisungen, einfach Quellen wie so ein Milchtopf über.
00:12:41
Speaker
Das ist wahrscheinlich nichts Neues. Es geht aber auch in die andere Richtung. Ich hatte das im Vorgespräch angedeutet, dass ich bei mir selber einfach ganz klar sagen kann, dass mich dieser Vorfall in der Ukraine, auch weil ich Menschen kenne, auch weil ich glaube ich die Bilder, die ich sehe von dem Leben, das die Menschen geführt haben, mir näher ist, dass ich doch
00:13:04
Speaker
betroffener bin. So, und jetzt sage ich das und mache mich damit natürlich in höchstem Maße angreifbar, weil das darf man ja nicht sagen. Ich rede jetzt tatsächlich von einem Vergleich 2015. Ich war dort natürlich beteiligt, innerlich, weil ich über die Frage, wer flüchtet denn, tut man das freiwillig, eine relativ klare Antwort habe.
00:13:31
Speaker
Aber was die emotionale Nähe angeht, wirklich durch geografische Nähe zu diesem Kriegsort, macht das für mich einen Riesenunterschied.

Persönliche und kulturelle Bindungen in globalen Fragen

00:13:40
Speaker
Stichwort? Double standards, Sebastian. Das ist ja ein Thema, das jetzt so in dieser ganzen Debatte Flüchtlinge, Islam, die Regionalkriege, wer darf rein, wer darf nicht rein, eine große Rolle spielen. Wie ordnest du das ein?
00:13:56
Speaker
Bin ich jetzt total falsch? Darf ich das nicht denken? Die erste Frage, fühlst du dich da näher oder mehr betroffen? Ist das irgendwie ein moralisches oder ethisches Problem? Finde ich nicht. Im Gegenteil eigentlich. Und das ist sicher was, was finde ich auch ehrlicher und offener diskutiert werden müsste. Aber in einer Gesellschaft, die von Migration und auch Globalisierung gezeichnet ist, haben natürlich unterschiedliche Menschen auch
00:14:24
Speaker
zunehmende, aber eben auch unterschiedliche Bindungen an andere Länder, an andere Kulturräume und dergleichen. Und das ist auch vollkommen normal und das ist alles legitim. Es gibt eben Menschen in unserer Gesellschaft, die sehr eng verbunden sind mit Osteuropa. Es gibt Menschen, die sehr mit den USA sehr eng persönlich

Übergang zu nachhaltiger Energie und geopolitische Folgen

00:14:44
Speaker
verbunden sind beruflich. Mit Ägypten. Mit Arabischen, auch mit Palästina beispielsweise oder mit Israel.
00:14:51
Speaker
Und ich finde, in einem guten öffentlichen Diskurs würde man das sich gegenseitig anerkennen. Es gibt nicht, dass man als Deutscher oder als Deutsche muss ich mit Israel mich loyal fühlen. Ich finde, so eine Aussage macht keinen Sinn. Das muss immer mit persönlichen Erfahrungen zu tun haben. Das andere sind sozusagen auf rationaler Ebene vernünftige außenpolitische Haltung oder so, auf die man sich einigen kann, unabhängig davon, ob man persönlich betroffen ist.
00:15:20
Speaker
Das ist auch nochmal ein wichtiger Punkt mit den vernünftigen Haltungen. Jetzt sprechen wir mit anderen Ölstaaten, die jetzt vielleicht so lupenreine Demokraten sind wie damals Putin.
00:15:35
Speaker
Dieses blöde Energieproblem scheint dazu zu führen, dass man vom Regen in die Traufe kommt, was Kooperationen

Pragmatische Ansätze zur Energiepolitik

00:15:42
Speaker
angeht. Ich sehe das als ein großes Thema vor der Nachhaltigkeitsdebatte auf uns zu rollen. Energiepolitik, Brückentechnologien, die nächsten zehn Jahre irgendwie absichern, um unseren Wohlstand nicht zu gefährden. Also rennen wir dann vom einen Autokraten zum nächsten.
00:15:58
Speaker
Wenige Abhängigkeit von Russland heißt, wahrscheinlich mehr Abhängigkeit von den arabischen Golfstaaten und dergleichen. Vielleicht wäre es tatsächlich schlauer gewesen, von der Kernkraft direkt zu den erneuerbaren Energien zu wechseln. Aber gut, da kann man jetzt nachkarten, aber ich glaube, das hat jetzt keinen Sinn mehr.
00:16:22
Speaker
Also was du gerade gesagt hast, hat mir gut gefallen. Einfach, dass man an einer bestimmten Stelle auch einen realistischen Pragmatismus walten lässt. Also Dinge sind auch wie sie sind. Wir haben noch nicht genügend erneuerbare Energien. Aber wir haben jetzt natürlich mit einem Habeck beispielsweise durchaus jemand, der da ohne
00:16:43
Speaker
ideologische Verzichtsübungen alles tun wird, um diesen Schritt so schnell wie möglich zu ziehen. Also abseits von irgendwelchen Diskursen ist das, glaube ich, begrüßenswert. Ich weiß auch nicht, kannst du für mich mal einen Ausblick geben? Also ich habe an der Situation jetzt, wie wahrscheinlich viele, gemerkt, es gibt schon diese viel beschworene Zeitenwende dahingehend, dass wir uns als Europa
00:17:10
Speaker
besinnen müssen, wer wir sind, wer wir sein wollen, wer wir sein können. Ich persönlich bin froh, dass wir gerade eine Baerbock und eine Habeck vor allem zwei Personen haben, die das können, klar zu sprechen, widerspruchsfrei

Wertebasierte Außenpolitik in Deutschland und Europa

00:17:26
Speaker
zu sprechen. Das geht mir beim Scholz jetzt nicht ganz so, wenn ich ehrlich bin.
00:17:29
Speaker
Die Haltung der SPD zu Russland finde ich sehr unaufgeräumt. Aber stellt sich das für dich da in der Perspektive auf viele Regionalkonflikte? Wird diese wertebasierte Außenpolitik Bestand haben können? Können wir das durchziehen, sowohl als Deutschland als auch als Europa?

Realismus in der politischen Einflussnahme

00:17:48
Speaker
Oder müssen wir immer wieder Augen zu und durch und hoffen, dass es nicht so schlimm wird, um dann bis zum nächsten Ereignis dieser Art wieder aufzuwachen und zu sagen, oh Gott, es ist doch schief gegangen. Wie schätzt du das ein? Also erstmal, ich finde es gut, dass man darüber diskutiert und das auch versucht, wenn man das jetzt wertebasierte Außenpolitik oder feministische Außenpolitik nennt oder
00:18:13
Speaker
Man muss sich, glaube ich, aber trotzdem klar sein über die Grenzen dessen und dass das wenn dann auch eher ein Langzeitprojekt ist. Und irgendwie in der Langzeitperspektive gilt sicher, dass wenn man die eigenen Maßstäbe, die man von anderen Akteuren einfordern möchte, dann eben auch selbst konsequent umsetzen muss. Und es reicht nicht, das irgendwie mal so punktuell zu tun.
00:18:39
Speaker
Es gibt ja, was jetzt meine Region angeht, viele Leute, die sich irgendwie eine konstruktivere Außenpolitik wünschen oder eine Politik, die mehr dazu beitragen könnte, dass sich in der Region was zum Besseren verändert, was politische Freiheiten angeht, auch was wirtschaftliche Entwicklung angeht.

Begrenzter westlicher Einfluss in globalen Konflikten

00:18:59
Speaker
Ehrlich gesagt sehe ich da aber auch bis jetzt wenig praktikable Ansätze. Und auch da muss man vorsichtig sein, dass man
00:19:09
Speaker
unterscheidet zwischen dem Wunsch, dass unsere Regierung etwas machen könnte oder wir als Europa und der Frage, wie umsetzbar das ist.
00:19:22
Speaker
Bei manchen Beobachtern führt es dann leicht, die Tatsache, dass negative Entwicklungen passieren, wird dann leicht, als schreibt man dann auch sich selbst zu, wie hätten sollen. Da fehlt teilweise der realistische Blick, welche Entwicklung in einem Land man von außen überhaupt anstoßen oder durchsetzen kann. Dass man beispielsweise Demokratie nicht von außen einführen kann, liegt eigentlich auf der Hand.
00:19:50
Speaker
Was ich jetzt von diesem Gespräch spüre, was ich lerne, ist zu akzeptieren, dass wir in einer gewissen rastlosen und fehlgeleiteten Überengagiertheit des Denkens noch gar nichts bewirken. Das sind Hausaufgaben, die auch jeder Staat für sich nehmen muss. Es gibt nichts Gutes an einem Krieg, aber es gibt Momente, in denen es Krieg gibt.

Kritik an der Aussetzung der akademischen Zusammenarbeit

00:20:17
Speaker
Darf ich vielleicht noch was zum Punkt zum Fehlgeleiter, der engagiert hat? Da fällt mir nämlich ein gutes Beispiel ein, auch jetzt mit Russland. Zum Beispiel was mich und auch andere, die sozusagen, die vielleicht, kann man sagen, regionalwissenschaftlich unterwegs sind, etwas schockiert und beunruhigt hat, ist diese sofortige Reaktion der Wissenschaft, dass man Kooperationen mit Russland auf Eis legt. Und zwar egal in welchem Wissenschaftsbereich und zu welchem Thema und unter welchen Konstellationen.
00:20:47
Speaker
sondern mit der Begründung, dass man jetzt mal ein Zeichen setzen müsste gegen diesen Krieg. Und das ist für mich ein typisches Beispiel dafür, dass dieser Aktionismus, der aber nur auf sich selbst guckt und wie kann ich mir selbst meine Entschlossenheit
00:21:04
Speaker
und rechte Gesinnung beweisen, sich nicht für die Folgen interessiert, was bedeutet es für russische Wissenschaftlerinnen, die mit uns zusammengearbeitet haben, möglicherweise, und davon kann man fast ausgehen, nicht unbedingt der Regierung nahestehen,
00:21:19
Speaker
jetzt auch beruflich noch mehr Schwierigkeiten haben. Das könnte es langfristig bewirken. Was bringt es, wenn man ein Land wissenschaftlich isoliert, das ohnehin schon diktatorisch regiert wird und wo vielleicht diese Kanäle noch eine wertvolle Möglichkeit sein könnten? Bedenkt man alles überhaupt gar nicht so. Man muss ja davon ausgehen, dass auch nach dem Krieg Putin vielleicht noch zehn Jahre an der Macht ist oder so.
00:21:43
Speaker
Und da finde ich, es ist wichtig, die Konsequenzen zu bedenken auch und eben dann zu unterscheiden, wie können wir Druck auf eine Regierung auswirken. Andererseits, wie können wir trotzdem mit einer Bevölkerung weiter in Kontakt bleiben, sofern es gemeinsamen Interessen und Werten dient. Das sollte man sich gründlich überlegen, nicht so einem Aktionismus opfern.

Differenzierte Sicht auf Länder

00:22:06
Speaker
Das ist eigentlich ein guter Schlusspunkt. Ich habe gedacht, ich frage dich nochmal nach etwas, was dir in dieser Situation Hoffnung gibt. Du hast es eigentlich schon so ein bisschen beantwortet für mich. Das ist also für mich, was ich jetzt mitnehme, auch eine europäischere, also eine Möglichkeit als Europa geeinte aufzutreten.
00:22:28
Speaker
Fällt dir sonst noch was ein, was du uns mitgeben willst, was du siehst als Möglichkeiten, vielleicht auch mit Blick auf die arabischen, nordafrikanischen, unsere Verhältnisse dorthin? Man sollte, wie du schon am Anfang gesagt hast, es gibt ja die Gefahr, dass man jetzt wieder alte Stereotype aktiviert vom bösen Russen und so.
00:22:51
Speaker
Es ist zumindest eine Chance, jetzt auch ein Land weiterhin differenziert wahrzunehmen. Es wird ja auch viel darüber berichtet, wenn Russen sich gegen den Krieg demonstrieren und so. Das

Überwindung traditioneller Stereotypen

00:23:03
Speaker
wäre überhaupt wichtig, dass man in der Denkweise, die man gegenüber anderen Ländern hat, differenzierter schaut und eben zwischen der Regierung und der Bevölkerung unterscheidet, aber auch unterschiedliche Gruppen in einer Bevölkerung. Da muss man viel lernen, auch die, die sozusagen eher russlandfreundliche Journalistinnen und Journalisten
00:23:21
Speaker
hatten ja auch häufig so ein Duktus, wo Russland fast personalisiert wird. Russland wurde eben gekränkt und leider sowas. Ich finde, es wäre eine wirklich gute Entwicklung, wenn man von so einer Sprache wegkommt. Und das sehe ich bei jüngeren Journalisten eigentlich doch sehr deutlich. Auch einfach über intensivere menschliche Beziehungen.
00:23:44
Speaker
dass man nicht mehr von einem Land als Persönlichkeit reden kann. Das ist interessant. Ja, das ist so eine alte Lesart, kulturell, historisch. Die ist in Zeiten der Einigkeit toll, aber wenn sie nicht funktioniert, dann gibt es da eine krasse Übereinstimmung plötzlich von dem Bösen und diesem Land.

Verständnis emotionaler Nähe in globalen Diskussionen

00:24:05
Speaker
Ich nehme tatsächlich nochmal mit diese
00:24:13
Speaker
Differenzierungsmöglichkeit von dir, also weil mich das Thema, das ist natürlich ein großes Stichwort, nehme ich jetzt auch nur mal mit, müssen wir nicht diskutieren, Cancel Culture, aber dieser Moment, wo du
00:24:25
Speaker
wo alle sich auf Augenhöhe begegnen dürfen und sagen, was ist eigentlich mein emotionaler Nahbereich, wo ich persönlich in einer bestimmten Weise mehr erfasst bin von einem Thema als andere, als du vielleicht und dort vielleicht und das eher als

Abschließende Gedanken und Hoffnung auf Friedensthemen

00:24:42
Speaker
Möglichkeit des Verstehens. Deswegen habe ich dich ja heute eingeladen, als jemand, der einen anderen Kulturkreis besser kennt als ich, zu verstehen und nicht so als Abgrenzung. Und weil im Kopf kommt dann ja auch ganz viel durcheinander. Ich soll jetzt
00:24:57
Speaker
gleichzeitig, wenn ich an das denke, auch an alle anderen denken, an die ich vorher nicht gedacht habe, und dann wird man irgendwann so, also das nehme ich noch mal mit aus dem Gespräch. Danke dir sehr, Sebastian. Ja, hoffe du hast auch ein bisschen was mitgenommen und dass wir uns, wenn wir vielleicht noch mal miteinander sprechen, über andere Themen unterhalten können als über diesen Krieg.
00:25:21
Speaker
Ja, gerne. Mach's gut.

Verfügbarkeit des Podcasts auf Plattformen

00:25:29
Speaker
Den kleinen Podcast 20 Blue Minutes findet ihr überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Und natürlich bei uns auf 20.blue. Bis bald.