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20blue minutes #12: Prof. Dr. André Reichel

20blue hour
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25 Plays1 year ago

In der neuen 20blue-Podcast-Folge geht es um eine Gretchen-Frage: Geht Wirtschaft ohne Wachstum, wie und warum? Für viele noch immer überraschende Antworten gibt hier Prof. Dr. André Reichel von der International School of Management in Stuttgart.

Eine davon: Das „Wachstumsding“ ist für den Mittelstand nicht zwingend, vielleicht eher Stabilität und eine Frage wie die am Ende der Podcast-Folge: „Wie klein kann ich meinen Profit werden lassen, um trotzdem gut über alle Runden zu kommen?“

Zuvor aber zerlegt Reichel diverse Dogmen: Ohne Wachstum keine Innovation? Nicht zwingend, meint der Experte, und vielleicht ist das Verhältnis von Ursache und Wirkung hier auch umgekehrt. Dabei setzt Reichel gleich noch einen anderen alten Hut ab, dass Regulierung freies Unternehmertum und Kreativität und deshalb Innovation störe. Er meint, Regulierung etwa im Umwelt- und Klimaschutz habe Innovation zur Folge. Denn einfacher, als woanders zu produzieren, sei es oft, sich durch Innovation anzupassen.

Abonnieren Sie den Feed der 20blue hour, in dem Anja Mutschler mit Expert:innen über aktuelle gesellschaftliche Debatten spricht. Eine Denkzeit für Audiophile, deren Namen eine Hommage an die „blaue Stunde“ ist. Jene Zeit zwischen Tag und Nacht, in der vieles möglich ist. Unsere 20blue minutes ergänzen die vollständigen Folgen mit kürzeren und aktuellen Gesprächen.

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Transcript

Einführung und Begrüßung

00:00:04
Speaker
20 Blue Minutes, der kleine Podcast vom Research Institut 20 Blue.
00:00:14
Speaker
Hallo und herzlich willkommen. Mein Name ist Anja Mutschler von 20Blue und ich hätte da mal eine Frage. Und zwar heute an Prof. Dr. André Reichel. Hallo nach Stuttgart. Hallo Frau Mutschler, grüße Sie. Das freut mich, dass Sie heute hier sind.

Was ist Postwachstum?

00:00:28
Speaker
Die Frage, die ich heute an Sie habe, betrifft das Thema Postwachstum. Ein super interessantes Thema, über das gerade auch viel gesprochen wird in einer Phase, in der wir
00:00:39
Speaker
die üblichen Rezensionsängste täglich in den Zeitungen hören und ich bin sehr gespannt, ob wir heute gemeinsam einen anderen Weg skizziert bekommen.

Kann Wirtschaft ohne Wachstum existieren?

00:00:49
Speaker
Sie sind Professor für International Management and Sustainability an der International School of Management in Stuttgart. Ich hoffe, ich habe es jetzt richtig zusammengefasst und das ist eines ihrer Spezialthemen, zu einem Wirtschaftsbegriff zu forschen, der vielleicht
00:01:06
Speaker
Nach dem kommen könnte, den wir heute leben, klassisches Wirtschaftswachstum gemessen an dem Roto-Sozialprodukt, den üblichen Kennzahlen, die wir jedes Jahr hören. Und meine allererste Frage ist tatsächlich,
00:01:21
Speaker
Die, die ich zu Beginn dieses Nachdenks bei mir hatte, gibt es überhaupt eine Wirtschaft ohne Wachstum? Ja, das ist natürlich die spannende Frage und die verweist ja darauf, dass wir uns das offensichtlich gar nicht vorstellen können. Aber man muss doch auch konstatieren, dass Wachstum häufig ein Thema ist, das vor allem bei Großunternehmen
00:01:40
Speaker
natürlich eine Fragestellung ist. Wenn Sie sich zum Beispiel den Mittelstand anschauen, vor allem kleinere Mittelständler, dort ist Wachstum häufig, zumindest was so strategische Fragen angeht, nicht zwingend im Vordergrund.

Innovation und Wachstum: Eine kritische Betrachtung

00:01:56
Speaker
Es gibt Studien von Tutfor Ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin, dem IWW, vor einigen Jahren, die herausgefunden haben, dass zwei Drittel der Mittelständler gar keine explizite Wachstumsstrategie zum Beispiel haben.
00:02:07
Speaker
Da passiert halt Wachstum. Also man will es nicht nicht haben, um das auch klar zu machen, aber es stehen andere Dinge im Fokus. Und dann gibt es natürlich einen großen Bereich der Wirtschaft, nämlich das Handwerk, wo sie häufig eigentlich auch nicht so unbedingt starke Wachstumsprozesse haben, sondern wo sie häufig ja auch sehr stabile Umsatzverhältnisse haben, einen sehr stabilen Kundenstamm haben.
00:02:26
Speaker
weil dieses Wachstumssystem vielleicht auch gar nicht so sehr im Vordergrund steht. Ich will also sagen, wir müssen sehr klar uns auch immer überlegen, wenn wir über Wirtschaftswachstum reden oder ist es für die Wirtschaft wichtig, müssen wir uns immer auch fragen, um welchen Teil der Wirtschaft geht es denn gerade. Und ich habe gelernt,
00:02:41
Speaker
Das Wachstum ist wichtig für das Thema Innovation. Also es passiert nur dann Fortschritt, wenn wir auch Wachstum haben als Belohnungsinstrument. Ist das jetzt etwas, was dann wegfällt, wenn wir nicht sagen, wir ordnen Wirtschaft an ihrem Wachstum aus, richten das aus?
00:03:00
Speaker
Also ein Kontraargument. Die stürmischste Wachstumsphase in der Weltwirtschaft insgesamt in so gut wie allen Ländern, die haben wir seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Wachstumsraten um das Achtfache nach oben geschnellt gegenüber der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Alle wesentlichen Innovationen, die wir aber hatten.
00:03:19
Speaker
für die moderne Dinge wie Elektrizität, der Verbrennungsmotor, Fliesen, Wasser, das Telefon, auch der Computer, die sind alle vorher entstanden, wo die Wachstumsraten deutlich niedriger waren. Also es scheint mir eher andersrum ein Schuh draus zu werden. Je nachdem, was für Innovationen wir machen, löst das Wachstum aus. Also Wachstum jetzt als Voraussetzung für Innovationen, das dreht so ein bisschen die Geschichte um.
00:03:42
Speaker
letzten Endes. Was natürlich stimmt ist, dass Innovationen auch passieren, wenn zum Beispiel überdurchschnittliche Gewinnaussichten da sind für Unternehmerinnen und Unternehmer. Das muss aber nicht zwingend mit hohen Wachstumsraten für die Gesamtwirtschaft in Verbindung stehen.

Postwachstum vs. Kapitalismus: Bedrohung oder Chance?

00:03:58
Speaker
Und was sagen Sie dann? Wir sehen es ja jetzt gerade in der Transformation in Bezug auf Klimakrise, Klimawandel, dass große Anstrengungen von Nöten sind, da die Industrie der größte Emittent ist und immer wieder dieses Argument kommt, das kostet zu viel, dann müssen wir Arbeitskräfte entlassen und alles crasht. Was ist da eine gute Antwort darauf?
00:04:20
Speaker
Also da gibt es ja jetzt zwei Themen, die da verbunden sind. Das eine sind klassisch Umweltschutz Innovationen, Innovationen, die die Umwelt effizient steigern im Bereich Energie und Ressourcenverbrauch. Und das andere ist dann eher wieder die Wachstumsfrage. Zum ersten kann man sagen, es gibt genügend Hinweise, dass immer dort, wo zum Beispiel stärkere Regulation kommt im Bereich Umwelt, im Bereich Energie, im Bereich Ressourcen, hat diese stärkere Regulation
00:04:47
Speaker
Innovation zufolge, weil Unternehmen diese Kosten vermeiden möchten. Aber Unternehmen bauen nicht einfach hunderttausende von Stellen ab und bauen irgendwo anders eine neue Fabrik auf, im Normalfall. Was sie tun, was häufig viel einfacher ist, als sich auch sowas einzulassen, ist in der Tat zu innovieren.
00:05:03
Speaker
Hier sehen wir auch, es gibt genügend Beispiele aus Deutschland in den 90ern oder Japan in den 80ern, strengere Umweltgesetzgebung, die dann auf einmal einen Innovationsschub danach ausgelöst haben. Also insofern wäre das so die eine Antwort, die man darauf geben kann. Die andere Antwort muss ich sagen, also wir bewegen uns ja, gerade wenn wir zum Beispiel den Menschen gemacht haben.
00:05:23
Speaker
Klimawandel anschauen, jetzt in Deutschland das fünfte Jahr Dürre in Folge, bewegen wir uns ja auf eine Situation darauf hinzu, wo wir sagen können, das Nichtstun ist viel teurer als etwas zu machen. Hat ja die Studie auch erst bewiesen, die am Montag, heute ist der Freitag, 10. März, mit allem Wissen, wovon ich spreche, veröffentlicht worden ist, 900 Milliarden Euro kostet das Nichtstun. Bis dahin kann man also problemfrei investieren.
00:05:50
Speaker
Und trotzdem gibt es enormen Widerstand, finde ich. Es ist dogmatisch als das Ende der Welt betrachtet, wenn man den Begriff Postwachstum in den Raum wirft und das Ende des Kapitalismus ist dann der Anfang von
00:06:06
Speaker
Also irgendwas Totalitärem in deren Denkweise. Das hat auch viel mit dem dahinterliegenden Freiheitsbegriff zu tun, denke ich. Dass also Wachstum gleichgesetzt wird mit der größtmöglichen Freiheit. Wie begegnet man am besten solchen Kritikern? Haben Sie da Antworten? Haben Sie da ein Rezept?
00:06:24
Speaker
Vielleicht da vorneweg. Man kann sich immer einfacher das Ende der Welt vorstellen als das Ende des Kapitalismus, so heißt es ja. Aber ich glaube, wir müssen doch auch sehr deutlich machen, dass Wirtschaftswachstum jetzt mal zunächst nichts zu tun hat mit zum Beispiel einer gerechten Verteilung.
00:06:40
Speaker
freie Entfaltung der Persönlichkeit oder ähnlichen Dingen. Diese Sachen, freie Entfaltung der Persönlichkeit oder auch Gerechtigkeit, das ist eine politische Entscheidung, die mal mit dem Wirtschaftswachstum erstmal nichts zu tun hat. Auch hier ist so eine seltsame Umkehr vielleicht auf Verhältnisse. Man könnte auch eher so argumentieren, dass erst wenn die Menschen frei sind und gerechte Zustände herrschen in einer Gesellschaft, dann kann man sich auch wirtschaftlich betätigen und dann eröffnet sich überhaupt erst irgendeine Chance für Wachstum.
00:07:05
Speaker
Oder noch mal anders gesagt, wenn stürmisches Wachstum die Vorbedingung von Freiheit sein sollte, dann müsste ja China eines der freiesten Länder der Welt sein. Geht wahrscheinlich auch um die Frage, was Wachstum bedeutet, gesamtgesellschaftlich nehme ich an. Genau. Und meistens haben wir beim Wachstum, wir fokussieren halt sehr stark auf den materiellen Wachstumsbegriff, den wir halt in den Wirtschaftswissenschaften haben, also die Zunahme der zu Marktpreisen abgesetzten Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Darauf fokussieren wir letzten Endes und es gibt ja auch
00:07:34
Speaker
genügend Hinweise, dass diese Kennzahl des Botoinlandsproduktes, Sie haben es angesprochen, ja auch nicht zwingend ein guter Maßstab zum Beispiel für Wohlstand einer Gesellschaft ist. Es ist ein Anzeichen für wirtschaftliche Dynamik, aber das heißt erstmal noch nichts für die anderen Dinge. Wenn wir über Freiheit reden, über Gerechtigkeit, über Lebenschancen, dann ist es eine politische
00:07:56
Speaker
Frage, die im Raum steht. Und wir haben Staaten mit hohem Wachstum, die keine Demokratien sind. Wir haben Staaten mit niedrigem Wachstum, die Demokratien sind und die Menschen können sich dort frei entfalten. Also deswegen, ich glaube, da müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir Wachstum und Freiheit so eng aneinanderbrücken.

Vergleich: Kreislaufwirtschaft und Postwachstum

00:08:12
Speaker
Das ist nämlich einfach empirisch nicht der Fall. Sie sind ja auch im Bereich Sustainability forschend unterwegs. Da haben wir ja den schönen Begriff der Kreislaufwirtschaft, Circular Economy. Ist das das Gleiche? Postwachstum und Circular Economy?
00:08:26
Speaker
Nicht zwingend, aber natürlich wird die Kreislaufwirtschaft auch vor Postwachstum benötigt werden, weil die Kreislaufwirtschaft natürlich ein Mittel ist, den Materialinput in einer Volkswirtschaft zu reduzieren, weil wir eben dann die Ressourcen möglichst lange in einem ökonomischen Kreislauf lassen können.
00:08:43
Speaker
Aber da bin ich auch davon überzeugt, die Kreislaufwirtschaft funktioniert eigentlich auch nur unter dem Perspektiv einer Postwachstumseconomie, also einer Wirtschaft und Gesellschaft, die eben nicht mehr auf das BEP-Wachstum fokussiert ist, sondern wo andere Dinge an der spielen. Denn wenn eine Kreislaufwirtschaft immer größer wird, dann haben sie irgendwann einen enormen energetischen Aufwand, den sie in diese Kreislaufwirtschaftsprozesse stecken müssen.
00:09:06
Speaker
Und dann wird sie nämlich ökologisch nicht nachhaltig irgendwann. Also insofern, ich glaube, Kreislaufwirtschaft, ja die ist wichtig, aber sie macht dann fast nur Sinn oder lässt sich wirklich nur ökologisch auch durchhalten, wenn wir uns von diesem Wachstumsdenken auch verabschieden.
00:09:18
Speaker
Ist das das, was man gemeinhin unter ökologische Wirtschaft versteht, was Sie da skizzieren oder? Ja, auch hier muss man schauen. Es gibt ja seit den 80er Jahren den Begriff der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft. Das ist aber häufig erst mal noch gar nichts Umsturzlerisches, sondern einfach die Vorstellung, dass man durch Investitionen in Umwelttechnologien, durch den Aufbau von Umweltmärkten, die Förderung von Umweltunternehmertum, auch natürlich durch entsprechende staatliche Maßnahmen
00:09:48
Speaker
es hinbekommen kann, dass die Wirtschaft ökologischer wird. Aber da ändert man erst mal noch nichts am zugrunde liegenden zum Beispiel Wachstumsparadigmar.

Neue Arbeits- und Währungsformen in einer Postwachstumsgesellschaft

00:09:56
Speaker
Insofern ist eine Ökologisierung der Wirtschaft, das kann einfach zum grünen Wachstum führen, also zu dieser Idee, dass wir weiterhin expandieren können in unserer Wirtschaftsleistung, aber die Umweltverbräuche zurückgehen und sogar die Umweltqualität bessern.
00:10:08
Speaker
Und was sich doch sehr stark ändern dürfte in einer Gesellschaft, die anders tickt als die klassische Wachstumswirtschaft, ist der Begriff der Arbeit. Man beträumt immer alle von weniger Stress und sowas, aber was ist Arbeit in dem Moment noch?
00:10:29
Speaker
Ja, genau. Also ich glaube, was eine Postwachsungswelt natürlich tatsächlich sofort wieder aufwirft, ist die Frage, was machen die Leute da eigentlich? Und das ist für uns, glaube ich, auch nochmal die Chance, den Arbeitsbegriff selber wieder neu zu denken und ihn auch aufzuweiten. Arbeit heute ist ja eigentlich die Idee des 19. Jahrhunderts, nämlich die Arbeit in einer industriellen Organisation. Das ist, wo wir heute immer noch Arbeit verstehen.
00:10:53
Speaker
Ich gehe irgendwo hin und bekomme dafür Geld und damit bestreite ich mein Lebensunterhalt. Das ist ein 19. Jahrhundert Verständnis. Arbeit vorher war ja ganz vielfältig. Das war ja Subzistenzarbeit, dass man sich selbst versorgen konnte, dass man ein bisschen was vielleicht als Überschuss hatte für andere, dass man also in der Tat Arbeit
00:11:12
Speaker
ganz anders betrachtet hat. Und wir haben ja auch viel mehr Arbeit in der Gesellschaft, die gerade getätigt wird, als diese Erwerbsarbeit in Organisationen, deren Logiken aus der Industriearbeit kommt. Das Ehrenamt, wir sprechen es gerade an, ist das eine. Die Arbeit an der Familie im eigenen Heim, in der Nachbarschaft, auch das sind Dinge, die da dabei sind. Und natürlich die Frage der Selbstversorgung, das auch wieder für manchen Leuten ja in der Tat wieder gepflegt wird. Sei es jetzt, indem man sich mit Jahrgärten
00:11:39
Speaker
beschäftigt oder mit Urban Gardening oder indem man Repair Cafés betreibt. Das heißt, wir haben in einer Postwachstumswelt auf einmal einen viel breiten Begriff von Arbeit als eine nicht nur produktive Tätigkeit für andere, sondern auch als eine reproduktive Tätigkeit für sich selbst und seinen Nahbereich.
00:11:57
Speaker
Und Reproduktivität ist ein guter Begriff, damit der Mensch sich wirksam fühlt. Also ich denke, die Abstraktion zum Arbeitsgegenstand jetzt ist auch ein Teil der Probleme, die das Wirtschaftswachstum, was sich immer an den großen Dingen bemisst, so mit sich bringt. Aber muss es dann auch eine andere Währung geben, außer Geld?
00:12:19
Speaker
Also sicherlich ist das so eine andere Frage, die dann immer wieder kommt. Also ich denke, natürlich wird das Fiat-Geld, das wir jetzt haben, das durch den Neutralbanken bereitgestellt wird und im Bankensystem dann vermehrt wird. Das hat sicherlich auch weiter seine Berechtigung, weil es ist ein ganz praktischer, nicht nur Intermediär, sondern sie können Dinge auch aufbewahren für die Zukunft. Aber ganz klar glaube ich, wir brauchen auch hier ein bisschen eine entmystifizierte Perspektive auf das
00:12:42
Speaker
Geld ist ein Mittel zum Zweck und kein Zweck an sich. Das heißt, je nachdem, was wir machen, brauchen wir vielleicht verschiedene Arten von Geld. Und das jetzige Geld, das wir haben, das sogenannte Fiat-Geld, das ist für einen... Fiat, Fiat, genau. Also lateinisch von Fiat Lux, es werde Licht, und Fiat, in dem Fall, es werde Geld. Also man schafft es ja quasi aus dem Nichts heraus. Und man kann so viel schaffen, solange die Leute noch irgendwie Vertrauen haben in das gesamte Geldsystem.
00:13:10
Speaker
Deswegen gibt es auch keine Begrenzung. Solange die Leute vertrauen, ist das kein Thema. Sobald das Vertrauen weg ist, können sie aber machen, was sie wollen und das Geld ist nichts mehr wert. Aber es braucht eben auch anderes Geld. Wir kennen es von sogenannten Regionalwährungen oder Alternativwährungen, die nur in ganz bestimmten Regionen oder für ganz bestimmte Dinge ausgegeben werden können, die man auch nicht von der Bank bekommt, sondern wo man zum Beispiel eine Arbeitsleistung bringen muss, dass man sie bekommt.
00:13:36
Speaker
Das ist so wie ein bisschen Bitcoin nur anständig. Sie arbeiten was und für eine Stunde bekommen Sie dann einen entsprechenden Betrag, den Sie dann wieder für eine Arbeitsstunde, die jemand anderes für Sie macht, einsetzen können. Und sowas können Sie dann auch nicht stapeln. Manchmal ist es auch so, dass man es
00:13:53
Speaker
so einleg, dass es verfällt nach einer gewissen Zeit, also dass man versucht, einfach gewisse Tätigkeiten, ökonomische Tätigkeiten zu haben, auch wenn jetzt gerade das andere Geld, der Euro zum Beispiel, gerade etwas knapp wird bei einem. Haben Sie da ein Beispiel, wo das gut funktionieren könnte?
00:14:10
Speaker
Eine der größten Alternativwährungen ist ja der Wörgel in Österreich oder die Talente in Vorarlberg auch in Österreich. Wir haben ein ähnliches System in Sardinien mit SARDEX seit einigen Jahren. Das wurde übrigens dann auch nach der Krise 2008, 2009 dort eingeführt. Und diese Regionalwährungen kommen ja auch aus den 1920er und 1930er Jahren, also auch aus einer Krisenzeit, einer ökonomischen Krisenzeit, wo man festgestellt hat, eigentlich gibt es genug zu tun, gibt Angebot an Arbeit und Nachfrage
00:14:37
Speaker
Aber wir haben nicht genügend Geld dafür, dass sie das zusammenkommt.

Krisen, Kapitalismus und die Rolle des Staates

00:14:40
Speaker
Ja, dann schaffen wir doch einfach Geld. Die Herausforderung hier ist eher, wie können wir so ein, sagen wir mal, sekundäres Geldsystem, das eher sehr lokal ist, wie können wir so etwas nicht nur hier und dort aufbauen, sondern wie können wir das überall aufbauen? Und gibt es zum Beispiel Möglichkeiten, wenn ich Leistungen in einem System erbringe, dass ich die auch, wenn ich umziehe, in das andere System transferieren kann? Das gibt es bisher noch nicht.
00:15:01
Speaker
Aber ich glaube, das ist eher eine spannende Frage für Social Entrepreneurs. Wie kann man sowas vielleicht skalieren auf eine interessante Weise? Naja, heute werden wir mit Punkten fürs Konsumieren bezahlt. Genau.
00:15:15
Speaker
Und das ist ja auch nicht ohne Grund, weil das wichtigste Moment ist, dass wir alle verbrauchen, damit das weitergeht. Und da beißt sich gerade aus meiner Sicht ganz gewaltig was, weil wir damit in die Richtung gehen, die, naja, wie jetzt ich sage, dem Tode geweiht ist, aber so geht es nicht weiter.
00:15:32
Speaker
Und was ich sehr spannend finde, ist, dass Sie sagen, es gibt relativ viele Wirtschaftsbereiche, in denen Wachstum gar nicht das primäre Prinzip ist. Und Ihr Hinweis gerade nochmal auf die große Finanzkrise 2008, 2009 führt mich auch nochmal zu meinem Gedanken, dass ich
00:15:50
Speaker
Ich fand, das war so ein Moment, den haben wir wieder zugeschüttet, also mit viel Geld und Hilfsmaßnahmen und vielleicht auch Umbenennung von Schulden, ich weiß es nicht. Aber das strukturelle Problem haben wir nicht gelöst. Und ich habe so einen Eindruck, das kommt jetzt gerade in so einer zweiten, viel langseren, aber viel gewaltigeren Welle nochmal wieder.
00:16:12
Speaker
Dass wir die Kernfrage, wozu das alles und wer profitiert eigentlich wie, wovon und muss immer der, der eh schon stark ist, das ist ja das bescheuerte Prinzip von Kreditvergabe, der das nicht braucht, bekommt es alle anderen nicht, muss man das nicht mal grundsätzlich hinterfragen. Das finde ich daran sehr spannend, aber vielleicht ist es auch sehr idealistisch.
00:16:32
Speaker
Das war ja schon interessant, dass in der unmittelbaren Folge, so die ein, zwei Jahre danach, 2010, 2011, ja sehr viel, also man sehr ernsthaft wirklich drüber geredet hat, oh, was ist denn systemisch schiefgelaufen bei uns? Und müssen wir nicht das Finanzsystem, aber auch wie das Finanzsystem im Verhältnis zur Realwirtschaft steht, müssen wir das nicht alles ganz neu denken? Da hat man ja dann in der Tat auch den Kapitalismus in Frage gestellt.
00:16:56
Speaker
all diese dinge das hat man dann irgendwie wenn man sehr viel geld drauf geworfen hat und dann hat sich wieder so hin geruckelt das hat man dann wieder auch dann sein lassen so 2012 2013 hat dann kaum jemand mehr darüber gesprochen ja und man hat es wieder vergessen dass man eigentlich mal was ändern wollte wobei man muss natürlich auch sagen dass seit dieser zeit
00:17:16
Speaker
seit es knapp 15 Jahren natürlich sich doch was verändert hat. Also die neoliberalen Zeiten, die wir so in den späten 80ern, den 90ern und frühen 2000ern hatten. Also der Markt macht alles, der Staat soll sich zurückhalten, jeder ist für sich selbst verantwortlich und all so Zeugs. Das alles ist ja vorbei.
00:17:33
Speaker
Wir sehen ja seit 15 Jahren eine Wiederkehr des Staates, der ja immer da war. Man hat nur so getan, als ob da gar nichts dazu tut, aber der Staat ist ja immer der größte Einzelwirtschaftsakteur. Der Staat ist also zurück und jetzt durch, also in der Corona-Zeit haben wir es nochmal gesehen, wie wichtig auch der Staat wieder als Akteur ist und jetzt haben wir
00:17:52
Speaker
Krieg in Europa. Auch hier hat sich noch mal was verschoben. Ich will sagen, der Primat der Politik ist zurückgekehrt, vielleicht zuerst so schleichend, aber jetzt sehr deutlich. Also die politische Landschaft, auch die wirtschaftspolitische Landschaft ist heute doch ganz anders als vor 15 Jahren. Gleichwohl, nur weil das eine System quasi in Trümmern liegt. Und ich glaube, das können wir jetzt beim Neoliberalismus durchaus sagen und auf seine Institutionen heißt es noch lange nicht, dass es jetzt gut wird oder anders wird oder menschlicher wird, sondern wir haben jetzt ja eine extreme
00:18:21
Speaker
ja so eine interregnumsphase zu die alte welt und die alten gewissheiten sind so ein stück weit verschwunden aber was so die neue stabilität sein könnte das ist noch völlig unklar und das macht es vielleicht auch so ein bisschen für viele menschen jetzt auch erst mal besorgniserregend ja was passiert da auch aber ist genau die zeit wie ich finde wo man auch über neue
00:18:42
Speaker
Konzepte

Junge Generationen als Veränderungstreiber

00:18:43
Speaker
reden muss und Postwachstum gehört dazu und sich überlegen muss, können wir da vielleicht was rausnehmen, paar interessante Ideen, um auch wirtschaftlich und politisch wieder stabiler zu werden. Also ich habe gerade bei Mittagessen einer Person erzählt, wie cool ich es finde, dass so junge, energische Personen mit dem älteren politischen Personal diskutieren auf Augenhöhe, ohne sich da die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Da spüre ich eine ganz große
00:19:11
Speaker
Unerschrockenheit, auch diese fetten Dinger anzugehen. Ich bin 44 so und mir waren auch vieles immer suspekt. Aber ich habe mich doch durchaus darauf eingelassen, dass es eben so ist. Das braucht man und so ein gewisser Arbeitsethos und ein gewisser Wachstums- und Karriereehrgeiz gehört halt mit dazu. Und da glaube ich, das Interregnungen haben Sie schön gesagt. Da schauen wir in fünf Jahren wahrscheinlich schon anders drauf. Deswegen unterstütze ich
00:19:37
Speaker
das gedanklich schon sehr, weil ich auch denke, dass es einen großen Wurf braucht und ich auch denke, dass es ein demokratischer Moment ist, auch wenn das sozusagen immer im Raum steht, alles andere außer Wirtschaftswachstum ist, ja, wie ich schon sagte, das Ende der Welt. Und noch eine zweite interessante Beobachtung, die ich teilen will, ist, dass ich neulich mit einer Person gesprochen habe, die in den USA beheimatet ist und
00:20:02
Speaker
auch in beiden Kontinenten Geschäfte betreut und ganz klar sieht, dass sozusagen das alte US-amerikanische Modell anfängt hinterher zu hinken, weil sie es versäumen anständig politisch zu regulieren und damit Innovation verhindern. Das fand ich jetzt ganz interessant, was Sie da eingangs erwähnt hatten, dass also politische Regulation mitnichten bedeutet, dass Innovation nicht stattfindet, sondern durchaus als
00:20:26
Speaker
turbo auch Dinge anwerfen kann, wo man sich ansonsten drum rumschummeln würde. Vielleicht zum Abschluss von mir noch die Frage, die Zuhörerinnen und Zuhörer, die selbst Entrepreneur sind oder an entscheidenden Schalthebeln in der Wirtschaft

Nachhaltigkeit neu denken: Profit und ökologische Werte

00:20:43
Speaker
sitzen. Was kann ich denn tun als Unternehmen, wenn ich sage,
00:20:47
Speaker
Also das mit der wachsenden strategie finden wir nicht ganz nachvollziehbar mehr oder wir wollen oder wir müssen oder wir dürfen daran mitwirken eine andere. Art von wirtschaften aufzuziehen was werden dinge mit denen man gut anfangen kann was sollte man aufhören zu tun haben sie da tips.
00:21:04
Speaker
Also die eine Sache ist, da hatte ich erst vor kurzem wieder mit einer Kollegin drüber gesprochen, es wäre mal interessant zum Beispiel den Profitbegriff mal so aufzufassen mit der Frage, wie klein kann ich denn mein Profit werden lassen, dass ich trotzdem noch gut über alle Runden komme und alle Eventualitäten damit abfedern kann.
00:21:24
Speaker
Also so ein bisschen, wenn man den Suffizienzbegriff, also was ist denn genug, mal auch Profit anwendet. Was ist denn gerade noch der Profit, den ich brauche, damit ich gute Runden komme? Und mehr brauche ich nicht, also nicht Profitmaximierung betreiben, sondern tatsächlich, wie klein kann es denn werden? Und dann mal schauen, okay, und was heißt es jetzt und welche Geschäftsfelder bringen mir dann auch den stabilen Ertrag, den ich brauche, damit das letzten Endes funktioniert? Also ich glaube, wenn man damit mal anfängt, dann kann man sein Geschäftsmodell quasi von dieser
00:21:51
Speaker
Value Capture, wie es ja heißt, ja, wenn man den Wert wiederholt, dann kann man von dem also rückwärts gehen, sagen, okay, und wie muss es dann aufgebaut sein? Welche Kostenstrukturen brauche ich dann, dass es auch passt? Welche Kunden sind dann besonders wichtig? Welche sind vielleicht nicht so wichtig? Welche Wertschöpfungsstruktur ist dafür die beste letzten Endes? Ich glaube, das könnte mal eine ganz interessante Fragestellung letzten Endes sein.
00:22:15
Speaker
Genau, und bei den Produkten natürlich, da würde ich dann ganz knallhart die Frage stellen, wie viel ökologischen Mehrwert und wie viel gesellschaftlichen Mehrwert schaffen die eigentlich? Und wie viel Schaden in diesen beiden Bereichen schaffen die? Das weiß man immer erstmal nicht, weil man kann immer sagen, ja, ich habe so viel Wasser eingespart oder so viel Abfall, aber so richtig mal nachdenken, was habe ich da eigentlich getan? Also habe ich wirklich einen Mehrwert geschaffen für planet and people, ja, wie es ja in diesem Dreiklang Prophet People heißt.
00:22:41
Speaker
Das wäre auch nochmal eine ganz interessante Ausgangsfrage. Nicht, dass man jetzt kein Unternehmer mehr ist oder Unternehmerin mehr ist oder gar keinen Profit mehr macht, sondern ganz im Gegenteil fragt, wie klein kann es werden und steht dieser Profit im Dienste einer Mehrwertschöpfung für Natur und Mensch?
00:22:57
Speaker
Und wenn das sozusagen noch Shareholdern zu vermitteln ist, dass das auch eine Benchmark ist, an der man gemessen werden kann, das kann man ja am Ende auch wieder in etwas quantifizierbares umsetzen, dann hat das auch Chancen, dass es sich in einer Art und Weise abbilden lässt, wie Wirtschaft heute denkt. Weil ich finde schon, dass so große Gedanken in ein System zu bringen auch bedeutet, mit dem System zu arbeiten und nicht nur gegen das System.
00:23:25
Speaker
Ich meine vielleicht zu den Shareholder-Anbegriffen ist es natürlich gut, wenn sie sich die aussuchen können und dass sie die Leute als Eigentümer haben, die auch dann das unterstützen. Aber viele Unternehmen in Deutschland haben ja gar nicht dieses Problem, weil sie gar nicht Shareholder in dem Sinne haben, sondern gibt es entweder die Familie, die das besitzt oder es gibt einen sehr überschaubaren, sammengestammten Gesellschaften.
00:23:46
Speaker
Und ich glaube, in solchen Unternehmen kann man relativ schnell auch über solche Dinge diskutieren. Wenn Sie eine sehr große Anzahl von Shareholdern haben, wenn Sie an der Börse notiert sind, dann wird es immer schwer, wie Sie so etwas umsetzen können. Aber ich glaube, wir sollten erstmal gucken, ob wir nicht in den Bereichen der Wirtschaft, die vielleicht auch einfacher zu überzeugen sind bei dem Thema, ob wir da nicht mal ansetzen und gute Beispiele dann auch damit schaffen können und damit auch den Rest dann überzeugen.

Abschluss: Aufruf zur nachhaltigen Geschäftspraxis

00:24:15
Speaker
Ich bin sehr gespannt und werde das weiterverfolgen. Ich habe sie auf LinkedIn gefunden. Das finde ich auch schon mal toll, wenn Wissenschaft auch auf LinkedIn stattfindet. Mehr davon. Danke Ihnen ganz herzlich für dieses super spannende Gespräch. Ich hoffe, viele haben mitgehört und setze mich da auch gerne mit in diese Bewegung, weil ich das auch einfach mal psychologisch betrachtet. Thema Druck.
00:24:39
Speaker
Thema, was ist eigentlich gut, was man tut? Ist es immer nur dann gut, wenn ich gewachsen bin? Das finde ich sozusagen auch für mich als Unternehmerin daran spannende Punkte. Und insofern danke ich für dieses schöne Brain Food am Freitagnachmittag und verabschiede mich nach Stuttgart. Und ja, vielen Dank. Vielen Dank Frau Motschner, machen Sie es gut. Tschüss.
00:25:04
Speaker
Den kleinen Podcast 20 Blue Minutes findet ihr überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Und natürlich bei uns auf 20.blue. Bis bald.