Become a Creator today!Start creating today - Share your story with the world!
Start for free
00:00:00
00:00:01
Folge 13: Arbeitsbedingungen im Journalismus image

Folge 13: Arbeitsbedingungen im Journalismus

20blue hour
Avatar
27 Plays2 years ago

Immer weniger Bewerber:innen auf Journalistenschulen bei gleichzeitigem Stellenabbau: Was ist da los im Journalismus? Liegt es an der zunehmenden Gewalt gegen Journalist:innen oder an den ständigen Change-Prozessen? In der aktuellen Ausgabe der 20blue hour geht Anja Mutschler mit ihrem Team den aktuellen Arbeitsbedingungen im Journalismus auf den Grund.

Die 13. Folge beleuchtet in fünf Teilen die Herausforderungen durch den digitalen Wandel, den neuen War of Talents, die Krise der Pressefreiheit und die Funktion von Gewerkschaften im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. 

Dazu hat Anja mit verschiedenen Stimmen aus dem Journalismus gesprochen: den beiden Journalistinnen und DJV-Landesvorsitzenden Ine Dippmann (Sachsen) und Heidje Beutel (Thüringen), dem Leipziger Journalisten Arndt Ginzel sowie dem Medienforscher Prof. Dr. Christopher Buschow von der Bauhaus Universität Weimar.

Teil 1: Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über Journalismus sprechen?

00:02:28

Teil 2: Der Wandel – hört das denn niemals auf?

00:16:59

Teil 3: War of Talents im Journalismus

00:34:17

Teil 4: Pressefreiheit und die vierte Gewalt

00:46:58

Teil 5: Gewerkschaftsarbeit, wozu?

00:58:53

Die Quellen zu den Statistiken und Zahlen sowie weiterführende Links und alle Empfehlungen aus dem Podcast in den Shownotes auf unserer Website:

https://www.twenty.blue/news/n_94-20blue-hour-folge-13-arbeitsbedingungen-im-journalismus/

Recommended
Transcript

Angriffe auf Journalisten

00:00:00
Speaker
Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten am Rand von Demonstrationen zur Hauptaufgabe mutiert für den DJV Sachsen in den vergangenen fünf, sechs Jahren. Mein Erlebnis liegt inzwischen sechs Jahre zurück. 2016 habe ich beim Jahrestag von Legida in Leipzig von einer Demonstrantin zwei Schläge ins Gesicht bekommen. Ich habe danach einen Wahnsinnstrotz gespürt. Dieses Jetzt erst recht. Sowas lasse ich nicht mit mir machen. Ich mache das öffentlich. Das war ganz, ganz stark in mir drin.

Rolle des Journalismus in der Demokratie

00:00:31
Speaker
20 Blue Hour, der Debattenpodcast vom Research Institut 20 Blue. Herzlich willkommen zu einem neuen Gespräch von und für Schlaue Köpfe. Mein Name ist Anja Mutschler von 20 Blue und in dieser 13. Ausgabe der 20 Blue Hour werdet ihr alles Wichtige zum Thema Arbeitsbedingungen im Journalismus erfahren. Dafür habe ich mit
00:00:57
Speaker
verschiedenen Personen aus den Medien, aus der Wissenschaft gesprochen. Ich verarbeite auch, was ich auf den Medientage Mitteldeutschland erlebt und gehört habe und möchte Ihnen und Euch einen kleinen Einblick geben in den für mich so wichtigen
00:01:17
Speaker
Medienberuf, der als vierte Gewalt eine ganz wichtige Kontrollfunktion hat in einem demokratischen Rechtsstaat wie Deutschland. Welche Dinge müssen passieren? Welche Einflüsse wirken auf das Berufswelt des Journalismus ein? Gibt es Entfaltungsmöglichkeiten? Und für mich die überraschendste Erkenntnis meiner Recherchen
00:01:34
Speaker
Seit wann ist der Journalismus ein Arbeitnehmermarkt? Also ist die Nachfrage nach JournalistInnen deutlich größer als das Angebot derer, die es machen wollen. Auch darum geht es in diesem Feature. Vielleicht ist der ein oder die andere nach dem Feature schlauer bezüglich der Frage, will ich in den Journalismus oder

Entwicklung und Herausforderungen des Journalismus

00:01:54
Speaker
nicht. Das wäre ein schönes Nebenergebnis für mich. Ansonsten richtet sich dieser Podcast an alle, die
00:02:00
Speaker
Medien und Journalismus begleiten, kritisch begleiten, die in der Öffentlichkeit Arbeit tätig sind, die sich für Machtverhältnisse interessieren, für die Frage, was sind eigentlich Grundlagen unserer Demokratie? Und da nehme ich euch mit auf die Reise und sage jetzt Mats ab. Willkommen zu dem Feature, 13. Ausgabe der 20 Blue Hour, Arbeitsbedingungen im Journalismus.
00:02:31
Speaker
Teil 1. Worüber reden wir eigentlich, wenn wir heute von Journalismus sprechen? Landläufig würde man zwischen Information- und Meinungsjournalismus unterscheiden. Das sind zumindest die Debatten entlang, dessen sich die Diskussionen um die Wirkmacht von Journalismus aus meiner Sicht heute entlang hangeln. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bis ins 19. Jahrhundert hinein es
00:02:58
Speaker
ganz und gar normal war, einen Journalismus als Meinungsjournalismus zu verstehen. Der Journalismus, der sich vor allem als Fakten- und Informationsträger verstand, ist erst im 19. Jahrhundert entstanden. Dort sind dann auch die Trennung zwischen Bericht und Kommentar, beispielsweise die bis heute in Printmedien gelten, entstanden.
00:03:21
Speaker
Ich finde interessant, dass es in der 2000 Jahre alten Geschichte dessen, was wir Journalismus nennen, also eine Art Berichterstattung über tagesaktuelle Geschehnisse, die es seit dem Römischen Reich gab,
00:03:36
Speaker
erst relativ spät diese Trennung vollzogen haben zwischen einem meinungsorientierten, man könnte auch sagen lobbyartigen Zusammenschluss von journalistisch tätigen Menschen und dem, was wir heute unter Journalist sein, verstehen, dem kritischen Nachfragen und Begleiten.
00:03:55
Speaker
der Offenlegung, dem investigativen Moment von Journalismus, der sich auch als Kontrollfunktion für die Mächtigen in Politik und Wirtschaft versteht. Denn wenn ich jetzt in diesem Feature über Arbeitsbedingungen im Journalismus spreche, liegen dieser Debatte zwei große Diskussionsstränge zugrunde. Das eine ist, wie gehen wir mit der Digitalisierung um?
00:04:20
Speaker
Er setzt der digitale Journalismus, der Online-Journalismus, das, was wir bislang unter Journalismus verstanden haben, inwieweit muss Journalismus sich insgesamt erneuern als System, als Arbeitgeber, als Informationsträger? Ganz viele Themen spielen dort mit rein.
00:04:37
Speaker
Und das andere ist die Bedeutung des Journalismus im demokratischen Rechtsstaat insgesamt, Stichwort Desinformation, Fake News, Instrumentalisierung von Nachrichten, wieder in eine Richtung, die Journalismus zu einem Meinungs- und nicht zu einem Informationsträger macht. Schlimmer noch,
00:04:53
Speaker
zu einem Falschinformationsträger. Das sind die zwei Diskussionen, die unter der ganzen Frage liegen, was sind die Arbeitsbedingungen im Journalismus heute? Dann muss man berücksichtigen, was löst die Digitalisierung aus? Welche Prozesse? Was ist schon abgeschlossen? Wir reden immerhin über
00:05:11
Speaker
fast 30 Jahre über 30 Jahre Online-Journalismus. Und immer noch scheint mir das nicht ganz geklärt zu sein, auch wenn wir da im letzten Jahr viele, viele Fortschritte gesehen haben. Und das andere ist, wie kann der Journalismus seine Funktion als Wächter, als, ja, Stabilisator von Demokratie weiter garantieren? Und daraus ergeben sich ganz viele Fragen. Wer macht das? Welche Strukturen muss man Journalistinnen anbieten, damit sie diese Rolle gut, sicher und gerne ausfügen können?
00:05:39
Speaker
Insofern ist die Frage, von welchem Journalismus sprechen wir heute für mich nach wie vor der Informations-, der informative Journalismus, den wir brauchen, um die Kontrollfunktion, die Medien bestenfalls haben als vierte Gewalt, weiter ausüben zu können in einem Umfeld, das durch Digitalisierung
00:06:01
Speaker
eine massive Umwälzung erfahren hat, die sich von der Art der Information über die Art zu arbeiten hinweg erstreckt.

Berichterstattung aus Krisengebieten

00:06:12
Speaker
In einem Umfeld, in dem Journalismus wesentlich gefährdeter ist, nicht nur global, sondern auch in Deutschland wird es gefährlicher Journalist, Journalistin zu sein und die
00:06:25
Speaker
Fragestellung, wie kann ein Journalismus natürlich auch wieder im digitalen Umfeld, aber auch generell, sich davor schützen, instrumentalisiert zu werden. Denn die Frage, was sind Fakten, ist längst nicht mehr so eindeutig zu beantworten. Das erlebe ich natürlich tagtäglich in meiner Funktion als Geschäftsführerin bei 20Blue, als Research Institute.
00:06:48
Speaker
wie wichtig es ist, ganz klar zu haben, es gibt quellenbasierte, evidenzbasierte Informationen, auf die man sich verlassen kann. Und seit einigen Jahren ist dieser Grundkonsens, wir verständigen uns darauf, was Evidenz, was quellenbasiert heißt, auch schon am Bröckeln. Das betrifft auch den Journalismus selbst.
00:07:08
Speaker
Also sprich, wir haben jetzt im 21. Jahrhundert einen Journalismus, der seit der Ausbildung der Massenmedien Anfang des 20. Jahrhundert eine relativ stabile Funktion einnimmt, die jetzt gefährdet zu sein scheint an manchen Stellen.
00:07:23
Speaker
und die aber in den demokratischen Strukturen, in denen wir hier leben, gesichert ist. Beispielsweise im Artikel 5 des Grundgesetzes ist ja sehr deutlich festgehalten, welche Funktionen freie Medien haben. Artikel 5 Absatz 1. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
00:07:51
Speaker
Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
00:07:59
Speaker
Und einer der Journalisten, der sich, wie ich, persönlich finde, auf ganz besondere Art und Weise für diese Art Journalismus einsetzt, der also versucht, den Journalismus in seinen Funktionen bestmöglich auszufüllen, also uns, die nicht und weniger wissen, über eine Situation aufzuklären,
00:08:22
Speaker
dabei genau hinzusehen und zu versuchen, das Ganze so objektiv wie möglich zu machen. Zu diesem Menschen gehört auch Arnd Ginzel. Einige kennen ihn vielleicht, einige haben vielleicht auch die 20 Blue Minutes. Das ganze Gespräch, das ich mit ihm geführt habe, Folge 6 schon gehört. Einen Teil dieses Gesprächs möchte ich euch jetzt hier einspielen, denn ich fand wirklich sehr spannend, was er mir erzählt hat, wie man als Journalist in Kriegszeiten
00:08:52
Speaker
seine journalistische Arbeit machen kann. Ganz praktisch. Wie funktioniert das? Wie kann ich Arbeit so machen, dass sie relevant ist, dass sie journalistisch bleibt unter den Vorzeichen einer großen Gefährdung, existenzieller Gefährdung. Man bringt sich in Gefahr als Kriegsjournalist, der er an dieser Stelle ist. Er ist nicht nur Kriegsjournalist, aber in dieser Funktion jetzt gerade in der Ukraine in den letzten Monaten unterwegs gewesen.
00:09:20
Speaker
Und auf der anderen Seite natürlich auch dem fortwährenden Konflikt, dass in Kriegszeiten keine unabhängige Berichterstattung dahingehend möglich ist, dass man nicht beide Seiten befragen kann, sondern im Grunde immer hinter einer Front steht. Ich habe ahnend beispielsweise gefragt, wie das sich so darstellt, wenn man vor Ort ist in einer so gefährlichen Situation und dann in die Rolle des Berichterstatters geht. Wie ist das für einen als Menschen? Wie ist das aber auch ganz praktisch logistisch?
00:09:48
Speaker
Ja, es ist natürlich Stress und es ist auch ein logistisches Problem. Wie kriegt man Fernsehbilder aus dem Kriegsgebiet in die Redaktion nach Berlin oder Mainz? Das ist oftmals, ja, muss man viel improvisieren. Manchmal hat man Glück und dann hat man eine Satellitenübertragung irgendwo. Aber manchmal haben wir es ganz blöd gemacht. Wir haben Bilder über WhatsApp übertragen, wenn es gar nicht anders ging. Und selbst das war irgendwo noch
00:10:18
Speaker
sendefähig. Ja, und wenn es sozusagen direkt meine Arbeit als Berichterstatter betrifft. Ich habe es ja schon gesagt, also ich versuche nicht irgendwas zu erzählen, was ich andersrum ausgedrückt. Ich sage das, was ich gesehen habe oder das, was ich belegen kann. Und wenn ich auf eine Frage keine Antwort geben kann, dann sage ich das auch. Diese Transparenz
00:10:46
Speaker
hat unser Publikum einfach auch verdient, richtendergreifend. Und das können Sie auch von uns erwarten, weil das ja schon eine Verantwortung, die wir da tragen, letztlich.
00:10:58
Speaker
Dann wollte ich von ihm wissen, weil er ja freier Journalist ist, das ist etwas, was du lieben musst, weil du die Person bist, die auch immer wieder Geschichten anbietet, die sich selbst ihre Jobs besorgt und gerade in einer Situation wie in einer Kriegsberichterstattung
00:11:17
Speaker
Stell ich mir so vor, es ist ja schwierig, irgendwie vorzuproduzieren oder auch ganz banale Sachen wie Sicherheit selber zu organisieren. Da hab ich ihn mal gefragt, wie funktioniert der Ablauf? Wie findest du Geschichten? Findest du die selber? Kommen die zu dir? Kriegst du Vorschläge? Ja, wir haben Redaktionen, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten, schon seit ganz, ganz vielen Jahren. Das eine ist die Redaktion exakt beim MDR.
00:11:45
Speaker
und ARD-Fakt, was ja auch von MDR produziert wird. Und das andere ist frontal, also ZDF-frontal als zweiter Partner, ZDF-Zoom. Und es gibt Geschichten oder es gibt Fälle, wo die Redaktionen auf uns zukommen, fragen, könnt ihr da mal hinfahren oder könnt ihr da mal gucken, was da los ist.
00:12:08
Speaker
Und es gibt, ja, ich würde sagen, die meisten Beiträge bieten wir selber an. Das heißt, wir recherchieren, fragen nach, ist das von Interesse oder nicht Interesse.
00:12:19
Speaker
Und dann bekommen wir den Auftrag eben oder auch nicht. Das ist eigentlich so das Häufigste, dass wir die Themen schon selber irgendwie recherchieren und anbieten. Hat den Vorteil, dass wir machen können, was uns natürlich auch interessiert, muss ich auch sagen. Hat einen riesen Vorteil. Als der NSU aufgedeckt wurde, war es so, dass die Redaktion auf uns zugekommen ist. Es ist zu einem recht frühen Zeitpunkt. Da dachten alle noch, das ist eine Boulevardgeschichte.
00:12:51
Speaker
wohnmobil in die Luft in Zwickau eben ein Haus. Und zu dem Zeitpunkt ahnte keiner, was die Hintergründe dieser Geschichte sein könnte. Und dann sind wir halt nach Zwickau gefahren. Und es war auch so, dann stockt einem der Atem, wenn man plötzlich merkt, das ist eine Sähe von rechtsextremen Mordtaten, rechtsterroristischen Mordtaten. Und jeden Tag kam was anderes dazu.
00:13:18
Speaker
Das ist auch so etwas, was einen bis heute fassungslos macht. Und dann Stichpunkt Meinungsjournalismus versus Informativer Journalismus. Eine Frage, die immer wieder hochgekocht wird, gerade auch von Gegnern des sogenannten Mainstream-Journalismus. Dass man ja überhaupt nicht unabhängig unterwegs sei und das Problem besteht natürlich prinzipiell im Krieg an sich.
00:13:42
Speaker
Ich versuche, die Regeln anzuwenden, die ich sonst auch an meiner journalistischen Tätigkeit anwende. Das heißt, das Wichtigste sind Belege. Man muss immer wieder versuchen, sich von Gefühlen vielleicht auch frei zu schwimmen. Ich maße mir auch nicht an, über die gesamte Frontlinie jetzt wieder bezogen auf die Ukraine zu sagen, was überall passiert. Ich kann nur darüber berichten, was ich selber sehe und was ich selber belegen kann.
00:14:08
Speaker
Und ja, also ich würde jetzt auch mich nicht als besonders furchtlos oder so beschreiben. Wir haben alle Angst, wenn wir dort unterwegs sind. Ja, wir fürchten auch um unser Leben. Und da ist eine große Logistik drum herum von Kollegen, die uns da helfen, durchzublicken, wo wir hinfahren können, was wir machen können, wie sich Freunden verändern. Aber Krieg ist natürlich immer eine besondere Herausforderung, weil du nicht die Möglichkeit hast,
00:14:37
Speaker
die Fronten zu wechseln, vor allen Dingen jetzt hier in diesen Krieg. Es ist halt sehr schwierig, auf die osteokainische Seite, auf die separatistische Seite zu gelangen oder von der russischen Seite her zu berichten. Also man kann nicht hin und her fahren, sondern man hat sozusagen den Blick von der Seite, auf der man gerade steht. Das ist halt ein grundsätzliches Problem. Das muss man transparent machen. Man muss zeigen, man muss darüber sprechen.
00:15:05
Speaker
Und wir versuchen beispielsweise, soweit es geht, eben nicht embedded irgendwo mitzufahren, sondern weitgehend unsere Fahrten, unsere Recherchen unabhängig durchzuführen. Und er sagt mir dann im Gespräch auch, dass man vor allem ein Bewusstsein dafür haben muss, wo fängt jetzt die eigene Meinung an, welche Motive, welche Erklärungen bieten sich an für das Verhalten von
00:15:29
Speaker
beispielsweise jungen russischen Soldaten, die von weit her mit falschen Versprechungen oder auch unter Druck in dieses Kriegsgebiet gebracht werden. Also er versucht, den Sachen einfach auf den Grund zu gehen. Ich kann an der Stelle auch tatsächlich euch empfehlen, in der ZDF-Mediathek den Film Die Straße des Todes von ihm anzuschauen. Die müsst ihr jetzt auch noch
00:15:54
Speaker
ein paar Monate online sein, die kamen am 6.7. Juli nachts. Und dort, finde ich, zeigt sich sehr schön, wie man Journalismus in einer sehr schwierigen Situation organisieren kann heutzutage mit den Möglichkeiten, die man auch hat.

Technologischer Wandel im Journalismus

00:16:11
Speaker
Er hat ja dann ein ganzes Team um sich und kann auch über digitale Mittel gehend eine sehr saubere Recherche zu einzelnen Vorwürfen, Geschichten und Vorkommnissen leisten, also deckt jenseits von Klischees, jenseits von Meinungen, jenseits von
00:16:27
Speaker
Behauptungen, Umstände auf, auch das macht guten Journalismus hier auf, dass er explorativ sich ein Schicksal oder mehrere Einzelschicksale herauspickt und den ganzen auf den Grund geht. Diese Reportage, die geht unter die Haut vom Thema her, sie ist für mich aber auch ein ganz tolles Beispiel dafür, wie Journalismus unter schwierigen Umständen gut funktionieren kann. Also Journalismus, den wir heute verstehen.
00:16:53
Speaker
Der verändert sich. Ich habe schon gesagt, der Wandel ist das Prägende. Also schauen wir uns diesen Wandel doch mal genauer an. Teil 2. Der Wandel. Hört das denn niemals auf? Die Medienwissenschaft Trier hat untersucht unter dem Stichwort Journalismus 2.0, wie sich ein Tagesablauf im Journalismus zwischen 1997 und 2017 gewandelt hat. Den Link dazu findet ihr auch in den Show Notes. Und wenn man sich
00:17:22
Speaker
Wenn man sich das anschaut, dann wird schnell klar, dass Personen, die in diesem Tagesablauf von 1997 groß geworden sind, eine ganz andere Erwartung an ihren Job haben als solche, die möglicherweise 2017 ihr Volontariat gemacht haben. Während auf der einen Seite Dunkelkammer und Diskette stehen, steht auf der anderen Seite Social Media und Smartphone. Die Tage beginnen früher,
00:17:50
Speaker
Um nur ein Beispiel zu nennen, 8.30 Uhr, 1997, der Frühdienst kommt in die Redaktion, liest die Post, die Leserbriefe und telefoniert mit den Außenredaktionen.
00:18:01
Speaker
8.30 Uhr 2017 ist die Redaktion schon lange wach und es steht dort, der Chef vom Dienst stellt die abends eingesendeten Planungen der Lokalredaktionen ins Intranet, die die Redakteure unkompliziert auch von ihrem Smartphone abrufen können. Anschließend telefoniert er mit den Reportern, die nur noch zur Wochenkonferenz in die Redaktion kommen. Sie können mittlerweile von überall mit ihren Laptops arbeiten.
00:18:28
Speaker
Und weiter, 9.45 Uhr beispielsweise, 1997, die übrigen Redakteure der Lokaldredaktion treffen ein. Zuallererst überprüfen sie Anrufbeantworter und Faxgerät auf neue Meldungen.
00:18:44
Speaker
9.45 Uhr 2017 heißt es. Die Konferenz am Newstest dauert gerade mal 10 Minuten. Sie beschäftigt sich nur mit neuen Entwicklungen, die sich nach der Hauptkonferenz am Abend ergeben haben. Besonders gut gefällt mir 14 Uhr. Die Redakteure der Mantel-Redaktion treffen ein. Sie sichten die bereits nach Themen sortierten Ausdrucke der Agenturmeldungen und bestimmen die relevanten Tagesthemen für die überregionalen Seiten.
00:19:10
Speaker
Neueintreffende Agenturmeldungen werden laufend auf den Ausdrucken redigiert. So 1997. 2017. Der Online-Chef begutachtet die Social-Media-Daten, um ein aktuelles Stimmungsbild zu erhalten. Welche Themen kochen lokal und regional hoch? Spannend.
00:19:31
Speaker
Ein Bild, das ich auch bestätigt finde, als ich mit Heidi Beutel spreche, Landesvorsitzende des DIV Thüringen, die schon sehr lange im Journalismus arbeitet und zwar seit 1997, auf die Frage, was hat sich denn für dich
00:19:47
Speaker
besonders verändert in der Berichterstattung, in der Art und Weise Themen zu finden, eine sehr erhellende Antwort gibt? Nee, das ist denke ich mal ein gemeinsamer Prozess. Ich schlage zwar Themen vor, aber die Redaktion beauftragt mich ja und ich denke, dass wir
00:20:03
Speaker
in der Redaktion alle zusammen diesen Prozess gemacht haben oder diesen Weg gegangen sind, dass wir gesagt haben, die Termine sind einfach nicht mehr so toll. Es gab auch eine ganz interessante qualitative Befragung mal, die hat uns echt die Augen geöffnet, eine Zuschauerbefragung und wir haben immer gedacht, so wichtige Leute, wenn wichtige Leute kommen und uns irgendwas erzählen, dann
00:20:22
Speaker
haben wir gesagt, boah, dann stimmt das auch und so. Also zum Beispiel der Präsident von der Wohnungswirtschaftsverband oder was auch immer. Wir haben aber festgestellt, dass unsere Zuschauer alle Leute mit Anzügen beteiligt finden. Also unglaubwürdig und blöd praktisch. Man muss echt so brutal sagen. Also jeder, der einen Anzug anhat, muss erst mal zeigen, dass er überhaupt irgendwie da sein darf.
00:20:43
Speaker
Dann sind wir total weg davon und haben halt auch gemerkt, also jetzt gibt es ja viel mehr diese Zielgruppenuntersuchungen, wer guckt uns und so weiter. Also das sind familienorientierte und so weiter und so fort. Und dass wir auch bei einzelnen Themen viel deutlicher sagen können, das interessiert uns.
00:21:00
Speaker
Aber das interessiert unsere Zuschauer null. Also man kann sagen, es interessiert uns, unsere Zuschauer gucken sie vielleicht gerne die bunten Bilder an. Aber eigentlich interessieren tut sie es sich nicht. Und so diskutieren wir jetzt auch, finde ich, viel besser darüber, was wir umsetzen und was wir nicht umsetzen, weil wir jetzt auch Argumente haben und nicht nur, ich kenne den oder mir gefällt das.
00:21:21
Speaker
Also dieses Hören auf das Publikum, das ist auch etwas, das viele Branchenvertreter anderer Branchen hören. Hört mal zu, was eure Kunden wollen. Das hat sich auch im Journalismus durchgesetzt. Zum Thema Wandel habe ich auch lange mit Ine Dippmann gesprochen, die im MDR
00:21:40
Speaker
Genauso wie Heidi lange tätig ist, war auch lange frei, ist aber mittlerweile angestellt, stellvertretende Redaktionsleiterin und hat ihre Karriere im Radio schon während des Studiums begonnen. Konnte mir also sehr schön beschreiben, welche drei Dinge sich für sie am meisten verändert haben im Journalismus. Was hat sich am gravierendsten geändert? Das ist natürlich die technische Ausstattung. Radio PSR war damals
00:22:07
Speaker
mit einem Selbstfahrerstudio, mit einem digitalen Anfang der 90er, ganz, ganz weit vorn dran. Viele andere Sender haben ja noch analog gearbeitet mit Band. Bis 2000, da habe ich das noch erlebt, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, muss ich eigentlich niemandem erzählen, wie das Journalismus auch treibt, wie viele Kanäle das uns zusätzlich eröffnet hat, welche Möglichkeiten, Mediatheken etc. Und die andere Sache, die sich natürlich geändert hat, ist der Arbeitsmarkt.
00:22:32
Speaker
Also ich bin in den 90ern als Studentin immer wieder mit der Ansage konfrontiert gewesen, das wird wirklich ganz schwer in den Beruf reinzukommen, eine Festanstellung zu bekommen, der Markt ist überlaufen und das war ja auch so. Also all die Absolventen
00:22:49
Speaker
von den Universitäten drängten natürlich erstmal in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Beispiel. Und dann war das gesättigt und für die Leute, die in den 90ern Journalist werden wollten, war es ganz, ganz schwer irgendwo Fuß zu fassen.
00:23:04
Speaker
Generation Praktikum ist so ein Stichwort. Man hat sich von einem zum anderen gehangelt. Heute ist eine Generation am Start, die wirklich auf offene Türen trifft, deren Expertise gefragt ist in den Redaktionen und die, wenn sie zeigen, was sie wollen und können, glaube ich ganz, ganz viele Chancen haben und es wesentlich leichter haben, in Redaktionen Fuß zu fassen und dort auch eine feste Beschäftigung, eine gut bezahlte Beschäftigung zu bekommen, als es in den 90ern gewesen ist. Also ein großer Fortschritt.
00:23:34
Speaker
Und wir haben natürlich die gesellschaftliche Entwicklung, die sich auf unseren Berufsstand extrem auswirkt. Das Wort von der Lügenpresse, Mainstream-Medien, das sind alles Entwicklungen der vergangenen Jahre, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Eine große Skepsis, vielleicht auch Vertrauensverlust, gegen den man ankämpft in den Redaktionen, wo man neue Formate sucht, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sie an sich zu binden und dafür zu sorgen, dass Journalismus auch weiter wertgeschätzt wird.
00:24:02
Speaker
und auch bezahlt wird. Also das ist auch nochmal ein ganz, ganz großer Unterschied zu dem, was Anfang der 90er gewesen ist. Dieser Wandel begleitet dich, wenn du im Journalismus tätig bist, also seit vielen Jahren kontinuierlich und lässt keinen Stein auf dem anderen, weder für diejenigen, die im Journalismus arbeiten, als für diejenigen, die die JournalistInnen beschäftigen.
00:24:22
Speaker
Und zu dem Fragekomplex, wie muss eigentlich das Medienhaus der Zukunft aussehen, wie muss eine Redaktion der Zukunft aussehen, gibt es einen sehr guten Gesprächspartner und das ist Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar und den habe ich vor einigen Wochen zum Gespräch getroffen. Das ganze Gespräch könnt ihr euch anhören unter 20 Blue Minutes Folge 5 in unserem Feed.
00:24:43
Speaker
Eine meiner ersten Fragen an Christopher Buschow dreht sich um die veränderte Rolle des Journalismus in der digitalen Öffentlichkeit und er sieht sie einerseits geschwächt durch die Pandemie, aber auch wieder gestärkt. Das ist eine sehr schwierige Frage, einfach weil sie sozusagen sehr viele Ebenen berührt. Zunächst einmal die Ebene, was ist heute eigentlich Öffentlichkeit? Wie konstituiert sich unter digitalen Bedingungen so etwas wie eine geteilte Öffentlichkeit? Inwiefern gibt es sie überhaupt noch in dieser Form?
00:25:13
Speaker
Dann aber auch die Frage, welche Rolle kann der Journalismus innerhalb dieser Öffentlichkeit überhaupt noch spielen? Vielleicht fangen wir mit dem zweiten Punkt ein. Ich glaube, dass sozusagen die letzten Jahre, du hast die Kostensparrunden angesprochen, du hast die Tendenzen angesprochen, dass der Journalismus zunehmend auch Ressourcenmangel hat, seine Aufgabe vielleicht auch an vielen Stellen gar nicht mehr so gut nachkommen kann. Sehe das so, dass all das dazu führt, dass der Journalismus erst einmal natürlich geschwächt wird an vielen Stellen?
00:25:44
Speaker
Gleichwohl, der Journalismus in dieser digitalen Öffentlichkeit immer noch natürlich eine ganz zentrale Rolle spielt, wie auch die Corona-Pandemie gezeigt hat zum Beispiel. Also verlässliche Informationen, Informationen, die man vertrauen kann. Da hat der Journalismus zum Beispiel eine ganz, ganz wichtige Rolle gespielt, auch der Wissenschaftsjournalismus.
00:26:04
Speaker
Das ist auch eine meiner Beobachtungen, die mir immer wieder Mut gemacht hat, dass es einen Journalismus gibt, der sich ernst nimmt. Die Corona-Pandemie hat einerseits die Gräben sichtbar gemacht und ich denke auch, dass die Corona-Pandemie Potenzial hat zu zeigen, dass ein überprüfbarer Journalismus, der sich Zeit nimmt zu recherchieren, der sich aber auch
00:26:29
Speaker
Zeit nimmt darüber nachzudenken, wie die Zielgruppe den Erklärungen folgen kann, also eine Sprache zu wählen, die ankommt, durchaus viel Potenzial hat. Eine Möglichkeit diesen Schatz zu heben sind Start-ups, Neugründungen, Medien-Start-ups. Christopher Buschow hat schon 2017
00:26:50
Speaker
15 Neugründungen untersucht und sich gefragt, welche Chancen zukunftsorientierte Geschäftsideen oder innovative Finanzierungsquellen haben.

Innovationen und Marktbedingungen im Journalismus

00:27:00
Speaker
Die Situation zwischen 2017 und 2022 stellt sich auf alle Fälle unterschiedlich dar. Mittlerweile haben wir Gründungen wie Katapult oder neue Narrative, die von Anfang an
00:27:13
Speaker
bis hin zur Ökonomisierung und Modelle entwickelt haben, die funktionieren können. Aber die erste Gründergeneration im digitalen Journalismus, so war es nun mal, so hat Christopher das 2017 festgestellt, war noch in dieser schwierigen Doppelrolle als Journalist und Geschäftsmann unterwegs und das ist etwas, das kann man unterschätzen. Das kann ich euch auch sagen als jemand, der mit Leidenschaft gegründet hat.
00:27:38
Speaker
Die Möglichkeiten, gerade auch im Lokalen beispielsweise, mit Neugründungen voranzukommen, hat Christopher mehr wie folgt erläutert. Wir sehen zunehmende Gründungsaktivitäten im lokalen Raum mit 4.0 in Düsseldorf.
00:27:55
Speaker
mit Catapult, Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald. Also verschiedene neue Akteure, die sozusagen entstanden sind als Start-ups und Gründungen. Und da kommen ja jetzt auch in nächster Zeit noch welche dazu. Da sind auch erfolgreiche Crowdfundings jetzt schon sozusagen abgeschlossen worden.
00:28:11
Speaker
Das bedeutet, wir sehen dort Aktivitäten, wie Lokaljournalismus vielleicht anders und neu organisiert werden kann, vielleicht auch innovativer gestaltet werden kann, stärker mit den Nutzerinnen und Nutzern vor Ort und sozusagen auch vor allem nicht aus einer vielleicht etwas trägen Bestandsstruktur heraus, sondern in neuen Organisationsstrukturen, die auch sozusagen entwickelt werden, auf der grünen Wiese erst einmal. Und das sozusagen
00:28:33
Speaker
natürlich viele Potenziale bei all den Krisenphänomenen, die im Journalismus so sichtbar sind, bei der Frage, wie er eigentlich finanziert wird, wie er seine Nutzenden künftig noch erreicht, aber auch bei der Frage, wie man ihn eigentlich organisational aufstellt in Zukunft und ob die Redaktion in der klassischen konventionellen Form eigentlich noch ein Zukunftsmodell da ist.
00:28:51
Speaker
Denn gerade der Lokaljournalismus leidet unter der Ausdünnung von Redaktionen. Die Zentralredaktionen von Medienhäusern sorgen zwar dafür, dass die Abonnenten und Abonnentinnen in den Lokalzeitungen
00:29:06
Speaker
einen guten Mantel über überregionale Themen vorfinden. Aber das Versprechen, das gegeben worden ist, dass die Zentralredaktion die effizientere Zusammenführung der Lokalredaktion, das bestätigt mir Christopher Buschow auch im Gespräch, dazu führe, dass die Lokalzeitung besser ausgestattet werden, ist bis heute nicht Wirklichkeit geworden. Das ist gerade in der Branche auch eine
00:29:31
Speaker
Größere Diskussionen. Am 1. Juni gab es zum Beispiel einen Kongress der deutschen Lokalzeitungen in Berlin. Den Link findet ihr auch in den Shownotes, wo es darum ging, dass Lokalzeitungen essentiell auch dafür da sind, die Pressefreiheit und die demokratische Vielfalt zu bewahren und die Appelle bis hin zu Olaf Scholz nach oben.
00:29:52
Speaker
für eine bessere Ausstattung der Lokalzeitung. Es zeigt also, wie enorm wichtig diese Standbeine sind. Das Thema Wandel als solcher ist etwas, das in den Redaktionen auch nach wie vor zu
00:30:08
Speaker
Konvulsionen, was mal führt, das hatte mir Ine Dippmann auch noch mal erzählt, als ich sie gefragt habe, wie sie denn die Wandlungsfähigkeit und auch die aktuelle Situation in den Redaktionen vor der Herausforderung in budgetär knappen Zeiten auch noch mal kurz so eine digitale Transformation durchzuziehen. Genauer habe ich Ine gefragt, ob denn das Personal eigentlich noch zum Journalismus passt, den man braucht.
00:30:35
Speaker
Also tatsächlich löst diese Digitalisierung auch mit ihren vielen neuen Ausspielwegen einen großen Transformationsprozess in den Häusern aus. Und das ist etwas, was auch mit Wachstumsschmerzen einhergeht. Ist ja klar. Viele Leute, die, sag ich mal, in den 80ern, 90ern ihren Beruf gelernt haben, müssen wirklich umdenken. Und das fällt dem einen oder anderen schwerer.
00:30:59
Speaker
Es ist mit Weiterbildung verbunden, es ist mit Einarbeiten in neue Formate verbunden. In vielen Bereichen setzt man auch große Hoffnung auf die Innovationskraft und dieses Mitnehmen durch junge Leute, die in die Redaktion kommen. Es hilft natürlich auch, wenn man Kinder in dem Alter hat und von denen einfach auch ein bisschen mit erfährt, wo informieren sie sich, wie informieren sie sich. Dann ist natürlich die Frage, wie stark der Anpassungsprozess tatsächlich sein kann, also wo es dann auch wirklich noch
00:31:27
Speaker
journalistisches Produkt bleibt, was man anbietet, etwa über TikTok, über Twitter und andere Ausspielwege. Von daher, Absender und Nachfrager.
00:31:39
Speaker
Wir sind immer daran interessiert, die Leute dort abzuholen und dort zu informieren, wo sie sind, setzen aber zum Beispiel beim MDR auch noch ganz, ganz stark darauf, dass unsere linearen Produkte weiter funktionieren. Beim Fernsehen merken wir das. Also wir haben auch in der Corona-Zeit gute Abrufzahlen gehabt, haben uns stärker am Markt etablieren können.
00:32:02
Speaker
Also es ist jetzt nicht so, dass es eine Einbahnstraße ist oder eine ganz vorgegebene Entwicklung, dass sich das eine von dem anderen komplett lösen würde. Also Wandel hört ja der nie auf, habe ich eingangs gefragt. Man sieht zumindest, dass der Wandel, der digitale Wandel
00:32:19
Speaker
vor der Herausforderung eines Journalismus, dessen Position in der Gesellschaft von Teilen der Gesellschaft angezweifelt wird, noch nicht vollzogen ist. Ich habe in den vielen Gesprächen aber auch den Eindruck gewonnen und im DIY tätig auf Kongressen wie Medientage Mitteldeutschland und so weiter, stelle schon fest, dass es mittlerweile einen größeren Konsens gibt als noch vor zwei, drei Jahren.
00:32:46
Speaker
also vielleicht auch vor der Homeoffice-Phase, dass dieser große Prozess, den die Digitalisierung auslöst, der neue Formen des Arbeitens, neue Formen der Rezeption von News und damit auch ein neues Berufsverständnis, was ein guter Journalismus sei, jetzt gut läuft. Hätte ich dieses Feature vor zwei, drei Jahren gemacht, wäre meine Antwort skeptischer gewesen. Ich habe schon den Eindruck, dass gerade viel Zug drauf ist
00:33:15
Speaker
dass sich alle Seiten auch bemühen, da an einen Tisch zu kommen. Dass man vielleicht auch verstanden hat in dieser ganzen Change-Kommunikation intern, dass es nicht darum geht zu sagen, du machst das jetzt oder bist raus, aufgrund der Tatsache, dass wir es mit einem Arbeitnehmermarkt zu tun haben im Journalismus mittlerweile. Und deswegen würde ich mein abschließendes Fazit zu diesem Teil vorsichtig positiv formulieren wollen. Also ich habe den Eindruck,
00:33:44
Speaker
Der Wandel ist in vollem Gange und die erste Phase des Testens ist durch. Wir haben ja hier in Leipzig zum Beispiel Detektor FM, eine super erfolgreiche Gründung eines Digitalradios. Wir haben neue Narrative, wir haben Catapult, wir haben auch
00:34:00
Speaker
Funk gibt Tausende mittlerweile sehr schöne Infotainment-Formate, die digital funktionieren. Also ich persönlich bin da durchaus optimistisch, dass dieser Wandel, der fortwährend ist, der noch nicht abgeschlossen ist, nun zumindest mehr Akzeptanz hat beim Crew der Leute.
00:34:26
Speaker
War for Talents, das hätte ich mir ja niemals träumen lassen, dass ich zu irgendeinem Zeitpunkt meines Lebens zu hören bekomme, dass JournalistInnen gesucht sind, die Stellen unbesetzt bleiben. Das ist für mich, das muss ich jetzt am Anfang wirklich mal herausstellen, die größte Überraschung meiner Recherchen hier und meiner Beschäftigung mit dem Thema, dass es einen Überschuss an freien Stellen gibt, werden gleich nochmal dazu kommen, warum es gleichzeitig auch Stellenabbau gibt.
00:34:50
Speaker
Das klingt so ein bisschen widersprüchlich. Und dieser War for Talents tatsächlich bis hin auch zu Journalistenschulen geht, wo es nur noch ein Bruchteil von Bewerbern gibt im Vergleich zu früher. Nur noch ein siebtel, habe ich gehört. Und das ist für jemand wie mich, der 2003 sehr verzweifelt auf der Suche nach einem Job war, im Journalismus doch eine
00:35:14
Speaker
Einerseits schön, andererseits auch irgendwie frustrierende Nachrichten. Aber so ändern sich die Zeiten. Ich hatte mit Ine Dippmann darüber auch ausführlich gesprochen und hatte sie gefragt, ob diese Nichtbesetzung von Stellen nicht auch als irgendwie eine Art Aufstand zu verstehen ist der jüngeren Generationen. Also absolut würde ich das nicht sagen, aber ein Teil der Wahrheit ist es auf jeden Fall.
00:35:35
Speaker
Und ich finde das gut, weil das Pendel jetzt in eine andere Richtung ausschlägt. Wenn wir uns an die Generation Praktikum, an diese Ausbeutergeschichten erinnern, die haben wir ja auch als DJV die ganze Zeit angekämpft. Wir haben Standards entwickelt für gute Holl- und Hayate, für gute Praktika. Wir versuchen auch in den Redaktionen dafür zu sorgen, dass die Leute eine gute Weiterbildung machen können. Wir kämpfen für gute Honorare und Gehälter.
00:35:59
Speaker
All das erwarten junge Leute heute und die Sender, die Verlager sind jetzt in der Pflicht zu liefern, gute Arbeitsbedingungen zu liefern, damit sie die Leute auch an sich binden können, weil ansonsten suchen die sich den nächsten Laden, in dem sie ein besseres Angebot bekommen.
00:36:18
Speaker
Auch das sorgt für Wachstumsschmerzen innerhalb der Redaktion zum Teil, wo man sich dran gewöhnen muss, dass eben die sagt, nein, ich möchte nicht jedes Wochenende arbeiten und nein, ich möchte nicht unbedingt eine 60-Stunden-Woche haben, auch wenn ich für meinen Beruf brenne. Work-Life-Balance ist wichtig für mich und ich kümmere mich um meine Kinder und um meine Familie und ich möchte ein Leben haben, in dem ich nicht mit 40, 50 in Burnout rutsche.
00:36:45
Speaker
Und das ist eine gute Entwicklung. Ich kann die nur begrüßen. Jetzt muss man sich an der Stelle mal die Zahlen angucken. Es ist gar nicht so einfach, habe ich festgestellt, richtig valide Zahlen zu den Beschäftigten im Journalismus herauszufinden. Die changieren so zwischen 40.000 und 80.000 Menschen, die im Journalismus, in der Publizistik und im Verlagswesen tätig sind. Das ist ja auch eine relativ große Gruppe.
00:37:10
Speaker
Und eine belastbare Studie, die ich gefunden habe, ist vom DIY 2019. Dort heißt es 13.000 bei den Zeitungen, 9.000 bei Zeitschriften und jeweils 7.000 im öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk.
00:37:26
Speaker
macht also knapp 40.000 Festangestellte. Dazu sagt man so, aber die Zahlen sind wirklich schon sehr alt, mindestens 23.000 freie JournalistInnen. Also wir reden von ungefähr 1,75 Prozent aller Beschäftigten, die sich im Journalismus, in der Publizistik und im Verlagswesen, die Zahl ist da zusammengefasst, von Alnsbach 2021 erhoben.
00:37:52
Speaker
und auf eine interessante Gemengelage treffen. Gleichzeitig gibt es einen zu wenig Bewerber innen und dann hast du einen Stellenabbau. Warum ist das so? Das hat Ihnen mir erklärt. Für mich sind das zwei Seiten einer Medaille. Wir haben es mit einem demografischen Wandel zu tun, der dafür sorgt, dass wesentlich weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. Wir haben also ein geringeres Angebot an potenziellen Einsteigerinnen und Einsteigern in den Journalismus.
00:38:21
Speaker
Und auf der anderen Seite haben wir natürlich Konzentrationsprozesse, denen der Markt auch unterliegt, etwa im Tageszeitungsbereich, weil die Tageszeitung mit den Abnahmezahlen zu tun haben, weil sich eine Kultur von Gratis-Mentalität eingestellt hat, die dafür sorgt, dass die Menschen nicht mehr so bereit sind, für Journalismus zu bezahlen, wie das vielleicht in den 90ern gewesen ist, weil dort einfach die Zugänge anders waren.
00:38:49
Speaker
Jetzt sieht man, was es für eine riesengroße Bandbreite an Lokalinformationen etwa gibt. Aber man kann sich auch ganz gut über Häppchenjournalismus bei Twitter informieren. Das ist eine schwierige Gemengelage, denen die Tageszeitungen versuchen entgegenzustehen, indem sie eben versuchen, ihre Prozesse zu optimieren, effizienter zu arbeiten. Und da gehört das Zusammenlegen von Redaktionen dazu. Aber wenn ich mit Chefredakteuren spreche,
00:39:15
Speaker
Dann höre ich immer noch das Credo, wir müssen einen sehr, sehr guten Journalismus abliefern, um die Leute mit unseren Produkten zu begeistern und ihnen klar zu machen, dass sie uns weiter in ihrem Leben haben möchten, dass sie uns weiter brauchen. Das ist etwas, was man mit guten Leuten nur auf die Beine stellen kann.
00:39:39
Speaker
Und das sind wir wieder bei den jungen Leuten, die, wenn sie sagen, für den Beruf brennen, ihnen glaube ich auch die Türen in den Redaktionen offen stehen.
00:39:50
Speaker
Tatsächlich war das ein Thema, das ich auf einer großartigen Podiumsdiskussion auf den Medientagen Mitteldeutschland gehört habe im Juni 2022, könnt ihr auf YouTube auch nochmal in Gänze nachhören, ist wirklich empfehlenswert. Da ging es wirklich zur Sache, da haben wir die Head of Social Media von Funke, die großartige
00:40:11
Speaker
TikTok-Interviews macht und also die neuen Konsumentinnengewohnheiten von News wirklich kennt und das auch durchboxt und auch dafür kämpft, dass es beispielsweise so was wie kürzere oder Teilzeitvolontariate gibt, die da auch in die Diskussion reingeht, um mal das Thema Leidensfähigkeit und 15-Stunden-Tage auszufechten mit Älteren. Also ich glaube nicht, dass ich so laut und mutig gewesen wäre. Wie Amelie Marie Weber.
00:40:40
Speaker
Beeindruckt hat mich auch, wie Philipp Schild von Funk, dem jungen Kanal von ARD und ZDF, sehr freimütig von seiner Nicht-Chef-Rolle erzählt hat. Also er ist zwar irgendwie Chef, aber irgendwie auch nicht. Das heißt,
00:40:57
Speaker
eine sehr diskursive Kompetenzhierarchie, die dazu führt, dass Funk sich im Grunde auch immer wieder erneuert. Ganz wichtiger Punkt. Es gibt nicht den einen Punkt, wo du sagst, jetzt bin ich fertig mit meiner Erneuerung. Nein, das ist ein dauerndes Gespräch.
00:41:13
Speaker
An der Stelle fällt mir auch noch mal ein, was Christopher Buschow sagt zu dieser Frage, wie lassen sich eigentlich in etablierte Systeme neue Organisationsformen einbauen. Auch er rät da zu dem inkrementellen Ansatz, dass man also anfängt mit kleinen Organisationseinheiten oder mit Neugründungen innerhalb eines bestehenden Verlagskonstruktes.
00:41:37
Speaker
Eine Sache, die bei Arbeitsbedingungen im Journalismus wirklich eine oft unterrepräsentierte Rolle spielt, die jetzt aber beispielsweise in Diskussionen innerhalb des DJV auch immer wichtig sind, ist die Frage nach den Freien. Wie werden freie JournalistInnen eigentlich geschützt vor Ertragsausfällen? Wie gelingt es, die freien JournalistInnen besser zu schützen?
00:41:59
Speaker
Und da war das Gespräch, dass ich mit Heidje Beutel, die jetzt schon seit Jahr und Tag frei beruflich tätig ist, das strahlt sie, finde ich, auch aus.

Arbeitsbedingungen und Gewerkschaften

00:42:08
Speaker
So eine Fähigkeit, sich selbst auch immer wieder neu zu entwickeln. Und sie ist im Rat der Freien im MDR auch tätig. Dazu muss man wissen, dass es
00:42:17
Speaker
freie und freie JournalistInnen gibt, die jemand wie Arndt Ginzel beispielsweise ist. Freie im freisten Sinne, der hat mit zwei Kollegen ein Journalistenbüro. Dort entstehen Geschichten oder Ideen zu Geschichten, die dann an Redaktionen verkauft werden. Im Schnitt statistisch betrachtet, das hat eine Studie zur Präkarisierung im Journalismus ergeben, verdienen Freie fast 800 Euro weniger als angestellte JournalistInnen. Also es ist
00:42:44
Speaker
auch ein hartes Brot. Und dann gibt es die festen Freien, die gewisse Privilegien genießen, aber nicht angestellt sind. Das ist ein hybrides Konzept, das ich mir von Heidi auch mal erklären habe lassen. Und im Anschluss daran hat sie mir auch noch mal ein bisschen erzählt, was so typische Problemfelder sind und was von der Funktion so ein Rat der Freien auch hat, dem sie auch in ihrer Funktion als Gewerkschafterin beiwohnt.
00:43:13
Speaker
Es gibt ganz wenige, die wirklich ganz, ganz frei arbeiten. Die meisten Leute sind in irgendeiner Weise an den MDR gebunden. Die meisten sind sozusagen fest frei. Und da gibt es wieder Unterschiede. Aber das ist immer so, wenn ich das zum Beispiel im Vorstand erkläre, zu erklären Versuche, kriegen die einen Knall. Es ist mittlerweile so, dass die meisten auch als Pauschalisten arbeiten, also Tagespauschalen bekommen. Und diese Tagespauschalen sind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Das heißt, der MDR zahlt zum Beispiel für mich auch Lohnsteuer und Sozialabgaben.
00:43:43
Speaker
Eigentlich muss man sagen, ich bin eigentlich so gut wie gar nicht frei, weil ich bin nur arbeitsrechtlich frei. Also ich muss mal morgens um eine bestimmte Uhrzeit kommen, ich muss eben arbeiten, bis ich fertig bin und so weiter und so fort.
00:43:56
Speaker
Und dann gibt es halt diese ganzen Tarifverträge zur sozialen Absicherung, also Mutterschaftsgeld, Krankengeld, Urlaubsgeld. Und da sind sozusagen in den letzten Jahren wirklich sehr, sehr viele Verträge entstanden, unter anderem auch für Leute, die lange dabei sind, also wie ich. Die haben Bestandsschutz. Sie erzählt dann auch, was sie von ihren KollegInnen so angetragen bekommt.
00:44:18
Speaker
Ja, ganz viele. Also es gibt einerseits zum Beispiel, dass irgendwie Honorare werden zu spät bezahlt oder was auch immer. Also so organisatorische Probleme. Dann gibt es Diskussionen darüber, wie jemand beschäftigt wird. Also darf die Person selbstständig arbeiten oder muss sie eben so einen Pauschalvertrag machen? Wenn zum Beispiel das Programm wird geändert, wird jetzt viel mehr auf YouTube ausgespielt, dann
00:44:42
Speaker
Ist die Frage, verdienen die Leute dadurch weniger? Wird das überhaupt darüber diskutiert, wie das gemacht wird und so weiter und so fort? Und dann konkrete Probleme natürlich, wenn es bei der Abnahme Probleme gibt oder was auch immer. Also das sind eigentlich wahrscheinlich ziemlich ähnliche Probleme, die der Personalrat auch hat.
00:44:59
Speaker
Wer also in den Journalismus geht, hat verschiedene Optionen. Als freier, festfreier, angestellter Definition des Berufsbildes hängt ein Stück weit davon ab, welche dieser Formen ich wähle.
00:45:14
Speaker
Aber die Präkarisierung des Berufes, die ist nicht zu unterschätzen. Und dieser War of Talents ist auch deshalb präsent, weil die Arbeitsbedingungen im Journalismus ein Stück weit ungeklärt sind. Also wie kann ich dafür
00:45:30
Speaker
Sorge tragen, dass mein Beruf auch funktioniert, wenn ich Familie habe, dass mein Beruf auch funktioniert, wenn ich Teilzeit machen möchte, dass dieser Beruf auch funktioniert, wenn ich zu pflegende Angehörige habe, dass der Beruf auch funktioniert als Reputationsträger. Da gibt es ein paar ungeklärte Fragen.
00:45:49
Speaker
die durch das Ausbluten dieses Berufsbilds aufgrund, manche sagen es ist vorgeschoben, die Finanzprobleme in den Verlagshäusern. Aber das als Argument scheint mir schon ein ganz wichtiger Punkt zu sein, warum der Fachkräftemangel so groß ist derzeit im Journalismus. Es sind bestimmte
00:46:09
Speaker
Praktische Fragen nicht geklärt. Was liefert mir eine gute Arbeitsumgebung? Man sieht den Kampf um neue Organisationsformen, der noch im Gange ist. Das heißt, die Frage, kann ich mich als junge Person dort integrieren und fühle mich auch wohl? Auch nicht.
00:46:29
Speaker
noch nicht geklärt. Insofern sind das lösbare Probleme. Ich glaube, hier muss man tatsächlich auch mal einen Appell in Richtung Verlegerinnen und Verleger loswerden. War of Talents ist lösbar, wenn ein paar Stellschrauben gedreht werden in Sachen Arbeitsbedingungen, in Sachen Honorare, um Journalismus in seiner Kernfunktion zu informieren und zu kontrollieren, zu gewährleisten. Auf dieses Thema schauen wir jetzt im vierten Teil.
00:47:04
Speaker
Hat Deutschland global betrachtet ein Problem mit der Pressefreiheit? Das habe ich Christopher Buschow gefragt.
00:47:12
Speaker
Ja, leider ist es ja um die Pressefreiheit weltweit nicht so gut bestellt. Und ich glaube, das sind so Entwicklungen, die natürlich auch eine Folge der Digitalisierung sind, dass wir sozusagen Akteure haben, die versuchen strategisch den Journalismus zu delegitimieren, ihm seine Rolle auch abzusprechen und seine Funktion in unserer Gesellschaft abzusprechen. Das ist sozusagen geht los von Rhetorik übelster Art bis hin zu, was du auch angesprochen hast, tatsächlich physischen Angriffen. Hier muss auch
00:47:39
Speaker
Natürlich, der Staat dafür sorgen, dass Journalistinnen und Journalisten vor allem auch sicher ihre Arbeit machen können. Es scheint aber diese wirtschaftliche Dimension, über die viele Menschen nicht Bescheid wissen, auch eine sehr problematische zu sein. Es gibt Studien aus den Vereinigten Staaten, die zeigen, dass 70 Prozent der Bevölkerung keine Ahnung haben, dass die ökonomischen Bedingungen für den Journalismus sehr schwierig geworden sind.
00:47:59
Speaker
Mir scheint auch, dass in der Politik noch nicht an allen Stellen angekommen ist, dass wir schon auch überlegen müssen, wie wir künftig Journalismus auch bereitstellen können für die Menschen. Und an der Stelle, glaube ich, gibt es auch eine Aufgabe der Politik, der öffentlichen Hand, zu organisieren, dass der Journalismus auch eine wirtschaftliche Zukunft hat. Und ich sehe da auch eine wichtige Rolle, auch um Pressefeier zu bewahren, eben die ökonomischen Bedingungen des Journalismus
00:48:25
Speaker
zu unterstützen. Wir diskutieren hier in Weimar, wir forschen auch dazu seit einigen Jahren schon um Fragen der Innovationsförderung im Journalismus, ob nicht die öffentliche Hand, die Transitionsphase, in der sich der Journalismus nun gegenwärtig eben befindet, auch unterstützen kann.
00:48:41
Speaker
an der Stelle auch vielleicht nochmal interessant darauf hinzuweisen, dass es ein Kongress deutscher Lokalzeitung gab am 1. Juni und dort auch Bundeskanzler Olaf Scholz ganz klar gemacht hat, wie wichtig und wie eng ein gut ausgestatteter Lokaljournalismus und die Pressefreiheit.
00:49:00
Speaker
zusammenhängen. Es ist schon bemerkenswert, dass sich auch eine Bundesregierung direkt dafür einsetzen möchte, den Lokaljournalismus, die Lokalzeitung zu schützen und die Rahmenbedingungen der Arbeit zu verbessern. Er sagt, die freie und unabhängige Presse ist für eine funktionierende Demokratie schlechthin systemrelevant.
00:49:19
Speaker
Gerade den Lokalmedien gelingt es oft, Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und abzuholen. Berichterstattung zu lokalen Themen ermuntert auch Bürgerinnen und Bürger zu Engagement und demokratischer Teilhabe, die sich sonst eher rausgehalten hätten. Das ist gelebte Demokratie.
00:49:35
Speaker
Es ist ein interessanter Punkt, inwieweit der Lokaljournalismus prägend auch für die Pressevielfalt ist, die wir brauchen. Das war ein Thema, das ich auch mit Heidi Beutel besprochen habe. Heidi Beutel beispielsweise arbeitet zurzeit im Norden Thüringens und hat das als Herausforderung bezeichnet.
00:49:58
Speaker
Und so eine eher strukturschwache Region wie der Norden Thürings zeigen exemplarisch ganz gut, was Lokalarbeiten bedeutet. Bei Ihnen sind es andere Themen gewesen. Das Thema Gewalt gegen Journalistinnen ist eins, das sie leider kennt, auch aktiv.
00:50:19
Speaker
Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten am Rand von Demonstrationen ist ja tatsächlich ein Gebiet, was zur Hauptaufgabe mutiert ist, muss ich wirklich sagen, für den DJV Sachsen in den vergangenen fünf, sechs Jahren. Mein Erlebnis damit liegt inzwischen sechs Jahre zurück. 2016 habe ich beim
00:50:38
Speaker
Jahrestag von Legida in Leipzig, von einer Demonstrantin, zwei Schläge ins Gesicht bekommen. Ich habe danach einen Wahnsinnstrotz gespürt. Also dieses Jetzt erst recht, aber so was lass ich nicht mit mir machen, das lass ich nicht auf mir sitzen, ich mach das öffentlich. Das war ganz, ganz stark in mir drin.
00:50:58
Speaker
Die andere Seite ist natürlich, dass das etwas ist, was man niemandem abverlangen kann. Und ich kenne genug Leute, die sagen, sorry, das muss ich mir nicht antun. Und das ist absolut achtsam und genau so wertzuschätzen. Es gibt da kein richtig oder falsch, sondern ich finde, wir machen einen Job, der eigentlich nicht gefährlich sein sollte, zumindest nicht, wenn man den in Deutschland ausführt.
00:51:25
Speaker
Und wenn es in diese Richtung geht, dann ist es gutes Aufpassen, auf sich selber zu gucken, wie weit möchte ich denn gehen. Also es gibt Leute, es gibt Typen, die gehen immer wieder dahin, wo es weh tut. Und ich habe eine riesen Achtung vor denen. Leute wie Thomas Dutt, die alle rechten Demonstrationen begleiten, Henrik Merker als Fotograf immer dabei, die sich dem auch aussetzen, die sich auch dem Hass aussetzen, der ihnen entgegenschlägt.
00:51:51
Speaker
und die sich wirklich ein dickes Fell über die Jahre erarbeitet haben. Aber es ist nicht jedermanns Sache und das muss es auch nicht sein, wenn man diesen Beruf ausüben möchte. Dazu gibt es eine traurige Statistik von 2015 mit 44 offiziell erfassten Aktionen gegen JournalistInnen bis 2021 83. Muss man sagen, ist die Steigerung schon gewaltig. Also es sind auf jeden Fall 2021 83 zu viel.
00:52:18
Speaker
Ihr kennt ja, die Berichte sind üblicherweise auf Demonstration. Es wurde jetzt auch gerade wieder verhandelt über einen Fall, wo ein CTF-Team am Rande einer Pegida-Demonstration angegriffen worden ist. Das ist natürlich ein Thema, das eine große Rolle spielt bei den Arbeitsbedingungen.
00:52:38
Speaker
Im Journalismus, wie gehe ich jetzt damit um? Was macht das mit mir, wenn ich weiß, dass mein Beruf potenziell gefährlich ist? Das ist ein Thema, das ich auch immer wieder höre, wenn ich jetzt auch mit Nachwuchs diskutiere, wie so ein Journalismus ist das Thema. Na ja, dann werde ich angegriffen, spielt schon eine große Rolle.
00:52:56
Speaker
frei, ungehindert, ohne Angst vor Zensur oder Repression berichtet zu können, das ist eine schwierige Sache. Dieses Jahr ist am 3. Mai 2022 der Welttag der Pressefreiheit, die 20. Ausgabe der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen erschienen.
00:53:16
Speaker
Richtig grün im Sinne von eine gute Lage ist bis auf Skandinavien keine Region mehr. Russland ist natürlich komplett abgerutscht und mittlerweile eine sehr ernste Lage für Reporter ohne Grenzen. Deutschland oder USA oder Frankreich, Spanien, na ja, wir sind zufrieden stellen. Das heißt, es gibt Einschränkungen, die jetzt bei uns vor allem mit Gewalt zu tun haben.
00:53:42
Speaker
Wir haben uns ein wenig verschlechert von Rang 13 jetzt auf Rang 16. Reporter ohne Grenzen kritisiert explizit den mangelnden Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie ihrer Quellen.
00:53:58
Speaker
bei der neuen Cybersicherheitsstrategie der Bundesregierung, weil sie die Befugnisse für Sicherheitsbehörden ausweiten möchte. Dann haben wir den Staatstrojaner, also eine Möglichkeit des Staates, Handys zu hacken, zum Beispiel auch von JournalistInnen. Die Spyware Pegasus, all das sind Dinge, die JournalistInnen in der Ausübung ihrer Arbeit behindern können.
00:54:23
Speaker
Und Bundesbehörden müssen nicht automatisch Auskunft erteilen, wenn Medien sie fragen. Das ist ein großes Thema, das immer wieder hohe Wellen schlägt. Ich sitze hier in Sachsen und kann euch sagen,
00:54:38
Speaker
spielt das eine sehr große Rolle. Wenn wir über Sachsen sprechen, dürfen wir diesbezüglich auch eine positive Meldung vermerken, denn jetzt am 8. Juli hat Sachsen über den Bundesrat
00:54:54
Speaker
eine Gesetzesinitiative eingeracht, die vor allem helfen soll, die News Deserts, die Nachrichten wüsten, verhindern. Es wird auch eine Studie zitiert aus den USA, wo es schon Regionen ohne Lokalzeitungen gibt.
00:55:10
Speaker
Und jene Studie kam eben 2019 zu dem Ergebnis, dass Nachrichtenwüsten dazu führen, dass die Wahlbeteiligung sinkt. Das ist ein Riesenproblem. Der Zusammenhang zwischen demokratischer Beteiligung und journalistischer Information und Pressevielfalt ist direkt nachweisbar.
00:55:28
Speaker
Und entsprechend ist die Initiative Sachsens, Zeitungen wirtschaftlich so zu unterstützen, dass die redaktionelle Hoheit nicht beeinträchtigt wird. Die Presseförderung soll darauf hin abzielen, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, um Presseerzeugnisse in allen Teilen unseres Landes zu sichern. Ein Förderkonzept, wie es Christopher Bushow ja auch schon vorgeschlagen hat.
00:55:55
Speaker
Es ist für mich ein sehr eindrückliches Beispiel, an welcher Stelle Medien stehen. Die kontrollierende Funktion, die sie als vierte Gewalt haben, ist schlussendlich eine, die auch einer demokratischen Politik hilft.
00:56:10
Speaker
Aber wie ich schon aufgezählt habe, was Reporter ohne Grenzen in puncto Quellenschutz und Ausspähen von JournalistInnen angebracht hat, auch das sind sehr ernsthafte Themen, wo ich hoffe, dass die journalistischen Gewerkschaften weiter dranbleiben, um das Thema auf dem Schirm zu behalten. Denn oft werden die großen Geschichten unter Einsatz von Karrieren, man kann über Julian Assange denken, was man will, aber
00:56:40
Speaker
Er hat eine große Diskussion in Gang gesetzt mit Wikileaks, mehrere große Skandale aufgedeckt dank Wikileaks. Und solche Strukturen müssen prinzipiell möglich sein, dass eine Quelle, die sich äußern möchte, eine in der Demokratie verankerte Sicherheit hat, dass sie das auch tun kann. Das muss geprüft werden. Das ist Aufgabe dann der Journalistinnen und Journalisten. Aber die Möglichkeit, das in einem geschützten Raum zu tun, ist essentiell.
00:57:09
Speaker
und der Schutz von Berichtern und Journalistinnen auf Demonstrationen. Das fällt mir ein bisschen schwer, das auch neutral zu formulieren, aber das ist eine Aufgabe, der sich die Polizei und damit auch die Politik noch mehr annehmen muss.
00:57:26
Speaker
Dort auf diesen einzelnen Demonstrationen Situationen, in denen die Polizei ihrer Aufgabe nicht neutral nachkommt. Wir sehen immer wieder Videos. Vue Kritik, eine junge Initiative in Sachsen, die auf Demonstrationen jetzt zum Beispiel bei den Corona-Leugnern dabei war und auf großer Paar ausgesetzt war oder das auch gefilmt hat. Das geht überhaupt nicht. So ist es einfach.
00:57:51
Speaker
unterirdisch, auf welcher Ebene erstens verhandelt wird, auf welcher Ebene diese Demonstrationen stattfinden, verbal in Jurien und einfach eine unfassbar aggressive Stimmung herrscht und der Schutz von JournalistInnen ist nicht immer so gewährleistet, wie es gewährleistet soll. Das ist, finde ich, ein ganz wichtiger Punkt.
00:58:12
Speaker
und jetzt kommen wir zum letzten Teil, gewerkschaftlicher Hilfe, also einer Organisationsstruktur, die gerade für einen so fragmentierten
00:58:25
Speaker
Berufszweig wie den Journalismus sehr wichtig ist, adressiert werden kann. Eine Gewerkschaft ist im Grunde eine Art Lobby für bestimmte Arbeitnehmer oder freie Rechte. Dieses Thema, dass Journalistinnen in der Ausübung ihre Tätigkeit geschützt werden müssen und dass sie alle Zugänge, die sie brauchen, haben müssen, ist genuin Gewerkschaftsarbeit. Das kann keiner und keiner der Journalisten einzeln leisten. Deswegen der letzte Teil.
00:59:01
Speaker
Die Frage stellen sich offensichtlich viele Leute, die im Journalismus tätig sind, denn die Zahlen in den Gewerkschaften selbst, die Mitgliedszahlen sind rückläufig. Gewerkschaften schließen Landesverbände zusammen. Insgesamt ist Gewerkschaftsarbeit etwas, das gerade mit Blick auf die ansonsten sehr schnelle Gegenwart, die altmodisch wirkt.
00:59:23
Speaker
Ich challenge dieses Vorurteil jetzt einmal, weil ich selbst immer wieder mit Zweifeln aber in einer Gewerkschaft geblieben bin, obwohl ich selbst von dieser Gewerkschaft nicht unmittelbar profitiere. Insofern fühle ich mich nicht primär als Gewerkschafterin, sondern als Unterstützerin.
00:59:39
Speaker
Stützerin und glaube, dass mein Auf und Ab, meiner Liebe und Distanz zu der Marke DOV, auch zu den Inhalten, die dort diskutiert worden sind, durchaus repräsentativ sind. Das ist für mich lange ein Thema gewesen, bin bleibe ich jetzt dabei oder nicht, weil ich genervt war darüber, dass alles so langsam geht. Das hat sich jetzt abgeschwächt in den letzten zwei, drei Jahren bei mir. Erstens
01:00:03
Speaker
sehe ich Aufholbewegungen. Das Wort Content kann ausgesprochen werden, ohne dass es Allergien auslöst. Es ist auch klar, dass es neue Geschäftsmodelle gibt. Es ist auch klar, dass es erweiterte Formen von journalistischer Arbeit gibt, dass primär zur Information oder auch zur Serviceinformation oder auch zu Unterhaltungen gelungene Formate ihren Raum im Journalismus haben dürfen, die von Menschen
01:00:30
Speaker
produziert werden, die sich als Content-Creators bezeichnen und nicht primär als JournalistInnen. Denn die wichtige Grundlage, journalistisch zu arbeiten, ist für mich, dass es nach journalistischen Kriterien funktioniert und dort dann verschiedene Ausprägungen je nach Typ, je nach Berufsbild, je nach Berufswunsch auch geben kann. Also unabhängig, faktenbasiert zu arbeiten und auch eine kritische Distanz zum Gegenstand zu bewahren. Das sind Grundzutaten, die es für Journalismus braucht.
01:00:59
Speaker
Und die braucht es auch heute noch, genauso wie es Gewerkschaften braucht. Deswegen bin ich in meiner Zeiteinteilung zwischendurch herausgeforderten Zuneigung zum DIV immer da geblieben und mittlerweile auch sehr froh, weil ich dort in den Kern der Diskussionen vordringe, die nicht nur den Journalismus betreffen, sondern unsere Gesellschaft.
01:01:19
Speaker
unter der Lupe, die ich dort vorfinde, mit mir geistig verwandten Menschen. Das trifft für mich persönlich zu und trifft Generalisten wie mich, die sich für sehr viele Sachen interessieren und gleichzeitig sich freuen über neue Impulse, die
01:01:34
Speaker
die offen für Veränderungen sind, die flexibel sind, die eine Ambiguität aushalten. Und wo ich mir dann schon auch oft wünsche, dass Menschen, die ich in anderen Zusammenhänge treffe, obwohl sie journalistisch tätig sind, sich gar nicht so zugehörig fühlen, weil, na ja, Gewerkschaft halt. Dem ist das Ganze hier ein wenig gewidmet. Also Gewerkschaft wozu? Das hab ich die beiden Gewerkschafter-Vertreterinnen gefragt, Heidje und Ine, mit denen ich gesprochen hab. Also, Heidje, warum braucht's heute noch eine Gewerkschaft?
01:02:04
Speaker
Ja, man braucht natürlich die Tatsache, dass überhaupt eine da ist, damit die Honorare schön steigen, die Löhne steigen, damit gute Haustarifverträge geschlossen werden. Damit haben wir auch in den letzten 10, 20 Jahren in Thüringen wirklich auch
01:02:19
Speaker
sehr viel Erfolge gehabt, also zum Beispiel beim ersten Tarifvertrag bei Antenne. Da haben wir darauf geachtet, dass eben wirklich ganz viele Leute Mitglied geworden sind und dann haben wir den eben wirklich auch durchsetzen können. Und beim MDR sind auch in den letzten 15 Jahren zum Beispiel die Honorare der Freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen wirklich deutlich gestiegen dadurch, dass wir die Tarifverträge abgeschlossen haben. Sie hat mir dann auch weiter erzählt, welche Funktionen die Gewerkschaft spielt, zum einen zum Thema Pressefreiheit.
01:02:48
Speaker
Wir waren als DJV allerdings bei so großen Sachen, vor allem in Erfurt waren wir dabei. Sebastian Scholz und ich, einerseits haben wir immer vorher der Pressestelle, Polizei gesagt, so wir kommen dann, also klar Kontakt mit ihnen aufgenommen, waren dann sichtbar auch für die Kollegen und haben gesagt, hier wenn was ist, könnt ihr euch an uns wenden und haben auch zum Teil zwischen der Polizei, Polizeipressesprecher und den Kollegen vermittelt, wenn die sich halt zum Beispiel auch nicht jetzt so getraut haben, diese anzusprechen.
01:03:15
Speaker
Das haben wir dann eine Zeit lang auch wieder nicht gemacht, weil es uns dann doch auch wieder zu gefährlich erschien. Eine Zeit lang haben wir uns da wirklich gezeigt. Wir haben sehr gutes Feedback bekommen. Die Kollegen haben gesagt, dass es ihnen sehr viel wert ist. Und für die Pressefreiheit allgemein, es gibt ja dann viel mehr Aspekte. Zum Beispiel, dass eine Stadtverwaltung in einem öffentlichen Brief eben
01:03:36
Speaker
Zeitungskollegen kritisiert hat und runtergemacht hat. Und dann sind wir halt zusammen mit dem Chefredakteur halt da zur Stadtverwaltung gegangen und haben dann mit denen darüber diskutiert. Also unserer Meinung nach war das völlig unmöglich, so einen offenen Brief zu machen und Kollegen mit einem Namen hier anzuzählen. Das macht mir auch Spaß, ehrlich gesagt.
01:03:52
Speaker
Es sind halt auch manchmal Kommunen, die jetzt auch gar nicht so richtig wissen, wie man mit Reportern umgeht. Ein ehrenamtlicher Beigeordneter, der den Bürgermeister vertreten hat, hat eine Zeitungskollegin Hausverbot erteilt, weil ihm die Artikel von ihr nicht gefallen hat, haben wir natürlich auch gesagt, dass es so nicht geht und so weiter und so weiter. Sowas gibt es halt schon öfter mal und das ist dann natürlich schon immer ganz gut, wenn die Kollegen dann wirklich einen ganz engen Draht zu uns haben.
01:04:15
Speaker
Und zum anderen auch für Freie. Gerade für Freie Journalisten tut eine Gewerkschaft wie der DJV viel. Und im Übrigen muss man noch nicht mal Mitglied sein, wie Hattie sagt. Also wir fragen nicht, ob die Leute frei sind oder nicht frei sind. In einem Fall ist der Kollege noch nicht mal Mitglied. Aber aus Prinzip wollten wir uns da einfach einmischen.
01:04:34
Speaker
Das sind natürlich Aussagen, die kann man unterstützen oder auch nicht. Ich würde jetzt Heidje als eine recht typische Vertreterin einer Gewerkschafterin verstehen. Sie geht gern streiken, sie findet es cool da wirklich auch sich einzusetzen für diese Themen rund um Gehalt und auch sich zu fetzen mit, hat keine Angst da in den Konflikt reinzugehen.
01:04:54
Speaker
Das ist sicherlich etwas Wichtiges, wenn du ein aktiver Vertreter von Gewerkschaft sein willst. Eine Gewerkschafterin hat nicht als Funktion freundlich zu sein, sondern sich für das Anliegen der Mitglieder einseitig einzusetzen. Gerade heute hier auch in Thüringen in einem relativ kleinen Verband mit nicht ganz einfachen Grundbedingungen, finde ich ein sehr schönes Beispiel.
01:05:18
Speaker
Für Ine Dippmann steht noch ein anderer Aspekt zusätzlich im Vordruck, weil in einem Branchenverband, was er ja auch ist, aktiv zu werden, hat auch ganz viel mit Vernetzung zu tun. Mich hat beim Journalistenverband der Vernetzungsgedanke immer eine riesengroße Rolle gespielt.
01:05:35
Speaker
Leute zu treffen, die in anderen Redaktionen arbeiten, die vielleicht in anderen Lebenssituationen auch sind. Also mit einer größeren Lebenserfahrung, Arbeitserfahrung und von diesen Gesprächen zu profitieren. Als Impulse, also nicht im Sinne von da ist jemand, der mir den nächsten Job verschafft, sondern die eigene Entwicklung anzustoßen.
01:05:57
Speaker
Ideen zu generieren, gemeinsam auch rumzuspinnen und vor allem dieses, du bist nicht allein in der ein oder anderen Situation als Stärkung zu empfinden. Das hat mir immer gut getan beim Journalistenverband. Ich habe auf den Seminaren coole Leute kennengelernt, es gab tollen Input, der mich beruflich weitergebracht hat, sowohl inhaltlich,
01:06:17
Speaker
als auch was meine Organisation als freie Journalistin, die ich ja über viele, viele Jahre gewesen bin, anbelangt. Ja und vor allem dann im Gesamtverband eben nicht nur die Journalistinnen und Journalisten aus Leipzig und Sachsen kennenzulernen, sondern bundesweit.
01:06:32
Speaker
den Austausch zu genießen. Ich bin ein großer Fan davon, Best-Practice-Beispiele auszutauschen und zu überlegen, wie kann ich denn etwas, was jemand anders woanders entwickelt hat, auf meine Gegebenheiten hier anpassen mit den Leuten vor Ort und einfach dafür sorgen, dass es den Kolleginnen und Kollegen noch mehr Spaß macht, Journalistin oder Journalist zu sein in Sachsen.
01:06:54
Speaker
Dieses Gespräch miteinander, das ist tatsächlich auch eine Sache, habe ich euch ja schon erzählt, die für mich ein ganz wichtiger Aspekt sind. Journalistinnen sind natürlich vom Berufsbild her auch gerne mal so einsame Wölfe, die sich gar nicht unbedingt austauschen und vernetzen wollen, aber die Herausforderungen, die viele haben,
01:07:14
Speaker
ähneln sich doch auch vom technischen Equipment über Zeitmanagement bis hin zur permanenten Fortbildung, die man braucht, um auf dem Laufenden zu bleiben oder eben auch das Gefühl zu haben an hochpolitischen Diskussionen direkt an der Quelle zu sitzen und die Arbeitsbedingungen im Journalismus ein Stück weit mit definieren zu können.
01:07:42
Speaker
Ja, das war das Feature zum Thema Arbeitsbedingungen im Journalismus, Folge 13 der 20 Blue Hour, ein für mich sehr spannendes Feature, in dem ich fortführend zu dem Gespräch mit Joachim Wiedmann, das ich vor einem Jahr, also im Juni 2021 geführt habe, wo es auch um die
01:08:07
Speaker
Erneuerungsdynamik ging, also um die Frage Leute bewegt euch mal, macht mal hinne, ändert eure Einstellung gegenüber journalistischem Arbeiten, damit Journalismus weiterhin seine wichtige Rolle spielen kann. Haben wir heute mal einen Blick auf den Aspekt von Arbeitsbedingungen geworfen, welche Grundvoraussetzungen braucht es um im Journalismus
01:08:30
Speaker
zufrieden und erfolgreich arbeiten zu können, auf welchen Seiten besteht da ein Bedarf und Notwendigkeit, sich zu verändern, ins Gespräch zu kommen.
01:08:42
Speaker
Mein Eindruck vor meinen Recherchen war negativer als er danach ist, das ist schon mal ganz gut. Ich habe schon den Eindruck, dass sehr viel dafür zu tun ist, dass der Journalismus gestärkt wird als vierte Gewalt, dass die Funktion, die er hat in der Kontrolle von Macht,
01:09:06
Speaker
Auch denjenigen, die mächtig sind, langsam auffällt als Stabilisierungsfunktion in der Demokratie und Medienvielfalt ein Thema. Die Konsolidierung von Medien ist auch etwas, was nicht noch weitergehen sollte.
01:09:23
Speaker
durchaus das neue Medienformat, der auch eine Belebung in eine Vielfalt mit reinbringt, die es braucht und eben die Versorgung in der Ebene. Also da gibt es für mich schon mehr Bewusstsein und das ist, glaube ich, auch durch Entwicklungen, wie wir es in den USA sehen, die da schon im negativen Sinne zwei Schritte weiter sind, wo es also Regionen gibt, die ganz ohne Lokalzeitung auskommen.
01:09:47
Speaker
und auch eine Nichtvermittelbarkeit mehr zwischen den einzelnen Ideologien vorhanden ist, vor allem aber das Grundgerüst, auf dem alles basiert, was in einer aufgeklärten Gesellschaft sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft eine Grundvoraussetzung ist, nämlich die Tatsache, sich auf Faktizität zu verständigen, also auch einen gleichen Faktenfundus zu haben,

Integrität und investigative Arbeit im Journalismus

01:10:14
Speaker
dass der Journalismus dafür auch eine eminent wichtige Rolle spielt und sei es die Leserinnen und Leser, die Zuschauerinnen und Zuschauer, die Hörerinnen und Hörer dabei zu bilden, wie das funktioniert, also wie man von A nach B kommt, ohne sich in Meinung zu verheddern, ohne Klischees zu reproduzieren, ohne einfach mal was festzustellen, was man so denkt.
01:10:34
Speaker
dafür sichtbar zu bleiben in der Breite und in der Tiefe als Medium, dass diese Funktion denjenigen, die darüber nachdenken, wie der Journalismus in Zukunft aussehen kann, doch schon mehr vor Augen steht, als ich es befürchtet habe. Also es gibt lösbare praktische Themen, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf, die
01:10:58
Speaker
Kompetenz statt Altershierarchie. Es gibt größere Fragen beim Thema Honorar und Gehälter. Das sind lösbare Dinge. Das ist eine Liste, die man abarbeiten kann. Wirklich, macht das. Ich weiß nicht an wen ich es richte, aber es ist durbel. Es ist eine Variable A, die man sehr gut behandeln kann. Man muss es nur wissen und tun.
01:11:17
Speaker
Und das sind Grundvoraussetzungen, um dafür zu sorgen, dass der Nachwuchs stimmt. Und der Nachwuchs ist wichtig, um diese Pressevielfalt herzustellen. Und die Pressevielfalt ist wichtig, um die Demokratie, die wir hier in Deutschland haben, weiterhin zu verteidigen. Und da fängt ein Systemgespräch an, dem ich gerne noch weiter beiwohne und das ich gerne von außen weiter betrachte. Ich bin allen, mit denen ich gesprochen habe, extrem dankbar dafür, was sie tun.
01:11:45
Speaker
Sei es wissenschaftlich, der Christopher Buschow auch Grundlagen legt. Ihr könnt ihn an vielen Stellen hören und sehen. Ich kann es wirklich empfehlen. Er kann extrem gut Dinge auf den Punkt bringen und benennen, worum es in der Diskussion geht, ohne eine von beiden Seiten Arbeitnehmende und Arbeitgebende da zu sehr auf Konfrontation nur zu bürsten, denn es gibt auf beiden Seiten Hausaufgaben.
01:12:07
Speaker
Ihnen und Heidi in ihrer Doppelfunktion als Journalistin und Gewerkschaftsvertreterin also sehr viel ihrer Zeit dafür aufbringen, dass wir heute und morgen und übermorgen gute Medien genießen können. Und Arne Ginzel als ein Beispiel für einen Journalisten, einen freien Journalisten, der also in ganz besonderer Art und Weise unter auch schwierigen Bedingungen
01:12:35
Speaker
investigativ, gründlich, unabhängig, in verschiedenen Regionen und verschiedenen Feldern als Journalist tätig ist und Dinge aufdeckt. Dieses Aufdeckende, hingehen, wo keiner hingeht, hinsehen, wo keiner hinseht, diese Funktion auszufüllen, davon träume ich, dass es noch mehr Journalistinnen auch in Zukunft gibt, also sei wie ahnt.
01:12:58
Speaker
Bevor ich es vergesse, ich möchte Danke sagen für die Unterstützung als Sprecher an Sebastian Scholz und für Recherche in Redaktion an Denise Luxer und an Björn Berger, der auch in der Postproduktion gewirkt hat. Das war ein schönes Co-Work und ich möchte euch allen dafür Danke sagen. So, jetzt. Also, ich freue mich über Feedback und euch einen wunderschönen Tag, eine schöne Sommerzeit. Bis bald.
01:13:30
Speaker
Und schon ist sie vorbei und schlägt in 30 Tagen wieder. Die blaue Stunde. Schreibt uns, teilt und abonniert unsere Podcasts. 20 Blue Hour findet ihr überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Und natürlich bei uns, auf 20.blue. Bis bald.