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83 Plays4 months ago

Gratismut tut selten gut.

Geredet, gedacht und geschrieben wird viel über Nachhaltigkeit. Doch warum kommt die Transformation nicht in Schwung? In dieser Episode lautdenken diskutieren Stephie und Lars, warum Vernunft und Einsicht nicht ausreichen. Damit eine Gesellschaft problematische Dinge unterlässt und stattdessen zukunftsfähige beginnt, braucht es mutige Menschen, die sich ans Eingemachte trauen. Wie das aussehen kann, was wir dafür aus der Geschichte lernen können und welche Rolle Pflastersteine dabei spielen, das erfahrt ihr in dieser neuen Folge lautdenken.

LEISE WEITERDENKEN
Appiah, K. A. (2011). Eine Frage der Ehre. Oder wie es zu moralischen Revolutionen kommt. München.
Hochmann, L., & Gottschlich, D. (2025). www.abpflastern.de . Entsiegelungs-Wettbewerb. Koblenz.
Schaffer, U. (2022). Grundrechte: ein Manifest. Freiburg im Breisgau.
Schweitzer, A. (2020). Die Ehrfurcht vor dem Leben. Grundtexte aus fünf Jahrzehnten. München.

Transcript

Einleitung und Thema 'Ehrgefühl'

00:00:01
Lars Hochmann
Hallo Welt und wunderschönen guten Tag, liebe Steffi.
00:00:06
Stephanie
Mein lieber Lars.
00:00:08
Lars Hochmann
Wir denken wieder laut.
00:00:11
Lars Hochmann
Ich freue mich auf eine neue Folge mit dir und habe dafür einen Begriff mitgebracht, der mich in den vergangenen Wochen wieder, wieder muss ich sagen, kommen wir gleich drauf, warum wieder, wieder vermehrt beschäftigt

Wie oft begegnet man 'Ehrgefühl'?

00:00:25
Lars Hochmann
hat.
00:00:25
Lars Hochmann
Ich möchte gerne mit dir reden und diskutieren über Ehrgefühl.
00:00:33
Stephanie
Ehrgefühl.
00:00:35
Stephanie
Erstens bin ich neugierig, wie dir das so viel begegnet ist.
00:00:37
Stephanie
Ich wüsste nicht, wann mir das zuletzt begegnet

Ist Ehre ein Gefühl?

00:00:40
Stephanie
ist.
00:00:40
Stephanie
Ich finde, das ist ein sehr starkes Wort, wo viel Bedeutung hinterliegt, viel... Und genau hinterfragt habe ich es noch gar nicht.
00:00:49
Stephanie
Also das erste Gedanke, der mir kam, kann Ehre ein Gefühl sein.
00:00:55
Stephanie
Aber vielleicht magst du zunächst erst einmal berichten, wie du darauf gekommen bist.
00:00:59
Stephanie
Wo es dir so viel begegnet.
00:01:02
Lars Hochmann
Sehr, sehr gerne.

Projekt und Wettbewerb in Deutschland

00:01:04
Lars Hochmann
Ich habe im Rahmen meiner Lehre gerade ein tolles Projekt.
00:01:10
Lars Hochmann
Und zwar haben wir einen bundesweiten Entsiegelungswettbewerb, der heißt Abpflastern.
00:01:17
Stephanie
Ja.
00:01:17
Lars Hochmann
Kann man nachschauen, www.abpflastern.de.
00:01:19
Lars Hochmann
Und da geht es im Grunde darum, dass so Städterivalitäten genutzt werden für Entsiegelungen.
00:01:24
Lars Hochmann
Da kann man sich vorstellen wie so eine Tabelle und dann steht da halt drin,
00:01:27
Lars Hochmann
Köln ist auf Platz 1 und Düsseldorf ist auf Platz 2.
00:01:31
Lars Hochmann
Und dann denken die sich in Düsseldorf, Mensch, da müssen wir doch nochmal ran, weil wir wollen ja gerne auf Platz 1.
00:01:35
Lars Hochmann
Kann ja nicht sein, dass ausgerechnet Köln vor uns ist.
00:01:38
Lars Hochmann
Also auf diese Art und Weise, wo dann so Städterivalitäten drin sind.
00:01:42
Lars Hochmann
Das hat ein Vorbild aus den Niederlanden, das Terrelripen.

Einfluss von 'The Honor Code' auf Ehre und Wandel

00:01:46
Lars Hochmann
In der Schweiz gibt es dazu auch schon eine Initiative, das sind die AsphaltknackerInnen.
00:01:52
Lars Hochmann
Und ja, wir haben jetzt eben im Rahmen unseres Lehrprojektes angefangen, diesen Entsiegelungswettbewerb nach Deutschland zu holen.
00:02:00
Stephanie
Mhm.
00:02:02
Lars Hochmann
Und rollen ihn da aus und der läuft gerade und die Resonanz ist total toll.
00:02:05
Lars Hochmann
Und da habe ich mich wieder erinnert gefühlt an ein Buch, das mir vor vielen Jahren, als es mir das erste Mal begegnet ist, wirklich die Augen geöffnet hat.
00:02:17
Lars Hochmann
Also das war eins.
00:02:19
Lars Hochmann
Eines dieser Bücher, das ich vermutlich Zeit meines Lebens nicht vergessen werde, also was wirklich einen sehr großen Einfluss genommen hat auf meine Art, über die Welt nachzudenken und im Besonderen über Transformation nachzudenken, nämlich von Quarma Anthony Appiah.

Moralische Revolutionen und gesellschaftlicher Wandel

00:02:39
Lars Hochmann
Ein Philosoph, der mittlerweile, also aus Ghana stammt, mittlerweile an der NYU lehrt.
00:02:45
Lars Hochmann
The Honor Code, auf Deutsch eine Frage der Ehre.
00:02:50
Lars Hochmann
Das kennst du, glaube ich, auch, oder?
00:02:52
Stephanie
Ja, ich habe es aber noch nie ganz gelesen.
00:02:55
Stephanie
Aber ich kenne es und ich weiß es und ich habe es schon mal angelesen und ich weiß auch, dass es mich fasziniert hat.
00:03:00
Stephanie
Ich komme gerade nicht mehr darauf, warum ich es nicht weiter gelesen habe.
00:03:04
Stephanie
Aber vielleicht magst du weiter ansetzen.
00:03:05
Lars Hochmann
Vielleicht ist das die Veranlassung, es nochmal aus deinem zu lesen Stapel zu ziehen.
00:03:08
Stephanie
Ja, mein Kopf ging gerade durch, wo es liegt.
00:03:13
Stephanie
Ja.
00:03:15
Lars Hochmann
In wenigen Worten, also er schaut sich da so kulturhistorisch an, wie es zu moralischen Revolutionen kommt.
00:03:21
Stephanie
Mhm.
00:03:21
Stephanie
Mhm.
00:03:21
Stephanie
Mhm.
00:03:22
Lars Hochmann
So lautet da auch der Untertitel im Deutschen, wie es zu moralischen Revolutionen kommt.
00:03:26
Lars Hochmann
Und da schaut er sich an die nordamerikanische Sklaverei, er schaut sich an das Füßebinden im vorkommunistischen China und er schaut sich an das zentraleuropäische Duell.
00:03:45
Lars Hochmann
Und schaut sich das eben kulturhistorisch an und stellt die Frage, wie kommt es eigentlich darauf, dass in einer Gesellschaft etwas, was lange Zeit völlig normal war,
00:03:56
Lars Hochmann
dass man Menschen behandelt hat wie eine Sache, dass Frauen ihre oder vielmehr junge Mädchen schon, auch Kinder ja, ihre Füße, also dieses Füße binden, dass diese Zehen so unter die Fußsohle kommen und dann so geschnürt werden, dass sich richtig der Fuß so verkrüppelt.
00:03:59
Stephanie
Ja.
00:04:18
Lars Hochmann
Aus Schönheitsidealen, meine ich, war das heraus.
00:04:21
Lars Hochmann
Wie kommt es dazu?
00:04:22
Lars Hochmann
Oder eben dann beim Duell, wenn man die gleiche Frau liebt, sich am nächsten Tag um 12 Uhr auf dem Marktplatz zu treffen und mit dem Degen ins Auge zu stechen.
00:04:32
Lars Hochmann
Also wie kommt man darauf, wenn das völlig normal ist, dass Gesellschaften auf einmal sagen, das machen wir nicht mehr.
00:04:42
Lars Hochmann
Also wo es zu so einer Umwertung der Werte

Phasen des gesellschaftlichen Wandels

00:04:45
Lars Hochmann
kommt.
00:04:45
Stephanie
Mhm.
00:04:45
Stephanie
Mhm.
00:04:46
Lars Hochmann
Und was da bei ihm spannend ist, ist halt, dass er sagt, diese reine Ablehnung.
00:04:52
Lars Hochmann
Die reine Ablehnung reicht nicht aus, sondern aus der Ablehnung muss eine Auflehnung werden.
00:04:59
Lars Hochmann
Und da beschreibt er so fünf Phasen, in denen das stattgefunden hat.
00:05:03
Lars Hochmann
Und das finde ich so spannend, dass nämlich in all diesen Fällen, sowohl bei der Sklaverei, der Nordamerikanischen, als auch dem Füßebinden, als auch dem Duell, es so gewesen ist,
00:05:14
Lars Hochmann
dass es so eine Phase gab, in der es so eine völlige Ignoranz dem Gegenüber

Rebellion für moralischen Wandel

00:05:18
Lars Hochmann
gab.
00:05:18
Lars Hochmann
Wo gesagt wurde, ja, meine Güte, wir haben doch überhaupt kein Problem.
00:05:21
Lars Hochmann
Ist so alles nicht so schlimm.
00:05:22
Lars Hochmann
Haben wir doch immer so gemacht.
00:05:24
Lars Hochmann
Und dann also so eine Phase der Ignoranz.
00:05:26
Lars Hochmann
Und dann sich so eine Phase der Delegation angeschlossen hat, wo es dann darum ging, ja, gut, meinetwegen gibt es da irgendwo ein Problem.
00:05:26
Stephanie
Mhm.
00:05:38
Lars Hochmann
Aber ist ja nicht mein Problem.
00:05:40
Lars Hochmann
Ist ja das Problem der anderen.
00:05:43
Lars Hochmann
Dann so eine Phase der Rationalisierung, so eine Ja-Aber-Phase, wo gesagt wird so, ja, okay, ja, ist schon okay, wir haben da ein Problem und ja, das hat auch irgendwie was mit mir zu tun, aber, und dann kommen ganz viele Gründe, die angeführt werden, warum man dann doch irgendwie weiter an der Sklaverei festhalten sollte, das hat vermutlich was mit Preisen zu tun und die Wirtschaft und so weiter und so fort und
00:06:07
Lars Hochmann
Und Schönheitsideale und dann eben auch Ehre, wenn wir an das Duell denken.
00:06:15
Lars Hochmann
Und dann erst in so einer vierten Phase, so eine Transformationsphase, wo es dann hieß, ja, wir haben ein Problem, ja, ich bin Teil des Problems und ja, und wir gehen das jetzt an.

Wettbewerb und gesellschaftlicher Wandel

00:06:29
Lars Hochmann
Und danach, und das ist nochmal wieder ein spannender Dreh, danach so eine Phase des völligen Unverständnisses, wo es dann hieß, ja wie konnten wir denn jemals, wie konnten wir denn jemals etwas so Barbarisches tun, etwas so Verbrecherisches tun?
00:06:48
Lars Hochmann
wie Menschen zu versklaven, Frauenfüße derart zu verkrüppeln oder halt uns auf dem Marktplatz abzustechen, bloß weil wir die gleiche Frau toll finden.
00:07:04
Lars Hochmann
Und dieses Buch von Appia, das finde ich jetzt so spannend, weil es da eben markiert, dass Transformation keine Frage von Vernunft und Einsicht ist.
00:07:20
Lars Hochmann
Die Argumente für und wieder Sklaverei, die Argumente für und wieder Füße binden und so weiter, die waren alle lange, lange Zeit auf dem Tisch.
00:07:29
Lars Hochmann
Die Menschen wussten, was sie taten.
00:07:32
Lars Hochmann
Das hat nichts zu tun mit Vernunft und Einsicht.
00:07:36
Lars Hochmann
Nein, die Transformation ist gekommen, weil aus der Ablehnung eine Auflehnung wurde, weil eine kleine Gruppe begonnen hat zu sagen, ich kann morgens nicht länger in den Spiegel schauen, wenn wir so weitermachen.
00:07:47
Lars Hochmann
Das müssen wir anders machen.
00:07:49
Lars Hochmann
Und angefangen haben, eine andere Praxis zu normalisieren.
00:07:54
Lars Hochmann
Und diese Normalisierung einer anderen Praxis hat dann Druck zur Rechtfertigung auf die anderen ausgeübt, die an der alten Praxis festgehalten haben.
00:08:05
Lars Hochmann
Und genau diesen Modus, den entdecke ich jetzt wieder in diesem Entsiegelungswettbewerb.
00:08:12
Lars Hochmann
50 Jahre lang können wir Bücher und Regalwände voll mit Publikationen in die Welt reinstellen, mit Argumenten, warum es sinnvoll ist, dass wir unsere Städte entsiegeln und warum passiert es am Ende.
00:08:27
Lars Hochmann
Ja, weil irgendjemand in den sozialen Medien schreibt, guck mal hier, lieber Herr Oberbürgermeister, die da nebenan, die sind ja schon viel weiter als wir.
00:08:38
Lars Hochmann
Und es wird zu einer Frage der Ehre.
00:08:45
Stephanie
Das ist so spannend.
00:08:46
Stephanie
Eine Frage der Ehre taucht ja in ganz vielen anderen Kontexten auf.
00:08:51
Stephanie
Und mir ist mittlerweile wieder eingefallen, an welchem Punkt ich das Buch beiseite gelegt hatte, weil ich da tiefer einsteigen wollte in diesen Irritationspunkt.
00:08:56
Lars Hochmann
Ja.

Persönliche und soziale Dimension der Ehre

00:09:00
Stephanie
Wie konnten wir nur?
00:09:02
Stephanie
Und mich ab dem Punkt angefangen habe mit Verhaltensdesign und Entstehung von Designmustern im Verhalten von Menschen zu beschäftigen.
00:09:10
Stephanie
Und dann den Weg zurückscheiben, wenn ich wieder gefunden habe.
00:09:13
Stephanie
Danke für die Erinnerung.
00:09:18
Stephanie
Und für mich der Ehrbegriff, so wie er in einer Frage ist, ist das eine Frage der Ehre?
00:09:26
Stephanie
Ich glaube, es gibt sogar einen Film, der so heißt, oder?
00:09:30
Stephanie
Ich immer an den Punkt selber wiederkomme, wer stellt die und wem?
00:09:36
Lars Hochmann
Ja.
00:09:38
Stephanie
Also ist das etwas, was mit dem Selbstbezug und so einen Reflexionsmoment mit sich selber hat?
00:09:44
Stephanie
Ist das etwas, wo jemand ein Vorrecht hat, weil es moralisch normativ gerahmt ist, diese Position, diese Institution hat eine Möglichkeit, eine Frage der Ehre zu stellen?
00:10:00
Stephanie
Ist es etwas, was...
00:10:03
Stephanie
in und für Gemeinschaften eine größere Bedeutung hat, um eine Rahmung zu bekommen.
00:10:09
Stephanie
Das Wort, was du mitgebracht hast, ist ja auch eher Gefühl.
00:10:13
Stephanie
Es scheint ja ein Konzept zu sein, was sehr emotional aufgeladen ist.
00:10:17
Stephanie
Und wo liegen dann so Toleranzgrenzen?
00:10:21
Stephanie
Wenn eine Frage der Ehre gestellt wird, ist das eine Frage von, ist das noch tolerierbar oder nicht?
00:10:28
Stephanie
Und was, wenn nicht?
00:10:31
Stephanie
Kannst du damit was anfangen?
00:10:34
Lars Hochmann
Ja, also dieses Gefühl finde ich an der Stelle auch wirklich auf einer theoretischen, aber eben dann auch auf einer praktischen Ebene sehr, sehr wichtig, wenn wir sagen, es geht nicht um Vernunft und Einsicht.
00:10:49
Lars Hochmann
Es geht nicht darum, dass ich weiß, was ich tue und dann aus diesem Wissen heraus...
00:10:54
Lars Hochmann
anfange, anders zu handeln, sondern dass es eine Empfindung ist, die ich habe, dass das etwas ist, was ich fühle, dass ich mich bei meiner Ehre gepackt fühle.
00:11:05
Lars Hochmann
Man könnte ja auch sagen, ich mache mich in dem Moment selbst verantwortlich für etwas.
00:11:09
Lars Hochmann
Das ist ja eine Selbstresponsibilisierung, die da stattfindet.
00:11:09
Stephanie
Vielen Dank.
00:11:14
Lars Hochmann
Und dann sind wir wirklich auf so einer reinen
00:11:17
Lars Hochmann
auf so einer rein emotionalen Ebene.
00:11:20
Lars Hochmann
Wir sind nicht auf einer kognitiven Ebene, wir sind nicht auf einer rationalen Ebene, sondern auf einer emotionalen Ebene.
00:11:29
Lars Hochmann
Und
00:11:31
Lars Hochmann
Die normative Richtung davon, die braucht natürlich dann immer noch einen Nachsatz.
00:11:36
Lars Hochmann
Denn als Frage der Ehre, du hast diesen Film angesprochen, ich vermute, es ist ein Kriegsfilm, also diese ganze Anrufung von Ehre, auch wenn wir so an Ehrenmorde und so etwas denken, da steckt ja dann auch so viel drin.
00:11:53
Lars Hochmann
Ja, viel so Militärisches oder auch so, wie man das neudeutsch nennt, toxische Männlichkeit und sowas drin.
00:12:03
Lars Hochmann
Also es braucht immer noch eine normative Ausrichtung oder anders vielleicht nicht eine normative Ausrichtung, sondern die Frage der Ehre muss selbst einer ethischen Reflexion standhalten.
00:12:15
Stephanie
Hmm.
00:12:15
Stephanie
Hmm.
00:12:15
Lars Hochmann
So rum ist es vielleicht sinnvoller.

Ehre im gesellschaftlichen Kontext

00:12:19
Lars Hochmann
Wo sich dann immer noch die Frage nach diesem ethischen Fundament stellt.
00:12:25
Lars Hochmann
Also in wessen Namen kommt diese Anrufung, diese Frage der Ehre?
00:12:31
Lars Hochmann
Hast du ja auch gefragt, wer stellt eigentlich die Frage, wer oder was ist das?
00:12:36
Lars Hochmann
Und wenn wir das jetzt mal übertragen, wer oder was macht es denn eigentlich zu einer Frage der Ehre, so wenn wir an Städterivalitäten denken?
00:12:42
Lars Hochmann
Woher kommt das, dass die Leute hier, ich lebe ja in Bremen, woher kommt das Ding zwischen Hamburg und Bremen oder zwischen Köln und Düsseldorf?
00:12:49
Lars Hochmann
Das hat viel mit Fußball zu tun, oder?
00:12:52
Stephanie
Mit Fußball?
00:12:53
Lars Hochmann
Ja, ich denke da irgendwie immer gleich an Fußball.
00:12:56
Lars Hochmann
Auch diese ganzen Revierderbys und so, die es da in NRW gibt, das hat doch immer irgendwas mit Fußball zu tun, oder?
00:13:07
Stephanie
Ich habe bei Fußball gerade nur die aktuellen Schlagzeilen, das haben wir euch im Kopf.
00:13:11
Lars Hochmann
Ja, das wird ja auch nochmal spannend werden jetzt, dem HSV oder wie der heißt.
00:13:17
Lars Hochmann
Mhm.
00:13:19
Stephanie
Ja, aber auch mit diesem Platzsturm und ob das jetzt, das ist, das schien ja auch eine Form von, das ist jetzt wichtig und das wurde gefährlich, war einige, aber das lenkt ab, also das, was, ich, mein Gefühl, um über das Gefühl der Ehre zu sprechen, ist auch spannend, vielleicht finde ich ein anderer Wort, weil mein Impuls, ähm,
00:13:46
Stephanie
wenn es um das Konzept der Ehre geht und auch wenn es um das Ehrgefühl ist, wäre für mich das Ehrgefühl nur der erste Wahrnehmungsmoment.
00:14:00
Stephanie
Irgendwas macht das gerade mit mir, was hier passiert.
00:14:04
Stephanie
Irgendwie löst das bei mir aus, ich möchte da handeln.
00:14:09
Stephanie
Und dann ist ja die Frage, ist das etwas, was aus einem Instinkt heraus geschieht, weil man das aus einem Gefahr, Bedrohungs, Schützungsinstinkt, der wachgerückt wird, entsteht oder kommt das aus einem Sozialisierungsmoment, der ähnlich aussieht.
00:14:31
Stephanie
schnell handelnd, auslösend sein kann und ob es nicht wichtig wäre, dann eher von einer Ehr-Intuition zu sprechen, die Instinkt und Intellekt noch zu verbinden weiß.
00:14:43
Stephanie
Also Ehr-Gefühl ist mir fast schon zu impulsiv, als dass ich es...
00:14:50
Stephanie
im besten Sinne verändernd wirksam sehen mag, weil dann vielleicht auch etwas ausgeschaltet wird in dieser ersten Reflexreaktion, wo ein zweiter Gedanke dazu ganz wichtig und hilfreich wäre.
00:15:04
Stephanie
Und für mich verbindet Intuition immer das, was bei uns im Instinkt ausgelöst wird, mit etwas, wo ich mit einem zweiten Blick drauf aus dem Intellekt nochmal rahme, was ist jetzt hier handlungswürdig,
00:15:20
Stephanie
Oder andersrum, ich leite mir etwas her und schaue nochmal auf mein Bauchgefühl.
00:15:24
Stephanie
Also ich komme aus dem Intellekt und gehe dann in den Instinkt, um intuitiv handeln zu können.
00:15:28
Stephanie
Und für mich wäre es momentan von dem, so wie wir sprechen, eher fast ein Wunsch ist, eher Intuition als eher reines Ehrgefühl zu nehmen.
00:15:37
Stephanie
Ich weiß nicht, ob es mir in dem Instinktiven sicher genug, ich glaube das beste Wort ist sicher genug aufgehoben ist, um da so einen großen Handlungsrahmen daraus abzuleiten für sich selber.
00:15:51
Lars Hochmann
Ja, ich verstehe deinen Punkt.
00:15:53
Lars Hochmann
Also dieses, einer Reflexion zugänglich zu machen.
00:16:00
Stephanie
Ja.
00:16:01
Lars Hochmann
Ja, absolut.
00:16:02
Lars Hochmann
Das war ja auch das, was ich mit dem, es muss einer ethischen Reflexion standhalten.
00:16:06
Lars Hochmann
Das ist ja genau das.
00:16:07
Lars Hochmann
Das passiert ja auch nicht im luftleeren Raum, sondern das bin ja dann im Zweifel ich oder jemand anders.
00:16:14
Lars Hochmann
Ehre hat ja nun wirklich auch etwas mit Anerkennung zu tun.
00:16:18
Lars Hochmann
Ja.
00:16:20
Lars Hochmann
Und ist damit ja eigentlich ein eher sozialer Begriff, würde ich sagen.
00:16:23
Lars Hochmann
Es ist kein individualistisches Konzept, sondern Ehre hat etwas zu tun mit Anerkennung im Sinne von Würdigung oder auch Ansehen.
00:16:34
Stephanie
Ja.
00:16:35
Lars Hochmann
Wenn ich sage, so eine offizielle Ehrung zum Beispiel, die stattfindet.
00:16:38
Lars Hochmann
Ich werde für etwas geehrt.
00:16:43
Lars Hochmann
Dann ist das ja immer schon ein soziales Setting, wo mir etwas zugeschrieben wird.
00:16:48
Stephanie
Wobei das Spannende, was ich da finde, also bei Respekt würde ich zum Beispiel sagen, Respekt kann ich jemandem zollen, aber es ist nicht mir etwas als Respekt.
00:17:00
Stephanie
Vielleicht muss ich von einer Ehre anfangen.
00:17:03
Stephanie
Ich kann jemandem Ehre erweisen und es kann mir etwas eine Ehre sein.

Geben und Empfangen von Ehre

00:17:10
Stephanie
Das geht so in zwei Richtungen.
00:17:12
Stephanie
Ich kann jemandem eine Ehre erweisen, indem ich...
00:17:16
Stephanie
eine besondere Handlung mache, die als Ehrbeweisung, also als besonders respektvoll, als besonders würdigen empfunden ist und gleichzeitig kann auch etwas, wenn ich etwas selber übernehme, eine Ehre für mich sein, dass ich das tun darf, weil es etwas Besonderes ist, dass ich das übernehmen darf oder dass ich das durchführen darf und das hat so eine Zweibezüglichkeit, die ich bei solchen
00:17:46
Stephanie
wie Wertschätzung, Respekt, Würdigung vielleicht sogar auch nicht sehe.
00:17:54
Stephanie
Und da finde ich es dieses Konzept der Ehre in dieser Doppelbezüglichkeit unglaublich spannend.
00:18:02
Stephanie
Weil etwas, was ich tue oder was ich tun darf, für mich mit einem Ehrgefühl verbunden sein kann.
00:18:11
Stephanie
Also sowohl das Ich spreche, ist etwas zu und es wird mir zugesprochen, das gleiche Gefühl auslösen kann.
00:18:16
Stephanie
Nein, nein.
00:18:18
Lars Hochmann
Weil dort immer so eine Form von Sittlichkeit, würde man jetzt philosophisch sagen.
00:18:24
Lars Hochmann
Also ein Verhalten, das sich gehört, das irgendwie sozial anerkannt ist, das vielleicht sogar einen besonderen sozialen Wert hat, weil es Tugenden adressiert, weil es Verhaltensweisen adressiert, die als besonders wertvoll gelten oder als besonders wertvoll.
00:18:43
Lars Hochmann
Als besonders, ja, jetzt muss ich aufpassen, Ehre nicht mit Ehre zu definieren.
00:18:47
Lars Hochmann
Ja.
00:18:50
Stephanie
Ich mag das vielleicht einmal an einem Beispiel greifen, weil ich glaube, es hat für mich noch ein bisschen eine andere Tonation.
00:18:56
Stephanie
Wenn ein Preis verliehen wird, dann kann es für mich ein großes Ehrgefühl auslösen, also eine besondere Emotion, dass mir dieser Preis zugesprochen wird.
00:19:09
Stephanie
Und eine gleiche Art und eine Intensivität von Ehrgefühl kann ich spüren, wenn ich jemanden,
00:19:16
Stephanie
diesen Preis übergeben darf und über diesen Menschen etwas Gutes sagen darf.
00:19:22
Stephanie
Es geht immer um ein Preis, um die Auszeichnung einer bestimmten Handlung.
00:19:26
Stephanie
Und das eine ist vielleicht, dass es ein Ehrgefühl ist, so eine Ehre, dass ich den Preis bekomme.
00:19:31
Stephanie
Und wenn ich über jemanden sprechen darf, ich die Person sein darf, die über eine Person spricht, die diesen Preis bekommt,
00:19:39
Stephanie
kann das auch eine Ehre sein, dass ich das übernehmen darf für andere.
00:19:44
Stephanie
Und diese Doppelbezüglichkeit, die finde ich selten sonst in anderen Konzepten zu sehen.
00:19:53
Stephanie
Man stellt sich ein Stück zurück und erfährt trotzdem eine große Ehre, jemanden anders auszeichnen zu dürfen.
00:20:00
Lars Hochmann
Im Sinne einer Würdigung dann aber, ne?
00:20:05
Stephanie
die Würdigung ist das, was du sprichst, aber das Ehrgefühl ist, dass du aus, oder das ist, um bei mir zu bleiben, es wird eine besondere Unternehmerin, eine Sozialunternehmerin ausgezeichnet und dass ich sprechen darf über diese Unternehmerin, würde bei mir ein Ehrgefühl auslösen.
00:20:24
Stephanie
Es ist eine Ehre, diese Würdigung sprechen zu dürfen.
00:20:27
Stephanie
Und gleichzeitig ist der Preis für sie eine Würdigung, die für sie zu einer Ehre wird.
00:20:33
Stephanie
Das ist nochmal anders verwoben.
00:20:35
Lars Hochmann
Ja, wobei du ja in dem Moment dich auch gewürdigt fühlst.
00:20:38
Lars Hochmann
Ja, es ist ein sehr starkes Gefühl.
00:20:41
Stephanie
Geehrt.
00:20:42
Stephanie
Ich glaube, ich würde die Konzepte von Erde, Ehre und Würdigung trennen, weil es geht in dem Moment gar nicht um mich.
00:20:48
Stephanie
Also es kann ein Ehrgefühl entstehen, ohne dass es um mich geht.
00:20:54
Stephanie
Sondern ich bin in dem Moment nur Gefäß.
00:20:59
Stephanie
Ja, und auch eins, was keine Selbstbezüglichkeit braucht.
00:21:04
Stephanie
Und ich glaube, das, was wir ja vorher schon hatten, dieses Ehrgefühl von dem, man muss Ehre verteidigen, man muss Ehre retten oder ähnliches, hat immer noch eine starke Selbstbezüglichkeit.
00:21:18
Stephanie
Aber du kannst dich komplett rausnehmen, um Raum zu
00:21:23
Stephanie
für die Ehrung eines anderen zu geben.
00:21:25
Stephanie
Und damit bist du nur Sprachrohr, Wielhiker, Raumgeber, Gefäß.

Verantwortung und Ehre

00:21:31
Stephanie
Und das wüsste ich so nicht, dass es mir bei anderen intersozialen Konzepten so bewusst ist.
00:21:41
Lars Hochmann
Vielleicht liegt dann aber auch gerade darin so dieses transformative Potenzial.
00:21:45
Stephanie
Mhm.
00:21:47
Lars Hochmann
Also gerade weil es so, weil es etwas Soziales ist in dieser doppelten, in dieser zweifachen Richtung, die du beschreibst und es zugleich etwas ist, was mir selber auch einfach dann nahe geht, ist ja eine ganz starke Motivation, die dann dadurch entsteht.
00:21:53
Stephanie
Ja.
00:22:12
Lars Hochmann
dass gerade dadurch Musik in die Transformation reinkommt.
00:22:19
Lars Hochmann
Hast du dich, oder wann hast du dich zuletzt bei deiner Ehre gepackt gefühlt?
00:22:29
Stephanie
gepackt gefühlt oder dass es eine Ehre war, etwas tun zu dürfen.
00:22:36
Stephanie
Also bei der Ehre gepackt wäre für mich ein Aufbegehren.
00:22:43
Stephanie
Und das andere ist ein, ja, das mache ich auf jeden Fall.
00:22:49
Stephanie
Eine Ehre, Teil einer Jury sein zu dürfen.
00:22:51
Stephanie
Das ist auch ein Gefühl von Ehre.
00:22:53
Stephanie
Oh, wow, die sehen mich da gerade.
00:22:56
Stephanie
Für mich ist es eine Ehre,
00:22:58
Stephanie
Teil davon sein zu dürfen.
00:22:59
Stephanie
Das wäre so das eine.
00:23:01
Stephanie
Das andere bei der Ehre gepackt ist, glaube ich, immer ein Moment, wo ich sage, okay, dafür stehe ich nicht.
00:23:10
Stephanie
Also wenn so ein zentraler Wert, der mich ausmacht, wenn ich den verteidigen möchte, dann würde ich sagen, oh boah, da fühle ich mich jetzt aber bei meiner Ehre gepackt.
00:23:19
Lars Hochmann
Ja.
00:23:25
Stephanie
Das gehe ich nicht mit.
00:23:28
Stephanie
Das verletzt etwas Grundständiges, was mir wichtig ist.
00:23:35
Stephanie
Oder ich setze mich dann besonders intensiv für etwas ein.
00:23:38
Stephanie
Dass ich das Gefühl habe, da findet etwas statt, das ich mit meinem eigenen persönlichen Wertrecker noch nicht vereinen kann.
00:23:49
Stephanie
Und dann ist es für mich eine Frage der Ehre.
00:23:54
Stephanie
es anzusprechen, Raum zu schaffen, Vernetzung herzustellen, also aktiv zu werden, nicht nur zuzuschauen.
00:24:04
Lars Hochmann
Mir begegnet das ganz viel so in unternehmerischen Kontexten.
00:24:09
Lars Hochmann
Also wenn irgendjemand sagt, dieses oder jenes, das geht ja nicht.
00:24:12
Stephanie
Hm.
00:24:13
Lars Hochmann
Und dann fühlt sich jemand bei der Ehre gepackt zu zeigen, doch, das geht.
00:24:15
Stephanie
Hm.
00:24:17
Lars Hochmann
Doch, das geht.
00:24:18
Lars Hochmann
Und ich finde da jetzt einen Weg, wie das möglich ist.
00:24:22
Stephanie
Okay, da würde ich eher von... Spannend.
00:24:25
Stephanie
Das wäre für mich eher der Begriff des Ehrgeizes und bis jetzt war mir noch nicht aufgefallen, dass da Ehre drin steckt.
00:24:33
Lars Hochmann
Wenn wir schon ökonomisch reden, dann müssen wir den Geiz da hinten dran legen.
00:24:37
Lars Hochmann
Sehr gut.
00:24:37
Stephanie
Nein, mir ist dieses Wort noch nie so bewusst gewesen, dass ein Ehrgeiz, das ökonomische Geiz und im vorderen Teil ein Aspekt der Ehre drin steckt.
00:24:48
Stephanie
Also wenn man etwas ehrgeizig ist, so
00:24:55
Stephanie
Das Wort macht gerade gar keinen Sinn mehr für mich.
00:24:57
Stephanie
Vielleicht müssen wir in ein anderes Wort nochmal über Ehrgeiz sprechen.

Zusammenhang von Ehrgeiz und Ehre

00:25:02
Stephanie
Impulsiv würde ich sagen, nee, dann hast du da Ehrgeiz ausgelöst, es doch zu versuchen.
00:25:14
Stephanie
Und das Wort kann ich mir gerade gar nicht in diesem Kontext aufschlüsseln.
00:25:14
Lars Hochmann
Wobei, Ehrgeiz aufschlüsseln.
00:25:19
Stephanie
Oh, ich habe ein bisschen Knoten im Kopf.
00:25:20
Stephanie
Könntest du das?
00:25:22
Stephanie
Oder kannst du das?
00:25:25
Stephanie
Also für mich macht dieses Wort gerade keinen Sinn, weil wenn ich das Gefühl habe, das macht mich ehrgeizig, dann tue ich ja alles andere, als mit meiner Ehre zu geizen, sondern ich gebe ganz viel davon frei und mache die sichtbar, was für mich ein Ehrgefühl ausmacht und geize damit eben gerade nicht, sondern gehe da voll rein und wenn ich ehrgeizig bin, möchte ich das durchziehen und gebe nochmal mehr Energie, als ich eigentlich vielleicht sogar habe da rein.
00:25:53
Lars Hochmann
Ja, auf jeden Fall.
00:25:55
Stephanie
Das Wort, das Anhängsel Geiz macht für mich da gerade irgendwie.
00:26:00
Stephanie
Löst viel Dissonanzen aus, sagen wir es mal so.
00:26:02
Stephanie
Hm.
00:26:02
Stephanie
Hm.
00:26:03
Lars Hochmann
Es ist auf jeden Fall ja etwas Übersteigertes.
00:26:06
Lars Hochmann
Es ist etwas, wo man eher sagen würde, Mensch, das ist aber des Guten ein bisschen zu viel.
00:26:14
Lars Hochmann
Es ist vielleicht sogar krankhaft irgendwie, so ein ganz starkes Verlangen nach etwas.
00:26:21
Lars Hochmann
Ja.
00:26:23
Lars Hochmann
Vermutlich ist es das starke Verlangen nach Ehre, oder?
00:26:27
Lars Hochmann
Also dieser übersteigerte Drang, geehrt zu werden.
00:26:38
Stephanie
Und deswegen, ja, ich muss da nochmal ein bisschen drüber nachdenken.
00:26:47
Stephanie
Mir war bisher nicht gewusst, dass in Ehrgeiz Ehre steckt.
00:26:51
Lars Hochmann
Okay.
00:26:54
Lars Hochmann
Gut, aber Ehrgeiz ist, glaube ich, jetzt, da haben wir uns in eine...
00:26:57
Stephanie
Ist Ehrgeiz ein Teil einer Unterkategorie eines Ehrgefühls?
00:27:02
Stephanie
Also ist Ehrgefühl ein größerer Überbegriff von Ehrgeiz?
00:27:08
Stephanie
Gibt es sowas wie Ehrmut?
00:27:12
Stephanie
Gibt es noch andere Begriffe, wo Ehre gekoppelt wird mit etwas?
00:27:19
Lars Hochmann
Mit Sicherheit fehlt mir jetzt gerade die Kreativität für.
00:27:24
Stephanie
Mir fällt auch nichts ein.
00:27:25
Stephanie
Mir war es aber bei Ehrgeiz auch nicht bewusst.
00:27:28
Lars Hochmann
Ja.
00:27:30
Lars Hochmann
Ich würde gerne nochmal zwei, drei Abzweigungen, die wir genommen haben, zurückgehen, bevor wir beim Ehrgeiz waren.
00:27:36
Stephanie
Ja, entschuldige, mein Knoten hat da sehr viel Raum gerade eingenommen.
00:27:38
Lars Hochmann
Nämlich...
00:27:43
Lars Hochmann
Dieses Gefühl, alle sagen irgendwie, nee, das ist doch, das geht nicht.
00:27:48
Lars Hochmann
Oder dann auch genau spiegelbildlich, alle sagen, wieso, ist doch völlig normal.
00:27:56
Lars Hochmann
Ja, der Wahnsinn hier, wir haben ja schon Folgen zum Normalitätstheater und ähnlichem gemacht, also um genau das geht es mir gerade.
00:28:02
Stephanie
Mhm.
00:28:02
Lars Hochmann
Also alle sagen, natürlich ist die Welt völlig normal, dass sie so eingerichtet ist, wie sie ist.
00:28:08
Stephanie
Okay.
00:28:10
Lars Hochmann
Und dann kommen Menschen daher und sagen, das geht bestimmt auch anders und ich zeige dir jetzt, wie das geht.
00:28:21
Lars Hochmann
Und genau an der Stelle, würde ich sagen, fühlen die sich bei der Ehre gepackt, weil sie für eine andere Normalität einstehen und diese andere Normalität aber in Widerspruch steht.
00:28:37
Lars Hochmann
Zu der Gegenwart.
00:28:39
Lars Hochmann
Genauso wie das dann eben in diesen Fällen, die Appia sich da angeschaut hat, also die nordamerikanische Sklaverei, zu sagen, ja natürlich kann ich mir eine Welt vorstellen, in der wir nicht dahergehen und Menschen versklaven.
00:28:44
Stephanie
Oh, mein Gott.
00:28:57
Lars Hochmann
Und jetzt begehre ich dagegen auf.
00:28:59
Lars Hochmann
Und dieses Aufbegehren ist ja nichts Bequemes.
00:29:02
Lars Hochmann
Das heißt ja nicht, ich setze da mal einen schnellen Post auf X ab oder mache da mal einen LinkedIn-Post zu oder sowas.
00:29:09
Lars Hochmann
Das ist ja dieser Gratismut der Gegenwart, wo das höchste der Gefühle ist, irgendwo auf eine Demo zu gehen oder sowas.
00:29:17
Stephanie
Oh, das war's.
00:29:17
Lars Hochmann
Also das, worüber wir hier reden, also wer versklavte Menschen befreit hat, hat Diebstahl begangen.
00:29:26
Lars Hochmann
Ja, der hätte, also damals da in Nordamerika, also war ja dann logischerweise, bevor sich die USA als solche konstituiert haben, der hat Diebstahl begangen, wer das getan hat.
00:29:42
Lars Hochmann
Der konnte erschossen werden, ohne Rückfrage, ohne irgendwas.
00:29:47
Lars Hochmann
So, das heißt, wir haben es hier zu tun mit Verhaltensweisen, wo Menschen wirklich ihre Haut riskieren.
00:29:54
Lars Hochmann
Das ist kein Gratismut auf Social Media, sondern die riskieren was.
00:30:00
Lars Hochmann
Die legen da richtig was in die Waagschale.
00:30:04
Lars Hochmann
Und das ist was, was ich nochmal total interessant finde, weil wir, wenn wir über Transformation reden, sonst an vielen

Ehrgefühl als Antrieb für Wandel

00:30:14
Lars Hochmann
Stellen entweder in so eine Good Vibes Only Ecke reinkommen, wo wir das Gefühl haben, die ganze Welt besteht ja sowieso nur aus rosa Zuckerwatte.
00:30:23
Lars Hochmann
Oder aber in so eine Krisendauerdystopie-Stimmung reingeraten, wo auch rasch das Gefühl entstehen kann, ach, eigentlich ist der Drops ja schon gelutscht und wir sind ja schon, wir stehen nicht mehr am Abgrund, wir sind schon im freien Fall.
00:30:39
Lars Hochmann
Und da so ein Gefühl für die Spannungen zu bekommen, dafür zu bekommen, dass es natürlich darum geht, das heißt natürlich, also dass es darum geht, dass wir dann moralisch sind, wenn wir unsere Haut riskieren.
00:30:57
Lars Hochmann
Nicht dann, wenn es einfach ist.
00:31:00
Lars Hochmann
Nicht dann, wenn es umsonst ist.
00:31:02
Lars Hochmann
Nicht dann, wenn es mal eben schnell gemacht ist, sondern dann, wenn es wirklich ans Eingemachte geht.
00:31:09
Stephanie
Oh, und dann fällt mir auch noch ein anderes Wort mit Ehr ein.
00:31:13
Lars Hochmann
Ja.
00:31:13
Lars Hochmann
Ja.
00:31:13
Stephanie
Weil vor den Menschen, die so handeln und die diesen Mut aufbringen, weil es für sie ein besonderes Ehrgefühl ist, sich so besonders stark zu machen, vor den Menschen habe ich dann Ehrfurcht.
00:31:31
Stephanie
Also nicht, weil ich Furcht im Sinne von Angst vor denen habe, sondern Ehrfurcht ist ja eher ein Wort, das...
00:31:40
Stephanie
demütig macht.
00:31:44
Stephanie
Demütig vor deren Ehrgefühl, das sie in eine konkrete Handlung übersetzen.
00:31:50
Stephanie
Ja.
00:31:54
Lars Hochmann
Das hat wieder viel mit dieser Würdigung auch zu tun.
00:31:57
Lars Hochmann
Du würdigst in dem Moment, dass da Menschen sind, die sich voll reinschmeißen.
00:32:04
Lars Hochmann
Ja.
00:32:04
Stephanie
Ja, und es kann, also diese Ehrfurcht kann ja kippen in ein Gefühl von, ich bin selber eher los, weil ich es nicht mache.
00:32:10
Stephanie
Und die sind eher bar, also mit diesen beiden Adjektiven, in dieser Mischung zwischen eher bar und eher los stecke ich dann ja fest.
00:32:17
Stephanie
Und das, was es vielleicht im Transformativen braucht, ist, dass diese Ehrfurcht nicht nur ein Wahrnehmen ist, boah krass, was die da machen, sondern das Ehrfurcht, Ehrgefühl auslöst und dann gehe ich mit.
00:32:31
Lars Hochmann
Ja.
00:32:32
Stephanie
Und vielleicht für dieser
00:32:36
Stephanie
aus der Ehrfurcht ins Ehrgefühl kommen.
00:32:39
Stephanie
Also dieses Ehrfurcht, dass es nicht blockierend ist, sondern aktivierend.
00:32:49
Lars Hochmann
Beides zugleich, oder?
00:32:51
Lars Hochmann
Wenn du sagst, es ist auch demütig, dann ist es ja beides zugleich.
00:32:55
Lars Hochmann
Dann ist es etwas, was mich aktiviert und es ist zugleich etwas, was mich auch in Teilen stilllegt.
00:33:02
Lars Hochmann
Also Demut hat ja auch ein kontemplatives Moment, ein Moment des Haltens.
00:33:10
Stephanie
Ja, aber die Frage ist dann ja, ob mein Ehrgefühl mich dann da harren lässt, des kontemplativen Verharren im Moment.
00:33:12
Lars Hochmann
Hm.
00:33:19
Stephanie
Oder, also dieses ehrfürchtig Zurücktreten sagt man ja auch, warum gibt es nicht ein ehrfürchtig Antreten, also Loslaufen?
00:33:34
Stephanie
Also gibt es ein Gefühl rund um die Ehre, die einen Distanzmoment hat für das Transformative und das, was du ja beschrieben hast, wo es um den Aufbrechensmoment geht, braucht hier kein ehrfürchtiges Zurückliegen, sondern eine Form von Anpacken bei aller Demut um dessen, was andere tun.
00:33:57
Lars Hochmann
Ja, ja, genau.
00:34:00
Lars Hochmann
Genau, das meine ich mit, es ist beides zugleich.
00:34:03
Lars Hochmann
Es hat so etwas sich selbst zurücknehmendes.
00:34:08
Stephanie
Ja.
00:34:08
Lars Hochmann
Demut heißt immer auch, ich nehme mich selbst zurück.
00:34:13
Lars Hochmann
Und es hat zugleich eben dieses aktiv werdende oder dieses sich inspirieren lassende.
00:34:20
Lars Hochmann
Ich denke jetzt gerade auch an die Ehrfurcht vor dem Leben, also Albert Schweitzer und dann die Frage, in welchen
00:34:28
Lars Hochmann
Welche Beziehungen, welche gesellschaftlichen Beziehungen haben wir eigentlich zur Natur, zu der menschlichen und auch der nichtmenschlichen Natur?
00:34:36
Lars Hochmann
Wie gehen wir um mit Natur?
00:34:39
Lars Hochmann
Und dann in dem Moment dann eben rauszukommen aus so einer anthropozentrischen Ethik, das heißt einer Ethik, die den Menschen ins Zentrum stellt, sondern hinzugehen und eher in einer zum Beispiel biozentrischen, also das Leben zu
00:34:57
Stephanie
Mhm.
00:34:57
Lars Hochmann
das Leben in den Mittelpunkt rückenden Ethik zu gelangen muss, also nicht darum geht alles jetzt vom Menschen her zu denken, sondern eben dann diese Ehrfurcht vor dem Leben, vor anderen Lebewesen, vor Pflanzen und so weiter zu entwickeln.

Ehrfurcht und ethisches Verhalten

00:35:11
Lars Hochmann
Und das hat ja was damit zu tun, dass ich mich selbst zurücknehme, dass ich mich nicht selbst an die erste Stelle setze.
00:35:19
Stephanie
Hat es damit was zu tun, dass ich mich zurück... Ja, nein, anders formuliert.
00:35:24
Stephanie
Es hat für mich etwas damit zu tun, dass ich mich zurücknehme in der Bedeutung dessen, wie viel Sichtbarkeit ich selber haben muss, aber mich nicht zurücknehme in dem, was ich tue.
00:35:43
Stephanie
Also ich mich ein Stück weit zurücknehme in dem, wie viel
00:35:48
Stephanie
Aufmerksamkeit ich damit haben muss und möchte, aber nicht reduziere, wie viel ich handel.
00:35:55
Stephanie
Weil zurücknehmen hat ganz viel, ja, dann nehme ich mich ein bisschen zurück, aber dann fangen die Menschen an nichts mehr zu tun.
00:36:01
Stephanie
Sie sollen Ego zurücknehmen, aber nicht ihre Wirksamkeit.
00:36:07
Lars Hochmann
Ja, genau.
00:36:08
Lars Hochmann
Jetzt sind wir wieder genau an dem gleichen Punkt.
00:36:09
Lars Hochmann
Es ist beides zugleich.
00:36:11
Stephanie
Ja, also das war das, was ich vorhin hatte, mit Ehrgefühl.
00:36:14
Stephanie
Es hat so, Ehrgefühl muss nichts mit Ego zu tun haben.
00:36:14
Lars Hochmann
Ja.
00:36:19
Lars Hochmann
Ja, genau.
00:36:20
Lars Hochmann
Es muss nicht.
00:36:21
Lars Hochmann
Es kann.
00:36:21
Stephanie
Das kann, okay.
00:36:22
Stephanie
Okay.
00:36:22
Lars Hochmann
Es kann.
00:36:24
Lars Hochmann
So wie viele Dinge ja aber auch übersteigert oder verkrüppelt werden können.
00:36:30
Lars Hochmann
Selbst Liebe kann verkrüppelt werden zur Liebe zum Vaterland oder sowas.
00:36:35
Lars Hochmann
Also
00:36:37
Lars Hochmann
Das Problem am Missbrauch ist immer der Missbrauch und nicht das, was missbraucht wird.
00:36:41
Lars Hochmann
Und bei Albert Schweitzer, ich denke jetzt gerade wieder an diesen viel zitierten Satz, das ist ja quasi die Essenz seiner Ethik, seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben.
00:36:53
Lars Hochmann
Ich bin Leben, das Leben will, inmitten von Leben, das Leben will.
00:36:57
Stephanie
Ja.
00:36:58
Lars Hochmann
Und sich das wirklich zu vergegenwärtigen,
00:37:04
Lars Hochmann
nicht alles aus einer menschlichen Perspektive und in Bezug auf die Frage, ob etwas für den Menschen nützlich ist, zu betrachten.
00:37:12
Lars Hochmann
Gerade dieser letzte Zusatz heißt, wir brauchen ein ganz anderes Verständnis von Wirtschaft, sondern anzuerkennen, dass ich Leben bin, inmitten von Leben das auch Leben will, ne?
00:37:27
Lars Hochmann
Und da ergibt sich dann die große Frage der politischen Ökologie, wie können wir diese Vielfalt eigentlich verständigen?
00:37:35
Lars Hochmann
Wie geht das eigentlich?
00:37:37
Stephanie
Und es ist ja nicht nur Vielfalt, die für sich steht, sondern etwas, das verwoben ist.
00:37:45
Lars Hochmann
Ja, es geht um Vielfalt im Sinne von, also Diversity im Sinne von Biodiversity.

Natur, Gesellschaft und ethische Handlungen

00:37:51
Lars Hochmann
Also
00:37:53
Stephanie
Ja, und auch die, die dennoch zeitgleich miteinander verwoben ist, dass du auch in der Berücksichtigung dessen,
00:38:03
Stephanie
was ist es, das Gute für das eine nicht immer automatisch das Gute für das andere ist, sondern dass in dieser Interverwobenheit eine große Kompromissbereitschaft bedeutet, im Reduzieren Lebensraum für alle zu erhalten und dass es durch Ökosystemketten oder ähnliches, das Leben, Sterben, Kommen und Gehen Teil voneinander sind.
00:38:33
Lars Hochmann
Ja, ja, ja, ja.
00:38:33
Stephanie
Und das ist in einer verzerrten Idee von Ehrgefühl ja gar nicht mehr gegeben.
00:38:41
Lars Hochmann
Ja, es ist nicht so eine harmonische Gaia-Mutter-Natur und alle sind irgendwie ganz lieb zueinander.
00:38:49
Lars Hochmann
Also es geht nicht um so eine Disney-Biodiversität, sondern im Sinne einer politischen Ökologie geht es da natürlich auch um die Widersprüche, die sich auch nicht auflösen lassen.
00:39:04
Lars Hochmann
Also wer lebt, stört.
00:39:05
Lars Hochmann
Das muss man sich einfach klar machen.
00:39:07
Lars Hochmann
Also wir können noch so viel...
00:39:09
Lars Hochmann
noch so viel biodynamische und sonst welche Agrar- und Forst- und Landwirtschaftskonzepte etablieren.
00:39:18
Lars Hochmann
Die Wühlmaus ist so oder so auf dem Ackern sehr selten erwünscht.
00:39:23
Lars Hochmann
Also auch das ist jetzt nicht etwas, was in so einem
00:39:25
Stephanie
Außer vom Falken.
00:39:27
Lars Hochmann
Ja, eben drum.
00:39:29
Lars Hochmann
Genau, eben drum.
00:39:30
Lars Hochmann
Also das ist nicht etwas, was sich, also diese Widersprüche lassen sich nicht zum Verschwinden bringen, sondern wir müssen, was genau meinst du?
00:39:38
Stephanie
Und ich glaube, das ist der wichtige reflektierende Moment eines Ehrgefühls.
00:39:44
Stephanie
Das Bewusstsein des Bestehens und Entstehens von Widersprüchen.
00:39:50
Stephanie
Und dass es deswegen so unglaublich wichtig ist, kritisch darüber zu schauen und darauf zu schauen, was löst bei mir ein handelndes Moment aus, weil ich mich bei meiner Ehre gepackt fühle oder weil ich das Gefühl habe, dass mir dadurch Ehre erwiesen wird.
00:40:06
Lars Hochmann
Damit sind wir dann wieder bei der ethischen Reflexion, welche wir am Anfang schon hatten, als es darum ging, dass dieses Ehrgefühl auch einer ethischen Reflexion standhalten muss.
00:40:13
Stephanie
Richtig.
00:40:19
Stephanie
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen zu sagen, dass ein Ablehnen einer vermeintlichen

Ablehnung von Ehren aus persönlichen Gründen

00:40:25
Stephanie
Ehrerweisung ausgelöst werden kann durch ein Ehrgefühl.
00:40:30
Stephanie
Also beispielsweise das Ablehnen eines Preises oder einer Auszeichnung oder ähnliches, was ja gedacht ist als Ehrerbietung.
00:40:39
Stephanie
in der eigenen Ablehnung von diesem Preis, dieser Auszeichnung, nehme ich nicht an, weil das gegen meine Ehre spricht, was da entsteht.
00:40:47
Stephanie
Das hat ja einen großen Widerspruchsmoment.
00:40:54
Stephanie
Dass etwas, was jemand anders mir als Ehrdarbietung bringen möchte, für mich vielleicht gar keine Ehre ist.
00:41:02
Stephanie
Oder ich in dieser Rahmung, was diese Ehrauszeichnung ausmachen möchte, gar nicht gesehen werden möchte.
00:41:08
Lars Hochmann
Ja, wenn du das jetzt noch so ein ganz kleines bisschen, wie Marcel Reich-Ranicki damals ausgesprochen hat, ich nehme diesen Preis nicht an, dann wäre das an der Stelle ein schönes Element gewesen.
00:41:22
Lars Hochmann
Ich bin in der Sache bei dir, ja, absolut.
00:41:25
Stephanie
Was meinst du mit, dann wäre das ein schönes Element gewesen?
00:41:28
Stephanie
Ach, schon.
00:41:29
Lars Hochmann
Kennst du diese Szene nicht von Marcel Reich-Ranicki, der da beim Fernsehpreis, war das, das ist aber schon 20 Jahre her, abgelehnt hat?
00:41:38
Lars Hochmann
Ich nehme diesen Preis nicht an.
00:41:40
Lars Hochmann
Ach, es war nur so ein halb ernst gemeinter Kommentar.
00:41:46
Lars Hochmann
Mhm.
00:41:48
Stephanie
Ich weiß, dass im Sozialunternehmertum immer wieder Preise bewusst abgelehnt werden.
00:41:52
Stephanie
Weil mit der Institution, von der sie vergeben werden, man nicht in Verbindung stehen möchte.
00:41:59
Stephanie
Gleich ist es politischen Preisen oder ähnliches ja auch immer mal wieder der Fall.
00:42:00
Lars Hochmann
Ja, genau darum ging es Ihnen ja auch, dass der Deutsche Fernsehpreis seinen literaturkritischen Ansprüchen nicht genügte.
00:42:17
Lars Hochmann
Aber genau das ist es ja wieder.
00:42:19
Lars Hochmann
Da sind wir ja genau wieder beim Thema.
00:42:21
Lars Hochmann
Also, dass es eine normative Überzeugung gibt, dass es eine Werthaltung gibt und für diese Werthaltung steht man ein,
00:42:28
Lars Hochmann
Selbst dann, wenn es in Anführungsstrichen wehtut, also die Haut riskieren, das heißt im Zweifel halt anzuecken, zu sagen, so ja, nee, den nehme ich nicht an.
00:42:31
Stephanie
Vielen Dank.
00:42:37
Lars Hochmann
Da entsteht dann meinetwegen ein Skandal draus und dann sollen sie sich das Maul zerreißen über mich oder so.
00:42:43
Lars Hochmann
Schlimmer noch, sollen mich bloßstellen oder so.
00:42:47
Lars Hochmann
Und wenn man sich jetzt anschaut, was, gerade wenn wir über sozialökologische Transformationen, über Nachhaltigkeit, über Zukunftsfähigkeiten und so etwas nachdenken, da sind wir ja, wenn wir auf die Appia, diese fünf Phasen, die er da in seinem Buch markiert hat,
00:43:02
Lars Hochmann
Da sind wir ja sehr viel in dieser Rationalisierungsphase, dieser Ja-Aber-Phase, wo gesagt wird, so ernährungskulturell beispielsweise ist irgendwie klar, dass pflanzenbasierte Ernährung jetzt vielleicht nicht das alleinige,
00:43:17
Lars Hochmann
Oder das Alleinselig Machende ist, aber dass es zumindest ausgefahren werden muss, sodass die Ernährung insgesamt stärker pflanzenhaltig irgendwie auch sein müsste.
00:43:21
Stephanie
Ja.
00:43:27
Lars Hochmann
Ja, aber.
00:43:29
Lars Hochmann
Oder wenn es um Fragen von Energiesouveränität geht, ist im Grunde genommen klar, also zumindest in den seriösen Wissenschaften ist klar, das wird nur über erneuerbare Energien gehen.
00:43:42
Lars Hochmann
Und dann kommt ja, aber und dann...
00:43:44
Lars Hochmann
Dann kommt da noch wieder irgendein Nachsatz, wenn wir über Mobilität reden, wenn wir über klimaresiliente Städte reden und so

Herausforderungen des sozialen Wandels

00:43:52
Lars Hochmann
weiter und so fort.
00:43:52
Lars Hochmann
Es ist immer dieses Ja, aber.
00:43:54
Lars Hochmann
Ja, aber.
00:43:55
Lars Hochmann
Ihr habt ja recht, aber.
00:43:57
Lars Hochmann
Und dann kommt da Gründe, warum man dann doch an der alten Praxis festhält so.
00:44:01
Lars Hochmann
Und dass da jetzt gerade auch Menschen, ich selbst erlebe das auch, also dass man da angefeindet wird und was einem da so an wirklich unverhohlenem Hass mittlerweile entgegenkommt, das ist schon auch schwer zu ertragen.
00:44:18
Lars Hochmann
Und im selben Moment ist genau das der springende Punkt, um den es mir geht.
00:44:24
Lars Hochmann
Da dann nicht einzuknicken, sondern zu sagen,
00:44:29
Lars Hochmann
Ich habe meinen Wertekompass, ich weiß, wofür ich das mache, ich kann auch Gründe dafür anführen und deswegen stehe ich dagegen ein, auch wenn ich Gegenwind bekomme.
00:44:43
Lars Hochmann
Die Haut riskieren, die Haut riskieren und wir sind dankenswerterweise mittlerweile als Gesellschaft an einem Punkt, dass wir uns nicht mehr standrechtlich erschießen, wenn sowas passiert,
00:44:43
Stephanie
Vielen Dank.
00:44:57
Lars Hochmann
Und im selben Augenblick haben wir natürlich andere soziale Sanktionsmechanismen, die da greifen.
00:45:10
Stephanie
Es wird zu anderen Waffen gegriffen.
00:45:13
Lars Hochmann
Auf jeden Fall.
00:45:13
Stephanie
Also ich würde das gar nicht sagen, das findet so nicht mehr statt.
00:45:16
Stephanie
Es wird halt zu anderen Waffen gegriffen.
00:45:23
Lars Hochmann
Ja, mittlerweile ja auch wieder zu Schusswaffen.
00:45:26
Lars Hochmann
Also auch das ist ja vermutlich eine andere Folge, beziehungsweise vielleicht auch nicht.
00:45:33
Lars Hochmann
Man muss das ja nicht noch in so einem Podcast hier groß machen.
00:45:38
Stephanie
Das, was für mich immer deutlicher wird, ist der Aspekt des Ehrgefühls in der sozialen Verwobenheit zum zeitgleichen Moment ein positiv gutes oder ein gestaltendes, ein aktivierendes, wie ein negativ schweres aktivierendes Moment haben kann.
00:46:07
Stephanie
Also ich kann aus einer Schwere und einer Betroffenenheit heraus durch ein Ehrgefühl in Handlung kommen.
00:46:16
Stephanie
Und gleichzeitig aber auch, weil ich mir an ein Beispiel nehme oder weil ich etwas Positives erfahre und es weitergeben und zurückgeben möchte.
00:46:25
Stephanie
Und dass damit das Ehrgefühl im Unterschied zu vielen anderen Konzepten, die die ganze Vielfalt an dem, was uns an Emotionen zur Verfügung steht,
00:46:36
Stephanie
vielleicht sogar auch in ihrer Friedersprüchlichkeit im gleichen Moment widerspiegeln kann.
00:46:41
Stephanie
Und das hat eine eigene Dynamik und eine eigene Energie, die ich sehr interessant finde für das Transformative.
00:46:48
Stephanie
Weil du vorhin ja auch nochmal sagtest, es gibt entweder diese rosa-weiche Welt und alles ist ganz gut oder alles ist ganz schlimm, also zwischen Utopie und Dystropie gibt es eine Welt.
00:47:01
Stephanie
Und in dieser Welt leben wir tagtäglich und gestalten sie tagtäglich.
00:47:04
Stephanie
Und unser R-Gefühl kann wie ein Seismograph sein, in welche Richtung wir handeln.
00:47:11
Stephanie
Und ich weiß nicht, wie bewusst wir auf diesen Seismographen überhaupt noch schauen und auch hinterfragen, wer hat den eigentlich wie kalibriert.
00:47:22
Stephanie
Also wer kalibriert mein R-Gefühl?
00:47:23
Stephanie
Wo kommt es her?
00:47:26
Stephanie
Wer und wie hat das geprägt und möchte ich das eigentlich so?
00:47:30
Stephanie
Wie bewusst handele ich aus meinem Ehrgefühl und ist mir bewusst, wo es herkommt?
00:47:38
Lars Hochmann
Das ist wirklich eine spannende Frage von Jon Elster, der schrieb irgendwann mal, also es kommt so aus der Rational Choice Theory, wir seien Rezipientinnen und Rezipienten unserer Gefühle.
00:47:38
Stephanie
Ich glaube nicht.
00:47:52
Lars Hochmann
Sie widerfahren uns.
00:47:54
Stephanie
Hm.
00:47:54
Stephanie
Ja.
00:47:55
Lars Hochmann
Und das kennen wir ja auch an vielen Stellen.
00:47:56
Lars Hochmann
Es ist ja nicht so gesteuert, sondern irgendwie haben wir das Gefühl, wir fühlen uns gerade total übermannt von einer Empfindung.
00:48:05
Lars Hochmann
Dann sind wir ja Rezipientinnen und Rezipienten unserer Gefühle.

Reflexionen über 'Ehrgefühl' und Philosophie

00:48:10
Lars Hochmann
Und das stellt natürlich die Frage, wo kommt das her?
00:48:12
Lars Hochmann
Hm.
00:48:14
Stephanie
Mir ist selten bei so einem anderen Kanon das gestellt, wo das Stichwort Gefühl mit auftauchte, wie jetzt bei dem Stichwort R-Gefühl.
00:48:22
Stephanie
Wie fremdbestimmt bin ich da?
00:48:24
Stephanie
Wie bewusst ist mir und wer hat mir die Macht über mich oder ich, Macht über andere zu rahmen, was R-voll ist und was R-los ist?
00:48:45
Lars Hochmann
Wir kommen aus der Nummer nicht raus, dass das Ganze einer ethischen Reflexion standhalten muss.
00:48:51
Stephanie
ja nicht nur standhalten muss, sondern dass sie als Dauerrauschen notwendig ist.
00:48:57
Lars Hochmann
Ja klar, die praktische Vernunft, systematische Selbstprüfung der praktischen Vernunft, das ist Ethik.
00:49:08
Lars Hochmann
Wir gehen aus dieser Folge raus mit dem Hinweis, lest mehr philosophische Bücher um Himmels Willen.
00:49:17
Lars Hochmann
Um Himmels Willen.
00:49:17
Stephanie
Um Himmels Willen.
00:49:22
Stephanie
was eine interessante ethische Wendung da gerade so reinbringt.
00:49:25
Stephanie
Die konnte ich mir nicht erknüpfen.
00:49:29
Lars Hochmann
Ach ja.
00:49:30
Stephanie
Danke, ich nehme, also vielleicht merkst du das ein bisschen an meinem Stillsein, in meinem Kopf rattet das ganz viel, also nicht nur am Suchen, wo liegt dieses Buch gerade, sondern
00:49:39
Stephanie
Ich möchte nochmal bewusster drauf schauen, in welchen Begrifflichkeiten dieses Wort überall auftaucht, ohne dass es mir bewusst ist.
00:49:46
Stephanie
Ich glaube, ich schaue nachher mal in den Duden oder in ein Wörterbuch, wo etwas alles mit R anfängt.
00:49:56
Lars Hochmann
Ja, ich danke dir auch.
00:49:57
Stephanie
Und werde wahrscheinlich Überraschungen erleben.
00:49:59
Stephanie
Ich danke dir, Lars.
00:50:02
Lars Hochmann
Und wenn du dieses Buch suchst, dann ist die Brücke wirklich geschlagen.
00:50:05
Lars Hochmann
Es ist himmelblau.
00:50:07
Stephanie
Ah, oh wow.
00:50:10
Lars Hochmann
Also halte die Augen offen nach einem himmelblauen Buch im Regal.
00:50:14
Lars Hochmann
Vielleicht ist es das.
00:50:16
Lars Hochmann
Steffi, ich danke dir für das gemeinsame laute Denken und all denen da draußen, dass ihr mir zugehört habt, auch für die Zuschriften, die wir so bekommen.
00:50:28
Lars Hochmann
Das macht mit jeder Folge mehr Freude und ich freue mich jetzt schon auf die nächste Episode mit dir.
00:50:36
Stephanie
Ich mich auch, Lars.
00:50:37
Stephanie
Danke dir.
00:50:37
Stephanie
Ciao.
00:50:38
Lars Hochmann
Ich danke euch allen.
00:50:39
Lars Hochmann
Ciao, ciao.