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Kulturentzug

E28 · lautdenken
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80 Plays7 months ago

Transformation ist konservativ und progressiv zugleich. In der neuen Folge lautdenken kreist das Gespräch zwischen Stephie und Lars um die Frage, wie wir zu kulturell kompetenten Mitgliedern der Gesellschaft werden. Wie und wo und wozu lernen wir all die Kulturtechniken, die man heute beherrschen muss? Im Spannungsfeld aus Erinnern und Entwerfen, Aufheben und Aktualisieren wird den beiden bewusst: Das, was wir uns heute vorstellen können, hat Voraussetzungen in unserer Geschichte. Was das für Transformation bedeutet und wie ein kritisches Verhältnis zu Zukunft und Herkunft entwickelt werden kann, das hört ihr in dieser neuen Folge lautdenken.

LEISE WEITERDENKEN
Bloch, E. (1959): Prinzip Hoffnung. Frankfurt am Main.
Marquard, O. (2003): Zukunft braucht Herkunft. Stuttgart.
Bieri, P. (2013): Wie wollen wir leben? München.

Transcript

Was ist 'Kulturentzug' und wie wirkt er sich aus?

00:00:16
Speaker
Ein herzliches Moin an euch da draußen.
00:00:19
Speaker
Hallo, lieber Lars.
00:00:21
Speaker
Ich freue mich auf eine neue Runde gemeinsames Lautdenken und habe auch einen Begriff mitgebracht.
00:00:28
Speaker
Moin, Steffi.
00:00:29
Speaker
Ich hänge am Haken.
00:00:30
Speaker
Hau raus.
00:00:31
Speaker
Du hängst am Haken.
00:00:32
Speaker
Wie gut.
00:00:33
Speaker
Mal gucken, wie lange du zappelst.
00:00:35
Speaker
Ich werde gerne mit dir sprechen über Kulturentzug.
00:00:39
Speaker
Ja, Kulturentzug.
00:00:46
Speaker
Wie kommst du auf Kulturentzug?
00:00:49
Speaker
Ich weiß ehrlicherweise nicht mal, ob es das Wort gibt.
00:00:52
Speaker
Bei anderen Worten habe ich es dann irgendwann mal eingegeben und gesucht.
00:00:54
Speaker
Das Wort habe ich nicht mal gesucht.
00:00:57
Speaker
Ob es das gibt, vielleicht gibt es das gar nicht.
00:00:58
Speaker
Wir bauen es gerade neu, weil es mir auf zwei, vielleicht sogar drei unterschiedlichen Arten begegnet ist, wo ich gedacht habe, oh wow, hier findet gerade ein Kulturentzug statt.
00:01:10
Speaker
Und das sowohl sozial, also im Miteinander, im generellen Miteinander, als auch im unternehmerisch-strategischen und operativen, als tatsächlich auch im größeren gesellschaftlichen Miteinander.
00:01:27
Speaker
Was meinst du, wenn du von Entzug redest?

Die Rolle kultureller Elemente in der Transformation

00:01:29
Speaker
Ich habe da jetzt gerade irgendwie so Suchterkrankungen vor meinem inneren Auge.
00:01:37
Speaker
Ich hatte mehr das Gefühl, dass die Bedeutung und die Notwendigkeit für Transformationen, die wir in Kultur und mit Kultur aufbauen, gestalten können,
00:01:52
Speaker
dass die reduziert wird bis hin zu negiert wird.
00:01:57
Speaker
Also dass die Aspekte, die Kultur in diesen Prozessen prägen, die sie fördern, die sie aber auch fordern, dass das immer mehr rausgenommen wird.
00:02:06
Speaker
Und
00:02:08
Speaker
es für mich so immer wichtig ist, die Qualität von Kulturen, der Entstehung von Kultur, dem Hinterfragen von Kultur, den Aspekten kultureller Routinen und Praktiken, dass die so essentiell sind, wenn wir auf Zukunft schauen und Zukunft denken wollen und
00:02:27
Speaker
Dass es mal Raum für diese Qualität gab und dieser Raum immer kleiner wird.
00:02:32
Speaker
Also dass ein Entzug dessen stattfindet, wo Kultur eine Bedeutung haben darf und Bedeutung schaffen kann.
00:02:42
Speaker
Ah,

Was ist kulturelle Amnesie?

00:02:43
Speaker
okay.
00:02:43
Speaker
Ich muss da gerade an diesen Begriff ganz ähnlich, aber nochmal anders gelagert, der kulturellen Amnesie denken.
00:02:54
Speaker
Da geht es dann ganz ähnlich, wie das bei Amnesie-Patientinnen und Patienten ist, wo so bestimmte Bereiche im Gehirn blockiert sind und die dann immer noch mit Dingen zum Beispiel umgehen können, aber diese Dinge nicht mehr benennen können, also wo einfach
00:03:10
Speaker
dass prozedurale Gedächtnis noch gut funktioniert, aber dass deklarative nicht mehr oder also Areale im Gehirn blockiert sind.
00:03:17
Speaker
Aber das eben nicht auf einer individuellen, einer biologischen Ebene, sondern auf einer kulturellen Ebene.
00:03:22
Speaker
Wenn Kulturen sich gewissermaßen selbstfremd werden, wenn sie sich ihrer eigenen Herkunft nicht mehr...
00:03:32
Speaker
erinnern können oder erinnern wollen.
00:03:36
Speaker
Das hat viel mit Bildung zu tun, in dem Fall dann mit kultureller Bildung zu tun.

Kulturelles Bewusstsein und Bildung

00:03:41
Speaker
Und wie du weißt, bin ich da in der Hinsicht, wenn es um Bildung geht, bin ich großer Fan von Peter Biri und seiner Figur, dass wir, wenn wir in die Welt hineingeboren werden,
00:03:55
Speaker
Wir wie Schlafwandlerinnen und Schlafwandler uns so durch das kulturelle Gewebe nennt er das.
00:04:00
Speaker
Damit meint er so alles, was in dieser Welt schon so angelegt ist.
00:04:04
Speaker
Die Infrastrukturen, die Artefakte, Gewohnheiten, Gepflogenheiten.
00:04:09
Speaker
Dass man irgendwie Moin sagt, in einer Ecke Servus, an einer anderen Grözi, noch wieder irgendwo anders da in den Südlanden.
00:04:19
Speaker
Hier aus dem Norden gesprochen ist ja alles eigentlich Südland.
00:04:25
Speaker
Also all das, was so schon angelegt ist in der Welt, dass wir uns da wie Schlafwandlerinnen und Schlafwandler durchbewegen und sich zu bilden, hat Peter Biri dann mal geschrieben an einer Stelle, sich bilden, das ist wie aufwachen.
00:04:40
Speaker
Also der Moment, in dem wir nicht mehr all die Gewohnheiten und Gepflogenheiten, die Ernährungskulturen, die Mobilitätskulturen, die Wohnkulturen, die Kommunikationskulturen für gegeben erachten.
00:04:52
Speaker
Häufig tun wir das.
00:04:53
Speaker
Wir werden in die Welt geboren und denken so, ja, das ist halt irgendwie die Welt.
00:04:58
Speaker
So ist es halt.
00:04:58
Speaker
Das ist der Normalzustand.
00:05:00
Speaker
Und alle Abweichung davon ist dann Wahnsinn oder ist Moralisierung oder ist Umerziehung oder irgendwie sowas.
00:05:09
Speaker
Und in dem Moment, in dem wir uns bilden, wachen wir auf und merken dann, okay, manche Dinge davon finden wir gut, die behalten wir, andere Dinge finden wir nicht gut, die lehnen wir ab, wieder andere Dinge, da versuchen wir was ganz Neues zu entwickeln oder übernehmen das aus anderen Kontexten.
00:05:27
Speaker
Und mit kultureller Amnesie ist jetzt gemeint, wenn das nicht mehr möglich ist, wenn ich nicht mehr aufwachen kann, wenn ich mir nicht mehr die eigene Kultur kritisch aneignen kann, wenn ich nicht mehr in der Lage bin, mich selbst zu erinnern an all das, was meine Herkunft bedingt.
00:05:43
Speaker
Und da sind wir dann, oder Marquardt, Zukunft braucht Herkunft.
00:05:47
Speaker
Also wenn ich meine Herkunft nicht mehr benennen kann, wie kann ich dann irgendwie benennen, wo es hingehen soll, wenn ich nicht sagen kann,
00:05:57
Speaker
warum ich da bin, wo ich gerade bin, welchen Sinn mein eigenes in der Welt sein hat.

Wer oder was verursacht 'Kulturentzug'?

00:06:04
Speaker
Wenn ich das nicht mehr zu sagen weiß, wie will ich dann anfangen, Wege in mögliche Zukunft zu entwerfen?
00:06:12
Speaker
Also sehr, sehr spannender Begriff.
00:06:14
Speaker
Das war jetzt ausgesprochen lang, verzeih mir.
00:06:16
Speaker
Das war nur so die erste spontane Assoziation.
00:06:19
Speaker
Also Kulturentzug auch als eine Frage der Amnesie und dann der Frage, wo geht das denn eigentlich verloren?
00:06:27
Speaker
Wo sind diese Orte, wo uns unsere kulturellen Herkünfte gewissermaßen fremd werden?
00:06:35
Speaker
wo sie uns fremd wären.
00:06:36
Speaker
Und für mich war die Frage auch in dem, was du nochmal sprichst, was, vielleicht sogar aber auch wer, bewirkt diese Amnesie?
00:06:45
Speaker
Also wo und durch wen passiert dieser Kulturentzug?
00:06:51
Speaker
Sind wir das selber?
00:06:52
Speaker
Ist das unser Umfeld?
00:06:55
Speaker
Sind es politische Geschehnisse?
00:06:59
Speaker
Sind es gesellschaftliche Zwänge?
00:07:03
Speaker
Sind das soziale Bezüge?
00:07:06
Speaker
Was oder wer führt zu einem Kulturentzug und findet das...
00:07:12
Speaker
unbemerkt statt?
00:07:14
Speaker
Und was ist das, was es uns bewusster machen kann?
00:07:17
Speaker
Denn für mich war in einem bestimmten Punkt die Frage oder auch mehr das Erleben, mal dem Hinschauen, wo sind denn diese situativen Momente, wo ich das Gefühl habe,
00:07:30
Speaker
okay, hier wird gerade Kultur rausgenommen, also wo findet ein aktiver Versuch eines Entzuges raus, was ja an sich dann schon wieder auch eine gewisse Kulturform ist.
00:07:41
Speaker
Und in den Gesprächen, die ich dann einfach über Fragen oder so, was passiert hier gerade, feststellen durfte, musste vielleicht sogar eher, dass es Ansätze und Versuche gibt, Kultur zu managen.
00:07:56
Speaker
Also zu steuern, zu kontrollieren, vorab zu planen.
00:08:01
Speaker
Und der hat sich bei mir so ein innerer Widerstand regt, damit es okay ist, das ist nicht möglich bei und mit Kultur.
00:08:08
Speaker
Ich kann vielleicht...
00:08:10
Speaker
Räume aufmachen und ich kann moderieren und ich kann eher in Frage von Führung Fragestellungen aufgreifen, wenn es darum geht, jemanden zu begleiten, jemanden zu befähigen, jemanden vielleicht auch in bestimmten Aspekten zu beraten.
00:08:30
Speaker
Aber Kulturzusammenhänge lassen sich wenig bis gar nicht managen und dann fiel mir ein, wow, aber es gibt sogar ein ganzes Berufsfeld Kulturmanagement.
00:08:41
Speaker
Und ob wir darüber mit dieser Idee davon, dass Kultur nicht etwas ist, was sich entwickelt und was reift, was vielleicht sogar so wie natürliche Zyklen hat, also sowas wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter, dass sich Kultur auch regenerieren darf, dass wir über die Idee davon, wir managen nicht die Räume,
00:09:04
Speaker
in denen Kultur stattfindet, was vielleicht auch schon fragwürdig ist, weil die ja auch sehr informell sein können, sondern wir versuchen, das N-Stehen und B-Stehen von Kulturen in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen zu steuern, zu kontrollieren und zu planen.
00:09:17
Speaker
Und das war der Punkt, wo ich gesagt habe, okay, jetzt muss ich da mit Lars drüber sprechen, das werden immer mehr Knobeln.
00:09:24
Speaker
Ich habe den Eindruck, dass ein Knoten mit diesem Kulturbegriff zusammenhängt.

Kulturdefinitionen und ihre Bedeutung

00:09:29
Speaker
Also ich habe gerade und auch der Begriff, den Peter Biri benutzt, wenn er von kulturellem Gewebe spricht, dann meint er damit im Grunde die soziale Praxis.
00:09:43
Speaker
Also dass Gewohnheiten und Gepflogenheiten, die Verwirklichungen, das Doing-Neudeutsch,
00:09:50
Speaker
Und Ted Schatzky sprach mal vom Nexus of Doings and Sayings, also Praktiken irgendwie als so ein Bündel aus Gewohnheiten, Gepflogenheiten, was ja nochmal was anderes ist als das, was mit Kulturmanagement gemeint ist.
00:10:07
Speaker
Da ist Kultur ja dann eher so die schönen Künste.
00:10:10
Speaker
Theater, Literatur, Museen, das ist ja das, wo auch die Subjektform der Kulturmanagerin oder des Kulturmanagers dann auftritt.
00:10:23
Speaker
Das sind dann ja Menschen, die ein Museum leiten oder eine Ausstellung kuratieren oder die im Theater arbeiten.
00:10:32
Speaker
Das ist ja nochmal ein anderer Kulturbegriff.
00:10:33
Speaker
Also ich glaube, vielleicht sollten wir da mal kurz drauf gucken, bevor wir weiterreden, damit wir jetzt nicht in der ganzen Folge aneinander vorbeireden.
00:10:43
Speaker
Was meinst du, wenn du von Kultur redest?
00:10:48
Speaker
Das war ja meine Verwunderung, wie eng gefasst dieser Begriff oder diese Tätigkeit des Kulturmanagements ist.
00:10:54
Speaker
Also mir ging es eben tatsächlich, wenn es um eine Kultur geht, nicht nur um...
00:11:03
Speaker
Kulturschaffende und für die Raumzeichen und Kulturschaffenden nicht zu reduzieren auf bildende Kunst, also nicht auf Musikisches, also Kunst, Musik, Theater, Darstellung, schriftstellerische Tätigkeiten oder auch das Managen von Erleben von Kunst, sondern für mich war Kulturmanagement bis dato
00:11:32
Speaker
immer auch der Gedanke, Möglichkeiten zu schaffen, wo Kultur entstehen darf.
00:11:37
Speaker
Also das, was ich höre, das, was ich sehe, ist ja nicht etwas, was mir faktisch geliefert wird, sondern was immer ja auch einen Raum meiner Interpretation hat.
00:11:48
Speaker
Also wo ich immer meine eigene Perspektivität mit reingehe.
00:11:51
Speaker
Und für mich der Gedanke war,
00:11:54
Speaker
wenn ich von Kulturmanagement spreche, darf es doch auch so etwas sein.
00:11:58
Speaker
Ich kann mich in einer, ich nehme jetzt eine Ausstellung im Klimahaus mit den Fragen von, wie lebe ich eigentlich, wie fahre ich eigentlich Auto, also von Alltagspraktiken, die meine Kultur des Fahrens, des Lebens verändern dürfen, indem ich einen kulturellen Impuls gesetzt bekomme.
00:12:15
Speaker
Und dann wären wir in der Museumspädagogik.
00:12:17
Speaker
Für mich war Kultur der Ort,
00:12:21
Speaker
Oder für mich ist nicht wahr.
00:12:25
Speaker
Das ist tatsächlich das Einzige, was geblieben ist.
00:12:27
Speaker
Für mich ist Kultur der Ort, wo ich neugierig darauf scheinen kann, wie könnte es auch anders sein.
00:12:36
Speaker
Also Kultur ist der Raum, wo nicht etwas faktisch ist und immer so für mich faktisch ist und bleiben wird, sondern eine Kultur gestalten, erleben, ausleben zu dürfen, bedeutet für mich auch, es gibt Interpretationsräume und damit könnte es auch ganz anders sein.
00:12:55
Speaker
Und damit war für mich das kulturelle Erleben, Verweben, hatte immer auch eine unternehmerische Note.
00:13:04
Speaker
Und ich damit andere Zukunft denken kann.
00:13:06
Speaker
Und damit grenzte sich für mich Kulturmanagement nicht damit eng ein, sondern wenn ich in eine Galerie gehe oder wenn ich mir ein Theaterstück anschaue oder wenn ich Interpretationen von Musik höre, bietet mir das immer ein kreatives Angebot und was ich dann
00:13:24
Speaker
unternehmerisch auch, in welcher Form auch immer Zukunft gestaltend aufgreifen kann.
00:13:29
Speaker
Also es ist ein Angebot.
00:13:32
Speaker
Und wenn dieses Angebot reduziert wird oder diese Begegnungsräume nicht mehr stattfinden oder mir sogar gesagt wird, das ist Kultur und das ist keine Kultur, also ein Erwertungsraum geht, dann findet für mich dort ein Entzug statt, der auch reduziert wird, was wir unternehmerisch überhaupt an Potenzial möglich machen.

Kulturelle Praktiken als Basis für die Gesellschaft

00:13:54
Speaker
Ja, dann sind wir ja aber bei einem Begriff von Kultur als Praxis der Gesellschaft.
00:14:02
Speaker
Also die gesellschaftliche Praxis, also die Praktiken, die Kulturtechniken, die Handgriffe, die Arten und Weisen, wie Gesellschaften sich mit Leben zusammenarbeiten.
00:14:12
Speaker
Lebensmitteln versorgen, wie sie sich mit Baumaterialien versorgen, wie sie bauen, wie sie zusammen wohnen, wie sie leben, wie sie mobil sind und immobil sind, wie sie miteinander reden.
00:14:26
Speaker
Also dann sind wir wirklich auf der Ebene von gesellschaftlicher Praxis und damit ist Kultur etwas, was sich in dem Sinne natürlich überhaupt nicht managen lässt, also nicht im Controlling-Sinn managen lässt.
00:14:42
Speaker
Und ich glaube im Übrigen auch nicht, Klammer auf, dass der etwas eng geführte Kulturbegriff, wie er im Kulturmanagement verwendet wird, also wo es dann wirklich eher um die bildenden Künste geht, dass sich diese Art von Kultur managen ließe.
00:14:59
Speaker
Also auch das nicht, das ist so einseitig auf Ebene der Technik.
00:15:06
Speaker
der SenderInnen quasi reduziert oder der Künstlerin und Künstler reduziert und blendet so völlig aus, dass das natürlich immer ein Interaktionsgeschehen ist.
00:15:16
Speaker
Ja, der reduziert für mich dieses Berufsbild.
00:15:19
Speaker
Auch die KulturmanagerInnen, die ich kenne, machen so viel mehr als Planen, Steuern, Kontrollieren, so ganz, ganz viel mehr und schaffen ganz viel Begegnungs- und Gestaltungsräume, wo ganz viel Neues entsteht.
00:15:32
Speaker
Also auch diesem Berufsbild auch nicht gerecht einfach.
00:15:37
Speaker
Die Bezeichnung ist einfach Quatsch.
00:15:39
Speaker
Die Praxis ist teilweise eine sehr ehrbare, teilweise finden da auch schwierige Dinge statt.
00:15:48
Speaker
Aber was ich jetzt spannend finde, ist wirklich dieser andere Kulturbegriff, also der breitere zu sagen Kultur ist gesellschaftliche Praxis.
00:15:57
Speaker
Und gerade weil es gesellschaftliche Praxis ist, also Wohnen, Ernähren, Mobilität und so weiter irgendwie betrifft,
00:16:05
Speaker
ist in Kultur gewissermaßen immer auch das Potenzial für Zukunft oder Zukünfte.
00:16:14
Speaker
Also in dem, was ist, ist ja immer auch das, was sein könnte.
00:16:20
Speaker
Das ist ja mit angelegt in dem, was ist.
00:16:23
Speaker
Und in dem Sinne ist Kultur irgendwie so beides.
00:16:26
Speaker
Es ist einerseits die soziale Wirklichkeit und zugleich das Medium gesellschaftlicher Möglichkeiten.
00:16:38
Speaker
Und da war mein Irritations- und Störmoment, dass ich das Gefühl hatte, und daher diese Idee von Kulturentzug, dass die Qualität dessen,
00:16:51
Speaker
verkannt wird immer mehr und die Bedeutung und dass es nicht nur relevant ist, sondern wichtig ist, zentral wichtig ist, dass das eine Bedeutung hat und dass dort eine Form von kultureller Arbeit passiert, die zentral wichtig ist.
00:17:09
Speaker
für und in der Gesellschaft und die einen Wert hat.
00:17:12
Speaker
Also so wie Care Arbeit nicht in Wert gesetzt wird, gibt es, glaube ich, einen Ansatz von Culture oder Cultural Work, die uns verloren gegangen sind, wo wir früher in dem Miteinander und in dem Füreinander...
00:17:27
Speaker
in spezifischen Kulturzusammenhängen des Wohnens, des Arbeits und Lebens in eine Isolation gekommen sind, durch gesellschaftliche Prozesse, wirtschaftliche Veränderungen, technologische Zusammenhänge, also in eine Isolation gekommen sind, die uns Kultur,
00:17:47
Speaker
oder dass das Betrachten und das Erlernens und das Ausprobierens von kulturellen Praktiken, die vielleicht ganz anders sind als die, die ich bisher lebe, verloren gegangen sind in ihrer Bedeutung, in ihrer Qualität.
00:18:02
Speaker
Und das nimmt damit auch, dass wir eine Perspektivität auswählen,
00:18:09
Speaker
weiter einbringen können, die ein sehr viel vielfältiges Bild von Zukunft noch denken lassen und Ansätze von Aspekten, die wir schon mal wussten und die wir schon mal konnten, gar nicht als wertig in Bezug auf Kulturpraktiken gesehen werden und dort in eine Isolation gehen, die das sehr
00:18:31
Speaker
sehr bereinigt als Raum offen lassen, wenn es darum geht, neue Zugänge, überlebensfähige, zukunftsfähige Zugänge nicht nur zu denken, sondern tatsächlich auch auszuprobieren.
00:18:47
Speaker
Ja, da geht es also dann um die Veränderbarkeit von Kultur.
00:18:52
Speaker
Und da steckt ja auch eine Transformationstheorie wieder dahinter.
00:18:56
Speaker
Also wenn wir sagen, es ist das ABC der Transformation, kann man ja mit gutem Recht auch fragen, was hat jetzt Kulturentzug damit zu tun?
00:19:04
Speaker
Und da sind wir jetzt, glaube ich, an einem sehr wichtigen Punkt angelangt, nämlich an jenem,
00:19:10
Speaker
an dem wir thematisiert bekommen, dass in vielen Alltagstransformationstheorien so ein sehr naiver, fast schon Steuerungsoptimismus eingelassen ist,
00:19:26
Speaker
Im Sinne von, morgen ist große Transformation und wir legen den Hebel um und alle machen mit und dann ist es irgendwie vorbei.
00:19:33
Speaker
Also wie so ein singuläres Ereignis oder irgendwie etwas, was sich einfach durch Gesetzgebung so strukturalistisch auf den Weg bringen lässt.
00:19:43
Speaker
Wir machen irgendwie ein bisschen andere Politik.
00:19:46
Speaker
Woher diese andere Politik kommen soll, sei dann mal dahingestellt.
00:19:51
Speaker
Aber wir machen irgendwie so ein bisschen andere Politik und dann werden sich die gesellschaftlichen Verhältnisse schon sehr grundlegend verändern.
00:19:57
Speaker
Und was wir jetzt merken ist, nee Moment, Kultur lässt sich halt nur kultivieren.
00:20:07
Speaker
Das braucht irgendwie so eine Mischung aus Pflege auf der einen Seite.
00:20:13
Speaker
Da sind wir dann noch wieder bei dem, was du gerade so Cultural Work genannt hast oder auch Care-Arbeit, also wirklich Pflege, Kulturtechniken zu pflegen, Pflege und Bewahrung.
00:20:31
Speaker
Also Kultivierung beinhaltet immer so beides.
00:20:34
Speaker
Es ist einerseits so dieses konservierende Moment durchaus, Sachen zu erhalten, Sachen auch in ihrer Eigendynamik und ihrer Eigenzeit zu erhalten, wenn wir jetzt an die Kultivierung von Nutzpflanzen oder sowas zum Beispiel denken, aber halt immer auch um die Pflege.
00:20:54
Speaker
Das heißt...
00:20:56
Speaker
Auch wenn wir dort in ökologischer Landwirtschaft oder sowas denken, dann ist es trotzdem Kulturgut.
00:21:04
Speaker
Da muss man trotzdem hergehen und sich die Hände schmutzig machen, Werkzeuge in die Hand nehmen, düngen, pflegen, schneiden, ernten, Boden vorbereiten und so weiter und so fort.
00:21:16
Speaker
Also bestenfalls nicht in der Reihenfolge.
00:21:18
Speaker
Du merkst schon, ich habe nicht so richtig viel Ahnung davon.
00:21:22
Speaker
Aber das ist halt wichtig.
00:21:23
Speaker
Das heißt Pflege und Bewahrung.
00:21:25
Speaker
Kultur lässt sich dann nicht steuern, lässt sich nicht managen, sondern nur kultivieren.
00:21:30
Speaker
Und da ist immer so ein eigendynamisches Moment, was sich dann nicht wegdenken lässt.
00:21:38
Speaker
Und dieses eigendynamische Moment ist dann immer auch der Keim der Veränderung.

Kulturelle Vielfalt und Unternehmertum

00:21:45
Speaker
Also da gilt dann mit Adorno, da war doch dieser eine wunderbare Satz von ihm, wie ging der noch, wenn das, was ist, sich ändern lässt, ist das, was ist, nicht alles.
00:22:00
Speaker
Da sind sehr viele Kommata drin.
00:22:02
Speaker
Wenn das, was ist, sich ändern lässt, ist das, was ist, nicht alles.
00:22:09
Speaker
Also wenn ich an der Gegenwart irgendwie was anders machen kann, dann ist mit der Beschreibung der Gegenwart halt noch nicht die gesamte Geschichte erzählt, sondern da ist immer auch Potenz drin, was anders zu tun.
00:22:23
Speaker
Da ist immer dieses noch nicht, etwas, was möglich ist, aber was noch nicht da ist.
00:22:30
Speaker
Die Ontologie des noch nicht seins.
00:22:32
Speaker
Und in solche Richtungen vorzudringen und dieses Potenzial aufzublättern, was da alles noch möglich ist, wie viele Zukunfte da in der Gegenwart noch schlummern, das finde ich jetzt auch spannend.
00:22:45
Speaker
Und ich glaube, an genau der Stelle meintest du vorhin auch, da kommt was Unternehmerisches für dich rein.
00:22:51
Speaker
Kannst du da nochmal zwei Sätze zu sagen, was du damit gemeint hast?
00:22:54
Speaker
Also für mich ist das Unternehmerische nicht etwas, was zwangsläufig in einen wirtschaftlichen Betrieb geht, sondern was in ein unternehmerisches, verwobenes Denken und Handeln mündet.
00:23:07
Speaker
Also in einer Anschaulichkeit von einem Ausprobieren und zwar dem Moment des Wahrnehmens, also was du als Eigendynamik beschrieben hast, der Wahrnehmung und der Reflexion einer, okay, da entsteht eine Eigendynamik, wo und wie.
00:23:25
Speaker
ist die wertvoll?
00:23:26
Speaker
Und wofür ist sie wertvoll, diese Eigendynamik?
00:23:29
Speaker
Eine Eigendynamik kann ja einen regenerativen Moment entfalten.
00:23:34
Speaker
Sie kann aber auch einen, und da sind wir bei Schumpeter, schöpferisch zerstörenden Moment entfalten, der aber auch notwendig und zentral ist.
00:23:43
Speaker
Also das Unternehmerische in den kulturellen Bezügen zeigt,
00:23:50
Speaker
Für mich auch, wo es notwendiger ist, als wir es bisher bewusst denken, dass wir eine Interaktionsorientierung in der...
00:24:00
Speaker
in dem Entstehen und Bestehen von kulturellen Praktiken haben, die, wenn wir die rausnehmen und in eine Isolation gehen, wir wegnehmen, dass wir dieses Potenzial einer Eigendynamik haben.
00:24:10
Speaker
Also die reduzieren wir.
00:24:11
Speaker
Wenn wir uns sehr in diesen Selbstbezug gehen und in den kleinen Eigenbezug, nehmen wir das Potenzial dieser Eigendynamik raus, die entstehen kann, wenn
00:24:23
Speaker
beim Innovationsbereich spricht man dann von Serendipity, also dieser Zufallsmoment eines ganz anderen entstehen kann.
00:24:30
Speaker
Das reduzieren wir, wenn wir Interaktionsorientierung im Kulturellen immer weiter rausnehmen.
00:24:36
Speaker
Und deswegen
00:24:37
Speaker
ist dieses Moment des Aufeinandertreffens im positivsten Sinne unterschiedlicher kultureller Praktiken, eines Früheres oder in einem anderen Kontextbezug, so notwendig, um ein schöpferisches Potenzial aus dieser Eigendynamik überhaupt erst wahrnehmen zu können und dann zu reflektieren.
00:24:59
Speaker
Kulturelle Vielfalt heißt dann halt auch Vielfalt an Möglichkeiten, Vielfalt an Ausdrucksweisen, Vielfalt an Ernährungsgewohnheiten und Gepflogenheiten, Verwirklichungschancen mit Amartya Sen und Martha Nussbaum.
00:25:13
Speaker
Es geht um Capabilities, es geht nicht darum, Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollen, sondern Bedingungen zu schaffen, damit Menschen, wenn sie es wollen, können.
00:25:25
Speaker
Und das ist das, warum für mich dieser Moment, als dieses Wort kam, Kulturentzug, so ganz eng mit dem Aspekt der Bildung war, weil wir gefühlt für mich dort Lernräume aktuell schaffen, die isoliert sind und dadurch einen Kulturentzug erzeugen.
00:25:44
Speaker
verstärken, im Erlernen von dem, was war, was sein könnte und wie ich es zukünftig machen kann und dass dieser Ansatz einer Befähigung, der ja ganz, wie du es eben in den Ermöglichungschancen noch angesprochen hast, der ja in einen Bezug zu meinem Umfeld, zu meinem Kontext bezieht, in dem, was ist möglich und was kann möglich werden, wenn der uns verloren geht, weil wir uns daraus isolieren und in einen Kulturentzug, in der Bildung gehen von dem, wo Bildung
00:26:14
Speaker
im fachlich-methodischen Sicherheitsbeziehen sollte bestmöglich auf Kulturpraktiken, die sie dann entweder erhalten oder neu gestalten.
00:26:24
Speaker
Also da sind wir bei diesem Amibet-Dextrie-Zugang.
00:26:27
Speaker
Was gilt es, Bewertes zu erhalten?
00:26:29
Speaker
Was gilt es, Neues zu gestalten?
00:26:31
Speaker
Und wie binde ich beides direkt in Befähigungsprozesse ein?
00:26:35
Speaker
Und wenn dort eine Isolation stattfindet, nehmen wir ganz viel Möglichkeitsraum.
00:26:43
Speaker
Ja, ja, ja, dieser Möglichkeitsraum, also das Potenzial im Grunde genommen, was da drin schlummert.
00:26:52
Speaker
Wenn wir jetzt nochmal auf die Frage zu sprechen kommen, wo findet denn dieser Entzug eigentlich statt?
00:26:59
Speaker
Oder um es auf den Begriff der Amnesie dann zu bringen, wo sind diese Momente des Vergessens, wo dieser Möglichkeitsraum entweder kommt,
00:27:07
Speaker
kleiner gemacht wird oder aktiv und wissentlich und absichtsvoll klein gemacht wird oder aber auch durch Prozesse schleichend an Potenzial verliert.
00:27:24
Speaker
Was sind das für Prozesse?
00:27:26
Speaker
Hast du da was Konkretes vor Augen?
00:27:31
Speaker
Ja.
00:27:34
Speaker
kein konkretes Beispiel.
00:27:35
Speaker
Ich glaube, was mir in diesem ersten Punkt nochmal wichtig ist, ist, dass zumindest in meiner Wahrnehmung es eine, ich nenne es mal Verwechslung von Mittel und Zweck passiert.
00:27:50
Speaker
Wo Befähigung und Lernen in der, was ist Mittel, was ist Zweck dessen, was dort stattfindet, auch im kulturellen Bezug, sich vertauscht hat.
00:28:03
Speaker
Oder es einen Moment gab, wo nicht mehr aufgefallen ist, dass das sich verändert hat oder gedreht hat.
00:28:12
Speaker
Hast du da was Konkretes vor Augen?
00:28:17
Speaker
Wenn Lernen zum Selbstzweck wird, also nicht als eine Reise und eine Befähigung und eine Entwicklung,
00:28:27
Speaker
Und Lernen, dass das Mittel ist, wo ich mich auf etwas wie Zukunft erkennen, Zukunft gestalten hinbewege, sondern es zum Selbstzweck wird, etwas auswendig zu lernen mit, das ist so und das gibt es in diesem Kontext und keine Übertragbarkeit mehr stattfindet.
00:28:45
Speaker
Sondern es eine Methode gibt, die kann ich hierfür nehmen.
00:28:48
Speaker
Oder es ein fachliches Wissen gibt, das gilt nur hier.
00:28:53
Speaker
Wenn diese Singularisierung dessen, was wir lernen und wie wir lernen,
00:28:58
Speaker
zum Selbstzweck wird und nicht das Lernen das Mittel ist, um zu befähigen und um das weiterzutragen und im Zuge des Lernens auch andere Möglichkeitsräume erkunden zu können und damit ein individueller Lernanlass mir ermöglicht, Kulturkontrolle
00:29:17
Speaker
Praktiken auszuüben und sie zu verändern.
00:29:19
Speaker
Und das können ja auch handwerkliche Praktiken sein.
00:29:22
Speaker
Das können Praktiken des Dialoges sein.
00:29:24
Speaker
Das können Praktiken von fachlichen Ausübungen sein.
00:29:30
Speaker
Wenn es da der Lernen zum Selbstzweck wird, etwas zu repetitieren und nicht das Lernen das Mittel ist, um dort Praktiken zu erlernen und sie auch zu verbessern und hinterfragen zu dürfen,
00:29:45
Speaker
dann sind wir in einem Bildungsraum, in dem Kulturentzug stattfindet, in dem ich festsetze, wie diese Kultur zu sein hat.
00:29:53
Speaker
Und dann ist Kultur auch nicht mehr Mittel, sondern Zweck.
00:29:57
Speaker
Okay, verstehe.
00:29:58
Speaker
Es ist, glaube ich, oder was heißt verstehe?
00:30:01
Speaker
Ich spiegel es dir und dann sagst du mir, ob ich dich richtig verstanden habe.

Bildung und kulturelles Verständnis

00:30:06
Speaker
Bei mir ist jetzt gerade eine Schublade aufgegangen und da ist schon wieder Peter Beri rausgehüpft.
00:30:12
Speaker
Er ist uns ein willkommener Gast.
00:30:15
Speaker
Auf jeden Fall.
00:30:17
Speaker
Das muss in vielerlei Hinsicht ein sehr bemerkenswerter Mensch gewesen sein, was ich so bislang über ihn und von ihm gehört habe.
00:30:29
Speaker
Peter Biri hat Unterschieden zwischen Bildung und Gelehrsamkeit.
00:30:33
Speaker
Und er meinte immer so, ja, Gelehrsamkeit ist im Grunde genommen, wenn ich mir irgendwie was äußerlich aneigne, aber das hat nichts mit mir zu tun.
00:30:41
Speaker
Also ich lerne irgendwie Goethe auswendig, aber meine eigene Sprache verändert es nicht.
00:30:45
Speaker
Das ist reine Gelehrsamkeit.
00:30:47
Speaker
Also irgendwelche Kennzahlenbäume runterschreiben zu können, ohne aber, dass sich mein eigenes Weltverhältnis dadurch verändert.
00:30:53
Speaker
Das ist Gelehrsamkeit.
00:30:55
Speaker
In dem Moment, wo ich aber anfange, durch die Beschäftigung mit klassischer Literatur an meiner eigenen Sprache zu arbeiten und ich eine innere Freiheit, das ist für ihn immer eine ganz wichtige Kategorie, diese innere Freiheit, wenn ich diese innere Freiheit im Umgang mit Sprache erlange, dass ich dann in einem Bildungsprozess angelangt bin,
00:31:17
Speaker
Oder ein anderes Beispiel, das bei ihm fällt, ist der Theaterbesuch.
00:31:23
Speaker
Also wenn ich einfach nur vorm Theater sitze und einen Aperol Spritz trinke, hat das erstmal nichts mit Bildung zu tun.
00:31:30
Speaker
Aber wenn ich durch einen Theaterbesuch oder durch einen Konzertbesuch, durch einen Festivalbesuch, durch eine Ausstellung, die ich besuche oder, oder, oder,
00:31:41
Speaker
Wenn ich durch die Auseinandersetzung damit etwas lerne über mein eigenes Verständnis von Privatheit und Scham und in der Welt sein und so weiter, dann bin ich in einem Bildungsprozess angelangt.
00:31:55
Speaker
Und in dem Sinne höre ich jetzt bei dir auch raus, dass es vor allen Dingen um die Räume geht, in denen wir uns als Persönlichkeiten bilden.
00:32:06
Speaker
Das heißt nicht nur irgendeinen Kanon in den Mittelpunkt stellen,
00:32:11
Speaker
So funktioniert ja viel im sogenannten Bildungssystem.
00:32:15
Speaker
Da geht es um den Kanon, Deutsch, Mathe, Englisch.
00:32:18
Speaker
Und da muss man halt bestimmte Leute irgendwie gelesen haben oder bestimmte Aufgaben oder Rechenoperationen gelernt haben.
00:32:25
Speaker
Aber da geht es immer nur um den Kanon.
00:32:26
Speaker
Und es geht nicht darum, was die Person, die sich damit gerade beschäftigt, inwieweit die verändert daraus hervorgeht.
00:32:35
Speaker
Und dieses verändert daraus hervorgehen, das ist Bildung.
00:32:39
Speaker
Und wenn wir dahin kämen, da wäre doch schon richtig viel gewonnen.
00:32:48
Speaker
Ich glaube, es ist nicht nur richtig viel gewonnen.
00:32:50
Speaker
Ich halte es für essentiell notwendig, wenn es darum geht, über das unternehmerische Denken und Handeln uns zukunftsfähig zu erhalten.
00:33:02
Speaker
Weil es genau das braucht, um unternehmerische Möglichkeitsräume wahrnehmen zu können.
00:33:09
Speaker
Genau, wenn ich nämlich als Schlafwandlerin oder als Schlafwandler unterwegs bin und alles erstmal für gegeben erachte, also so tue, dass wir selbstverständlich und nur so, wie wir heute halt irgendwie uns organisieren, dass wir nur so leben können, nur so essen können, nur so reden können, nur so mobil sein können, wohnen können und so weiter, ja, dann ist natürlich nicht viel zu holen im Bezug auf Zukunft.
00:33:34
Speaker
Dann ist das verlängerte Vergangenheit.
00:33:37
Speaker
Ich finde es sogar noch
00:33:39
Speaker
Ich finde, es ist eine Engführung der Vergangenheit als letztmögliche Zukunftsoption.
00:33:47
Speaker
Denn wenn ich dennoch den Anspruch an mich habe, Dinge zu verbessern, zu optimieren, zu skalieren, dann mache ich ja immer nur mehr von dem Gegebenen und führe es immer enger.
00:33:57
Speaker
Und vergesse dabei immer mehr, was es doch auch hatte.
00:34:00
Speaker
Und damit habe ich eine immer größere, also mit allem Versuch, mit unternehmerischen Methoden und Innovationsansätzen zu arbeiten, führe ich das, was geschieht, die Kulturpraktik immer enger auf sich selbst zu.
00:34:13
Speaker
Und damit verenge ich immer mehr in meiner Idee, es anders zu machen, innovativer zu machen.
00:34:19
Speaker
Also all das, was die Grundtendenz ist, ad absurdum, weil ich nur das eng führe, was eh da war und dabei immer mehr vergesse.
00:34:27
Speaker
Und über diesen Kulturbezug generiere ich eine neue Kultur des Vergessens, immer enger führe von dem, was eh da ist und damit immer enger führe, was noch möglich ist.
00:34:41
Speaker
Da können wir jetzt also dann positiv gesprochen an diesem Begriff des Vergessens anknüpfen und in Bezug auf die Frage, wie kommen wir denn jetzt diesem Kulturentzug, dieser Amnesie, diesem Moment, dass wir…
00:34:57
Speaker
kulturell uns selbst beginnen, irgendwie fremd zu werden und aus Mangel an Herkunft nicht mehr wissen, wo irgendwie Zukunft noch für uns denkmöglich wird, noch nicht mal denkmöglich wird.
00:35:07
Speaker
Wie können wir da irgendwie was verändern?
00:35:09
Speaker
Naja, vergessen ist das Problem, dann lautet die Lösung Erinnerung.
00:35:13
Speaker
Wir brauchen Erinnerungskulturen, wir brauchen Aufarbeitung von Geschichte, wir brauchen auch kritische Positionierung zu Geschichte, wir brauchen den Erhalt kultureller Praktiken, wir dürfen nicht alles
00:35:27
Speaker
nonchalant etwaigen Neuerungen und vor allen Dingen dann technischen Erfindungen opfern.
00:35:38
Speaker
Also ich denke da jetzt im Feld vom Erhalt kultureller Praktiken nur mal dran, wie grundlegend Digitaltechnologien unsere Art des Kommunizierens verändert haben.
00:35:49
Speaker
In aller Ambivalenz.
00:35:51
Speaker
Sehr positiv, aber halt auch durchaus mit vielen Schattenseiten, wenn es
00:35:55
Speaker
Darum geht nur noch zu senden und Dialogfähigkeiten mehr und mehr verkümmern.
00:36:01
Speaker
Wenn wirkliche Verständigung einander verstehen wollen, kaum mehr möglich ist, sondern es nur noch um schnelle Pointen geht, es darum geht, seinen eigenen Standpunkt rauszuposaunen und es dann auch noch die Haltung gibt, dass es total in Ordnung ist, damit Hass und Hetze und persönliche Angriffe und sonst etwas über Meinungsfreiheit zu rechtfertigen.
00:36:24
Speaker
dann hat das ja viel damit zu tun, dass uns Kulturtechniken der Deliberation, der Verständigung, des Dialogs, des Miteinanderredens abhandengekommen sind.
00:36:34
Speaker
Und so kann man im Grunde genommen durch ganz viele Bereiche gesellschaftlicher Praxis hindurchgehen und fragen, wo beispielsweise durch Technologien uns auch
00:36:45
Speaker
kulturelle Praktiken oder soziale Praktiken, also Kulturtechniken, wo sie mehr und mehr in Vergessenheit geraten

Technologie, Individualismus und kulturelle Amnesie

00:36:57
Speaker
sind.
00:36:57
Speaker
Also in dem Maße, in dem ich nur noch vorgekochtes Essen irgendwo im Supermarkt erwerbe, verliere ich natürlich Fähigkeiten in der Zubereitung von Nahrungsmitteln.
00:37:09
Speaker
Und das reicht ja mittlerweile so weit, dass man aufgeschnittenes Obst
00:37:14
Speaker
im Supermarkt bekommen, wo man dann also nicht mal mehr die Fähigkeit aufbringen muss, mit einem kleinen Obstmesser irgendwie umzugehen, um den Apfel aufzuschneiden.
00:37:23
Speaker
Also auf so einer Ebene ist das ja mittlerweile angekommen.
00:37:26
Speaker
Und ein ganz wesentlicher Treiber, so scheint mir, für diese kulturelle Amnesie ist neben dieser Hypertechnisierung der Gesellschaft, die wir gegenwärtig erleben,
00:37:39
Speaker
Auch eine Hyperindividualisierung der Gesellschaft, eine Vereinzelung, in der mehr und mehr Menschen sich selbst als Anfang und Ende von allem begreifen.
00:37:51
Speaker
Ja, wo die eigenen kulturellen Herkünfte überhaupt gar nicht mehr in den Blick genommen werden, wo Fragen von Bildung,
00:38:00
Speaker
sowieso nur dann in den Blick kommen, wenn sie irgendwie der eigenen Vita zu Pass kommen, wo die Vita zum Ausdruck von Selbstoptimierung wird, also wo so eine Form von Individualisierung dazu geführt hat, seine eigenen kulturellen Herkünfte
00:38:21
Speaker
Ja, wirklich zu vergessen, sich nicht mehr zu erinnern.
00:38:25
Speaker
Und das ist keine individuelle Geschichte wiederum, sondern das ist mittlerweile selbstkulturell geworden.
00:38:35
Speaker
Ich habe das vorhin mit dem Begriff Isolation aufgegriffen, weil das für mich ein tatsächlich wichtiger Punkt ist.
00:38:42
Speaker
Denn allein was mit unserem körperlichen Immunsystem passiert, wenn wir lange isoliert sind, wenn wir dann in einem freien Raum ausgesetzt werden, werden wir erstmal krank, weil wir das gar nicht aushalten, weil so viel auf uns einströmt, was wir physisch gar nicht verarbeiten können.
00:38:59
Speaker
Und ich glaube, auch das passiert mit unserem Geist und unserer Seele, wenn wir uns so individuell isolisieren, rausgehen, dass wenn wir dann wieder aus diesem Entzug mit der Kultur in Kontakt kommen, und deswegen bin ich weniger bei Drogen, weil die wollen wir ja tatsächlich nicht haben, sondern uns ist was genommen worden, was für uns gut und gesund ist.
00:39:19
Speaker
Und dennoch kann es uns in meinem ersten Moment völlig überfordern.
00:39:23
Speaker
Und ich glaube, das braucht eine Begleitung.
00:39:25
Speaker
Und du hast ein Wort gewählt, das ich für sehr wichtig halte, nämlich durch.
00:39:31
Speaker
Etwas passiert durch.
00:39:32
Speaker
Und wenn wir aktuell schauen, wo Lernen, wo Bildung formell stattfindet, im Unterschied zu informellen Orten,
00:39:41
Speaker
oder an einigen wenigen Orten auch, an Orten, die konkret sich mit der Bildung von Menschen beschäftigen, ändert sich das ein wenig.
00:39:50
Speaker
Wir lernen viel über etwas, also aus einer entgrenzten Perspektive, die uns auch wieder davon isoliert, lernen wir über etwas und sollen es aber dennoch in die Anwendung danach bringen.
00:40:04
Speaker
Wir lernen mit etwas, also wir lernen über etwas und dürfen es in einem kleinen Zusammenhang, der aber vorgegeben ist und der schon eine
00:40:11
Speaker
Rahmung hat von in diesem Raum, da gehört das hin.
00:40:14
Speaker
Und das, was mir fehlt, wo du dieses Wort, wir lernen durch etwas, also eine
00:40:20
Speaker
dass das Ausprobieren einer gewissen Praktik und der Austausch darüber und das Erfahrungsraum, wo sind hier Grenzen, wo sind hier Möglichkeiten, wo sind hier Verknüpfungsaspekte, dass dieser Durchmoment, also dieser Moment durch Kultur und damit in Kultur zu lernen, uns erst öffnet, dass wir unternehmerisch dort Möglichkeiten aufbauen können und
00:40:45
Speaker
Gleichzeitig sage ich, ja, das brauchen wir so dringlich und würde am liebsten alle reinschubsen und erlebe zudem aber eine maßlose Überforderung, dass durch diesen langen und ja auch positiv erlebten, also für sich selber als wertvolle Qualität erlebten Kulturentzug,
00:41:00
Speaker
dass der Maßschluss überfordert.
00:41:01
Speaker
Und das löst Spannungen aus, die, wenn sie sich im Negativen entladen, in Konflikt, in Konfrontation, in Erkrankungen tatsächlich führen.
00:41:12
Speaker
Und dass wir dort sehr, sehr sorgfältig und sehr vorsichtig umgehen müssen.
00:41:18
Speaker
Und das ist eine Form von Fürsorge,
00:41:22
Speaker
auch im Bildungskontext braucht, also eine Form von Care braucht, um aus diesem Entzug wieder zurückzukommen und das transformative Potenzial, was in dem kulturellen Miteinander liegt, um dort wieder ranzukommen.

Kulturelle Praktiken in der gesellschaftlichen Transformation

00:41:37
Speaker
Ich finde den Dreh, den wir jetzt in dieser Folge gemacht haben, wirklich total bemerkenswert.
00:41:43
Speaker
Ich genieße das so mit dir gemeinsam laut zu denken.
00:41:46
Speaker
Ich vergesse auch dabei permanent, dass uns ja Leute dabei zuhören können.
00:41:50
Speaker
Aber das werden die uns mit Sicherheit nachsehen.
00:41:54
Speaker
Ich finde den Dreh so spannend, weil wir jetzt am Ende im Grunde doch dabei angelangt sind, dass Transformation eine Art gesellschaftlicher Lernprozess ist, wo wir manche Dinge neu lernen und andere Dinge lernen.
00:42:13
Speaker
aber auch verlernen.
00:42:15
Speaker
Und an spätestens solchen Punkten, wenn wir manche Dinge verlernen, zum Beispiel autokratisch miteinander umzugehen, also sich wechselseitig autokratisch zu regieren oder
00:42:31
Speaker
Und vor allen Dingen durch Verbrennung fossiler Energieträger uns fortzubewegen, so zu heizen und so weiter oder eine sehr energieintensive Art und Weise der Ernährung zu pflegen.
00:42:48
Speaker
All solche Dinge, da gibt es ja auch so manche kulturellen Dinge, die wir auch mit guten Gründen verlernen sollten und wo so ein kleines bisschen Kulturentzug vielleicht gar nicht mal so schlimm ist.
00:43:01
Speaker
Was uns dann am Ende dazu führt, dass Kultur erst mal jenseits von Gut und Böse mit Nietzsche.
00:43:12
Speaker
Also moralisch sind nicht die Phänomene, sondern immer nur die Ausdeutungen und Interpretationen von ihnen.
00:43:21
Speaker
Also auch Kultur ist erst mal nicht per se was Gutes oder per se was Schlechtes, sondern Kultur ist erst mal Kultur.
00:43:29
Speaker
Und dann ist die Frage,
00:43:31
Speaker
Wie wir in unseren Kulturen und durch unsere Kulturtechniken transportieren, was uns eigentlich wichtig ist im Leben.
00:43:42
Speaker
Wie wir leben wollen.
00:43:45
Speaker
Ich glaube, es ist sogar noch mehr.
00:43:47
Speaker
Noch mehr?
00:43:48
Speaker
Noch mehr als die Frage, wie wir leben wollen?
00:43:50
Speaker
Jetzt bin ich gespannt.
00:43:53
Speaker
Es ist das, was wir, wie wir leben wollen, weitertragen.
00:44:03
Speaker
das im Miteinander können.
00:44:06
Speaker
Und das, wo wir nicht nur für uns im Kleinen, also dann mit mir und meinem engeren Umfeld, sondern aus dem Bezug von einer Fürsorge in dem,
00:44:20
Speaker
wo wir Kultur als Speicher nutzen können, um es auch weiterzutragen, Menschen mitnehmen können, die das vielleicht wiedererlernen können oder denen ein Raum genommen wurde, das zu lernen und sie in der Gemeinschaft dort an einem zukunftsfähigen, guten Leben teilhaben lassen können.
00:44:42
Speaker
Die Kultivierung einer nachhaltigen Gesellschaft braucht Fürsorge.
00:44:47
Speaker
Ja.
00:44:49
Speaker
Steffi, ich danke dir.
00:44:51
Speaker
Ich danke dir, Lars.
00:44:53
Speaker
Und euch da draußen auch.
00:44:55
Speaker
Ja, euch allen zusammen.
00:44:57
Speaker
Bis zum nächsten Mal.
00:44:58
Speaker
Macht's gut.
00:44:58
Speaker
Ciao, ciao.
00:44:59
Speaker
Bis zum nächsten Mal.
00:45:00
Speaker
Ciao.