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Undisziplinierbarkeit

lautdenken
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25 Plays13 days ago

Heute tanzen wir mal aus der Reihe – mit Ansage.

Stephie und Lars sprechen darüber, warum viele echte Probleme nicht in Schulfächer oder Schubladen passen. Sie zeigen, wie unterschiedliche Blickwinkel zusammen helfen können, warum gutes Zuhören wichtiger ist als Recht zu haben – und wieso Loslassen manchmal die beste Form von Disziplin ist. Das und mehr in der neuen Folge lautdenken.

LEISE WEITERDENKEN

Felten, P., & Lambert, L. M. (2020). Relationship-rich education: How human connections drive success in college. Jhu Press.

Mittelstraß, J. (1987). Die Stunde der Interdisziplinarität. Kocka, J.,(Hg.), Interdisziplinarität, Praxis–Herausforderungen–Ideologie, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 152-158.

Transcript

Begrüßung und Vorstellung des Themas

00:00:16
Speaker
Moin Moin, wunderschön, dass ihr eingeschaltet habt.
00:00:19
Speaker
Liebe Steffi, ich grüße dich.
00:00:22
Speaker
Hallo lieber Lars, ich bin sehr gespannt, was du für ein Wort heute mitgebracht hast.
00:00:27
Speaker
Ich habe ein Wort mitgebracht, das zweierlei Funktionen für mich erfüllt.
00:00:33
Speaker
Erstens, wir können da jetzt eine Folge draus machen.
00:00:35
Speaker
Und zweitens, wenn du im Nachgang deine Diktion vom Spiegel üben möchtest, kannst du das damit tun.
00:00:43
Speaker
Undisziplinierbarkeit.
00:00:46
Speaker
Darüber möchte ich gerne mit dir heute reden.

Einführung in 'undisziplinierbarkeit' und seine Implikationen

00:00:48
Speaker
Ich versuche es mal.
00:00:49
Speaker
Undisziplinierbarkeit.
00:00:51
Speaker
Ja, siehste, da haben wir doch den ersten Haken schon dran.
00:00:55
Speaker
Diktion läuft.
00:00:57
Speaker
Lass uns drüber reden, was es mit Undisziplinierbarkeit so auf sich hat.
00:01:03
Speaker
Hast du eine Idee, wie ich drauf gekommen bin?
00:01:06
Speaker
Gar nicht.
00:01:07
Speaker
Gar nicht?
00:01:08
Speaker
So gar nicht, nee.
00:01:10
Speaker
Ich habe dieser Tage über den Zusammenhang von Problemen in dieser Welt und unseren Fächern nachgedacht, also unseren wissenschaftlichen Disziplinen, die ja teilweise auch Schuldisziplinen sind.
00:01:23
Speaker
Das kennen wir dann Mathe, Deutsch, Englisch oder halt Physik, Biologie, was auch immer.
00:01:29
Speaker
Also Schulfächer, die man ja auch studieren kann als wissenschaftliche Fächer, als Disziplinen und habe da über den Zusammenhang näher nachgedacht,
00:01:40
Speaker
zwischen diesen Fächern auf der einen Seite und der anderen Seite den Problemen, die wir in dieser Welt haben.
00:01:44
Speaker
Da heißt es ja dann von politischer Seite aus auch häufiger mal, man müsse diese oder jene Fächer vor allen Dingen stärken, um die Probleme in dieser Welt gelöst zu bekommen.

Akademische Disziplinen und ihre Rolle in der Wahrnehmung und Bildung

00:01:55
Speaker
Und während ich da so kontemplativ vor mich hin dachte, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, Mensch, die Probleme dieser Welt, die sind doch gar nicht disziplinierbar.
00:02:09
Speaker
Das ist ein ganz anderer Gedanke von Disziplin, der da drin steckt.
00:02:15
Speaker
Inwiefern?
00:02:16
Speaker
Ich war nicht bei Fachdisziplin.
00:02:19
Speaker
Sondern?
00:02:20
Speaker
Von...
00:02:23
Speaker
Vielleicht dem Gedanken, man kann Menschen nicht disziplinieren.
00:02:27
Speaker
Also eher von Disziplinarverfahren oder jemand hat Disziplin oder jemand lebt in Disziplin oder wie viel Disziplin brauchen wir, um Transformation real werden zu lassen.
00:02:42
Speaker
Ich glaube, das ist ein und dasselbe.
00:02:44
Speaker
Wow.
00:02:46
Speaker
Das ist ein und dasselbe, weil das, was unsere wissenschaftlichen Disziplinen tun, ist nämlich, Menschen zu disziplinieren.
00:02:58
Speaker
Menschen, die Soziologie studiert haben, fangen an, auf eine bestimmte Art und Weise diese Welt wahrzunehmen, zu reflektieren, auszudeuten.
00:03:07
Speaker
Sie bekommen Begriffe an die Hand, die
00:03:11
Speaker
die ihnen bestimmte Weltzugänge ermöglichen und andere blinde Flecken natürlich immer damit auch mit sich bringen.
00:03:18
Speaker
Im Mathematikunterricht in der Schule geht es darum, auf eine bestimmte Weise das Denken zu lernen.
00:03:25
Speaker
Fächer disziplinieren uns in Bezug auf ihre jeweilige Fachlogik.
00:03:33
Speaker
Das ist das, was diese Disziplinareinrichtungen, wenn wir es jetzt einmal auf die Meta-Ebene springen wollen, was Michel Foucault und andere die Disziplinargesellschaft genannt haben, was tun Schulen eigentlich?
00:03:49
Speaker
Schulen sind keine Orte der Bildung, also in der Selbstausweisung schon, aber wenn man sich die soziale Funktion anschaut, dann so Michel Foucault und andere, ist ihre Funktion die, dass Menschen diszipliniert werden.

Disziplinierung in Bildungseinrichtungen: Von Foucault zu modernen Methoden

00:04:07
Speaker
dass sie auf eine bestimmte Art und Weise erzogen werden.
00:04:11
Speaker
Wenn man das jetzt in dieser humboldtschen Zweiteilung von Erziehung auf der einen Seite, Bildung auf der anderen Seite sehen möchte, dann ist das eher diese Erziehungsvariante.
00:04:21
Speaker
Also Menschen werden diszipliniert.
00:04:23
Speaker
Und wie werden sie diszipliniert?
00:04:25
Speaker
Nicht mehr durch Gewalt, sondern das ist der besondere Dreh bei Michel Foucault und anderen, durch die Androhung von Gewalt.
00:04:36
Speaker
Wenn ich dieses und jenes nicht tue, dann kriege ich eine schlechte Note oder muss ich ein Bußgeld bezahlen oder, oder, oder.
00:04:44
Speaker
Aber die Frage nach der Disziplinierbarkeit der Welt, also inwieweit lässt sich die Welt, inwieweit lassen sich Phänomene in der Welt einzelnen Disziplinen zurechnen und wo können Disziplinen zur Lösung von einzelnen Problemen beitragen, all diese Dinge, da würde ich gerne mit dir drüber reden.
00:05:08
Speaker
Ich finde das sehr spannend, weil über den Dreh, also mit dem Blick auf das Wort, gibt es ja unterschiedliche Disziplinen.

Die Rolle der Disziplinen bei der Lösung globaler Probleme

00:05:16
Speaker
Also das war mir bei Fachdisziplinen schon ganz bewusst, aber der Gedanke zu sagen, dass die Disziplin, also im Sinne einer verhaltensnormierten Praktik, in einem Verhaltensmuster, in einem Verhaltenskanon,
00:05:33
Speaker
das im Plural zu sehen, von Disziplinen zu sprechen, die hat sich dann vielleicht auch auf das Selbst und auf eine kleinere Gruppe oder auf das große Ganze, also auf das Ich und auf das Du und das, dass wir ganz anders beziehen kann.
00:05:48
Speaker
Den Blick hatte ich da noch gar nicht drauf.
00:05:50
Speaker
Mein Kopf hat gerade ganz viel Knoten.
00:05:52
Speaker
Vielleicht kriegen wir die ein bisschen aufgelöst beim Sprechen.
00:05:55
Speaker
Irgendwie fühlen sich da so zwei Dinge gerade zusammen, die ich bisher so noch nicht gedacht habe.
00:06:01
Speaker
Ansonsten hört man so ganz viel von die Macht der Disziplin, von Selbstdisziplin, wo ich mich und meinen selbst diszipliniere, wo dann die Frage ist, wie viel kommt da vom Außen und wo kommt das, was ich meine, was von innen kommt, wo kommt das eigentlich her?
00:06:20
Speaker
Für mich hat, wenn ich sonst das Wort unabhängig von Fachlichkeit höre, eher eine Tonation von Durchhalten,
00:06:30
Speaker
Nicht aufgeben, dranbleiben, dass irgendwer anders aber gleichzeitig auch entscheidet, ob ich diszipliniert bin oder nicht.
00:06:42
Speaker
Das ist schon ein ganz spannender, anderer Zugang darauf.
00:06:46
Speaker
Und ich glaube nach wie vor, dass es auf ein und dasselbe einzahlt, weil es dann da jeweils um Dinge geht.
00:06:55
Speaker
Umgangssprachlich würden wir vielleicht von Stereotypen oder sowas reden.
00:06:59
Speaker
Also das ist ja auch ein sehr beliebtes Spiel auf dem Campus, Fächerraten, sich irgendwo hinsetzen mit einem Käffchen und dann laufen Leute vorbei und du sagst so, okay, ich studiere Psychologie, okay, Philosophie, okay, Informatik.
00:07:10
Speaker
Und das Spannende ist,
00:07:12
Speaker
Wenn man das mal so drei, vier Minuten gemacht hat, dann wird die Trefferquote sehr, sehr hoch.
00:07:18
Speaker
Also es funktioniert wirklich gut, weil es was mit Habitus zu tun hat.
00:07:23
Speaker
Es hat was mit Kleidung zu tun.
00:07:24
Speaker
Es hat was mit Accessoires zu tun.
00:07:27
Speaker
Damit meine ich jetzt nicht nur Schmuck oder so etwas, sondern Rollkragenpullover, selbstgedrehte Kippen und so weiter und so fort.
00:07:35
Speaker
Also es gibt so...
00:07:39
Speaker
Ausweise identitätspolitische, in dem Fall dann also so fachpolitische, identitätspolitische Merkmale zur Identifizierung der Mitspielfähigkeiten, wenn du so möchtest.
00:07:54
Speaker
Und
00:07:55
Speaker
Ja, das hat was mit diesem Habitus zu tun, mit der Art, wie gesprochen wird, mit der Art, was überhaupt in den Blick gerät.
00:08:03
Speaker
Also ein disziplinierter Informatiker ist eben etwas anderes als eine disziplinierte Biologin.
00:08:13
Speaker
Und beide haben vielleicht so einen Moment von dranbleiben, aber eben in Bezug auf einen bestimmten Weltzugang.
00:08:21
Speaker
da ergibt

Transdisziplinäre Zusammenarbeit und ihre Bedeutung

00:08:22
Speaker
sich ja auch, wo dranbleiben und in welcher Form dranbleiben.
00:08:26
Speaker
Also das Symbolische von Merkmalsträgern einer Fachdisziplin, in der ich gesehen werden möchte oder ganz bewusst mich von anderen abgrenzen möchte, ist ja eher eine Frage von Identität, Zugehörigkeit und gleichzeitig die Frage von auch innerhalb einer Fachdisziplin gibt es ja
00:08:51
Speaker
durchaus das Entstehen von kritischen Debatten, die sich von unterschiedlichen Ideen von was ist hier noch Teil und darf und soll zukünftig Teil von Disziplin und dann ja auch vielleicht disziplinierten Verhalten sein.
00:09:06
Speaker
Also auch da ist ja Dreh- und Angelpunkt kritischer Wissenschaft die Idee, dass es nicht nur innerhalb einer Disziplin, sondern auch an deren Grenzen gerade,
00:09:20
Speaker
die Frage gibt, was gehört zur Disziplin oder was ist noch Disziplin?
00:09:23
Speaker
Das ist schon mal vom Sprechen anders.
00:09:26
Speaker
Was gehört zur Disziplin?
00:09:27
Speaker
Was ist Disziplin?
00:09:29
Speaker
Sodass diese Disziplinierbarkeit oder das Disziplinierte
00:09:34
Speaker
Zum einen ja etwas ist, was ich wiederhole, indem ich es lebe, umsetze, halte, vielleicht mehr oder minder kritisch.
00:09:43
Speaker
Und das andere etwas, was mir von außen übergestülpt wird.
00:09:46
Speaker
Und dann ist die Frage, wenn ich etwas für undisziplinierbar halte,
00:09:51
Speaker
oder wahrnehme oder dazu werden lassen möchte.
00:09:54
Speaker
Es ist ja vielleicht auch, dass ich das Gefühl habe, etwas gehört gerade oder ist sehr diszipliniert und ich möchte das aufbrechen.
00:10:01
Speaker
Ist das etwas, was aus der eigenen Disziplin oder vom Außen oder nur gemeinsam geschehen kann?
00:10:06
Speaker
Also wo kommt das Un her?
00:10:08
Speaker
Wer bestimmt das Un von undisziplinierbarem?
00:10:12
Speaker
Ja, in meinem Kopf war das eine empirische Beobachtung, die zugleich auch eine ethische Dimension hatte.
00:10:20
Speaker
Also erstmal die empirische Beobachtung, es ist halt einfach nicht der Fall.
00:10:25
Speaker
Und dann zugleich die ethische Reflexion, es ist auch gar nicht wünschenswert, dass das so wäre.
00:10:31
Speaker
Also in dem Moment, in dem eine einzelne Disziplin anfängt, diese Welt komplett zu formen, egal welche das jetzt ist, wenn wir uns Ingenieurswissenschaften anschauen, so können wir natürlich sagen, ja, diese Welt wird technischer.
00:10:46
Speaker
Das ist ja durchaus so.
00:10:47
Speaker
Also der Stellenwert von Technologie nimmt zu, die Eingriffstiefe in unser Leben nimmt zu und zugleich die Beherrschungsbreite nimmt auch zu.
00:10:56
Speaker
Gerade dieser Tage ist wieder die Frage nach Atomwaffen und ähnlichem als eine in meinen Augen...
00:11:06
Speaker
Eigentlich schon geführte Debatte wieder ziemlich akut.
00:11:10
Speaker
Also die Möglichkeiten zur großtechnischen Auslöschung der gesamten Welt sprengen unsere eigene Vorstellungskraft.
00:11:18
Speaker
Günther Anders hatte das damals auf diese Formulierung gebracht, dass der Mensch größer ist als er selbst.
00:11:24
Speaker
Dass er mehr herstellen kann, als er sich vorstellen kann.
00:11:28
Speaker
Also ich kann mir den Untergang der Welt, kann ich mir einfach nicht vorstellen, aber ich kann ihn technisch herbeiführen und das sollte uns zu denken geben.
00:11:36
Speaker
Und im selben Moment dann eben so die Frage, ja, aber sie wird ja nicht nur technischer.
00:11:44
Speaker
Wir haben natürlich irgendwie ein Umsichgreifen von zum Beispiel kapitalistischer Praxis, wo bestimmte Formen von Ökonomie, ich möchte nicht von der Ökonomie reden, es gibt ja viele unterschiedliche Ökonomien,
00:11:59
Speaker
Aber dass eine bestimmte Art des Wirtschaftens um sich greift und dass das kein Zufall ist, sondern was zu tun hat mit wirtschaftswissenschaftlichem Denken, mit wirtschaftswissenschaftlichen Begriffen, die performativ werden, auch ein Forschungsstrang innerhalb der Wirtschaftswissenschaften, die
00:12:20
Speaker
Also, dass wir nicht nur distanziert die Welt beschreiben, sondern mit unseren Begriffen immer auch intervenieren und damit unseren Gegenstand auch verändern, gesellschaftliche Verhältnisse verändern, ob wir das wollen oder nicht.
00:12:35
Speaker
So und da merken wir halt irgendwie, naja, da sind so ganz viele unterschiedliche Entwicklungslinien, die in der Welt drin sind und das ist eben nicht nur diese eine Richtung im Sinne von, ja, wir müssen MINT fördern oder sowas, ja, weil diese Welt wird irgendwie vor allen Dingen nur noch technischer oder nur noch durch Technik können wir irgendwie die Probleme dieser Welt lösen oder welche politischen Parolen da auch immer im Raum sind.

Einzigartige Perspektiven und Reflexivität in Disziplinen

00:12:58
Speaker
Und deswegen dieses ethische Undisziplinierbar, es wäre auch gar nicht wünschenswert, dass das so ist.
00:13:04
Speaker
Also es geht nicht darum, ein disziplinäres Solo abzufackeln, sondern wir brauchen das Orchester.
00:13:14
Speaker
Aber gerade beim Orchester ist ja bei aller Improvision ganz viel Disziplin dahinter, damit es zu einem gemeinsamen Stück wird und ein Dirigent, der es armt.
00:13:26
Speaker
Ja, auf einer methodischen Ebene.
00:13:28
Speaker
Ich muss mein Handwerk beherrschen, damit Kunstwerk entstehen kann.
00:13:31
Speaker
Ja, genau.
00:13:32
Speaker
Absolut.
00:13:53
Speaker
Transdisziplinierbarkeit und unschuldig.
00:13:55
Speaker
Jetzt werden die Vorgehör mal schwieriger ansprechen.
00:13:57
Speaker
Aber so dieser Gedanke ist der Ansatz, den wir verfolgen, transdisziplinär zu denken.
00:14:04
Speaker
Ein Ansatz oder die Grundidee, die Vielfalt, den Grundgedanke, Disziplin immer wieder aufzubrechen, um sie nicht in eine Alleinbestimmung laufen zu lassen, notwendig und braucht dort auch einen eigenen methodischen Kanon, damit sich die
00:14:23
Speaker
die notwendige und gelebte Praxis einer Methode in der Disziplin auch zusammenfinden kann und dann auch noch in dem Realweltbezug?
00:14:34
Speaker
Oder ist es eine Frage, dass transdisziplinäres Arbeiten gerade den Ursprungsgedanken hat, immer wieder ein Momentum zu schaffen, wo wir hinterfragen, wo ist etwas noch disziplinierbar und wo brauchen wir den Ansatz einer
00:14:51
Speaker
undisziplinierbaren, wahreren Kritik.
00:14:56
Speaker
Also ich würde gar nicht sagen, dass es das komplett ist, aber ist es ein kritisches Momentum, was uns immer wieder nochmal wacher hinschauen lässt?
00:15:05
Speaker
Oder ist es der Ansatz, der in dem transdisziplinären Arbeiten versucht, sich umzusetzen?
00:15:14
Speaker
Also ich kann das da gerade noch nicht ganz trennscharf finden,
00:15:19
Speaker
wo wir da ansetzen, wenn wir transdisziplinär arbeiten.
00:15:23
Speaker
Also geht es uns wirklich darum, Dinge undisziplinierbar zu machen oder eher einen neuen Raum zu schaffen, wo wir fragen können, wo liegen Grenzen und Möglichkeiten einzelner Disziplinen, damit sie sich auch gemeinsam weiterentwickeln können?
00:15:41
Speaker
Ich glaube nicht, dass diese Unterscheidung so relevant ist, weil du sie ja in dem Moment, in dem Moment fällt sie ja in eins, in dem du sagst, ich anerkenne, dass diese Welt undisziplinierbar ist, ja, also dass ich da halt Gegenstände habe und diese Gegenstände haben eine ganz eigene Logik und Fachdisziplinen haben natürlich immer eine gewisse institutionelle Trägheit auch, da gibt es
00:16:07
Speaker
Da gibt es lange Geschichten, die Ideengeschichte.
00:16:11
Speaker
Da gibt es auch lange Streitereien innerhalb der Fächer.
00:16:14
Speaker
Das ist dann in unterschiedlichen Fächern auch unterschiedlich stark gelagert.
00:16:17
Speaker
Also in der BWL heute wird kaum noch über die Grenzen des eigenen Faches gesprochen, sondern die scheinen irgendwie festzustehen.
00:16:25
Speaker
Das ist ganz anders, wenn man in die Philosophie oder die Soziologie blickt.
00:16:29
Speaker
Da ist die Beschäftigung mit den eigenen Fachgrenzen, mit der eigenen Vorläufigkeit des Wissens, auch mit den eigenen Anwesen.
00:16:35
Speaker
Voraussetzungen des Denkens im Sinne wirklich von wissenschaftstheoretischer Reflexion an einer ganz anderen, in einer ganz anderen Normalität wird das dort praktiziert.
00:16:45
Speaker
Und in dem Maße, in dem wir anerkennen, dass eine wissenschaftliche Disziplin eben ein bestimmtes Standpunkt gebundenes Wissen produziert, eben gebunden ist an diese Perspektiven und mit bestimmtem historisch gewachsenem Vokabular arbeitet,
00:17:03
Speaker
Und die Gegenstände dieser Welt halt irgendwie so ihre eigene Logik haben.
00:17:07
Speaker
In dem Moment hilft uns doch nur eins, um aus diesem Dilemma irgendwie rauszukommen.
00:17:14
Speaker
Und das ist im Grunde auf die Meta-Ebene zu hüpfen und sich zu überlegen, hey, was machen wir hier eigentlich?
00:17:20
Speaker
Und also nicht nur im Sinne von dem Wozu, sondern auch im Sinne von Wo verläuft denn eigentlich, wo verläuft die Grenze?
00:17:32
Speaker
Also des Faches auf der einen Seite, aber auch die Bedeutung unserer Begriffe, dass das alles auf den Prüfstand kommt.
00:17:38
Speaker
Das heißt Reflexivität, wissenschaftstheoretische Reflexion und dann fachliche Reflexivität.
00:17:46
Speaker
sind meines Erachtens die notwendige Bedingung dafür, damit wir überhaupt sowas wie Interdisziplinarität und dann in einem nächsten Schritt Transdisziplinarität auch stattfinden lassen können.
00:17:59
Speaker
Also Interdisziplinarität
00:18:01
Speaker
vielleicht damit wir niemanden jetzt hier im Podcast verlieren, Interdisziplinarität, dass unterschiedliche Fächer zusammenkommen und Transdisziplinarität meint, dass wissenschaftliches Wissen und auch dort unterschiedliche Fächer mit außerwissenschaftlichem Wissen zusammenkommt.
00:18:19
Speaker
Und das außerwissenschaftliche Wissen auf, also gleichwertig, auf Augenhöhe in Forschungsprozesse, in Erkenntnisprozesse systematisch eingeht.
00:18:30
Speaker
Also dahinter liegt halt die Idee, dass
00:18:34
Speaker
Dass in dieser Welt es ein praktisches Wissen gibt und Betroffene sehr viel besser wissen, wo zum Beispiel bei ihnen der Schuh drückt, was gut funktioniert, was nicht so gut funktioniert und Wissenschaft dort von außen dann mit eigenen Methoden, mit eigenen Begriffen und so etwas vermitteln.
00:18:53
Speaker
natürlich auch helfen kann, aber erstmal davon auszugehen ist, dass beides Wissen seine Berechtigung hat, dass unterschiedliche Weltzugänge sind, dass eine eher erfahrungsgesättigt und das andere eher durch methodische Erkenntnis zustande gekommen ist.
00:19:08
Speaker
So, und dass das dann eben zusammenkommt, das wird als Transdisziplinarität beschrieben.
00:19:13
Speaker
Und damit wir das machen können, braucht es ja sowas wie intellektuelle Demut, dass ich irgendwie erkenne, dass es da noch was gibt da draußen in der Welt, was ich halt noch nicht sehe.
00:19:23
Speaker
Also dass mein Erkennen, mein wissenschaftliches Erkennen so diszipliniert, wie ich eben bin, nur funktioniert, weil ich ganz viel in den blinden Fleck reinschiebe.
00:19:36
Speaker
Ja.
00:19:39
Speaker
Und ich dann eben einen Erkenntnisprozess brauche, in dem wir uns wechselseitig auf blinde Flecken aufmerksam machen können, um gemeinsam zu schauen, was sehen wir denn da noch mehr?
00:19:49
Speaker
Was ist denn da noch mehr zu sehen?
00:19:54
Speaker
Also ich würde sagen, Reflexivität ist so ein ganz wichtiges Moment, um
00:20:00
Speaker
um aus dieser Enge der Disziplinarität herauszukommen.
00:20:09
Speaker
Das hat zu tun damit, dass man sich seines eigenen Standpunktes klar wird und dass man weiß, dass ich nicht alles sehen kann.
00:20:17
Speaker
Und dass ich deswegen kurz markiere, ja, ich, wie ich hier stehe, mit diesem und jenem Begriff, mit folgenden Interessen, ja, ich sehe halt X, wie mit diesem Typen, der nur einen Hammer hat, für den die ganze Welt aus Nägeln besteht.
00:20:33
Speaker
Ja, und ich bin eben, ich zum Beispiel arbeite mit Praxistheorien, das heißt, ich sehe überall Praktiken.
00:20:39
Speaker
Jetzt steht eine Systemtheoretikerin neben mir, die sieht halt überall Systeme.
00:20:43
Speaker
So, und dass wir uns aber darüber im Klaren sind, dass diese Welt eben nicht aus Systemen besteht, sondern dass Systeme eine Perspektive sind, mit der ich etwas in der Welt sichtbar machen kann, was ich sonst nicht sehen würde.
00:20:58
Speaker
Irgendwie Muster, systematische Dinge halt.
00:21:03
Speaker
Aber dass ich nicht anfange, das zu verwechseln mit dem Gegenstand.
00:21:06
Speaker
Das ist etwas, was wir jetzt in den Sozial- und Geisteswissenschaften erlebe ich eher selten, dass das passiert.
00:21:14
Speaker
Aber wenn du zum Beispiel in Teile naturwissenschaftlicher Forschung hineinschaust und dann gerade auch in der interdisziplinären Rezeption, also von dem, wovon SozialwissenschaftlerInnen denken, dass es Naturwissenschaft ist, wenn die dann anfangen,
00:21:33
Speaker
zu sagen, dass Natur irgendwie ein Ökosystem ist.
00:21:38
Speaker
Und dann verwechseln Sie den Gegenstand mit der Perspektive.
00:21:40
Speaker
Also Natur ist kein Ökosystem, aber ich kann Natur als ein Ökosystem thematisieren und damit halt Dinge sichtbar machen.

Vielfalt der Ansätze und interdisziplinäre Zusammenarbeit

00:21:51
Speaker
Ich hänge immer noch an dieser für mich weiter bestehenden...
00:21:57
Speaker
Zweideutigkeit von Disziplinen, wo es zum einen, wo wir es jetzt ja eher drauf geschaut haben, in diesem, ja häufig wissenschaftlich gibt es ja beim Sport, im Sport gibt es ja genauso Disziplinen, wo ich sagen kann, ich habe Disziplin, wenn du eine Leichtathletik bist, dann besonders gut.
00:22:14
Speaker
500 Meter, 800 Meter, Weitwurfs, Weitsprung, weiß ich nicht, ich bin jetzt keine Leichtathletik.
00:22:20
Speaker
Und dann der andere Punkt, wo es ja eher darum geht, dass
00:22:25
Speaker
wenn jemand sagt, der ist besonders diszipliniert oder undiszipliniert, der kann seinen eigenen Willen nicht beherrschen, um das zu tun, worum es ihm eigentlich geht.
00:22:31
Speaker
Also um dieses, um etwas zu erreichen, sehr diszipliniert oder eben jemanden
00:22:42
Speaker
ein Schild umzuhängen, mit der es undiszipliniert ist, wo ich vielleicht aus meiner eigenen Fachdisziplin gar nicht sagen kann, ob er undiszipliniert ist oder nicht.
00:22:49
Speaker
Aber sein Vorgehen wirkt auf mich undiszipliniert, weil er vielleicht eine andere Disziplin hat.
00:22:55
Speaker
Ich glaube, an diesem Reibungspunkt ist für mich in der Frage des Undisziplinierten ganz viel Musik.
00:23:02
Speaker
Weil ich da, also Musik im Sinne von, da mag ich nochmal mehr herhören oder hinhören, da klingt irgendwie was anderes an, weil dort ganz viel Bewertungskanon ist, wenn ich mir beispielsweise...
00:23:16
Speaker
Ganz groß, vorsichtig, Vorurteilsschubladen, wenn sich jemand aus den Naturwissenschaften, einen Ethnologen anschaut und der sitzt ja nur da und guckt zu.
00:23:26
Speaker
Völlig undiszipliniert beim Arbeiten.
00:23:28
Speaker
Also von der Wahrnehmung.
00:23:31
Speaker
Und dabei ist das eine unglaubliche Disziplin, aus einer ethnologischen Praxis zu beobachten, wahrzunehmen, die eigene Dimension rauszunehmen, die Perspektivität auszunehmen.
00:23:41
Speaker
Es ist eine unglaubliche,
00:23:42
Speaker
unglaubliche Disziplinen, so methodisch zu arbeiten.
00:23:45
Speaker
In der unterschiedlichen Wahrnehmung ist dort direkt ein Bewertungsmomentum.
00:23:49
Speaker
Und dieses Bewertungsmomentum finde ich sehr, sehr spannend bei dem Begriff der Undisziplinierbarkeit, wenn wir diese Idee verknüpfen von, was bezeichnen wir ja eigentlich als eine Form von
00:24:03
Speaker
Gemeinschaft, die anerkannte Wissen, Frage, Vorgehens, Praktiken für sich wiedererkennen und sich daher als Disziplin sehen und der Fremdbeobachtung von einer anderen Disziplin, wo wir sagen, boah, das ist ja, also die haben ja keine Disziplin, wenn man so ganz weit runterbrecht, ne?
00:24:21
Speaker
Sprinter und Landstreckenläufer.
00:24:24
Speaker
Die einen sagen, die kommen nicht in Schwung und die anderen sagen, die machen keine Strecke.
00:24:27
Speaker
Bei je nach meiner Perspektive würde ich sagen, gar keine Disziplin.
00:24:32
Speaker
Das ist jetzt sehr salopp runtergebrochen.
00:24:35
Speaker
Ich glaube aber, dass da genau das Momentum drin spekt, warum ich diesen Begriff so spannend finde, weil wir sehr schnell in eine Bewertung gehen, wo
00:24:46
Speaker
findet denn gerade eine Form von verändernder Arbeit statt, die ich vielleicht abbewerte, obwohl sie gerade sehr spannend ist, wenn ich sie kombinieren würde.
00:24:57
Speaker
Ich bin recht sicher, dass beispielsweise in der Art von Ernährung, Aufbau, Trainingslehre, ähnliches, beide Läufer ganz viel ähnlich machen und nur in dem Moment sehen, wo es sich äußert.
00:25:13
Speaker
Und dass wir in der Undisziplinierbarkeit
00:25:18
Speaker
zum einen ein Momentum haben, um überhaupt in eine Veränderung zu bekommen, also dieses andere Hinsehen, andere Hinhören, sich andere austauschen, aber auch vor allen Dingen in einen Ausprobierungsmoment bekommen, wenn ich mich aus meiner eigenen Disziplin, und sei es dieser vermeintlich gute Wille, das genau so zu machen, oder aus meiner eigenen Gemeinschaft von, so macht man das, löse, einen Schritt zurückgehe und schaue, was bedeutet denn für andere Disziplinen.
00:25:45
Speaker
Und wo können wir uns gegenseitig unterstützen in unserer eigenen Disziplin?
00:25:50
Speaker
Sowohl was das Durchziehen feststellen und dieses Hartmachen und so müssen wir das jetzt durchziehen und so ist das gut, lösen können und gleichzeitig aber auch in unserer Fachdisziplin von dem Austausch profitieren können.
00:26:01
Speaker
Und da ist das Momentum der Undisziplinierbarkeit für mich ein Moment der irritierten Neugierde.
00:26:11
Speaker
und nicht ein Momentum der Ablehnung.
00:26:13
Speaker
Und das finde ich super spannend an dem Begriff, gerade von dem, was da ein transformativen Potenzial drin steckt.
00:26:21
Speaker
Ja, es geht dabei immer um die Feldlogiken, also mit der Frage nach dieser Disziplin.
00:26:28
Speaker
Dein Ethnografiebeispiel hat mich an eine Situation erinnert, das ist bestimmt schon zehn Jahre her, als ich noch promovierte, habe ich hochschuldidaktische Fortbildungen besucht.
00:26:42
Speaker
Und die fand ich auch deswegen so stark, also erstmal, weil wir ja in der Wissenschaft vor allen Dingen Fachidiotinnen und Fachidioten sind und ja relativ wenig Ahnung oder eher zufälligerweise, also dass Leute in der Pädagogik oder in den Fachdidaktiken Ahnung von Didaktik haben, ist ja Gegenstand ihres Fachidiotentums.
00:27:01
Speaker
Aber ich als Betriebswirt habe erst mal keine Ahnung davon, wie irgendwie Hochschuldidaktik funktioniert.
00:27:06
Speaker
Dann habe ich gedacht, okay, dann mache ich mal so Weiterbildung.
00:27:08
Speaker
Und ich fand die deswegen so cool auch, weil die halt komplett interdisziplinär war.
00:27:12
Speaker
Das heißt, ich hatte dann da vergleichende Religionswissenschaftlerinnen und Leute aus der sozialen Arbeit und Physiker und Biologen rumsitzen.
00:27:22
Speaker
Und es gab eine so eine Situation,
00:27:25
Speaker
hatten wir irgendeinen Arbeitsauftrag bekommen.
00:27:29
Speaker
Ich erinnere nicht mehr, welcher es war.
00:27:31
Speaker
Und die Gruppen, die sich zusammengefunden haben, ließen sich ganz grob trennen in Natur- und Ingenieurswissenschaften auf der einen Seite und Sozial- und Geisteswissenschaften auf der anderen Seite.
00:27:45
Speaker
Und die Naturwissenschaften, die Kolleginnen und Kollegen da, die haben einfach diese Fragen wegbearbeitet.
00:27:52
Speaker
Da war ein Problem, die haben angefangen, das zu bearbeiten.
00:27:56
Speaker
Und die Sozial- und Geisteswissenschaftler haben die Frage diskutiert.
00:28:03
Speaker
Beides hat seinen Wert.
00:28:04
Speaker
Ja,

Persönliche Erfahrungen und Herausforderungen in der interdisziplinären Arbeit

00:28:05
Speaker
genau.
00:28:05
Speaker
Und ich weiß noch, dass wir eben im Kurs selber das dann auch, also da sind wir dann auch auf die Meta-Ebene gegangen und haben die Situation als solche in ihrer Absurdität kurz, oder gerade nicht auch Absurdität, sondern ja immer nur wechselseitig Absurdität,
00:28:20
Speaker
also in der Bestätigung des Stereotyps des Gegenübers, dann gemeinsam reflektiert, was total erhellend war.
00:28:28
Speaker
Und im Grunde geht es ja um genau diese Frage, was dem einen dann halt irgendwie als so etwas Höriges, da ist ein Problem, findest du eine Lösung, aber das ist ja irgendwie total diszipliniert für ingenieurswissenschaftliches Vorgehen oder so etwas.
00:28:43
Speaker
Und auf der anderen Seite, ja, die GeisteswissenschaftlerInnen sind da wieder nur am Rumlabern.
00:28:49
Speaker
Die haben erst mal die Frage diskutiert.
00:28:51
Speaker
Ist das überhaupt ein legitimes Problem sozusagen, bevor wir anfangen, eine Lösung zu finden?
00:28:56
Speaker
Und das Spannende ist halt, wenn man jetzt solche Perspektiven miteinander in ein Gespräch bekommt.
00:29:02
Speaker
Und da geht es dann wirklich jeweils um diese Feldlogik.
00:29:06
Speaker
Was heißt es eigentlich, dieses oder jenes Fach zu betreiben oder Fachwissenschaftler, Fachwissenschaftlerin dieser oder jener Couleur zu sein?
00:29:17
Speaker
Und wie kriegt man dann diese Verständigung untereinander hin?
00:29:21
Speaker
Also ich habe sehr, sehr wenige Kontexte bislang gehabt, in denen Interdisziplinarität wirklich gut funktioniert hat.
00:29:30
Speaker
Am Ende war das dann eher so ein
00:29:33
Speaker
ja mehr so ein Nebeneinander als ein richtig echtes Miteinander, weil die Unterschiede zwischen den Fächern, das, was für normal erachtet wird, die Feldlogik.
00:29:43
Speaker
Wir haben mal eine Folge gemacht zum Normalitätstheater.
00:29:45
Speaker
Es gibt auch so etwas wie ein disziplinäres Normalitätstheater.
00:29:50
Speaker
Und das ist dann doch so weit auseinanderstellenweise, dass das Verständnis fürs Gegenüber aufzubringen,
00:30:01
Speaker
an Befähigungen geknüpft ist, die wir zumindest mal nicht als gegeben voraussetzen sollten.
00:30:08
Speaker
Und ich denke, da müssten wir irgendwie viel stärker hin.
00:30:10
Speaker
Und dann sind wir wieder in dem Bild, dass es irgendwie ein Orchester der Disziplinen braucht.
00:30:18
Speaker
Natürlich dürfen die auch ihre eigenen Solo-Parts haben.
00:30:22
Speaker
Interdisziplinarität setzt ja immer auch Disziplinarität voraus, sonst kann man ja Fächer nicht zusammenbringen.
00:30:28
Speaker
Es geht ja nur, wenn Fächer auch Fächer werden und sein dürfen.
00:30:32
Speaker
Aber wie gelingt dieses Miteinander im Interdisziplinären?
00:30:37
Speaker
Und jetzt kommt ja dann nochmal eine Schippe obendrauf.
00:30:41
Speaker
Wie gelingt das im Transdisziplinären?
00:30:46
Speaker
Und eine Sache, die mir da für dieses Miteinander wirklich zentral wichtig ist, ist die Anerkenntnis, dass wir
00:31:02
Speaker
dass wir diese Prozesse wirklich gestalten müssen.
00:31:05
Speaker
Wir können nicht reingehen und sagen, ja, jetzt setzt euch alle mal an einen Tisch und habt mal eine gute Zeit miteinander.
00:31:11
Speaker
Es wird nicht funktionieren.
00:31:12
Speaker
Das muss in irgendeiner Weise kuratiert werden.
00:31:14
Speaker
Du sprachst vorhin vom Dirigenten oder irgendjemand, der da mal was komponiert haben muss oder selbst wenn es eine Improvisation ist, braucht es da ja etwas, was den Raum irgendwie auch hält.
00:31:28
Speaker
Und diese Art von Prozessgestaltung,
00:31:32
Speaker
Neudeutsch Facilitation, diese Befähigungen, Räume zu gestalten, in denen Menschen miteinander in Interaktion treten können.
00:31:41
Speaker
Das ist irgendwie was, was so ein ganz neuer Befähigungsbedarf in meiner Wahrnehmung ist, damit wir aus unserem Fachidiotentum rauskommen.
00:31:51
Speaker
Ja, und ich finde es ganz spannend, weil das bedeutet für uns auch einen neuen Blick und einen anderen Blick auf die Idee von Selbstdisziplin zu werfen.
00:31:57
Speaker
Denn dann, was ich da dann als Affektregulation oder regulierenden Moment habe oder das Momentum habe,
00:32:05
Speaker
ist eben nicht in das Gewohnte zurückzublicken und ranzuhalten, sondern das, was ich da als Disziplin brauche, als Disziplin immer wieder in meiner Willenstärke mir bewusst zu machen, ich möchte anders hinschauen, ich möchte offen sein für das andere.
00:32:21
Speaker
Wie wäre es auch möglich?
00:32:22
Speaker
Welche Perspektive kommt von außen dazu?
00:32:24
Speaker
Wo kann ich andocken?
00:32:25
Speaker
Dass die Disziplin, die Willenstärke, die die Effektregulation in dem Moment nicht heißt, ranzubleiben, sondern loszulassen.
00:32:34
Speaker
Und das finde ich super stand.
00:32:37
Speaker
Ansonsten, wenn ich an Disziplin denke und Willen stärke und Durcheinander, dann geht es immer um ein Dranbleiben, Festhalten, weitermachen.
00:32:45
Speaker
Und unter dem Aspekt der Transformation würde es für mich bedeuten, wenn ich auf den Begriff der Undisziplinierbarkeit schaue und der Frage, welche Form der Disziplin braucht denn die Undisziplin, dass es das Loslassen ist und nicht das Festhalten und Dranbleiben.
00:33:07
Speaker
Und das spielt für mich dann eine ganz andere Form der Idee, was bedeutet denn dort Selbstdisziplin?
00:33:12
Speaker
Und dass das selbstdisziplinierende Moment ein reflektierendes Momentum ist, in dem ich loslasse.
00:33:23
Speaker
Du gehörst zu den neugierigsten Menschen, die ich kenne.
00:33:27
Speaker
Wie machst du das?

Effektive kollaborative Räume und ihre Eigenschaften

00:33:30
Speaker
Ja.
00:33:33
Speaker
Ich darf mich ja jetzt ganz neu mit dem Wort Undisziplinierbarkeit beschäftigen.
00:33:37
Speaker
Also deswegen ist es so die Frage, wie mache ich das?
00:33:41
Speaker
Was ist mir vielleicht schon mal aufgefallen?
00:33:46
Speaker
Und ein, was würde ich mir wünschen?
00:33:51
Speaker
Ich glaube, was es als andere Form der Disziplin braucht, ist eine eingeübte Methodik und auch der Begleitung.
00:34:04
Speaker
einer anderen Form der Wahrnehmung, die mich immer wieder in das Loslassen von dem, was angenehm und gewohnt ist.
00:34:12
Speaker
Okay, das ist gerade einfach, dann nochmal anders.
00:34:15
Speaker
Das fällt mir gerade leicht.
00:34:17
Speaker
Warum?
00:34:18
Speaker
Wenn mir sofort eine Antwort einfällt, denke ich, okay, das ist aber jetzt so einfach.
00:34:23
Speaker
Was berücksichtige ich gerade nicht?
00:34:25
Speaker
Wie könnte man nochmal anders drauf schauen?
00:34:26
Speaker
Was wäre eine andere Möglichkeit, damit umzugehen?
00:34:31
Speaker
Wen könnte ich einladen?
00:34:32
Speaker
Ich glaube, das ist so die größte Frage von, ich habe vor vielen Jahren, ich glaube, ich habe es sogar mal genannt, auch in einer anderen Folge, ein Zitat gefunden, wo ich immer noch nicht weiß, wer es gesagt hat.
00:34:43
Speaker
Es heißt im Englischen, I'm still in a science, but on a higher level.
00:34:47
Speaker
Also ich bin immer noch unwissend, aber auf einem höheren Niveau.
00:34:49
Speaker
Was sind die Menschen, die Räume, die Orte, die mich irritieren, sodass ich lerne, wo meine Unwissenheit liegt?
00:34:58
Speaker
um dort loslassen zu können und was anderes einzuladen.
00:35:01
Speaker
Ich glaube, der Einladungsmoment ist das, die bewusste Entscheidung, was anderes einzuladen, ist das, was es wertvoll macht.
00:35:10
Speaker
Was machen diese Orte aus?
00:35:12
Speaker
Wenn du jetzt sagst, es sind die Orte und die Menschen, was machen die aus?
00:35:16
Speaker
Also was bringt dich dazu, dich auf diesen, ja man kann ja auch sagen Kontrollverlust, in dem Moment, wo du sagst, ich lasse da was Bekanntes irgendwie fahren und lasse mich da jetzt auf ein neues Abenteuer ein, ein Denkabenteuer oder ein Handlungsabenteuer oder beides.
00:35:37
Speaker
Ähm,
00:35:38
Speaker
Wie müssen diese Räume, diese Orte eingerichtet sein, damit du bereit bist, dich da auf diesen Prozess zu vertrauen, dich auf etwas Ungewisses einzulassen?
00:35:53
Speaker
Kannst du das Ding festmachen irgendwo dran?
00:35:56
Speaker
Ich glaube, sie sind sehr beziehungsreich.
00:36:00
Speaker
Wobei ich da nicht so extrovertierte Beziehungen, wo ich in ständiger Interaktion bin, sein müsste, sondern eher ein dänischer Pädagoge, Jesper Juhl, beschreibt das als gleichwürdig.
00:36:15
Speaker
Also wo Beziehungen nicht die gleichen Rollen und Verantwortlichkeiten, und da dürfen auch Machtgefälle sein, aber sie sind gleichwürdig.
00:36:23
Speaker
Also nicht gleichwertig, sondern gleichwürdig.
00:36:25
Speaker
Und ich glaube, diesem Beziehungsreichtum, der hilft.
00:36:28
Speaker
Ich werde immer...
00:36:30
Speaker
in Systemen, in Rollen sein, wo vielleicht eine Hierarchie notwendig wird oder eine Hierarchie vorgegeben wird oder ich sie auch gar nicht in dem Moment auflösen kann und trotzdem eine Gleichwürdigkeit gegeben ist.
00:36:42
Speaker
Also bei allen Bedingungen, Vorbedingungen, die es sonst gibt, dass eine Form von Gleichwürdigkeit gegeben ist.
00:36:49
Speaker
Und ich glaube, es ist eine Form von radikaler Akzeptanz, die es da braucht.
00:36:55
Speaker
Akzeptanz von was?
00:36:57
Speaker
von erstmal, es gibt Gründe für dieses Verhalten.
00:37:01
Speaker
So, jede Disziplin hat ihre Gründe historisch bedingte, gewachsene, vielleicht auch gar nicht hinterfragt, aber es gibt Gründe und diese Gründe an sich sind erstmal spannend.
00:37:10
Speaker
Warum sie bestimmtes Bedürfnis haben, auf eine bestimmte methodische Art und Weise vorzugehen, warum sie bestimmte Prioritäten auf bestimmte Themen oder Fragestellungen kennen und ich kenne diese Gründe ja gar nicht.
00:37:23
Speaker
Da erstmal eine Neugiere und eine radikale Akzeptanz dafür zu haben.
00:37:29
Speaker
Es gibt Gründe und die darf ich genauso kennenlernen wie das, was ich jetzt gerade als bestimmte Form von Disziplin erkenne und vielleicht erstmal so einen Schluck aufkriege von, geht gar nicht.
00:37:39
Speaker
Und dann allein das zu merken, wo kommt denn dieses, boah, geht gar nicht gerade her.
00:37:44
Speaker
Vielleicht ist das für die total hilfreich und wichtig und hat auch eine Rahmung, die für die einen ganz großen Wert hat.
00:37:52
Speaker
Es hat so ein bisschen was, dass das Antagonistische rausgeht in beziehungsreichen Räumen, was nicht heißt, jeder muss mit jedem ständig interagieren, sprechen, rausgehen, aber er darf beobachten und Fragen stellen.
00:38:04
Speaker
Da sind wir wieder an dem Punkt, wo ich glaube, dass der Vorteil einer Undisziplinierbarkeit nochmal neuen Raum für andere Fragen öffnet.
00:38:18
Speaker
Und in dem Sinne dann wirklich auch für eine Demokratisierung der Welt.
00:38:24
Speaker
Also weil es unterschiedliche Interessen gibt, weil Menschen verschieden sind, weil ja nicht nur menschliche, sondern ja auch nichtmenschliche Interessen im Raum sind.
00:38:34
Speaker
Gerade daraus ergibt sich ja eine Vielfalt, eine Vielstimmigkeit, eine nicht nur Mehrdeutigkeit, sondern ja auch wirklich auf einer existenziellen Ebene einfach Widersprüche.
00:38:49
Speaker
die sich ja nicht aus der Welt bringen lassen, sondern die wir anerkennen müssen.
00:38:53
Speaker
Und genau an den Stellen hilft dieses ehrliche Hinhören und Nachfragen, wirklich Verstehen wollen.
00:39:00
Speaker
Also dieser Übergang, du hast jetzt gerade vom Antagonistischen gesprochen, wie Chantal Mouffe das in ihrer politischen Theorie ja auch beschreibt.
00:39:09
Speaker
Also der Übergang vom Antagonismus in ein Agonismus.
00:39:15
Speaker
Also schon zu sagen, hey, da ist Vielfalt und diese Vielfalt, die ist auch widerspruchsvoll.
00:39:20
Speaker
Aber die muss nicht gegeneinander irgendwie stehen.
00:39:23
Speaker
Das sind keine Feinde, die sich wechselseitig vernichten wollen.
00:39:26
Speaker
Das ist immer schon der erste Schritt in den Faschismus, sondern es ist eine Vielfalt und diese Vielfalt muss irgendwie einen Weg finden, wie sie miteinander auskommen kann.
00:39:36
Speaker
Das ist ja das, wo Jesper Juhl mit dem gleich würdig spricht.
00:39:40
Speaker
Ja, genau, genau, genau, genau.
00:39:42
Speaker
Und diese Räume, in denen das möglich ist, in denen man sagt so, hey, agree to disagree.
00:39:47
Speaker
So, ja, jetzt haben wir drüber gesprochen.
00:39:48
Speaker
Ich weiß, du stehst da, ich stehe da und ich weiß, warum du da stehst und warum ich hier stehe.

Verständnis und Kritik zwischen Disziplinen

00:39:52
Speaker
Und jetzt müssen wir gucken, wie gehen wir damit um?
00:39:55
Speaker
Und was halt die dümmste aller Varianten wäre, wäre halt zu sagen, wir machen da jetzt so ein Mitte-Links-Mitte-Rechts-Einheitsbrei-Ding irgendwie draus.
00:40:04
Speaker
So eine Chantal Muffler, die spricht vom Einheitsbrei.
00:40:07
Speaker
wo dann keiner mehr irgendwie sich drin wiederfinden kann.
00:40:10
Speaker
Also wie kann man Vielfalt wirklich auch erhalten als eine Vielfalt von Lebensformen, von Interessen und so weiter und so fort.
00:40:18
Speaker
Und da sind wir dann mittendrin in dieser Undisziplinierbarkeit wieder.
00:40:23
Speaker
Also diese Vielfalt und die Verschiedenheit von Menschen.
00:40:28
Speaker
Ja.
00:40:30
Speaker
Ich weiß auch gar nicht, ob es nur um Erhalten geht, sondern ich glaube, es braucht tatsächlich Wiederbelebungsräume.
00:40:36
Speaker
Ja, unbedingt.
00:40:38
Speaker
Ich halte eher die Sorge, dass es im Moment eher sehr reduziert ist, was wir erhalten können, sondern es darf wieder so Raume werden, wo ich wieder wach werden darf und wo mein Hinterfragen deiner Kultur keine Kritik oder eine Über- oder Unterordnung ist, sondern reine Neugier.
00:40:56
Speaker
Ja, ja.
00:40:58
Speaker
Oh, spannend.
00:40:59
Speaker
Ich mag da mal anders hinhören.
00:41:01
Speaker
Darf ich das mal ausprobieren?
00:41:02
Speaker
Dann magst du mich mal ein Stück mitnehmen und dann nehme ich dich ein Stück mit.
00:41:09
Speaker
Das ist, glaube ich, das, was es in der Grundhaltung anders macht, wenn wir auf eine Undisziplinierbarkeit schauen, dass wir dann ja auch immer in den Diskurs und gegebenenfalls aber ja auch in einen produktiven Dissens gehen, was Fachkulturen betrifft.
00:41:25
Speaker
Die sich ja durchaus absolut bereichern dürfen und die ein Ausprobieren sein dürfen und damit in dem Ansatz der Gleichwürdigkeit ja auch kein Momentum der Übergriffigkeit haben, sondern darin Neugierde.
00:41:43
Speaker
Ja, und damit sind wir an dem Punkt angelangt, den du eingangs direkt aufgerufen hast.
00:41:47
Speaker
Also gibt es irgendwie dann in dieser Undisziplinierbarkeit irgendwie eine Art von methodischem Kanon oder
00:42:00
Speaker
Irgendwie etwas, worauf man sich einigen können muss, damit das irgendwie funktioniert in dieser Vielstimmigkeit.
00:42:07
Speaker
Und wenn du jetzt sagst, es geht um die Gestaltung von solchen gleichwürdigen Räumen und das hat was eben mit der Gestaltung von solchen, von solchen,
00:42:17
Speaker
Und diese Räume wiederum sind dann nicht nur singuläre Ereignisse, sondern wirklich auch Prozesse.
00:42:23
Speaker
Die haben ein Vorher, die haben ein Nachher.
00:42:24
Speaker
Und zu verstehen, dass man sich da auf einen solchen Prozess einlässt, scheint mir da schon eine ganz wesentliche Eingangsbedingung zu sein, um überhaupt in so einen Austausch kommen zu können.
00:42:37
Speaker
Dann sind wir dem doch schon einen Schritt näher gekommen.
00:42:42
Speaker
Ja, und es erfordert tatsächlich dann ja eine andere Form der Disziplin, nämlich die Disziplin, die man gewohnt ist, loszulassen.
00:42:50
Speaker
Das Loslassen, ja.
00:42:52
Speaker
Dieses Affekt regulierende Moment so, da nochmal reinzuschauen, um
00:42:59
Speaker
Und andere einladen zu dürfen, mich darauf hinzuweisen.
00:43:03
Speaker
Also das ist, glaube ich, das, wo ich am meisten von lerne und darf, gerade wenn ich in Räumen bin, wo ich Menschen darauf hinweisen darf.
00:43:10
Speaker
Ich bin dir ganz dankbar, wenn du mir zeigst, wo ich mich gerade...
00:43:14
Speaker
immer wieder sehr in meinen eigenen Weltbezug bewege.
00:43:18
Speaker
Es ist einfach, es ist gewohnt, man rutscht da rein, es gibt gerade genug Schwieriges und Herausforderungsvolles, da rutscht ich weg und die Menschen, die mich einladen, so, komm, ich geb mal mit einer Hand, ich mag dich mal ein Stück mit rausnehmen.
00:43:28
Speaker
Und das ist so ein großes Geschenk, wenn jemand merkt, der dreht sich jetzt wieder in seine eigene Disziplin rein und dann eine Einladung ausspricht, keine Bewertung ausspricht, sondern eine Einladung ausspricht.
00:43:39
Speaker
Und diese Einladungen sind so wertvoll, weil sie mir ein Angebot machen, keine Erwartungen.
00:43:45
Speaker
Und das ist sehr schön.
00:43:47
Speaker
Da braucht es dann nur die Verständigung über genau diese Prozessgestaltung, dass es darum geht.
00:43:54
Speaker
Und das Ganze kann man wahrscheinlicher machen.
00:43:57
Speaker
Du sprachst jetzt von Beziehungsreichtum, also einen Raum zu gestalten, in dem es nicht darum geht, dass man sich wechselseitig was beweisen muss,
00:44:10
Speaker
Es ist kein Ort, an dem es um Bewährung irgendwie geht oder darum geht, im Wettstreit miteinander zu stehen.
00:44:20
Speaker
Es geht nicht darum, sich wechselseitig zu dominieren.
00:44:23
Speaker
Und das sind so Dinge, bei denen ich selber merke, es ist gar nicht so leicht, neugierig zu sein.
00:44:34
Speaker
In Diskussionen, finde ich, kann man das sehr schnell an sich selber auch überprüfen.
00:44:40
Speaker
Und das ist eine Sache, die mache ich regelmäßig und bin dann regelmäßig hinterher enttäuscht von mir, dass ich es dann doch wieder nicht gemacht habe.
00:44:48
Speaker
Also wenn ich merke, dass ich im Gespräch, wenn mein Gegenüber spricht, schon gedanklich damit befasst bin, eine Antwort zu formulieren.
00:44:57
Speaker
In dem Moment höre ich zu, um zu antworten.
00:45:01
Speaker
Ich höre nicht zu, um zu verstehen.
00:45:03
Speaker
Und dieses ich höre zu, um zu antworten, ist immer schon der erste Schritt oder die erste Alarmglocke, die erste Red Flag, die bei mir hochgeht, dass es vielleicht gerade darum geht, doch wieder sich wechselseitig zu beherrschen und zu gucken, wer hat denn jetzt wirklich recht und wer hat das bessere Argument und irgendwie so.
00:45:22
Speaker
Und es noch nicht, dass ich noch nicht an dem Punkt bin, dass ich sage, Mensch,
00:45:26
Speaker
Ich habe deinen Standpunkt noch gar nicht richtig verstanden und ich musste erst noch viel mehr erfahren, bevor ich mir überhaupt ein Urteil darüber erlauben kann.
00:45:35
Speaker
Also paradox, das klingen mag, für Undisziplin braucht es eine große Disziplin des Verlernens.
00:45:43
Speaker
Also nicht das, das muss mehr und das muss mehr, sondern ich bin wieder bei dem Wort des Loslassens.
00:45:48
Speaker
Also Verlernen ist für mich ein Moment des bewussten Loslassens von Rahmungen, Sozialisierung, Methodiken, Lebensformen, Praktiken, Kulturbezügen, Symboliken.
00:46:04
Speaker
Und auch das erfordert die Disziplin des immer wieder Wachen, Kritischen.
00:46:11
Speaker
Und da ist Selbstdisziplin eine Form des Innehaltens.
00:46:17
Speaker
Und aufs Atmen und dann Antworten, weil dazwischen entsteht erst die Frage in meiner Antwort, dass ich weiß, ich habe einen Selbstbezug und kann den mitformulieren.
00:46:25
Speaker
Weil es ist ja völlig normal und okay, dass wir aus einem bestimmten Bezug kommen, der ja auch sehr wertvoll sein kann, aber der darf dann in der Transparenz mitschwingen.
00:46:34
Speaker
Und dafür braucht es einen Moment des Inhalts in große Formen der Disziplin bereit zu sein, immer wieder zu verlernen.
00:46:41
Speaker
Und ein so nicht, noch nicht und könnte auch anders sein, der Standard ist und nicht die Ausnahme.
00:46:50
Speaker
Ist alles gar nicht so leicht.
00:46:52
Speaker
Ah, so schön.
00:46:54
Speaker
Jetzt finden wir eine Antwort und es ist schon wieder ein ganzes Universum an neuen Fragen geht auf.
00:46:59
Speaker
Also der Zusammenhang von Disziplin und Kritik.
00:47:04
Speaker
Wann werden Fächer irgendwie affirmativ, wenn man selbst anfängt, die Fachgrenzen nicht mehr in Frage zu stellen?
00:47:10
Speaker
Und im selben Moment brauche ich diese Fachgrenzen ja auch, um
00:47:14
Speaker
überhaupt innerhalb meiner Disziplin produktiv werden zu können.
00:47:21
Speaker
Also es ist ja diese Zumutung aus Ordnung und Erschütterung zugleich, also dieses reflexive Moment, dass ich
00:47:33
Speaker
einerseits die Veränderung und den Wandel in den Vordergrund stecke und im selben Moment brauche ich aber ein verlässliches Fundament.
00:47:43
Speaker
Otto Neurath war es, der irgendwie mal dieses wunderbare Bild prägte, dass wir wie Schiffer sind, die auf offener See ihr Schiff irgendwie reparieren.
00:47:54
Speaker
Also wir können das nicht in irgendeinem Trockendock fahren.
00:47:56
Speaker
Das geht nicht.
00:47:57
Speaker
Die Welt hat keinen Pauseknopf.
00:47:59
Speaker
Das heißt, wir sind da permanent auf hoher See und müssen irgendwie gucken, dass wir seetüchtig bleiben, ohne dass wir quasi einmal alles auf Null und nochmal ganz sauber von vorne machen können.
00:48:12
Speaker
Und das ist irgendwie auch die Zumutung, die da irgendwie mitschwingt, dass wir immer etwas fragmentieren und damit uns selbst den Boden unter den Füßen wegziehen können.
00:48:22
Speaker
Und im selben Moment natürlich diesen Stand brauchen, um das überhaupt wegziehen zu können.
00:48:28
Speaker
Und ach, meine Güte, mehr Fragen als Antworten.
00:48:34
Speaker
Aber genau darum soll es ja gehen, das Denken in Bewegung zu setzen.
00:48:39
Speaker
Bei mir ist da gerade ganz viel in Bewegung.
00:48:42
Speaker
Steffi, ich danke dir.
00:48:43
Speaker
Ich danke dir.
00:48:46
Speaker
Und allen da draußen, wie immer, fürs Einschalten, fürs Mithören, fürs Weiterdenken ganz herzlichen Dank und viel Freude beim Weiterdenken vor allen Dingen.
00:48:55
Speaker
Wir hören uns in einem Monat dann zur nächsten Folge laut denken.
00:49:00
Speaker
Tschüss, macht's gut.
00:49:02
Speaker
Macht's gut.