Einleitung und Vorstellung des Podcasts
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Speaker
20 Blue Minutes, der kleine Podcast vom Research Institut 20 Blue. Hallo, mein Name ist Anja Mutschler von 20 Blue und ich habe da mal eine Frage oder sagen wir, ich habe noch mehr Fragen an Dr. Volker
Historische Perspektiven auf den Ukraine-Konflikt
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Speaker
Weichsel. Das ist der zweite Teil der 20 Blue Minutes Ausgabe 4, wo wir uns um die historischen
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Bezüge Osteuropas kümmern und eben aus geschichtswissenschaftlicher, aus historischer Sicht mit der Frage des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine beschäftigen. Und jetzt in diesem Teil wird uns Dr. Volker Weichsel noch einmal genauer einordnen, wie die aktuellen Bezüge sind. Und da legt er auch gleich los.
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Speaker
Ja, das waren die 2000er Jahre. Diese Entwicklung in Russland zieht heute sehr gradlinig aus. Wenn man jetzt zurück schaut aus dem Standpunkt vom 21. März 2022, dann sieht man selbstverständlich den Beginn dieser Linien bereits, so wie ich sagte, im Jahr 2000 oder sogar
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Speaker
oder sogar früher. Aber sie war doch relativ lange ambivalent gewesen und ebenso waren ambivalent die Entwicklungen in der Ukraine.
Russlands abnehmende Regimelegitimität
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In Russland wuchs mit dem
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der schwindenden Legitimität des Regimes, das Bedürfnis nach einer neuen Idee. Die Ölpreise sind ja dann auch wieder runtergegangen ab dem Jahr 2013. Das heißt, die ökonomische Basis ist verschwunden für Legitimität.
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Zum einen wurde die Repression dann immer mehr verschafft und zum anderen wuchs das Bedürfnis nach irgendeiner großen Idee. Und dort ist das eine Idee, die es immer gegeben hat in den 1990er Jahren, die es bei Solzhenitsyn gegeben hat, bei Ideologen wie Alexander Dugin gegeben hat.
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Speaker
die teils sowjetische Ideen waren, die teils eurasische Ideen waren. Also wir sind eine Art von besonderer eurasisch-mongolischer Rasse, die teils christlich, kulturell, orthodox, großrussisch waren. Also ein Konformerat aus den verschiedensten Ideen, die aber alle einen imperialen Charakter haben.
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Speaker
die alle auf das, was Putin dann größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts genannt hat, nämlich den Zusammenbruch der Sowjetunion,
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Speaker
der territorial den zusammenbruch des russischen reiches 1917 ja dann wiederholt oder endgültig gemacht hat darauf zuliefen dass das rückgängig gemacht werden soll russland wird spätestens ab dem jahr 2010 11 12 als es ja in russland starke proteste gegeben hat wo diese
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Speaker
schwindende Legitimität deutlich wurde zu einer revisionistischen Macht. Und das treibt die Ukraine natürlich wieder weg von Russland, weiter nach Europa.
Ukrainisches Streben nach Europa und die Euromaidan-Proteste
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Und so kommt dann eben November
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2013 der Euromaidan, weil die Ukraine ja selbst und die ihrem Russland freundlichen Präsidenten Janukovic mit der Europäischen Union einen Assoziationsvertrag ausgehandelt hat. Die Nähe der letzten Sekunde verkündet nach Jahren des Aushandels, unterschreibe ich nicht.
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Speaker
Weil Putin gedrückt hat, oder? Ja, das wissen wir, glaube ich, gar nicht so genau. Weißt du, was da der Hintergrund gewesen war? Welche Versprechungen, welche Drohungen, welche inneren Ängste, dass Europäisierung die autoritäre Herrschaft auch von Janukovic eben bedroht, die eine schwache autoritäre Herrschaft war, aber doch auch
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Speaker
mit wenig Legitimität. Was da genau gelaufen ist, ist noch nicht erforscht. Da brauchen wir erst die Öffnung der Archive in einigen Jahrzehnten.
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Speaker
Und das war natürlich dann wiederum nochmal unmittelbar eine Bedrohung für das autoritäre Regime in Russland.
Russlands Narrativ über die Ukraine
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Speaker
Denn natürlich schauen die Menschen in Petersburg und in Moskau auf das, was in Kiew passiert, was dort möglich ist, was dort freier wird.
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Speaker
Und deswegen entwickelt die Gegenpropaganda dieses Bild von einer vollkommen regierungsunfähigen, also in früherer Zeit, heute ist es ja viel schlimmer, zerrissenen, armen Ukraine. Und das hat sich ja mittlerweile dazu gesteigert,
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Speaker
Sie als Marionettenstaat, als Saisonstaat, failed state und die Führung als als Nazi-Bande, dann als Bande von Drogenabhängigen bezeichnet hat. Also man sieht diese zunehmende Radikalisierung. Und in Wirklichkeit, wenn man das ganz lange, so habe ich begonnen, betrachtet, geht es um Nationalstaats
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Speaker
Bildung in einem sehr langen Prozess heraus. Die Lösung aus Imperien und Russland als imperialistische Macht ist gekränkt von der Zerstörung oder dem Zerfall dieses Imperiums, des Anspruchs.
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Speaker
Und diese Kränkung ist sehr stark damit vermischt, dass das Imperium die einzige ideelle innere Legitimation für die autoritäre Herrschaft nach dem Scheitern des Wirtschaftsmodells, dieses auf Rohstoffexport basierendem Wirtschaftsmodell ist.
Die Rolle der EU und NATO in der Ukraine
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Speaker
Ja, also eine Sache, die mir jetzt bei Ihren Erläuterungen auffiel, ist ja dann die EU in der Hinterhand USA natürlich, die Beförderung dieses Nationalstaats,
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Speaker
Staatengedankens. Die Karte Assoziierungsabkommen oder jetzt Zelensky noch deutlicher EU-Beitritt, Georgien schließt sich gleich an, auszuspielen, potenziert dieses Kränkungsmotiv.
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Speaker
Nein, es ist eigentlich umgekehrt. Wenn man es betrachtet, egal ob man die Osterweiterung der Europäischen Union in ihren Anfängen nur um Polen und Tschechen nimmt oder die NATO-Erweiterung um diese Länder oder insbesondere die Ukraine, der Wille
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Speaker
zur Westorientierung kommt und zur freien Selbstbestimmung kommt immer aus den Ländern selbst. Und er wird niemals vorangetrieben aus der Europäischen Union, aus Brüssel mit der Doppelbedeutung Europäische Union und NATO, sondern
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Speaker
Es ist die Dominosteine, dass man das akzeptieren muss und nicht mehr zurückweisen kann. Diesen starken Willen, die fallen dann erst. Aber es ist niemals aus Brüssel angestoßen, sondern es ist die Blockaden und wir sehen es bis heute. Wir sehen doch heute, wie der ukrainische Präsident in allen Parlamenten und im Bundestag um Unterstützung wirbt und wir blockieren ihn
Europas Zögern bei der Integration der Ukraine
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Speaker
ab. Es ist doch nicht so, dass
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Speaker
wir unbedingt diesen Krieg beginnen wollten gegen Russland oder wir Waffen in die Ukraine liefern wollen, sondern wir sehen uns damit konfrontiert, dass die Selbstbestimmungswille, der demokratische Wille eines Volkes von außen so bedroht wird und wir immer noch nicht helfen wollen und es moralisch nicht mehr durchhalten, dass wir gesagt haben, ja, ihr seid unsere Freunde, aber jetzt wollen wir doch nicht durchhalten.
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Speaker
Und das ist eine Geschichte, die sich seit 30 Jahren auf den unterschiedlichen Ebenen so vollzieht. Die Ukraine wollte der Europäischen Union schon lange beitreten. Und das Assoziierungsabkommen war das, was man für ihn maximal zugestanden hat.
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Speaker
Aus Angst, Russland zu dupieren, oder? Weil man sagte, ihr müsst eure Hausaufgaben noch machen. Ja, also das hat verschiedene Motive im Bereich der Europäischen Union. Hat das tatsächlich auch damit viel zu tun, dass die
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Speaker
Wirtschaftsstrukturen und die Wirtschaftskraft und die Wirtschaftsleistung der Ukraine doch so weit von der europäischen entfernt war und ist, dass eine Mitgliedschaft als
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Speaker
gleichberechtigter Staat, insbesondere in den Förderungsprogrammen, also der Struktur und der Agrarpolitik, die gesamten innereuropäischen Geldflüsse der Nettozahler und Nettoempfänger komplett auf den Kopf gestellt hätte.
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Speaker
Da haben ja auch die Länder wie Polen und Tschechien im Grunde über zehn Jahre ihre inneren Strukturen geändert und sind herangewachsen, um das möglich zu machen. Also da gibt es bei der Europäischen Union tatsächlich auch
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Speaker
Gründe, warum das sehr schwierig ist und bei der sicherheitspolitischen Frage ist es genau, wie Sie gesagt haben, da war in dem Konzept insbesondere der deutschen Osteuropapolitik, kann man wirklich sagen, weil eben der Raum als Gesamtes gedacht wurde,
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Speaker
Die Vorstellung, dass Russland so reagieren könnte, wie es jetzt reagiert, war präsent.
Russlands Einflussbestrebungen in der Ukraine
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Speaker
Und es war eben eine sehr ambivalente Politik, die auf der einen Seite zu zögerlich war und den Ukrainern zu wenig angeboten hat, und das bis heute ist. Und auf der anderen Seite tatsächlich aus historischer Erfahrung eine Ahnung davon gehabt hat,
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Speaker
dass der Wille in Moskau, diese Ukraine in ihrem Einflussbereich zu halten, so groß ist, dass sie um jeden schrecklichen Preis das auf die Grundlage wehrt. Dann haben wir jetzt die Situation, dass im Grunde das, was befürchtet wurde, auch eingetreten ist, obwohl man es gerade nicht getan hat.
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Speaker
wo man immer berücksichtigt hat. Und das führt logischerweise jetzt dazu, dass alle zu Recht sagen, es war ein Fehler, wir hätten von vornherein einfach stärker auftreten müssen oder müssen es zumindest jetzt mit aller Kraft.
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Speaker
Und da finde ich ein bisschen, für mich zumindest die Gretchenfrage, wie lange hätte dieser Krieg verhindert werden können, stellt sich im Lichte dieser Erkenntnisse natürlich auch
Könnte der Krieg verhindert werden?
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Speaker
nochmal. Das ist wirklich eine spannende, sehr spannende Frage.
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Speaker
Also letztlich ist er immer bis zum allerletzten Moment zu verhindern. Also wenn man die Ukraine voll und ganz und sämtliche Prinzipien breitgegeben hätte, was aber vollkommen unrealistisch ist, sondern sämtliche erpresserischen Forderungen, die Russland gestellt hat im Dezember 2021, wenn man denen einfach nachgegeben hätte,
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Speaker
Dann hätte man diesen Krieg verhindern können. Aber die Frage ist insofern müßig, weil das unvorstellbar war. Es ist eigentlich eine Frage, wie sie heute von dem Putin-Regime selbst gestellt wird. Denn die Legitimation ihres Krieges ist ja, wir hatten keine andere Wahl. Wir wollten das alles friedlich lösen. Wir haben euch doch alles angeboten, aber wir haben nichts bekommen.
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Speaker
Das heißt, der Erpresser und Vergewaltiger stellt Kapitulationsbedingungen, und so ist es auch heute bei den Verhandlungen, die zwischen der Ukraine und Russland geführt werden. Die Bedingungen, die Russland stellt, zumindest noch offiziell, ist im Grunde eine Kapitulation auf ganzer Linie. Die Kriegsziele sollen schlicht und ergreifend ohne Krieg erreicht werden.
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Speaker
Dann kann man natürlich sagen, man hätte den Krieg verhindern können, wenn man ihn einfach nicht geführt hätte. Und Putin sagt das ganz offen. Die haben uns angegriffen, in dem Sinne, dass sie sich gewehrt haben. Wenn sie mal unsere Panzer hätten bis Kiew fahren lassen, dann hätte es keinen Krieg gegeben, sondern wären wir friedlich dort einmarschiert. In dieser Logik kann man sagen, hätte der Krieg immer verhindert werden können, indem man den Forderungen in Moskau immer mehr hätte nachgeben können.
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Speaker
Eine andere These ist ja, dass eine einmütigere Antwort, wie wir sie heute sehen, 2014 bei der Annexion der Krim Putin früher gezeigt hätte, dass Einigkeit herrscht und harte Sanktionen möglich sind.
Alternative historische Handlungen
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Speaker
Aber da bin ich insofern jetzt einfach nur als Wissenschaftler vorsichtig. Das ist ja eine Argumentation, die wir einfach nicht mehr nachprüfen können. Wie wäre Geschichte verlaufen, wenn zentrale Ereignisse anders gewesen wären?
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Speaker
Ja, kann sein, kann auch nicht sein. Das Gegenargument wäre, dann wäre der Krieg früher gekommen. Das wissen wir nicht. Dieses Argument spielt heute eine politische Rolle, weil es der Mobilisierung dient, um zu sagen, jetzt müssen wir es aber endlich tun. Und ich würde sagen, politisch ist es richtig, zu sagen, wir haben das versäumt, also müssen wir es jetzt, wo der Krieg ist, endlich tun, die Ukraine stützen, als
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Speaker
Wissenschaftler, Historiker, ganz raus aus dem politischen Raum, wenn man in zehn Jahren dann nochmal ein tausendseitiges Buch darüber schreibt, dann würde ich sagen, kann man die Frage so nicht entscheiden, weil es einfach so nicht war.
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Speaker
Ja, ich möchte jetzt zum Abschluss unseres sehr spannenden Gesprächs, das ich zugegebener Martin noch Stunden weiterführen könnte, weil es einfach sehr interessant ist. Aber eine Frage habe ich doch noch, Sie haben es eingangs erwähnt.
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Speaker
wackere russische Zivilbevölkerung, die ja schon seit Jahren kämpft. Das habe ich aus dem Gespräch mit Maxim auch erfahren, dass es gerade ab 2014 für die Zivilgesellschaft schwieriger wurde zu oponieren.
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Speaker
Wo sehen Sie eigentlich die Zukunft für progressive Russen, die gegen diesen Krieg sind, die jetzt zum größten Teil auswandern?
Zukunft der progressiven Kräfte in Russland
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Speaker
Können die wieder zurück? Müssen die woanders hin? Wird die Ukraine dann ihr neues Russland? Was passiert mit denen? Haben Sie da irgendeine Idee?
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Speaker
Also ich möchte mit einem anfangen, es gibt jetzt tatsächlich in Deutschland und international einen sehr großen Fokus auch auf diese russische Zivilgesellschaft und das ist auch nicht unberechtigt und sie sind genauso Opfer des
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Speaker
Regimes, in dem Fall Opfer des Putinischen Polizeistaats, wie die Ukrainer Opfer des Putinischen Militärstaats sind. Aber man sollte sich nicht nur auf das Schicksal der Russen und dann gleichzeitig auch eben auf die Ukrainer in der ganzen Breite von den
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Speaker
Und der Gesellschaft, die wir dann nicht Zivilgesellschaft nennen, sondern wirklich Menschen aller Art, die jetzt auch geflüchtet sind oder im Krieg stehen oder in der Zivilverteidigung stehen oder auch verstümmelt, gestorben, getötet sind. Wenn man das alles gesagt hat, dann kommt richtigerweise die Frage, die Sie jetzt gestellt haben.
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Speaker
Und das hängt natürlich ganz stark von dem Kriegsausgang ab. Wenn Russland den Krieg gewinnt, und das sollten wir nicht von vornherein einfach annehmen, das haben wir viel zu stark einfach angenommen. Und wir haben, das ist mein Gefühl in der deutschen Politik, immer noch eine Art von Vorwärtskapitulation,
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Speaker
Die Planungen für eine Energiewende mit Wasserstoff und Dank Katar gehen ja eigentlich schon davon aus, dass Russland an der polnischen Grenze steht. Wir müssen also langfristig aussteigen. Und die Planungen für eine Aufrüstung der Bundeswehr gehen eigentlich auch davon aus.
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Speaker
Aber die Frage, was können wir denn heute tun, die sind die eigentlich wichtigen schnelles Handeln und davon hängt dann eben auch die Frage ab von dem Ausgang dieses Krieges, wie es mit der russischen Zivilgesellschaft weitergeht.
Auswirkungen des Krieges auf die russische Gesellschaft
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Speaker
wenn das Schlimmste passiert und die Ukraine weiter und weitere Städte, in Marjubol ist es bereits der Fall, in Kharkiv ist es auch der Fall, zerbombt wurden wie Aleppo, wie Grozny und andere Städte, wenn das weitergeht auch mit Kiev und es steht zu befürchten und Russland über den Terrorkrieg, obwohl es eigentlich militärisch verloren hat, sich dann doch durchsetzt,
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Speaker
Dann wird diese Agonie des Putin-Regimes noch über Jahre andauern und dann ist diese russische Zivilgesellschaft, die jetzt schon zu Hunderttausenden in den Westen geflohen ist. Über die letzten Schlupflöcher, zum Teil über Zentralasien, über den Südkauka, wo es noch rausging.
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Speaker
Es saßen schon sehr, sehr viele in den letzten Jahren. Die viele aus der künstlerisch-intellektuellen Szene waren in Berlin. Die politische Szene war in Riga.
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Speaker
Es gab mal die Hoffnung, in der Ukraine eben das andere, das neue Russland aufzubauen. Das hat nicht so ganz funktioniert. Ja, also wenn das Regime diesen Krieg gewinnt, dann ist das die traurige Immigrationsperspektive, weil auch das, was wir haben jetzt über zehn Jahre, dieses Leben in zwei Welten,
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Speaker
Alle, die in Riga oder in Berlin oder anderswo saßen, die waren mit einem Bein immer noch in Russland. Sie haben nach Russland reingesendet, sie sind manchmal hingereist. Die, die nicht ganz besonders verfolgt wurden, das wäre ja dann ja alles zu Ende. Das ist dann eine komplette Trennung, eine Mauer. Man kann auch gar nicht mehr reinsenden, weil die Menschen, die noch dort sind, es gar nicht empfangen können.
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Speaker
Ja und die Gegenperspektive, die rosige Gegenperspektive wäre, der Widerstand der Ukraine ist so stark, dass die militärischen Verluste Russlands so groß sind, plus plus plus die Sanktionen, dass sie Risse im Regime weiter aufreißen. Sie sind da, wir können sie sehen, sie sind schwach, wir wissen, dass sie
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Speaker
Repression sich auch auf die obersten Führungsschichten bezieht, dass die alle Angst haben, selbst die Geheimdienstchefs. Das haben wir in dieser mittlerweile berühmt gewordenen öffentlichen Sitzung des Sicherheitsrats drei Tage vor dem Krieg gesehen, dass da die Männer an der Spitze von Gewaltapparaten wie Schuljungs degradiert und niedergemacht und ausgelacht werden von Putin. Und die haben also alle auch Angst und Rache Gedanken, denke ich, im Kopf.
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Speaker
Da gibt es eine Schutz- und Wachmannschaft aus der zweiten und dritten Reihe, die ihn persönlich beschützt. Und es gibt natürlich auch die Perspektivlosigkeit. Denn keiner weiß, was passiert denn eigentlich, wenn wir ihn stürzen würden. Ist ja vollkommen offen, was mit diesem ganzen Land passiert.
00:20:15
Speaker
Dieser Effekt der Ratlosigkeit ist in der gesamten Bevölkerung zu sehen. Sehr, sehr viele sind dagegen, wollen diesen Krieg nicht, schauen weg. Und trotzdem zeigen die Umfragen, dass 70 Prozent sich hinter Putin stellen. Und da sieht man ganz stark die Angst vor dem, was kommen könnte, das die Augen zu machen, Augen zu und durch, weil man spürt, dass eigentlich hintendran ein Abgrund kommt.
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Speaker
Und wenn man diesen Abgrund jetzt mal ganz rosig positiv formulieren wollte, dann könnte diese Zivilgesellschaft in der Emikation und die noch dort sind zurückkehren und dann wären sie die Träger des Aufbaus eines neuen Russlands.
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Speaker
Aber das sind jetzt wirklich rosa Wolken. So ist heute die Lage nicht. Momentan richten wir uns, glaube ich, eher auf einen langwierigen Krieg ab. Die Ukraine wird auf keinen Fall aufgeben.
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Speaker
Wenn sie nicht verliert und ich glaube es sieht nicht aus, dass sie danach verliert, dann gibt es einen langwierigen Aufstandskampf, egal wo Kiel steht. Selbst wenn Kiel fallen würde, Russland kann nicht als Okkupationsregime dort bestehen.
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Speaker
langfristigen bewaffneten Aufstandskampf mit Waffenfluss aus Polen. Es wird keinen Frieden geben, solange in Russland das Regime nicht beseitigt ist und eine neue Perspektive, ein neues Russland, das nicht mehr das imperiale Russland ist, entsteht.
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Speaker
Ja, kein ganz schönes Schlusswort, aber wahrscheinlich ein durchaus realistisches. Aber ich habe die rosa Wölkchen gezeichnet. Ich muss trotzdem sagen, mein Grundstatement, es gibt nichts Gutes an einem Krieg, einfach weil er so viele Leben kostet, bleibt diese dringende Bitte, dass man andere Wege findet. Das verlässt mich nicht, auch wenn ganz vieles von dem, was Sie gesagt haben, auch so eine
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Speaker
Naja. Sie müssen einfach sehen, vielleicht haben wir das Mikrofon noch an und überlegen, wie wir das mitnehmen. Also die Erfahrung der Ukrainer von 2014 war ja, da war die Krim.
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Speaker
Und die Krim haben sie ja komplett kampflos aufgegeben. Auf der Krim waren ukrainische Soldaten stationiert. Es gab eine ukrainische Verwaltung mit großer Autonomie.
Der ukrainische Verteidigungswille
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Speaker
Und dann gab es diese Geheimoperation mit den grünen Menschen, die
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Speaker
sich dann an positiven Daten herausstellten. Aber niemand hat dagegen gekämpft, sondern die haben es einfach aufgegeben. Was war das Ergebnis gewesen? Das Ergebnis war ja keineswegs, dass das für die Ukraine Ruhe und Frieden gebracht hat. Und es war auch insbesondere nicht so, dass es dort neue oder andere Freiheit gebracht hat. Sondern die Ukraine schauen, und das tun sie zu Recht, auf das Schicksal der Krimtaternen.
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Speaker
Die Krim-Tatan wurden ja bereits zu stalinischen Zeiten wegen angeblicher Kooperation mit der Wehrmacht als gesamtes Volk nach Zentralasien deportiert und durften dann erst in den 80er Jahren und den 90er Jahren auf die Krim zurückkehren. Mit der Besetzung und Annexion der Krim wurde die politische Führung der Krim-Tatan zerschlagen. Sie sind geflohen in die Türkei oder nach Kiew.
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Speaker
das Grimm-Tatarische Parlament als freies Parlament aufgelöst, von einem Moskau-dreuen Satrapen ersetzt und sämtliche kleinste kulturelle Unterstützung oder kulturelle Zusammenschlüsse von Grimm-Tatarern in ihren Städten, in Batchisaray auf der Grimm und in Simferopol,
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Speaker
wird von dem russischen Geheimdienst mit brutalsten Methoden unterdrückt. Also es gibt über 100 krimtatarische politische Gefangene, die wegen ihrer Solidarität mit anderen Gefangenen wegen Terrorismus verhaftet wurden, Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.
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Speaker
sind sie verhaftet und zu 15 bis 20 Jahren lagerhaft verurteilt. Und das ist, was Russland mit den Krimtatan gemacht hat. Und das haben die Ukraine vor
Friedensparadox in der Ukraine
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Speaker
Augen. Und deswegen führen sie diesen Verteidigungs-Krieg gegen den Krieg.
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Speaker
des Polizeistaats, der sonst gegen sie geführt würde. Und natürlich das Gleiche in Belarus. Da haben wir die Frauen und die gesamte Bewegung, die im August 2020 mit weißen Kleidern und roten Blumen auf die Straße gegangen ist und Soldaten Blumen geschenkt hat. Und das Ergebnis dieses nicht Kriegs, sondern dieses äußerst zivilen
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Speaker
nicht mal Widerstands, zivilen Auftretens, ist tausendpolitische Gefangene, Vertreibung, Emigration, Polizeistaat und das haben die Ukraine vor Augen. Und deswegen ist der Frieden nur im Krieg zu erreichen. Also sage ich, es gibt nichts Gutes an einem Krieg, aber manchmal auch keine Alternative.
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Speaker
Man hat ja nicht begonnen, sondern es gibt noch nicht eine Verteidigung. Vielen Dank Volker Weichsel.
Leseempfehlung: Zeitschrift 'Osteuropa'
00:25:37
Speaker
Der Zeitschrift Europa kann man auch im Internet habhaft werden. Zeitschrift-osteuropa.de scheint sich zu lohnen, diese Lektüre. Es gibt tolle Hefte auch über die Ukraine und auch Aktuelles zu diesem Krieg. Ich bin jetzt schon ein bisschen schlauer, ob mir das hilft.
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Speaker
Weiß ich noch nicht. Also in meiner täglichen Zeitungslektüre, in dem Begreifen dessen, was passiert ist, aber auf alle Fälle. Und wer weiß, Herr Weichsel, ob wir uns noch einmal widersprechen in einem halben Jahr, in einem Jahr, um dann zu schauen, wo wir stehen. Ihr wissen, Schatz, es scheint mir da sehr groß zu sein und ich bin froh, dass ich dich mal ansapfen durfte. Alles Gute nach Berlin.
Wo man den Podcast findet
00:26:26
Speaker
Den kleinen Podcast 20 Blue Minutes findet ihr überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Und natürlich bei uns auf 20.blue. Bis bald.