Einführung und Podcast-Ziele
00:00:06
Speaker
Hallo zusammen, herzlich willkommen, wie schön, dass ihr euch Zeit genommen habt.
00:00:09
Speaker
Wir begrüßen euch zur ersten Folge von Alles Buchmarkt, der offizielle Podcast des Buchmarkt-Magazins.
00:00:17
Speaker
Jedes Jahr erscheinen mehr als 70.000 neue Bücher in Deutschland, 70.000 unterschiedliche Titel, das ist eine unvorstellbare Zahl.
00:00:27
Speaker
Wie soll man da den Überblick behalten?
00:00:28
Speaker
Und wie entsteht überhaupt so ein Buch?
00:00:32
Speaker
Diesen langen Weg von einem Menschen, der von seinem Computer sitzt und sich Geschichten ausdenkt, bis hin zum Bezahlen des Buches an der Kasse wollen wir uns genauer anschauen.
00:00:42
Speaker
Glaubt mir, es gibt so viele irre Geschichten hinter den Kulissen, über die ihr euch als LeserInnen noch nie Gedanken gemacht habt.
00:00:50
Speaker
Und das wollen wir ändern.
00:00:53
Speaker
Und auch bei Verlagen und Buchhandlungen fehlt manchmal das Wissen über die Arbeit des jeweils anderen.
00:01:00
Speaker
Und wir wollen ein bisschen als Botschafter zwischen den Polen agieren.
Vorstellung der Gastgeber und technische Herausforderungen
00:01:06
Speaker
Doch nun noch zu uns.
00:01:08
Speaker
Wer sind wir überhaupt?
00:01:10
Speaker
Vor vielen Jahren, wir waren alle noch Germanistik-Studentinnen, gab es das alte literarische Quartett im Fernsehen.
00:01:16
Speaker
Damals noch mit Marcel Reich-Ranitzki.
00:01:19
Speaker
Und als das dann eingestellt wurde, haben wir uns auf Bühnen gesetzt und in unendlichem Größenwahn Bücher empfohlen und verrissen.
00:01:30
Speaker
Andreas Hänisch, den hört ihr jetzt.
00:01:35
Speaker
Hat es erst zum Radio und später dann zu einem sehr bekannten sozialen Netzwerk gezogen.
00:01:44
Speaker
Hallo, schöne Grüße aus Stuttgart.
00:01:47
Speaker
Danke, die ist seit einigen Jahren bei der Verlagsgruppe Patmos in Stuttgart und verantwortet dort das Marketing und kennt sich bestens mit Ratgebern und Sachbüchern aus.
00:01:59
Speaker
Und mein Name ist Alexander Schulz.
00:02:01
Speaker
Ich bin beim Gemeinder Verlag, ebenfalls Marketing- und Vertriebsfuzzi und weiß ein bisschen was über Krimis.
00:02:08
Speaker
Seit fast 60 Jahren nun gibt es das Magazin Buchmarkt, Untertitel das Ideenmagazin für den Buchhandel.
00:02:16
Speaker
Und für diese tolle Redaktion dürfen wir künftig monatlich diesen Podcast verwirklichen.
00:02:22
Speaker
An unserer Seite werdet ihr regelmäßig großartige Gäste hören, die sich mit dem jeweiligen Thema bestens auskennen.
00:02:29
Speaker
Und eine Bitte noch, bevor es losgeht, habt ein bisschen Erbarmen mit uns.
00:02:33
Speaker
Bis auf Andi sind wir keine gelernten Sprecher, die Technik ist neu und wahrscheinlich muss ich alles noch so ein bisschen abschmirgeln, bevor es ganz glatt läuft.
00:02:42
Speaker
Aber wenn ihr darüber hinweg seht, dann können wir euch versprechen, wir haben viele Ideen für die Zukunft.
00:02:49
Speaker
Es wird Buchtipps geben, abseits der Bestsellerlisten.
00:02:53
Speaker
Wir werden fantastische Gäste haben.
00:02:54
Speaker
Wir werden wirklich spannende Fragen rund um den ganzen Buchmarkt beantworten.
00:02:59
Speaker
Und vielleicht wird auch das literarische Quintett wieder auferstehen.
00:03:04
Speaker
Aber jetzt, finde ich, haben wir uns genug selbst dem Bauch gepinselt.
Der Weg zum Autor: Erste Schritte und Herausforderungen
00:03:10
Speaker
Unser heutiges Thema, wie werde ich eigentlich Autor oder Autorin?
00:03:15
Speaker
Und am Anfang ist da immer jemand, der das gerne sein möchte oder werden möchte.
00:03:20
Speaker
Sie oder er hat einen Text geschrieben, doch wie kommt der Mensch mit seinem geschriebenen Werk zum Verlag?
00:03:27
Speaker
Wie wird man Autorin oder Autor?
00:03:30
Speaker
Und braucht es dafür schon einen vollständigen Text oder Suchen Verlage gezielt nach Autorinnen, wenn sie zum Beispiel ein Buch über die schönsten Wasserrutschen in Deutschland machen wollen?
00:03:41
Speaker
Rowling, die Erfinderin und Autorin dieses ganzen Harry-Potter-Universums, gibt es ja diese große Geschichte, dass sie ihr Manuskript unzähligen Verlagen angeboten hat und alle haben sie abgelehnt und als Leser hat man immer gedacht, ja, waren die denn alle doof?
00:03:59
Speaker
In Wahrheit war es aber so, das wissen die wenigsten, dass sie sich relativ schnell, nachdem sie ihren Text geschrieben hatte, eine professionelle Agentur gesucht hat.
00:04:11
Speaker
Und diese Agentur ist dann auf Verlage zugegangen.
00:04:14
Speaker
Aber, hier stimmt die Geschichte wieder, sie hat dennoch einen Haufen Absagen bekommen.
00:04:21
Speaker
Also jetzt die Frage, wie kriege ich als Autor oder Autorin einen Verlag?
Einblicke in die Verlagswelt mit Christine Listau
00:04:27
Speaker
Und zu diesem Thema begrüßen wir heute bei uns hier im Podcast Christine Listau.
00:04:34
Speaker
Schön, dass du heute bei uns bist, beziehungsweise eigentlich vielen Dank, dass ich hier in Berlin zu dir nach Hause kommen durfte.
00:04:45
Speaker
Und ja, ich bin sehr gespannt und habe schon hier in der Wohnung rumgeguckt.
00:04:49
Speaker
Hier stehen wirklich unzählige Bücher, wie es sich natürlich gehört.
00:04:54
Speaker
Habe auch gar nichts anderes erwartet.
00:04:56
Speaker
Das Schöne ist, wir kennen uns noch nicht persönlich, haben uns heute kennengelernt, aber Tina und Alex kennen dich schon ein bisschen länger und die haben mir beide verraten, dass du ein ansteckendes Lachen hast und du würdest stets eine gute Figur auf der Tanzfläche der Messepartys machen.
00:05:15
Speaker
Schön, dass ihr es gemerkt habt.
00:05:18
Speaker
Aber eigentlich abseits der Buchmesse und der Tanzfläche kennt man dich als Verlegerin des Verbrecherverlages, den du ja zusammen mit deinem Mann Jörg Sundermeyer leitest.
00:05:30
Speaker
Du bist seit 2014 Geschäftsführerin und seit 2016 Mitgesellschafterin des Verlags.
00:05:37
Speaker
Und das Schöne an eurem Verlagsprogramm ist, dass es extrem vielfältig ist.
00:05:43
Speaker
Aber man kann schon sagen, Schwerpunkt ist eigentlich so auf der Belletristik und dem politischen Sachbuch.
00:05:51
Speaker
Was ich, beziehungsweise eigentlich auch Tina und Alex, ich kann dafür alle sprechen, toll finde oder was wir toll finden, ist das Gespür für junge und neue Talente.
00:06:02
Speaker
DebutantInnen, da gibt es auch viele Lisa Krenzler, David Wagner, Dietmar Dart oder meine persönliche Lieblingsschriftstellerin Anke Stelling, um jetzt nur mal ein paar zu nennen.
00:06:15
Speaker
Und um die Runde abzuschließen, zudem hast du vier Jahre lang als Agentin geleistet.
00:06:21
Speaker
in der Literaturagentur Antas Bindermann-Listau eben AutorInnen vertreten und hast sozusagen versucht, diese AutorInnen, denen für sie Verlage zu finden für ihre Bücher.
00:06:36
Speaker
Du hast also einen sehr vielseitigen Blick auf die Frage, wie der Autor oder die AutorIn zu einem Verlag kommt oder eben auch umgekehrt, wie denn Verlage nach AutorInnen suchen.
00:06:51
Speaker
Das war jetzt unsere Einleitung, ist natürlich die Frage, stimmt das so?
00:06:55
Speaker
Haben wir irgendeinen Quatsch erzählt oder haben wir was vergessen vielleicht?
00:07:01
Speaker
Also ich tanze sehr gern, das stimmt.
00:07:04
Speaker
Wie es ausschaut, keine Ahnung.
00:07:06
Speaker
Ich lache auch sehr laut, das weiß ich auch.
00:07:09
Speaker
Ich war Agentin und bin Verlegerin.
00:07:14
Speaker
Und ich gleich noch eine Anschlussfrage.
00:07:18
Speaker
Hast du denn selber jemals literarische Ambitionen gehabt oder selber geschrieben und veröffentlicht?
00:07:25
Speaker
Nein, im Grunde nicht.
00:07:26
Speaker
Ich habe mal mit Anfang 30 dachte ich, ach, komm, versuch mal zu schreiben, noch bevor ich überhaupt ins Literaturbetrieb kam,
00:07:37
Speaker
weil ich immer gerne gelesen habe und dann habe ich was aufgeschrieben auf meinem Computer und habe mir das angeschaut und habe verstanden, die Welt, die ich im Kopf habe, kann ich einfach nicht aufs Blatt Papier bringen und dachte, alles klar, ist eh nicht meins.
00:07:53
Speaker
Und ich glaube auch nicht, dass da irgendwann sich entwickelt.
00:07:57
Speaker
Ich übersetze mittlerweile und das macht mir auch Spaß.
00:08:00
Speaker
Ich lekturiere wahnsinnig gerne, aber selbst schreiben, nein, will ich gar nicht.
00:08:06
Speaker
Das kann ich sehr gut nachvollziehen.
00:08:09
Speaker
Christine, die erste Frage von mir mal an dich.
00:08:12
Speaker
Jetzt als Verlegerin, behandelst du oder ihr beide Manuskripte, die aus Agenturen an euch gesandt werden, anders?
00:08:22
Speaker
Guckst du da vielleicht ein bisschen milder darauf, als wenn ein unbekannter Autor so ein berühmtes unverlangt ein gesandtes Manuskript zu euch schickt?
00:08:34
Speaker
Ja, ich würde sagen ja auf jeden Fall, vor allem wenn ich die Agentinnen kenne, schaue ich es mir an.
00:08:40
Speaker
Es ist aber so, dass wir als relativ kleiner, unabhängiger Verlag für Agenturen nicht wirklich interessant sind, weil wir keine großen Vorschüsse zahlen können.
00:08:53
Speaker
Und es ist auch so, dass wir pro Programm etwa drei Bücher von lebenden AutorInnen in der Belletristik machen und daher eher wenige dazukommen können.
Manuskriptbewertung und Verlagsprogramm
00:09:08
Speaker
Dennoch, wir haben eine Manuskriptadresse, wo wir gerade gebeten haben, nicht mehr einzusenden, weil wir es nicht schaffen zu lesen.
00:09:15
Speaker
Aber eigentlich, die wir doch schon prüfen nach den Einsendungen.
00:09:20
Speaker
Es ist aber so, dass wir vor allem, wenn wir AutorInnen suchen, die noch nicht bei uns im Hause sind,
00:09:28
Speaker
eher unsere Autorinnen fragen oder wir bekommen auch immer Empfehlungen von anderen Lektorinnen, von Literaturhausleiterinnen, von Freunden in der Buchbranche und da eher reinschauen.
00:09:44
Speaker
Ich denke, genauso geht es bei Agenturen, wenn du die Leute kennst, hörst du auf deren Empfehlungen.
00:09:51
Speaker
Wenn wir in ein Restaurant gehen wollen, dann gehen wir ja auch nicht random into hin, sondern wir fragen Freundinnen und Freunde, hey, ich suche ein gutes italienisches Restaurant, wohin soll ich gehen?
00:10:03
Speaker
Und dann hören wir auf die Leute, die wissen, was ich mag.
00:10:09
Speaker
Okay, das ist bei uns tatsächlich anders im Gemeinder Verlag.
00:10:11
Speaker
Wir machen ja wahnsinnig viele Krimis, Regionalkrimis.
00:10:15
Speaker
Das heißt, da wird ganz viel einfach so eingesandt.
00:10:17
Speaker
Und ich merke bei mir schon, dass ich...
00:10:21
Speaker
Man sollte natürlich alles gleich neutral bewerten.
00:10:24
Speaker
Alles, was vor mir liegt, gucke ich erst mal mit unverstelltem Blick an.
00:10:27
Speaker
Aber ich ertappe mich trotzdem dabei, dass ich manchmal denke, Agentur, das hat schon mal jemand gelesen.
00:10:32
Speaker
Das ist schon mal durch irgendeinen Raster ausgesiebt worden.
00:10:36
Speaker
Das ist ein bisschen was, was zumindest den Blick jetzt mehr lohnt.
00:10:40
Speaker
Und ich finde es nicht gut, dass ich es mache, aber ich kann manchmal nicht anders und tue es trotzdem.
00:10:46
Speaker
Deswegen war das, man ist halt nicht ganz frei davon.
00:10:50
Speaker
Ich finde es aber auch richtig.
00:10:51
Speaker
Ich meine, die Agenturen sind ja auch dafür da.
00:10:54
Speaker
Und wie gesagt, du kennst die Leute, sie wissen ganz genau, welches Programm bei euch ist, welches Programm bei uns ist.
00:11:01
Speaker
Wir kriegen ja manchmal Katzenkrimis oder sowas oder Krimis überhaupt angeboten, weil wir Verbrecher Verlag heißen.
00:11:07
Speaker
Eine Agentur weiß einfach, dass wir keine Krimis machen.
00:11:09
Speaker
Was für eine Art Literatur.
00:11:12
Speaker
wir veröffentlichen und deswegen kommt dann natürlich eher punktgenauer das an.
00:11:17
Speaker
Also warum ihr Verbrecher Verlag heißt und wo der Name herkommt, ist so eine süße Geschichte.
00:11:24
Speaker
Ich würde sagen, das packen wir einfach mal auf die Instagram-Seite.
00:11:27
Speaker
Das könnt ihr euch angucken.
00:11:28
Speaker
Das ist eine ganz, ganz zauberhafte Geschichte.
00:11:32
Speaker
Das heißt aber auch, Christine, im Umkehrschluss, jetzt wenn du dich nochmal wieder in diese Agentin hinein denkst, du hast bei Manuskripten direkt dann immer auch schon Verlage im Kopf beim Bewerten, wo du denkst, das stelle ich denen vor oder guckst du den Text als solchen erstmal an?
00:11:48
Speaker
In der Agentur war es bei uns so, dass erstmal die Autoren gebeten wurden, bei uns einzurufen, bevor die überhaupt was einschicken.
00:11:56
Speaker
Erstens ist natürlich auch nochmal eine Schwelle, nicht einfach so einzuschicken, sondern anzurufen.
00:12:03
Speaker
Aber beim Telefonat konnte ich sagen, wir vertreten keine Unterhaltungsliteratur.
00:12:07
Speaker
Ich habe gar nichts gegen Unterhaltungsliteratur.
00:12:09
Speaker
Ich lese privat vor allem Science Fiction.
00:12:12
Speaker
Aber ich habe sie nicht vertreten.
00:12:15
Speaker
Es ist eine vollkommen andere literarische Welt.
00:12:17
Speaker
Deshalb konnte ich sagen, okay, das schon mal nicht, wenn es doch literarischer Text wäre.
00:12:26
Speaker
Dann habe ich weiter gefragt, welche Thematik es ist.
00:12:28
Speaker
Und durch das Gespräch konnte man es merken, und die Autorin genauso wie ich als Agentin, passen wir zusammen, ist der Text interessant.
00:12:38
Speaker
Wenn dann dabei ein Jahr rausgekommen ist, dann habe ich erst den Text bekommen und habe den gelesen.
00:12:44
Speaker
Und meistens muss ich auch zugeben, reichen tatsächlich zwei bis drei Seiten, manchmal der erste Absatz, ob man überhaupt weiterlesen möchte.
00:12:55
Speaker
So mache ich das auch im Verlag.
00:12:58
Speaker
Und erst wenn der Text aber ganz gelesen wurde oder zumindest sehr aussagekräftige Leseprobe, habe ich dann einen Vertrag gemacht mit den AutorInnen.
00:13:09
Speaker
Das ist als Agentur.
00:13:10
Speaker
Als Verlag mache ich erst einen Vertrag eigentlich, wenn der ganze Text vorliegt, es sei denn, es sind bereits meine AutorInnen.
00:13:19
Speaker
Da geht es eher auch um Autoren in Pflege, wo ich auch sagen würde, diesen Text würde ich eh vielleicht auch um dich zu schützen nicht machen, was eher selten vorkommt.
00:13:28
Speaker
Deswegen machen wir eh Verträge und es ist klar, wohin es geht.
00:13:32
Speaker
Die bleiben bei uns.
00:13:33
Speaker
Da muss nicht der ganze Text vorliegen, aber sonst schon.
00:13:37
Speaker
Lass uns vielleicht nochmal kurz über das Exposé reden.
00:13:41
Speaker
Das ist also eine Vorlage oder eine knappe Zusammenfassung des ganzen Buches, die man dem Verlag vorab schickt, denn es ist ja auch klar, dass nicht jeder Verlag, die kriegen alle...
00:13:54
Speaker
zig Exposés oder Angebote für Manuskripte jeden Tag, dass man das nicht alles lesen kann.
00:14:00
Speaker
Also gibt es immer diese Kurzzusammenfassung.
00:14:02
Speaker
Bei Gemeiner Verlag, der Verlag, bei dem ich also arbeite, wir machen viele Regionalkrimis und wir haben eine feste Vorlage, die wir den AutorInnen immer vorab schicken.
00:14:14
Speaker
Wenn die sagen, ich hätte hier was, dann sagen wir denen, füll bitte erstmal diese Vorlage aus.
00:14:19
Speaker
Und da wird ganz knallhart abgefragt, wo spielt dieses Buch?
00:14:24
Speaker
Das ist eben für einen Regionalkrimi wichtig.
00:14:27
Speaker
Christine, für dich wäre das zum Beispiel häufig wahrscheinlich uninteressant.
00:14:31
Speaker
Für uns spielt das eine wahnsinnige Rolle.
00:14:34
Speaker
Genauso auch die Frage, gibt es das hier, dass wir daraus eine Serie machen?
00:14:39
Speaker
Denn wenn ein Buch einmal ein Erfolg ist, macht es es für uns natürlich viel leichter zu sagen, den zweiten muss ich nicht mehr großartig erklären, sondern liebe Buchhändler, schaut her, das ist der zweite Band, den ersten habt ihr schon toll verkauft.
00:14:51
Speaker
Und ich muss dann keine große Werbung dafür machen.
00:14:55
Speaker
Deswegen haben wir also diese Vorlage, die da sehr...
00:14:59
Speaker
streng abfragt und ich weiß nicht, wie es dir geht, weil ab und zu bekomme ich dann auch mal sowas auf den Tisch, wo ein Autor ganz besonders kreativ sein will und sagt, ich habe das jetzt mal, ich weiß, ihr wollt diese Vorlage, aber ich habe das jetzt mal ganz verrückt gemacht, in einer ganz verrückten Schrift oder handschriftlich oder ich habe da das alles ganz anders aufgebaut und mich nervt das wahnsinnig.
00:15:22
Speaker
Wirklich gar nicht so, dass man denkt, oh, der sticht heraus, sondern der nervt mich einfach nur, weil wir natürlich ganz anders wahrscheinlich als ihr arbeiten und Manuskripte vergleichen wollen.
00:15:34
Speaker
Und da geht das natürlich, indem man so feste Faktoren hat, was bei einem literarisch ausgerichteten Verlag ja wahrscheinlich das komplette Gegenteil ist.
00:15:42
Speaker
Oder beim Ratgeber.
00:15:46
Speaker
Also ich verstehe schon, im Grunde genommen, willst du eine Excel-Tabelle?
00:15:50
Speaker
Mehr oder weniger.
00:15:50
Speaker
Es ist ein Word-Dokument, die dürfen schon ein bisschen mehr schreiben, aber ich will schon ganz, auch zum Beispiel Sachen, ich weiß nicht, ist das für euch interessant?
00:15:57
Speaker
Ich will zum Beispiel auch wissen, hast du schon Kontakte zu Buchhandlungen in deiner Nähe, wo du Veranstaltungen machen kannst?
00:16:04
Speaker
Auch das spielt für uns eine große Rolle.
00:16:05
Speaker
Oder hast du vielleicht sogar schon eigene Pressekontakte, die du mitbringst, weil du sagst, mein Schwager XY ist der Lokalreporter hier von der Zeitung, der wird einen schönen Beitrag über dieses Buch machen.
00:16:15
Speaker
Nee, das wollen wir gar nicht, weil ehrlich gesagt denken wir, das ist unser Job als Verlag.
00:16:21
Speaker
Wir haben Leute angestellt für Presse, für Veranstaltungen und nein, auf keinen Fall fragen wir sowas ab, ohne jetzt andere verurteilen zu wollen, aber das finde ich ist unsere Aufgabe.
00:16:35
Speaker
Also ich brauche eigentlich kein Exposier, weil anders als natürlich bei Krimi oder auch beim Ratgeber, ich glaube da geht es wirklich viel mehr um.
00:16:42
Speaker
ist, welcher Plot ist da, wo spielt es, also viel mehr kannst du benennen.
00:16:47
Speaker
Bei uns geht es vor allem über die Sprache und es muss da funktionieren und da originell sein.
00:16:54
Speaker
Meistens haben auch unsere Bücher wenig Plot, deswegen brauchen wir gar kein Exposé, sondern was bei mir am meisten entscheidet, ist das Anschreiben.
00:17:04
Speaker
Weißt du, die Person, bei welchem Verlag sie sich bewirbt, dann schmeichelt sie die Prinzessin in uns und
00:17:12
Speaker
Weil Jörg und ich sind zwei Prinzessinnen und wir wollen natürlich Leute haben, die wirklich zu uns wollen und natürlich auch irgendwo reinpassen und nicht random irgendwo sich bewerben.
00:17:27
Speaker
Deswegen eh auch keine Agenturen, also schauen wir nicht prinzipiell danach, weil es geht nicht darum, für uns möglichst viel Geld zu machen, sondern Leute zu finden, die zu uns passen.
00:17:40
Speaker
und Kunst machen und so auf diese Weise machen wollen, wie wir es eben veröffentlichen und nicht Leute, die irgendwo einfach herauskommen wollen, sondern unbedingt bei uns.
00:17:53
Speaker
Deswegen sind Exposés für uns egal, sondern die anschreiben, wissen die Leute auch vor allem, was für Literatur oder welche politischen Bücher wir machen.
00:18:05
Speaker
Und wenn dann rauskommt, ja, die wissen genau, wo sie sich bewerben, sie wollen unbedingt zu uns.
00:18:10
Speaker
Die Prinzessin uns sagt, jetzt, das ist interessant, dann lesen wir vor allem den Text und deswegen brauche ich kein Exposé.
Diversität und Pseudonyme in der Verlagsbranche
00:18:18
Speaker
Manchmal ist es so, wenn ich reinkomme und es sprachlich so wahnsinnig gut und schön, dann bin ich einfach neugierig, was macht er oder die Autorin noch daraus, dann schaue ich mir vielleicht das Exposé an und
00:18:32
Speaker
Aber eher um zu gucken, was für eine Geschichte wird da entwickelt, aber weniger, was mich überhaupt nicht interessiert, welche Zählgruppe und sonst die marketingorientierten Punkte, das alles interessiert mich nicht.
00:18:49
Speaker
Okay, also vielleicht ganz kurz bevor ich jetzt nach der Ausstrahlung dieser Folge auf die Mütze kriege, auch bei uns im Verlag gibt es natürlich Menschen, die in der Presse arbeiten, im Marketing etc.
00:18:59
Speaker
Es ist nur einfach so, dass gerade so für Regionalkrimis auch Lokalredaktionen interessant sind oder auch für die Veranstaltungen manchmal interessant.
00:19:08
Speaker
das Restaurant am Ort, Lesungen durchführt, was wir als Verlag nicht wissen können und deswegen immer dankbar sind, wenn ein Autor hilft.
00:19:16
Speaker
Also nicht, dass das jetzt so rüberkommt, weil sonst bin ich direkt mit der ersten Folge meinen Job los.
00:19:22
Speaker
Es war mir auch klar.
00:19:23
Speaker
Übrigens auch ganz schön, was ich immer sehr mag im Exposé, wir fragen auch tatsächlich die Zielgruppe ab, wie der Autor oder die Autorin das einschätzt.
00:19:32
Speaker
Meine Lieblingsantwort ist immer, für alle, die gern lesen.
00:19:35
Speaker
Und ich dann immer denke, ach so, ja Mensch, das ist ja praktisch.
00:19:39
Speaker
Ich wollte nur ergänzen, vielleicht ist das sogar der Brückenschlag zwischen euch beiden.
00:19:43
Speaker
Also bei uns ist es so, manchmal haben wir Themen und suchen entsprechend Autoren sogar nach den Themen, also die mit der entsprechenden beruflichen Kompetenz daherkommen.
00:19:54
Speaker
Aber nichtsdestotrotz fragen wir, wenn das Buch so weit fix ist, dass wir das Manuskript haben und wir wissen, wir veröffentlichen dieses Buch und wir haben Titel und Cover gefunden, dann kriegt bei uns der Autor oder die Autorin tatsächlich einen Fragebogen, wo wir die Fragen, die Gmeiner sozusagen am Anfang abfragt, abfragen, weil wir natürlich nichtsdestotrotz darauf angewiesen sind, dass die Autoren mit uns zusammenarbeiten.
00:20:17
Speaker
Es ist im Ratgeberbereich durch Lesungen oder Veranstaltungen relativ wichtig, dass
00:20:23
Speaker
wir mit den Autorinnen gezielt einen Marketing- oder Vertriebsplan erarbeiten.
00:20:28
Speaker
Also wir haben nichtsdestotrotz auch so einen Fragebogen, aber halt erst nachdem das Buch sozusagen fixiert wurde.
00:20:36
Speaker
Am Anfang steht tatsächlich eher die Kompetenz, der berufliche Werdegang oder eben wenn der Text überzeugt.
00:20:43
Speaker
Also es ist so ein guter Mix aus allem, wenn man so möchte.
00:20:47
Speaker
Ich würde auch noch kurz ergänzen, also für mich, ich bin ja so ein bisschen der Außenstehende hier, für mich ist so ein Exposé wie so eine Initiativbewerbung.
00:20:55
Speaker
Ich bewerbe mich bei einem quasi in Anführungsstrichen Unternehmen.
00:20:59
Speaker
Spielen auch so Sachen eine Rolle wie, guckst du dann, okay, ist es eine Frau, ist es ein Mann, ist es ein weißer Mann in seinen 40ern?
00:21:07
Speaker
Brauchen wir nicht noch?
00:21:09
Speaker
Oder sagt ihr, wir wollen sozusagen dieses Buzzword diverser werden und suchen da ein bisschen in die Richtung oder spielt sowas gar keine Rolle, dass man dann so ein bisschen auch nach den Biografien der AutorInnen schaut?
00:21:26
Speaker
Doch, auf jeden Fall spielt das eine Rolle.
00:21:29
Speaker
Ich bin, wie gesagt, 2014 eingestiegen und da schon habe ich tatsächlich zu Jörg gesagt, Jörg, siehst du diese Vorschau, wenn ich Buchhändlerin wäre, würde sie bei mir direkt in den Mülleimer wandern.
00:21:44
Speaker
Es waren nur Männer und nur eine Übersetzerin von Balsak dabei.
00:21:50
Speaker
Und ich finde es schon wichtig, dass man heutzutage, also mindestens schaut, dass man auch weibliche AutorInnen hat.
00:22:00
Speaker
Ich glaube auch durch mich als Frau, als Migrantin, als Arbeiterin, Kind sind einfach andere Perspektiven noch in den Verlag reingekommen.
00:22:11
Speaker
Deswegen, wir haben beide gemerkt, es waren früher halt zwei Männer, die den Verlag geführt haben, die auch viele Frauen gemacht haben.
00:22:20
Speaker
Also das ist nicht rein männlicher Autorenstamm gewesen.
00:22:24
Speaker
Aber ich würde jetzt weiße 40-jährige Männer nicht sofort aussortieren.
00:22:29
Speaker
Wir haben unsere Autoren, unsere weißen, männlichen, heterosexuellen Männer auch weitergemacht, weil ich das ja auch quatsch, zu sagen, nee, du bist...
00:22:38
Speaker
Jetzt alter weißer Mann, dich mach mal nicht mehr weiter.
00:22:41
Speaker
Nein, Literatur entscheidet, nicht das Geschlecht und keine kulturelle Zugehörigkeit.
00:22:48
Speaker
Es ist ja auch eine lange Tradition, dass Autorinnen mit Pseudonym veröffentlicht wurden, damit man nicht erkennt, dass da Frauen dahinter stecken.
00:22:59
Speaker
Vielleicht wird das ja auch so ein bisschen die neue Tendenz, dass man einen fantastischen Text von einem alten weißen Mann hat und auf einmal denkt, da brauche ich jetzt ein Pseudonym, weil ich diesen Text trotzdem mal machen will.
00:23:10
Speaker
Das wird wahrscheinlich noch ganz spannend, in was für eine Richtung sich das entwickelt.
00:23:16
Speaker
Gab es da nicht neulich jetzt auch diesen Skandal, dass die eine berühmte, erfolgreiche Autorin, dass dann da drei Männer dahinter gesteckt haben?
00:23:25
Speaker
Ich kann mich jetzt nicht mehr an den Namen erinnern.
00:23:28
Speaker
Ich weiß tatsächlich sogar aus dem Freundeskreis, dass es da einen Mann gibt, der sehr fantastische Frauenliteratur schreibt unter einem Frauenpsoudonym.
00:23:37
Speaker
Und die sind sehr, sehr erfolgreich.
00:23:39
Speaker
Haben wir im Verlag auch durchgeführt.
00:23:42
Speaker
Das kann aber auch sein, dass man einen Schweden-Krimi rausbringen will und sich dann ein schwedisches Pseudonym ausdenkt.
00:23:49
Speaker
Das geht ja in alle Richtungen.
00:23:51
Speaker
Mit Blick auf die Uhr, Christine, mal ganz kurze Frage oder Frage mit der Bittung knappe Antwort.
00:23:59
Speaker
Du hast selber gesagt, ihr habt gerade relativ viel zu lesen und nehmt erstmal nicht mehr an.
00:24:04
Speaker
Wie lange sollte ich als Autor Geduld haben, bevor ich beim Verlag nachfrage?
00:24:08
Speaker
Weil das dauert ja einfach alles ein bisschen, diese Beurteilung.
00:24:14
Speaker
Ich würde ehrlich gesagt gar nicht nachfragen, aber mindestens zwei bis drei Monate muss man schon Zeit geben.
00:24:21
Speaker
Okay, also Geduld.
00:24:23
Speaker
Ja, auf jeden Fall, leider ja.
00:24:25
Speaker
Und ich glaube, dass wir als Verlage, entschuldige, dass ich doch ganz kurz nur ausführe, ich glaube, wir als Verlage und egal ob groß oder klein, wir würden uns melden, wenn wir interessiert sind.
00:24:39
Speaker
Es gibt ja ab und zu dann auch diese Drohung, dass es dann heißt, ja, ich hätte noch von da drüben ein Angebot, macht ihr mal schnell was und man weiß nie, setzt der Autor mich jetzt unter Druck oder gibt es da wirklich ein Gegenangebot?
00:24:51
Speaker
Ich will einmal zurückkommen zu meinem Beispiel vom Anfang.
00:24:55
Speaker
John K. Rowling, die Harry Potter Autorin.
00:25:00
Speaker
hatte dann also eine Agentur, hat Absagen kassiert und auch der Verlag Bloomsbury hatte ursprünglich abgesagt und hat dann durch Kontakte oder durch Empfehlungen es doch wieder angenommen.
00:25:14
Speaker
Und daher auch die Frage noch an dich, Christine, welche Rolle spielt die persönliche Stimmung, die du vielleicht an dem Tag hast?
00:25:28
Speaker
schon mal was abgesagt, was dann woanders komplett durch die Decke gegangen ist, weil ich frage das mit dem Hintergrund, ich habe in einem früheren Verlag mal ein Manuskript abgelehnt und ich weiß noch genau, in was für einer Stimmung das war, das war kurz vorm Feierabend, ich wollte nach Hause, ich habe, muss gestehen, keine Zeile des Manuskripts gelesen, ich habe das Exposé angeguckt, habe gedacht, hm,
00:25:54
Speaker
Habe das abgesagt und dann ist das, ich will den Namen nicht nennen, aber bei euch, eine Autorin ist dann bei euch erschienen und ist abgegangen ohne Ende.
00:26:05
Speaker
Sie hat dann den Preis für die Leipziger Buchmesse bekommen.
00:26:07
Speaker
Hast du solche Erfahrungen auch?
00:26:09
Speaker
Also wie wichtig ist das,
00:26:11
Speaker
Die persönliche Stimmung, man ist mal ein bisschen trauriger, man ist mal ein bisschen fröhlicher, wie wirkt sich das aus?
00:26:17
Speaker
Also ich würde ja gerne sagen, das macht überhaupt nichts aus, die Qualität des Textes entscheidet, aber es ist natürlich totaler Quatsch.
00:26:25
Speaker
Es ist natürlich totaler Quatsch und ich glaube, bei allen Dingen, die wir tun, egal was wir arbeiten oder auch privat machen, die Stimmung ist immer entscheidend.
00:26:38
Speaker
Deswegen gebe ich tatsächlich oft Texten mehrere Chancen, weil ich das genau weiß und ich bin wahnsinnig launisch.
00:26:47
Speaker
Und es ist uns auch schon passiert, wir haben einen Text, also Jörg und ich entscheiden eigentlich über alle Texte zusammen.
00:26:55
Speaker
Wir haben einen Text abgesagt, der hat den Deutschen Buchpreis bekommen.
00:26:59
Speaker
Wir freuen uns für die Kollegen.
00:27:01
Speaker
Wir finden es nach wie vor, der Text passt nicht bei uns rein.
00:27:04
Speaker
Und ich glaube auch nicht, dass das bei uns funktioniert hätte.
00:27:07
Speaker
Ich finde, es muss auch noch so sein, manche Autoren funktionieren, also nicht manche, sondern alle vielleicht Autoren funktionieren in ihrem Umfeld überprüfen.
00:27:18
Speaker
in ihrem Zuhause, was sie finden.
00:27:20
Speaker
Das muss ganz viel stimmen.
00:27:22
Speaker
Das Lektorat muss stimmen, die Presse, die Veranstaltungsarbeit, der Verlag an sich, wie sie in dem Buchhandel agieren.
00:27:30
Speaker
Und das ist je nach Buchprojekt, nach Ausrichtung, nach Autoren immer unterschiedlich.
Gezielte Einreichungen und Buchempfehlungen
00:27:38
Speaker
Und das kann ich sogar bestätigen für alle Buchbereiche.
00:27:41
Speaker
Also ich glaube, das ist beim Sachbuchratgeber nicht anders.
00:27:44
Speaker
Die Chemie muss zwischen Verlag und Autorin oder Autor stimmen einfach.
00:27:49
Speaker
Sonst funktioniert das ganze Buch nicht.
00:27:51
Speaker
Also wenn wir etwas gelernt haben heute vielleicht als Tipp für die zukünftigen AutorInnen, guckt genau, wo ihr eure...
00:27:59
Speaker
Bewerbungen, eure Manuskripte, eure Exposés hinschickt.
00:28:02
Speaker
Ein breites Streuen nach dem Gießkannenprinzip hat einen kleinen Geschmack, den man als Verlag sehr wohl wahrnimmt und bringt am Ende vielleicht nicht so wahnsinnig viel.
00:28:13
Speaker
Ich fürchte, wir kommen langsam zum Ende dieses Teils.
00:28:18
Speaker
sage jetzt schon mal ganz, ganz herzlichen Dank, Christine, dass du dir die Zeit für uns genommen hast.
00:28:23
Speaker
Und es wäre vermessen, wenn wir dir jetzt nicht noch kurz einräumen könnten, dein aktuelles Lieblingsbuch kurz vorzustellen.
00:28:32
Speaker
Ich vermute mal, dass es aus dem Verbrecher Verlag kommt.
00:28:36
Speaker
Ich habe, mir wurde gesagt, ich soll es aus dem Verbrecher Verlag machen.
00:28:41
Speaker
Deswegen, ich nenne jetzt ein ganz aktuelles Buch von Viktor Funk.
00:28:48
Speaker
Sein Roman heißt Bindstich.
00:28:52
Speaker
Ich liebe das Buch vielleicht, weil er selbst auch Russlanddeutsche, ich bin auch eine Russlanddeutsche, aus der Perspektive eines Russlanddeutschen gesprungen wird, was sehr wenig in der Literatur stattfindet.
00:29:07
Speaker
Aber vor allem, es geht um ganz banale Themen, aufwachsende Gesellschaft, schauen, wo gehört man hin, woher kommt man, um Freundschaft, es geht um Scheitern von drei erwachsenen Menschen und um Liebe und Freundschaft, klar.
00:29:28
Speaker
Und Viktor ist einfach ein wahnsinnig toller Erzähler, der einen überall mitnimmt und vor allem nimmt er mit zum Angeln.
00:29:37
Speaker
Und ich bin eine frische Angelscheinbesitzerin und das hat mich besonders gefreut, mit dem Autor zusammen angeln zu gehen und dabei literarisch entführt zu werden.
00:29:53
Speaker
Also wenn das Buch so gut ist wie das erste, wir verstehen nicht, was geschieht, dann denke ich mir, wird es nächste Woche in meinem Einkaufskörbchen im Buchladen landen.
00:30:02
Speaker
Das würde mich freuen.
00:30:04
Speaker
Victor Funk, absolut zu empfehlen.
00:30:06
Speaker
Vielen, vielen Dank, Christine, dass du die Zeit genommen hast.
00:30:09
Speaker
Bleibt gern noch da, aber...
00:30:12
Speaker
Wir wollen natürlich noch ein bisschen mehr, dass ihr mit Lesestoff aus dieser Folge jetzt herausgeht und zur Buchhandlung eures Vertrauens rennt.
00:30:19
Speaker
Und dafür hat Tina sich noch eine Empfehlung ausgesucht.
00:30:23
Speaker
Wir haben ja jetzt lang genug über das Bücherschreiben gesprochen.
00:30:26
Speaker
Jetzt gibt es also auch noch eine Buchempfehlung von uns, beziehungsweise in diesem Fall von mir.
00:30:31
Speaker
Das Buch, was mich zuletzt tief bewegt und beeindruckt hat, ist an das wilde Glauben.
00:30:36
Speaker
Erstmal zu den Hard Facts.
00:30:38
Speaker
Die Autorin dieser Autobiografie ist Nastassia Matin, eine französische Anthropologin.
00:30:43
Speaker
Erschienen ist das Buch auf Deutsch erstmals 2021 bei Mathis und Seitz und übersetzt hat es Claudia Karlscheuer.
00:30:48
Speaker
Und es ist inzwischen noch in der zweiten Auflage, sowohl als Hardcover als auch als Taschenbuch, zu der
00:30:55
Speaker
Und worum geht es?
00:30:56
Speaker
Nastasia überlebt einen Angriff eines Bären in der sibirischen Tuntra.
00:31:01
Speaker
Und sie war im Rahmen ihrer Forschung unterwegs, kreuzt den Weg des Bären, der sie dann auch angreift.
00:31:07
Speaker
Sie wehrt sich, kann den Bären schließlich mit einem Eispickel in die Flucht schlagen.
00:31:12
Speaker
Doch nicht nur er verschwindet, sondern auch ein Teil ihres Kieferknochens, den sie bei diesem Überfall verliert.
00:31:17
Speaker
Schwerverletzt bleibt sie zurück.
00:31:19
Speaker
Nachfolgend erlebt sie nicht nur einen schwierigen Heilungsprozess,
00:31:23
Speaker
durch diverse Krankenhausbetten, OP-Säle in Russland, in Frankreich.
00:31:27
Speaker
Sie selbst bezeichnet sich einmal im Buch als Versuchskaninchen eines medizinischen Kalten Krieges, sondern sie wird auch der Spionage verdächtigt.
00:31:36
Speaker
Und nichtsdestotrotz, und das mag jetzt etwas spirituell klingen, erlebt sie auch einen Heilungsprozess ihrer selbst.
00:31:42
Speaker
Immer wieder reflektiert sie ihr unvorsichtiges Handeln und fragt sich, warum ausgerechnet sie dann diesen lebensbedrohlichen Kontakt mit diesen Bären überlebt hat und vor allem, warum es sie immer wieder dann doch in die Wälder zurückzieht.
00:31:56
Speaker
Die Ivenin, das ist dieser sibirische Nomadenstamm, bei dem sie sich heimisch fühlt, hält sie fortan für verhext, denn sie ist die Frau, die den Bären besiegt hat.
00:32:04
Speaker
Und somit verliert sie auch dieses Zuhause, wenn man so sagen möchte.
00:32:09
Speaker
Um einen kleinen Eindruck zu bekommen, würde ich auch ein Stück vorlesen wollen.
00:32:14
Speaker
Über die Wangen meiner Mutter laufen dicke Tränen.
00:32:17
Speaker
Ich bin gestern aus Paris zurückgekommen.
00:32:19
Speaker
Wir sind bei Tisch.
00:32:22
Speaker
Ich weiß nicht, wie ich es ihr schon beibringen soll.
00:32:25
Speaker
Zartgefühl ist nicht meine große Stärke.
00:32:28
Speaker
Ich werde dorthin zurückkehren.
00:32:31
Speaker
Ich weise keine Infektionszeichen mehr auf.
00:32:34
Speaker
Die Röntgenbefunde sind gut und unzweideutig.
00:32:39
Speaker
Ich sage ja außerdem, dass es für mich im Moment unmöglich ist, zu Hause zu leben.
00:32:43
Speaker
Der Blick meiner Freunde auf mein Gesicht, der ist unerträglich und das Mitleid, das ich in ihren Augen ausmache, hilft mir nicht.
00:32:49
Speaker
Weiter zu sehen als das, was unmittelbar zu sehen ist.
00:32:53
Speaker
Ich muss mich entfernen, um zu heilen, mich von den Leuten schützen, vor den Ärzten, den Vorschriften und Diagnosen, ferner vor allen Antibiotika, noch ferner vor jedem elektrischen Licht.
00:33:03
Speaker
Ich will Dunkelheit, eine Höhle, einen Unterschlupf, ich will Kerzen, die Nacht, die
00:33:08
Speaker
Sanfte gedämpfte Lichter, Kälte draußen und Wärme drin.
00:33:11
Speaker
Tierfälle, die die Wände abdichten.
00:33:14
Speaker
Mama, ich muss wieder zu Matutscha werden, die sich in ihren Bau verkriecht, um zu überwintern und neue Lebenskräfte zu sammeln.
00:33:22
Speaker
Und es gibt noch Geheimnisse, die ich nicht zu Ende ergründet habe.
00:33:25
Speaker
Ich habe das Bedürfnis, zu denen zurückzukehren, die sich mit Bärenproblemen auskennen.
00:33:48
Speaker
»Indem sie ihr wieder diese Geschichte mit den Kränzen auftischen.
00:33:51
Speaker
Ich bin dem Bären begegnet, weil ich keine Kränzen zwischen mir und dem Außen setzen konnte.
00:33:56
Speaker
Ich konnte keine Kränzen setzen, weil meine Mutter nie in der Lage gewesen ist, mir welche zu setzen.
00:34:01
Speaker
Du hättest endlich einmal Autorität zeigen und deine Tochter Nein sagen sollen.
00:34:05
Speaker
Du solltest sie im Zaum halten, sie zur Vernunft bringen, sie aufhalten.«
00:34:09
Speaker
Arme Mama, arme Freundinnen, tatsächlich habe ich weder Normen noch Konformität je gemocht und noch weniger Anstandsregeln.
00:34:17
Speaker
Aber diesmal, Mütterchen, ziehe ich los, damit du verstehst, dass sich zwischen mir und dem Bären etwas anderes abspielt als eine Geschichte von falsch gesetzten Grenzen und projizierter Gewalt.
00:34:28
Speaker
Meine Mutter hält stand, sie wird nicht schwach, meine Mutter begreift, dass ihre Tochter mit einem Wald verbunden ist und wieder in ihn eintauchen muss, um sich innerlich vollends zu heilen.
00:34:40
Speaker
Wir sind hier ungefähr in der Mitte der Geschichte, sie geht wie gesagt zurück, um zu begreifen vor allen Dingen.
00:34:46
Speaker
Und es ist keinesfalls eine gewöhnliche Autobiografie über ein tragisches Ereignis, die Tag für Tag deskriptiv erzählt, was passiert.
00:34:54
Speaker
Oder wie Alex sagen würde, gehören.
00:34:57
Speaker
Sondern wir folgen ihren Gedanken auf knapp 140 Seiten zwischen Wildnis und Zivilisation, zwischen animalischer und menschlicher Welt, gepaart mit Mystizismus und Animismus.
00:35:09
Speaker
Mich hat dieses Buch, Nastasia und ihre Geschichte, tief beeindruckt.
00:35:14
Speaker
Ich finde ihre Sprache sehr eindringlich und man kann ihren Gedanken gut folgen.
00:35:18
Speaker
Sie misst Träumen und Naturgesetzen eine sehr hohe Bedeutung zu und zeitweise fühlt man sich fast schon gezwungen, den eigenen Widerstand gegen die Zivilisierung auf den Prüfstand zu stellen.
00:35:29
Speaker
Ich finde, sie schafft auf wenigen Seiten, dass auch ich meine eigenen Grenzen erneut hinterfragt habe und somit ist dieses Buch für mich definitiv lesenswert.
00:35:40
Speaker
Vielen Dank, Tina.
00:35:41
Speaker
Das, glaube ich, war es für den Moment.
00:35:44
Speaker
Wir verlinken euch das Buch auch nochmal auf der Instagram-Seite, wenn euch das angesprochen hat.
00:35:48
Speaker
Aber mit der Bitte natürlich geht in die Buchhandlung eures Vertrauens um die Ecke.
00:35:54
Speaker
Die machen alle einen tollen Job, die freuen sich und es ist genauso schnell bei euch, wie wenn ihr das über das Internet kauft.
00:36:02
Speaker
Der Hinweis musste noch sein.
00:36:06
Speaker
Und damit sind wir schon am Ende der ersten Folge von Alles Buchmarkt, der Podcast.
Abschluss und Ausblick auf die nächste Episode
00:36:15
Speaker
Wie gesagt, wir sind alle keine Profis, von daher habt ein bisschen Gnade mit uns.
00:36:21
Speaker
Aber nichtsdestotrotz könnt ihr uns Feedback schicken, und zwar über unsere E-Mail-Adresse alles-at-buchmarkt.de oder über unseren frischen Instagram-Account alles-at-buchmarkt.
00:36:35
Speaker
Auch wenn ihr Fragen habt, die wir für euch beantworten sollen.
00:36:39
Speaker
Ja, oder ihr meint, ja, vielleicht war diese eine Passage zu lang oder bitte mehr Buchvorstellungen etc.
00:36:47
Speaker
Alles Feedback, was ihr habt, schickt uns das gerne.
00:36:50
Speaker
Ansonsten noch ein Ausblick auf die nächste Folge.
00:36:53
Speaker
Da geht es um das Thema, wer entscheidet eigentlich, welche Bücher in der Buchhandlung stehen.
00:36:59
Speaker
Und damit verabschieden wir uns hier aus Berlin.
00:37:03
Speaker
Christine und ich sagen Tschüss.
00:37:06
Speaker
Tschüss, vielen Dank.
00:37:08
Speaker
Und danke aus Stuttgart, das hat Spaß gemacht.
00:37:10
Speaker
Das sagen Alex und Tina.
00:37:18
Speaker
Und noch ein Funfact als Ausklang.
00:37:21
Speaker
Jemand, der jeden Tag eine Stunde liest, liest bis zum Ende seines Lebens ungefähr vier Jahre am Stück.
00:37:29
Speaker
Mal sehen, wer das toppen kann.