Einführung in 'Tee und Taktik'
00:00:17
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest.
00:00:24
Speaker
Wir sind Lea und Lila.
00:00:28
Speaker
Herzlich willkommen.
Proteste in Serbien: Ein Hoffnungsschimmer für Demokratie?
00:00:32
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von T&Taktik.
00:00:37
Speaker
Heute dreht sich alles um die anhaltenden Proteste in Serbien, die viel Hoffnung machen.
00:00:42
Speaker
Denn während wir gerade überall auf der Welt sehen, wie Demokratien abgebaut werden und Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind, zeigen die serbischen Proteste, wie Menschen für Demokratien kämpfen und sie verteidigen können, auch wenn es manchmal einen hohen Preis hat.
00:00:56
Speaker
Und wir haben auf diesem Kanal ja schon mal eine Folge zum Widerstand gemacht, gegen rechts.
00:01:01
Speaker
Und ich freue mich jetzt an dieses Thema anknüpfen zu können mit diesem aktuellen Beispiel aus Serbien und auch zwei tollen Gästen und Experten.
Vorstellung der Gäste: Christine Stühlen und Mina Trapkovic
00:01:10
Speaker
Schön, dass ihr da seid.
00:01:11
Speaker
Christine Stühlen und Mina Trapkovic.
00:01:15
Speaker
Schön, hier zu sein.
00:01:16
Speaker
Hi, danke für die Einladung.
00:01:19
Speaker
Ihr beschäftigt euch ja beide auch mit Protestforschung, so wie Dalila und ich, und arbeitet am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung.
00:01:28
Speaker
Christine, du beschäftigst dich mit den materiellen Effekten der europäischen Energy Transition auf Bosnien-Herzegowina und Serbien und fokussierst dich da vor allem auf Protest- und Bewegungsakteure, aber auch auf die Rolle von Institutionen.
00:01:43
Speaker
Mina, du arbeitest an der Schnittstelle zwischen internationalen Beziehungen, politischer Kommunikation und politischer Psychologie und untersuchst insbesondere die Auswirkungen von Desinformationen auf die europäische Sicherheitsordnung.
00:01:57
Speaker
Ich finde, das klingt richtig spannend.
00:01:59
Speaker
Wollt ihr da noch was ein bisschen näher zu erzählen?
00:02:02
Speaker
Genau, erstmal nochmal vielen Dank für die Einladung.
00:02:05
Speaker
Ich freue mich sehr, hier zu sein.
00:02:06
Speaker
Und ja, ich bin Mina und wie du bereits erwähnt hast, also ich forsche vor allem zu Desinformationen und europäischer Sicherheit und Auswirkungen von Desinformationen und Effekten, aber auch zu Protestbewegungen und Forschung und vor allem in Bezug zur aktuellen Lage in Serbien.
Europäische Energiewende und ihre Auswirkungen auf den Balkan
00:02:24
Speaker
Auch von mir vielen Dank für die Einladung.
00:02:26
Speaker
Ich bin Christine und genau, ich beschäftige mich in einem Promotionsprojekt mit
00:02:32
Speaker
Ich nenne es die materiellen Effekte, also die Effekte auf Gemeinschaften, auf Communities und auf Arbeiterinnen spezifisch und gucke mir darin quasi an, einerseits was passiert sozusagen auf Ebene von Kohlebergbau und dem Kohleausstieg, der auch in Bosnien und Serbien irgendwie vorangetrieben wird oder vorangetrieben werden soll.
00:02:54
Speaker
Und andererseits schaue ich aber auf neue Bergbrauprojekte, die im Kontext vom European Green New Deal und vom European Critical Raw Materials Act, die dadurch irgendwie vorangetrieben werden, so kann man das vielleicht sagen.
00:03:07
Speaker
Und ich schaue quasi auf diese zwei parallelen Dynamiken und versuche das eben quasi von unten zu machen, also mir anzuschauen, was sind die Effekte für die Gesellschaften, um die es da geht.
00:03:19
Speaker
Ja, richtig interessant.
00:03:20
Speaker
Also voll die spannenden Themen.
Serbische Kultur und die Wahl des Getränks
00:03:22
Speaker
Bevor wir jetzt aber auch nach Serbien blicken, unserem heutigen Thema und so inhaltlich rein starten, ist es ja eine Tradition bei Tee und Taktik, dass wir mit unserer Tasse Tee oder einem anderen Lieblingsgetränk beginnen.
00:03:34
Speaker
Und bei mir fiel die Wahl heute tatsächlich nicht auf Tee, sondern auf einen Holunderblütensaft, weil ich gelesen habe, dass Holunderblüte weit verbreitet ist in Serbien und ich das auch geschenkt bekommen habe von einer Freundin vor kurzem.
00:03:46
Speaker
Da dachte ich, das passt.
00:03:48
Speaker
Was habt ihr denn in eurer Tasse heute?
00:03:50
Speaker
Vielleicht kann ich anfangen.
00:03:51
Speaker
Ich habe in meiner Tasse nämlich auch ein Geschenk von Mina, das Mina mir mitgebracht hat aus Serbien und das ist Tee und zwar wilder Oregano.
00:04:00
Speaker
Und ich am Anfang dachte, ich habe mich so erinnert gefühlt an eine Pizza, als du gesagt hast, es ist wilder Oregano, aber es schmeckt gar nicht wie eine Pizza, es ist richtig lecker.
00:04:09
Speaker
Und vielleicht magst du nochmal erzählen, wo der herkommt, Mina?
00:04:14
Speaker
Ich war vor einer Woche in Serbien tatsächlich, auch in Ostserbien, in Bergen.
00:04:20
Speaker
Und da haben sie auch deren Tee, unter anderem von Wilden Oregano.
00:04:24
Speaker
Und ich dachte, das ist voll passend für diese Folge.
00:04:27
Speaker
Und ich trinke auch eine Kräutermischung, die ich dort geholt habe.
00:04:30
Speaker
Ja, thematisch super passend.
00:04:34
Speaker
Das ist die perfekte Überleitung ja auch zu unserem heutigen Thema.
Auslöser der Proteste: Das Dachunglück in Novi Sad
00:04:38
Speaker
Und zwar ist es ja so, dass am 1.
00:04:41
Speaker
November 2024 in der nordselbischen Stadt Nobisat das Vordoch von einem Bahnhof eingestürzt ist und 15 Menschen mit in den Tod gerissen hat.
00:04:50
Speaker
Und die Katastrophe hat ja eine riesige Protestwelle ausgelöst, bei der hunderttausende Menschen, insbesondere von Universitäten und Schulen, demonstriert haben, weil sie gegen die Korruption im Land und unter Präsident Vucic vorgehen wollten und ihn dafür verantwortlich machen.
00:05:08
Speaker
Das schließt an an verschiedene Kampagnen, die insbesondere seit 2018 ja aktiv sind.
00:05:14
Speaker
Und jetzt sprechen ja einige Menschen davon, dass in Serbien gerade die größten Demonstrationen passieren, die es im Land je gegeben hat.
00:05:22
Speaker
Dazu ist es vielleicht wichtig zu wissen, dass Serbien ja eine sehr reiche Protestgeschichte hat und aus Forschungssicht auch ein altbekanntes Beispiel ist.
00:05:31
Speaker
insbesondere durch die 5.
00:05:32
Speaker
Oktober-Revolution oder auch Bulldozer-Revolution, wo 2000 der Autokrat Soboda Molosevic gestürzt wurde und was auch als Beispiel immer wieder herangezogen wird für Humor im Protest.
00:05:46
Speaker
Und ja, ich fand das irgendwie total krass, dass da jetzt gerade so viel passiert und die Proteste so riesig sind, aber wir in Deutschland oder mit Menschen, mit denen ich gesprochen habe, fast gar nichts davon mitbekommen haben.
00:05:57
Speaker
Und da dachte ich mir,
00:05:59
Speaker
Es ist wichtig, darüber eine Folge zu machen.
00:06:02
Speaker
Und ihr beide steckt da jetzt viel tiefer auch drin in dem Thema, habt dazu mehrfach Artikel geschrieben und könnt uns helfen, auch die Proteste in Serbien noch besser
Bedeutung und Auswirkungen der serbischen Proteste
00:06:11
Speaker
Also vielleicht mögt ihr mal erzählen aus eurer Perspektive, was genau passiert da gerade, wofür protestieren die Menschen und auch was ist da euer persönlicher oder Forschungsbezug?
00:06:23
Speaker
Ja, vielleicht kurz vor dem Einstieg.
00:06:25
Speaker
Also du hast es bereits ziemlich gut zusammengefasst.
00:06:28
Speaker
Also es passieren bereits in Monaten massenhafte Proteste, die sind sehr verbreitet innerhalb der Gesellschaft.
00:06:35
Speaker
Und man kann schon sagen, es ist ein Wendepunkt in der Protestlandschaft des Landes allgemein.
00:06:41
Speaker
Und wie du ja erwähnt hast, der Auslöser war der Einsturz von dem Bahnhof.
00:06:45
Speaker
Und vielleicht wäre hier wichtig zu erwähnen,
00:06:47
Speaker
dass der Bahnhof kürzlich davor renoviert wurde und deshalb die Leute sozusagen wie eine kausale Wirkung feststellen konnten zwischen der Korruption im Land und welchen Effekt das hat, nämlich Korruption tötet.
00:07:01
Speaker
Und in dem Fall haben 16 Menschen das Leben verloren.
00:07:04
Speaker
Und deshalb haben die Menschen angefangen, sich zu versammeln und auch an den Universitäten, wie du erwähnt hast.
00:07:11
Speaker
Und bei einer solchen Demonstration wurden Studierende von einer Fakultät angegriffen.
00:07:17
Speaker
Und das hat dann dazu geführt, dass der Fakultät blockiert wurde.
00:07:23
Speaker
Und das hat sich ziemlich schnell an der ganzen Universität Belgrad ausgeweitet und dann auch an die weiteren drei großen Universitätszentren.
00:07:31
Speaker
Und wenn man sagt, die Fakultäten und Universitäten sind Blockaden, da kann man sich vorstellen, also es findet keine Lehre statt.
00:07:40
Speaker
Und die Studierenden sind praktisch in den Gebäuden.
00:07:43
Speaker
Der Zugang ist nur zugelassen für Studierende und Angestellte der Universitäten und Fakultäten.
00:07:48
Speaker
Und die wechseln sich in Schichten ab.
00:07:50
Speaker
Und ja, wie gesagt, keine Lehre, keine Prüfungen und das seit Monaten.
00:07:54
Speaker
Und die haben aber
Nationale Unterstützung und Teilhabe der Bevölkerung
00:07:56
Speaker
eine breite Unterstützung innerhalb der Gesellschaft.
00:07:59
Speaker
Also es gibt letzten Meinungsforschungsstudien, die zeigen, dass knapp zwei Drittel Menschen der Bevölkerung unterstützen diese studentische Bewegung.
00:08:08
Speaker
Und ja, es gibt noch ein paar Highlights bis jetzt.
00:08:11
Speaker
Also wir hatten zwei Generalstreiks, wie du bereits erwähnt hast, am 15.
00:08:16
Speaker
März, also die größte Demonstration bis jetzt in der Geschichte des Landes.
00:08:21
Speaker
Man redet von 300.000, die sich in Belgrad versammelt haben.
00:08:25
Speaker
Und vielleicht wäre wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass das 5% der Gesamtbevölkerung ist, weil wir sind ein sehr kleines Land, also nur 6,5 Millionen Menschen.
00:08:37
Speaker
Wie du gesagt hast, es gibt derzeit nicht so viele internationale Berichte dazu.
00:08:43
Speaker
Und vielleicht werden wir dazu noch mehr sprechen, weshalb das so ist.
00:08:46
Speaker
Aber derzeit gibt es auch da Bewegungen innerhalb der Bewegung.
00:08:50
Speaker
Also eine Gruppe von Studierenden ist von Norwesad nach Straßburg mit dem Fahrrad hingefahren.
00:08:57
Speaker
um nämlich vor dem Europarat und Europäischem Parlament diese Anforderungen, die sie an die Regierung haben, auch vorzustellen.
00:09:04
Speaker
Und jetzt findet auch ein Ultrastaffel-Marathon von Norvisa nach Brüssel und die sollten nächste Woche nach Brüssel ankommen.
00:09:12
Speaker
Also man versucht es auch auf eine internationale Ebene zu schieben, auf jeden Fall.
00:09:18
Speaker
Ja, also super aktuell das Thema.
00:09:21
Speaker
Es ist ja, also es passiert jetzt gerade ganz viel, aber es gab ja verschiedene Gruppen seit 2018, wo ihr ja auch explizit auch nochmal drüber geschrieben habt.
00:09:31
Speaker
Vielleicht könnt ihr das nochmal ein bisschen näher erklären, wer da gerade und wie protestiert.
00:09:36
Speaker
Das ist richtig, was du sagst, Lea, dass die Proteste, die wir jetzt gerade sehen, aufbauen auf einerseits einer sehr, sehr starken Umweltbewegung in Serbien,
00:09:47
Speaker
Und andererseits sich aber auch einreiht, das ist auch so ein bisschen das Argument, was wir in dem Spotlight gemacht haben, dass es sich einreiht in einen Protestzyklus, wie Mina das erwähnt hat, der sich eben gegen Korruption und irgendwie gegen den Ausverkauf eigentlich von so einem Land richtet.
00:10:05
Speaker
Insbesondere zu erwähnen sind hier die Proteste in Yarda, wo es um den Lithiumabbau geht, die insbesondere 2021, 2022 extrem groß waren.
00:10:18
Speaker
Dann sozusagen auch dazu geführt haben, dass man dem Projekt, um das es da geht, also es ist eine Lithiummine, dass man dem temporär die Lizenzen entzogen hat.
00:10:28
Speaker
Also das tatsächlich einen sehr spürbaren Effekt gab und die dann aber...
00:10:33
Speaker
im Sommer 2024 wieder gewehrt wurden, was dann auch dazu geführt hat, dass die Proteste quasi nochmal eine neue Dynamik bekommen haben
Zyklus der Proteste: Umweltbewegungen und Korruption
00:10:43
Speaker
Und insgesamt die Umweltbewegung aber über einen Zeitraum von über zehn Jahren extrem kontinuierlich zusammengearbeitet hat.
00:10:53
Speaker
In Anführungszeichen.
00:10:55
Speaker
Man kann auf jeden Fall noch das European Water Movement erwähnen, die eben viel an unterschiedlichen Stellen, nicht nur in Serbien, sondern auch in anderen Ländern der Region viel so Basisarbeit gemacht haben.
00:11:05
Speaker
Was sich dann aber sozusagen verbunden hat, also in Yara hat man das ganz gut gesehen, eben auch mit
00:11:10
Speaker
Korruption, dass irgendwie teilweise Bohrungen durchgeführt werden, obwohl es die Umweltverträglichkeitsstudien nicht gibt, dass, weil sich nicht Land verkauft wird, dass alles extrem intransparent ist, dass alles undurchsichtig ist und dass eben gesagt wird, naja, unsere Institutionen, wie wir sie hier haben, funktionieren eigentlich einfach nicht in der Art und Weise, in der sie funktionieren sollen.
00:11:28
Speaker
Und das dann was war, was in meinem Verständnis etwas war, was halt aufgegriffen wurde, als das Bahnhofsdach in Novi Sad eingestützt ist.
00:11:37
Speaker
Also quasi, dass das eigentlich der rote Faden ist.
00:11:40
Speaker
der sich durch diese letzten Protestbewegungen eigentlich zieht.
00:11:44
Speaker
Und genau, ich denke, was ich das Interessante daran finde, ist, dass das eigentlich zeigt, also nur dass diese Masse, die wir jetzt da gerade in Serbien sehen, extrem beeindruckend ist, dass das aber auch zeigt, dass um diese Masse zu erreichen, dass es Arbeit sozusagen braucht, das irgendwie auch auf eine Art und Weise aufzubauen.
00:12:00
Speaker
Das, glaube ich, fand ich irgendwie
Historische Erfolgswahrscheinlichkeit von Protesten
00:12:01
Speaker
das Interessante daran.
00:12:03
Speaker
Mina hat es ja schon erwähnt, in der Größe und in der Kraft, die irgendwie diese Bewegung gerade hat, würde ich sagen, es ist schon auch nochmal ein Unterschied zu den vorangegangenen Protestzyklen oder Protestbewegungen irgendwie der letzten sechs, sieben Jahre.
00:12:16
Speaker
Ja, aber um das auch mal so einzuordnen, also es ist ja eine umstrittene Zahl auch in der Protestforschung, aber es gibt ja diese 3% Marke, wo gesagt wird, wenn man die erreicht, dann, also vor allen Dingen im diktatorischen Kontext, dann waren die Bewegungen eigentlich immer erfolgreich und in Serbien, Nina, du hast gesagt, sind es jetzt 5%, also einfach um mal so die Dimensionen auch klarzumachen und
00:12:40
Speaker
Das habe ich mich sowieso auch gefragt, wie die gerade auch jungen Protestierenden das geschafft haben, auch sich auf diesen Moment mit so einem Trigger-Event wie in NoviSat auch das quasi zu nutzen und diese großen Strukturen aufzubauen.
00:12:55
Speaker
Weil ich kenne das aus der Klimabewegung ja schon auch in Deutschland, da passieren ja auch solche Sachen wie mit dem Ahrtal, aber man ist eben nicht darauf vorbereitet, auf so eine große Überflutung zu reagieren und daraus eine ganze Kampagne zu starten.
00:13:08
Speaker
Also die Zeit hatte auch in einem Artikel geschrieben mit dem Titel Jung, Mutig, Serbisch.
00:13:13
Speaker
Vielleicht könnt ihr noch mal mehr dazu sagen, wie sind diese Studierenden auch organisiert und wie funktioniert auch die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und vor allen Dingen, wie schaffen sie es auch, so eine breite Zivilgesellschaft zusammenzubekommen, die sich ja wirklich über unterschiedlichste Lager auch erstreckt und jetzt nicht runterzubrechen ist auf eine bestimmte Gruppe.
Studentenbewegung und Organisation
00:13:34
Speaker
Ja, vielleicht direkt dazu.
00:13:36
Speaker
Also wie gesagt, das hat an einem Fakultät dann angefangen und auch Solidarität hat sich dann die weiteren Fakultäten der Universität Belgräu dazu geschlossen und dann alle weiteren Fakultäten.
00:13:49
Speaker
Und man kann sich vorstellen, dass es 60 Fakultäten insgesamt, also die Koordination ist ziemlich schwer.
00:13:56
Speaker
Allerdings funktioniert relativ viel von Anfang an über die direkte Demokratie.
00:14:01
Speaker
Also die haben sich von Anfang an entschieden, über Pläne Entscheidungen zu treffen mit einer Mehrheit.
00:14:06
Speaker
Und so sind sie zu den Anforderungen gekommen, die sie die Regierung stellen.
00:14:11
Speaker
Die drehen sich alle um die Demokratie.
00:14:13
Speaker
Es klingt banal, aber um die Rechtsstaatlichkeit und die Verantwortung für den Fall und generell für die Sachen, die schicklaufen in Serbien.
00:14:20
Speaker
Und ja, so verlaufen die meisten, also die allen Entscheidungen, die sie treffen, treffen sie in Plena.
00:14:27
Speaker
Und Christian kann bestimmt noch mehr dazu sagen, welche geschichtlichen Konten das hat in Serbien.
00:14:32
Speaker
Ja, ich versage dann was zu den Plänerstrukturen, weil das tatsächlich eine Organisationsform ist, die gerne vergessen wird, die aber aus einer Tradition Jugoslawien kommt und die im Zusammenhang da auch dem sogenannten Workers' Self-Management, also der quasi Selbstverwaltung irgendwie des Arbeitsplatzes steht.
00:14:52
Speaker
Die gab es nicht nur in Serbien, sondern insgesamt quasi in dem postjugoslawischen Bereich und basiert eben auf der Idee, dass man
00:15:01
Speaker
Menschen zunächst am Arbeitsplatz, das hat sich dann aber später ausgeweitet, auch auf die soziale Sphäre, ermächtigt, oder was heißt ermächtigt, aber dass man denen sozusagen Raum gibt, sich als politisches Subjekt irgendwie zu entfalten und dass das eben was ist, was auch gewünscht wird.
00:15:16
Speaker
Also am Arbeitsplatz, das wurde, ich glaube, 1949 in den Fabriken eingeführt,
00:15:23
Speaker
ging es ganz viel darum, irgendwie auch zu entscheiden, wie wollen wir arbeiten, wie verwalten wir sozusagen das Budget, was wir haben, was sind unsere Arbeitszeiten und das eben auszuhandeln.
00:15:33
Speaker
Und das ist dann später, gab es das eben auch in Nachbarschaften, in Schulen, in Büros und so weiter.
00:15:37
Speaker
Also diese komplette...
00:15:40
Speaker
Sphäre ist sozusagen davon eigentlich abgedeckt worden.
00:15:43
Speaker
Das ist jetzt vielleicht auch ein bisschen, also ich kann ja nicht nostalgisch sein, aber ich habe den Eindruck, dass es in Teilen der Literatur oft ein bisschen wird es auch so nostalgisch dargestellt.
00:15:51
Speaker
Ich glaube jetzt auch nicht, dass es die Antwort auf alles ist, aber ich würde trotzdem gerne darauf aufmerksam machen, dass es sozusagen diese Tradition gibt und dass das glaube ich gerade etwas ist, was insbesondere die jüngere Generationen
00:16:02
Speaker
sozusagen wiederentdeckt und darin, also man genau vielleicht irgendwie hervorheben könnte, dass es eben nicht nur in den Universitäten stattgefunden hat, sondern dass es eben auch explizit Bürgerinnen-Assemblies quasi gibt.
00:16:14
Speaker
Und ich auch noch erwähnen würde, dass die schon mal sozusagen als politischer Ausdruck irgendwie eine Form hatten und zwar in den Protesten in Bosnien 2014-15, die ja auch sehr groß waren.
00:16:27
Speaker
Genau, und die damit sozusagen sich auch wieder einbinden in eine Geschichte irgendwie von der Region insgesamt.
00:16:32
Speaker
Ja, und vielleicht noch kurz dazu, also neben Plena, was wir noch nicht erwähnt haben, was aber meiner Meinung nach auch ein zentraler Aspekt ist, ist das, weil du ja, Lea, gefragt hast, okay, wie haben sie geschafft, diese ganze Masse zu mobilisieren, weil es hat sich ausgeweilt, also es sind nicht mehr nur Studierende, sondern praktisch die gesamte Bevölkerung, die sie unterstützt.
Bewusstseinssteigerung durch landesweite Reisen
00:16:54
Speaker
Und die sind wirklich in jede Ecke des Landes gegangen.
00:16:57
Speaker
Also man kann sich vorstellen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
00:17:00
Speaker
Sie hatten diese große Laufaktion.
00:17:02
Speaker
Und erstens, um auf ihre Mission aufmerksam zu machen, aber auch darüber zu informieren, was eigentlich passiert ist.
00:17:10
Speaker
Weil ohne zu theoretischer zu werden, aufgrund dieser State Capture, was eigentlich für Einnahmen staatlicher Institutionen ist durch eine Regierung, ist auch der Zugang zu unabhängigen Medien massiv eingesteckt in Serben.
00:17:22
Speaker
Und deswegen hatten nicht alle Personen die gleichen Informationen, was genau im Land passiert, wo demonstriert wird.
00:17:29
Speaker
Und jetzt aber weiß wirklich jeder und jeder in Serbien, was am 1.
00:17:34
Speaker
November erstens passiert ist im Novi Sad.
00:17:37
Speaker
Und dann auch das nicht national.
00:17:39
Speaker
Also die haben diese Aktionen, wie ich bereits erwähnt habe, auch international erweitert auf Straßburg und Brüssel.
00:17:45
Speaker
Aber ja, und dann musste ich auf eine Folge von euch denken, Lea, also über Organizing.
00:17:49
Speaker
Und ich habe mir gefragt, ob man das als eine Form von Organizing sehen kann.
00:17:53
Speaker
im weiteren Sinne, weil es geht ja darum, Leute abzuholen auf dem Thema, die einem relevant ist.
00:17:59
Speaker
Ja, und zu schauen, also ich hätte auch auf deine Einschätzung da mich gefragt, was du dazu denkst.
00:18:04
Speaker
Aber ja, das ist etwas, was mir aufgefallen ist, was ich sehr selten lese,
00:18:09
Speaker
Aber was sehr wichtig im Land selbst ist, also diese Bewegungen, weil ich habe auch gemerkt, dass die Menschen wirklich Teil davon sein wollen.
00:18:17
Speaker
Die waren traurig, wenn nicht in deren Stadt etwas passiert ist.
00:18:20
Speaker
Und jetzt gibt es eine Aktion der Student in meinem Dorf und die Menschen konnten den Studierenden schreiben, okay, kommen Sie bitte zu diesem und diesem Ort und dann kommen Sie.
00:18:30
Speaker
Und das hat dazu geführt, dass jetzt mittlerweile 450 Gemeinde, Dorfe, Städte mindestens ein Protest in Bezug zu dem Fall im Norwich-Side gehalten ist.
00:18:40
Speaker
Also das ist auch etwas, was sehr effektiv war und zu großem Erfolg bestimmt gewirkt hat.
00:18:48
Speaker
Ich musste da auch direkt dran denken und auch, dass man mal wieder sieht, wie Protest auch einfach so Handarbeit ist und dass das nicht einfach so passiert und dann sind Millionen oder Tausende von Menschen auf den Straßen, sondern wie du jetzt beschrieben hast, man geht in jeden einzelnen Ort und erzählt, was passiert und nimmt die Leute mit.
00:19:06
Speaker
Total spannend zu sehen.
00:19:08
Speaker
Ich fand es sowieso beeindruckend, dass so viele verschiedene Protestformen auch angewandt werden.
00:19:13
Speaker
Also von riesigen Demonstrationen, die Straßenblockaden, dann eben das Besetzen von der Rundfunkstation, damit eine bessere Berichterstattung gefordert wurde zu diesen Fahrradtouren, was ihr meintet, und dem Staffellauf nach Brüssel.
00:19:26
Speaker
Das ist ja sehr divers, der Pool an verschiedenen Taktiken, die sie verwenden.
Vielfalt der Protesttaktiken
00:19:31
Speaker
Da wollte ich euch auch fragen, wie ihr das seht, für wie effektiv ihr die Taktiken auch haltet.
00:19:38
Speaker
Ich glaube, ich habe wahnsinnigen, also so wie du es auch gerade gesagt hast, ich habe wahnsinnigen Respekt vor der Arbeit, die sozusagen Leute...
00:19:47
Speaker
und die Mühe, die sie sich machen, um irgendwie Leute einzubinden und was es auch bedeutet.
00:19:51
Speaker
Also darüber haben wir jetzt ja noch gar nicht so viel gesprochen, aber wie viele unterschiedliche Leute das auch sind.
00:19:57
Speaker
Das sind ja nicht nur Studierende, sondern da versammelt sich ja alles von Bauern über, weiß ich nicht, AkademikerInnen, über, keine Ahnung, auch teilweise wirklich ein sehr, sehr breites Studium.
00:20:11
Speaker
Spektrum irgendwie von unterschiedlichen politischen Vorstellungen und die sozusagen alle einzubinden, finde ich extrem bewundernswert und würde auch sagen, wenn man sozusagen davon ausgeht, dass es schon ein Erfolg ist, irgendwie Leute auf die Straße zu holen, dann würde ich sagen, es ist extrem effektiv.
00:20:31
Speaker
Worüber wir vielleicht gleich nochmal reden können, ist sozusagen über die Einordnung, die Selbstbeschreibung auch der Proteste, zumindest schon eine lange Zeit, das hat sich ja jetzt geändert, als apolitisch.
00:20:43
Speaker
Was hätte ich den Eindruck aus, sozusagen in den Analysen irgendwie insgesamt in den Deutschen, wie auch auf selbischer Seite, ein bisschen ein kontroverses Thema ist.
00:20:52
Speaker
Und das fände ich eigentlich spannend, wenn wir da gleich nochmal irgendwie drüber sprechen könnten.
00:20:56
Speaker
Aber ich wollte dich auch nochmal fragen, was du denkst, Nina.
00:20:59
Speaker
Ja, ich wollte nur ein Beispiel über die Effektivität.
00:21:04
Speaker
Ich denke, in diesen ersten Monaten waren auch, also mein Eindruck war, die Menschen auch im Land überrascht, wie sehr, also über diese Mobilisierungskraft, die diese studentische, in erster Linie studentische Bewegung hatte.
00:21:19
Speaker
Und wie du Lea gesagt hast, hatten sie auch diese Teilefolge, also mit der Besetzung von den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, hatten sie eine explizite Anforderung in der Veränderung in der Kernstruktur der Befachungsagentur, kann man es nennen, die ja dazu dienen soll, eigentlich im öffentlich-rechtlichen Sinne zu handeln.
00:21:39
Speaker
Und dadurch, dass sie die Gebäude besetzt haben vor zwei Wochen, also vor dem Gebäude, das haben wir noch nicht erwähnt.
00:21:45
Speaker
Und das ist mir sehr wichtig, dass die Proteste sehr friedlich bis jetzt waren.
00:21:49
Speaker
Also es gab gar keine Aktion, die nicht friedlich war.
00:21:53
Speaker
Und das steht in jeder Protestankündigung, dass diese Proteste werden friedlich sein.
00:21:59
Speaker
Also es hat dazu geführt, dass eine neue Auswahlkommission jetzt entscheiden soll, wer diese Organisation führen soll, die den offentlich-rechtlichen Rumpfunk bewacht.
00:22:09
Speaker
Und man kann auch dazu sagen, dass das alles über Osterferien passiert ist, also in einer Zeit, wo man eigentlich nicht unbedingt auf der Straße gehen soll und protestieren soll.
00:22:19
Speaker
Aber ja, alle waren da vor dem Gebäude, haben sich wieder in Schichten ausgetauscht und man hat gemerkt, es gibt so eine grundsätzliche Solidarität zwischen den Menschen.
00:22:30
Speaker
Und den Wunsch, alleine durch eigene Präsenz ein Zeichen zu setzen, dass man die unterstützt.
00:22:37
Speaker
Dass das alleine ausreicht, finde ich, ist häufig vergessen bei Demos.
00:22:41
Speaker
Man denkt so, ja, was bringe ich, wenn ich dazu komme und ich bin ja nur die eine Person.
00:22:45
Speaker
Und hier wird sehr stark darauf eingesetzt, dass man auf diese Masse, dass man ja Teil von einem Kollektiv ist.
00:22:52
Speaker
Ja, das finde ich sehr bewundernswert auch hier.
00:22:55
Speaker
Ja, ich wollte noch genau darauf eingehen, was Mina gerade gesagt hat, dass ich glaube, auch man muss ein bisschen differenzieren zwischen was man meint, wenn man fragt, ist es effektiv für was?
00:23:04
Speaker
Also was ist sozusagen das Ziel?
00:23:05
Speaker
Und ich würde sagen, wenn das Ziel ist, die Macht in, weiß ich nicht, politischen Institutionen zu stürzen, das finde ich, also ich habe auch verschiedene Leute danach gefragt und alle haben so ein bisschen Scheuen so dafür zurück, sich dafür zu äußern, weil wirklich alle sagen so, es ist einfach unklar gerade, was irgendwie passieren wird.
Der Wunsch nach demokratischem Wandel
00:23:24
Speaker
gibt dazu diese Teilerfolge, würde ich sie vielleicht nennen, was Mina gerade schon angesprochen hat.
00:23:28
Speaker
Und ich würde aber sagen, der eigentliche Erfolg darin ist eben genau diese Auseinandersetzung von Leuten.
00:23:35
Speaker
Also sozusagen auch wieder einen Raum irgendwie zu schaffen, in dem Leute gemeinsam auf der Straße sind, sich gemeinsam auseinandersetzen.
00:23:41
Speaker
Also das, was du auch gerade beschrieben hast, Mina, würde ich sagen, ist ja ein
00:23:44
Speaker
ein wahnsinniger Erfolg und ist darin wahnsinnig effektiv und viel erfolgreicher als an anderen Orten.
00:23:52
Speaker
Und ich glaube, das finde ich eigentlich das Besondere daran.
00:23:55
Speaker
Weniger als die Frage, ob man es jetzt tatsächlich schafft, die Kräfteverhältnisse in den politischen Institutionen zu verändern.
00:24:03
Speaker
Das wäre mir, glaube ich, wichtig nochmal zu betonen.
00:24:06
Speaker
Und zu der Frage von, ist das sinnvoll, Proteste als apolitisch zu framen, im Sinne von, das müsste man vielleicht auch nochmal kurz erklären, dass es am Anfang sozusagen eine sehr starke Ablehnung gab, auch mit allen möglichen politischen Akteuren zusammenzuarbeiten.
00:24:21
Speaker
Also keine anderen Parteien, keine NGOs, keine aktivistischen Gruppen, nichts davon.
00:24:27
Speaker
Also sozusagen keine Bezugnahme auch auf andere politische Akteure.
00:24:31
Speaker
dass man eben gesagt hat, man will apolitisch sein.
00:24:33
Speaker
Und ich weiß noch, als ich das das erste Mal gelesen und gehört habe, dass ich irgendwie auch so ein merkwürdiges Gefühl dabei hatte, dass ich irgendwie dachte so, aber apolitisch, also wofür steht man denn dann, wenn man sozusagen kein politisches Interesse hat?
00:24:45
Speaker
Was bedeutet das denn?
00:24:48
Speaker
Was will man denn dann?
00:24:48
Speaker
Was ist denn dann das Ziel, wenn es nicht die Politik ist?
00:24:53
Speaker
Und Mina und ich haben gestern im Vorgespräch zu diesem Podcast noch darüber gesprochen.
00:24:57
Speaker
Das ist etwas, was mir sehr aufgefallen ist.
00:25:00
Speaker
Ich war gerade in Bosnien auch sechs Wochen.
00:25:02
Speaker
Und was mir da aufgefallen ist, ist, dass Leute insgesamt, wenn sie sagen, Dinge sind politisch ein sehr, das ist jetzt nicht negativ gemeint, sondern analytisch, ein enges Verständnis haben von dem,
00:25:15
Speaker
Was sozusagen Politik heißt, nämlich eins von Institutionen und Parteien und sozusagen in einem engeren Sinne irgendwie in der politischen Sphäre.
00:25:24
Speaker
Und die ja, würde ich sagen, nicht nur in Serbien, sondern in der Region insgesamt in den letzten 20 Jahren einfach extrem besetzt ist durch Korruption, durch korrupte Politiker, durch irgendwie Dysfunktionalität.
00:25:35
Speaker
Also die einfach im Prinzip nicht für die Leute da sind, für die sie eigentlich Politik machen sollten.
00:25:41
Speaker
Und dass das, glaube ich, ein sehr starker Unterschied einfach ist im Verständnis.
00:25:45
Speaker
Also schaut man da sozusagen aus einer deutschen, vielleicht irgendwie sogar aus einer linken oder radikaleren Perspektive drauf, wo alles politisch ist.
00:25:53
Speaker
dann würde ich sagen, mit diesem Verständnis, glaube ich, versteht man nicht das Anliegen von dieser Bewegung.
00:26:03
Speaker
Und ich würde sagen, insofern hat sich dieses A-politisch-Sein darauf sozusagen auf die Ablehnung des politischen Etablissement bezogen sehr lange.
00:26:11
Speaker
Und Mina, vielleicht kannst du aber nochmal sagen, dass sich das jetzt geändert hat.
00:26:15
Speaker
Das finde ich wirklich interessant.
00:26:18
Speaker
Das hat sich geändert.
00:26:19
Speaker
Und nur kurz als Ergänzung.
00:26:20
Speaker
Also Christine hat vollkommen recht.
00:26:23
Speaker
Der Begriff an sich ist komplett negativ übersetzt.
00:26:25
Speaker
Also das Politische.
00:26:27
Speaker
Und das haben wir auch im Artikel ein bisschen ausgeführt, dass die Proteste seit 2018, die sehr regelmäßig waren, auch immer tatsächlich von den oppositionellen Parteien geführt werden.
00:26:39
Speaker
Und dadurch, dass sie keinen Erfolg erzogen haben, wurde jetzt die Wirksamkeit davon auch sehr negativ besetzt und dadurch auch diese Ablehnung, also aufgrund der vergangenen Erfahrungen oder Misserfolgen, wollte man sich davon auch distanzieren, weil man wollte, dass diese Proteste nicht von den oppositionellen Parteien geführt werden, sondern es ist eher eine Bewegung, die man da erzeugen wird.
00:27:03
Speaker
Aber, wie Christian schon angedeutet hat, jetzt hat sich das ein wenig geändert, beziehungsweise man redet vor einer neuen Phase der Protesten, und zwar die Studierenden fordern vorgezogene Parlamentswahlen und werden mit eigener Liste antreten.
00:27:19
Speaker
Da ist wichtig zu erwähnen, dass sie bereits erwähnt haben, dass sie selbst, also Studierende werden nicht auf der Liste stehen, sondern die
00:27:28
Speaker
Im Anführungsstrichen kredible Personen, die aber nicht Teil der Regierungsparteien oder Oppositionsparteien gewesen sind und deren Bewegungen bis jetzt Unterstützung haben.
00:27:39
Speaker
Und das ist jetzt unklar, wer auf dieser Liste sein wird und wann diese Wahlen stattfinden.
00:27:44
Speaker
passieren werden, weil die müssen natürlich durch die Regierung und am Ende unterschrieben, müssen sie auch von dem Präsidenten Vucic selbst stattfinden werden.
00:27:51
Speaker
Und dadurch, dass hier wir ja vorgezogenen Wahlen hatten in Deutschland, dass das nicht so häufig stattfindet, in Serbien ist das in den letzten Jahren, vor allem in dem Vecic-Regime, eine Regelmäßigkeit gewesen.
00:28:02
Speaker
Wir hatten häufiger vorgezogene Parlamentswahlen als
00:28:06
Speaker
Und Präsidentschafts waren als Regulären.
00:28:09
Speaker
Deshalb kann man auch als Regierungspartei jetzt nicht sagen, ja, das können wir nicht machen, weil die das in Vergangenheit gemacht haben, wenn sie ja Mobilisierungskraft für eigene Partei gewonnen haben, um an der Macht zu bleiben.
00:28:23
Speaker
Also es ist sehr spannend,
00:28:25
Speaker
Und vielleicht kann man dazu sagen, dass das eine Kritik war, die ich auch international, aber auch im Land gelesen habe, dass man das Gefühl hatte, ja, wir unterstützen, aber wir wissen nicht, wo es hinausläuft.
00:28:38
Speaker
Und häufig in so Meinungsumfragen hat man gelesen, dass man auch eine vorgezogene Wahl unterstützen würde und dann auch eine studentische Liste.
00:28:47
Speaker
Und jetzt ist natürlich das gegeben.
00:28:49
Speaker
Als ich da war, weil ich ja letzte Woche da war, als das angekündigt wurde, hatte ich auch im Gespräch mit den Menschen das Gefühl gehabt, dass sie sich darüber freuen, dass sie das unterstützen.
00:28:58
Speaker
Und jetzt ist natürlich, es gibt ja Herausforderungen, die das mit sich bringt.
00:29:02
Speaker
Aber ja, es bleibt auf jeden Fall spannend und es hört nicht auf.
00:29:06
Speaker
Also der Momentum bleibt.
00:29:09
Speaker
Ja, so kommt jetzt diese neue Phase.
00:29:11
Speaker
Da bin ich gespannt, wie sich das entwickelt.
00:29:14
Speaker
Und wenn wir jetzt aber über die Proteste sprechen, dann müssen wir ja auch mal blicken auf die staatlichen Repressionen und die Gewalt, die auch passieren.
Staatliche Repression und Entschlossenheit der Demonstranten
00:29:24
Speaker
so ein Beispiel sehr doll in Erinnerung geblieben.
00:29:27
Speaker
Also es ist ja so, dass die Protestierenden sehr harsche staatliche Gewalt erfolgen.
00:29:32
Speaker
Morddrohungen teilweise zusammengeschlagen werden und so weiter auch angefahren wurden.
00:29:39
Speaker
Aber ein Beispiel fand ich, hat echt nochmal so gezeigt, wie eigentlich da das Ausmaß ist.
00:29:44
Speaker
Und zwar bei der Demonstration am 15.
00:29:47
Speaker
März, glaube ich, war es ja, wo gerade gesagt wird, dass der Einsatz von Schallkörpern stattgefunden hat, also sogenannte Long-Range Acoustic Devices, die
00:29:56
Speaker
Wo Opfer oder Menschen, die in der Demonstration waren, berichtet haben, dass während einer Schweigeminute, die stattgefunden hat, auf einmal so ein durchdringendes Geräusch stattgefunden hat, was Panik und Desorientierung und auch körperliche Beschwerden wie so Übelkeit und sowas ausgelöst hat.
00:30:11
Speaker
Und das ist ja ein illegaler Einsatz und natürlich weist die Regierung das von sich weg.
00:30:16
Speaker
Aber ich finde, das hat gezeigt, wie schwerwiegend eigentlich die Repressionen in Serbien sind.
00:30:20
Speaker
Wie ist das aus euren Augen und was hat das auch für einen Effekt auf die Protestierenden?
00:30:26
Speaker
Also schüchtert es die ein oder ist da dann, entfacht das noch mehr einen starken Willen dagegen vorzugehen?
00:30:33
Speaker
Wie beobachtet ihr das?
00:30:35
Speaker
Ich würde, weil du jetzt die Schallwaffe angesprochen hast, hätte ich ein Anliegen, was nicht deine Fragen beantwortet.
00:30:42
Speaker
Nämlich aber darauf aufmerksam zu machen, dass es vorher bereits einen Einsatz von dieser Waffe gab, und zwar an den europäischen Außengrenzen.
00:30:50
Speaker
Und dass irgendwie eine Waffe war, die quasi gegen Geflüchtete eingesetzt wurde.
00:30:54
Speaker
Und ich glaube, was das zeigt...
00:30:56
Speaker
ist, dass es sich lohnt, sozusagen hinzugucken, wo diese Waffen sonst eingesetzt werden, weil auch klar ist, dass sozusagen immer, wo Menschen besonders entrechtet sind, das wie als eine Art Testfeld funktioniert.
00:31:08
Speaker
Und aber finde ich, dass selbische Beispiel sehr schön zeigt, dass es eben verallgemeinert wird, diese Gewalt und diese Unrechtmäßigkeit und dass autoritäre Regime immer danach streben, autoritäre Praktiken irgendwie zu verbreitern.
00:31:23
Speaker
Genau, zu der Frage, inwiefern sich das negativ auf die Proteste ausgewirkt hat, Mina, könntest du vielleicht noch was sagen?
00:31:31
Speaker
Ja, also der Fall vom 15.
00:31:34
Speaker
März und der Schallkanonenwaffe ist noch ungeklärt, aber es hat auf jeden Fall die Leute erschrocken.
00:31:41
Speaker
Wenn man sich die Videos anschaut, sieht man auf jeden Fall, wie sich diese Masse, die ja eigentlich
00:31:48
Speaker
still ist, weil es war ja eine 15-minütige lange Schweigeminute vor jedem Opfer, wie sie dich zu zwei durchteilt.
00:31:55
Speaker
Und es ist eigentlich ein volles komisches Ereignis und Leute, die da anwesend waren, berichten über volles komisches Gefühl, das das ausgelöst hat.
00:32:02
Speaker
Und es hätte ja auch viel schlimmer sein können wegen der Massenpanik, die dadurch entstanden ist.
00:32:07
Speaker
konnte, die es zu Glück nicht passiert ist.
00:32:10
Speaker
Aber es bleibt noch unklar und das ist jetzt zum Beispiel eine neue Anforderung.
00:32:15
Speaker
Und dazu zu den Einschüchterungen, also niemand ist eingeschüchtert davon geworden.
00:32:19
Speaker
Ich glaube, das Gefühl, die Leute sind noch wutender geworden, weil die Atmosphäre im Land ist und das hat mir jemand in meinem Gespräch gesagt, ist wie in einem Dammkopftopf.
00:32:27
Speaker
Also so ein Topf, der so einfach geplatzt ist und jetzt, wenn diese Ereignisse passieren, dann ist jetzt
00:32:33
Speaker
dann bringt es das noch mehr und mehr hervor, was diese Regierung eigentlich ist und welche Repressionsmethoden angewendet werden.
00:32:41
Speaker
Und ja, vor was sie steht eigentlich.
00:32:44
Speaker
Und es erweitert nur den Pool, also sozusagen von Sachen, die sie
Indirekte Unterdrückungsmethoden des Regimes
00:32:50
Speaker
Aber es hat nicht dazu geführt, dass die Leute jetzt aufgehört haben zu protestieren oder dass weniger Menschen sich mobilisieren darf.
00:32:58
Speaker
Ich habe das Gefühl, die Unterstützung ist eher sogar gestiegen dadurch.
00:33:03
Speaker
Ja, das ist ja auch so ein klassischer Effekt, den man manchmal sieht, wenn es dann backfired.
00:33:08
Speaker
Darüber haben wir in vorherigen Folgen ja schon öfters gesprochen, wenn es dann eigentlich dazu führt, dass die Proteste noch größer werden.
00:33:14
Speaker
Ich fand es aber auch interessant, dass ich gelesen habe, dass jetzt auch viel auf sogenannte Mittelmänner gesetzt wird, also dass die Regierung die Gewalt ja
00:33:23
Speaker
nicht selber ausführt über die Polizei, sondern das jetzt quasi natürlich total inoffiziell aber abgibt an so Pflegertrupps oder so.
00:33:31
Speaker
Das war ja auch was, was ihr in eurem Artikel erwähnt habt.
00:33:34
Speaker
Vielleicht könnt ihr dazu auch noch mal ein bisschen was sagen.
00:33:37
Speaker
Genau, also das ist in der Tat was, was wir in unserem Antike festgestellt haben, dass es da sozusagen auch eine Veränderung zu vorherigen Protesten gab, wo eben viel Polizeigewalt irgendwie zu beobachten war und dass jetzt sich da irgendwie einfach die Gestalt verändert hat.
00:33:54
Speaker
Was ich interessant fand, was man vielleicht hier auch noch kurz erwähnen könnte, war, dass es ja auch sozusagen eine Taktik der Regierung ist, quasi die eigenen Taktik,
00:34:04
Speaker
Proteste oder die eigenen Unterstützer der Bevölkerung zu präsentieren.
00:34:08
Speaker
Man hat es auch am 15.
00:34:09
Speaker
März gesehen und ich fand es total absurd, dieses Bild, dass die Traktoren überall in der Stadt auch standen, womit quasi signalisiert worden werden sollte, wir haben auch die Unterstützung von Regimeseite, dass sozusagen die Regimeseite die Unterstützung von den Bauern hat und dann aber irgendwie klar war, das sind aber eigentlich alte Traktoren von vor 30 Jahren oder so, die gar nicht mehr aktiv sind.
00:34:34
Speaker
Und ich glaube, das ist das, was ich so aus wissenschaftlicher Perspektive auch ein bisschen interessant finde, dass ich denke, was ist denn die Strategie dahinter?
00:34:40
Speaker
Also wen soll das denn noch überzeugen?
00:34:42
Speaker
Und ich denke, das zeigt dann vielleicht auch ein bisschen zu sagen, das hohe Level an Druck sozusagen, das sich dem Regime irgendwie ausgesetzt sieht.
00:34:53
Speaker
Und Mina, vielleicht könntest du noch was sagen auch zu der Situation an den Universitäten, weil wir da gestern auch noch drüber gesprochen haben?
00:34:59
Speaker
Also wenn man darüber spricht, wesentlich die Repressionsmethoden geändert haben.
00:35:04
Speaker
Also dadurch, dass die Unis ja blockiert sind und keine Lehre und keine Prüfungen stattfinden.
00:35:12
Speaker
Man kann sich so vorstellen, das ganze Wintersemester und jetzt fängt das neue Sommersemester an und es ist
00:35:16
Speaker
Fängt halt nicht an.
00:35:18
Speaker
Es gibt ja unterschiedliche Methoden, wie die Regierung versucht systematisch Druck zu setzen an die Universitäten.
00:35:25
Speaker
Also ganz persönlich gegen den Rektor der Universität, der zu einer Anhörung eingeladen wurde, wo sich die Leute aber richtig schnell wieder mobilisiert haben und vor der Polizei einen Freitag standen und auf ihn gewartet haben, bis er fertig war.
00:35:40
Speaker
Also um solidarisch dazustehen und ihm Unterstützung zu zeigen.
00:35:45
Speaker
Und gegen die gesamte angestellte Personal der Universität.
00:35:49
Speaker
Und zwar dadurch, dass die keine Gehälter seit April an der ganzen Universität ausgezahlt wurden.
00:35:55
Speaker
Und dazu habe ich auch noch nicht so viel in deutschen und internationalen Medien gelesen.
00:35:59
Speaker
Aber das ist natürlich ein großes Thema im Land.
00:36:02
Speaker
Und das ist auch ein Versuch, krassen Druck zu setzen, um diese Gruppe zu polarisieren, um die Unterstützung, um die praktisch wissenschaftlich angestellten Personen an der Uni gegen Studierende zu richten, was auch nicht passiert ist.
00:36:15
Speaker
Das ist so ein Versuch zu polarisieren.
00:36:16
Speaker
Das ist nicht gekommen, aber es ist natürlich eine existenzielle Bedrohung für viele, die an den Unis arbeiten.
00:36:22
Speaker
Und Mina, was ich gestern auch noch interessant fand, war, dass uns ja im Gespräch dann irgendwie auch aufgefallen ist, dass es quasi auch nicht eine flächendeckende Taktik ist, sondern dass die schon auch immer örtlich sozusagen angepasst werden, die Einschüchterungsversuche sozusagen.
00:36:37
Speaker
Es gab zum Beispiel bis jetzt relativ wenig Polizeigewalt.
00:36:42
Speaker
Allerdings zum Beispiel in Norvissaden, eine Fakultät, gab es auch eine Auseinandersetzung letztens auch mit der Polizei und so weiter.
00:36:50
Speaker
Und in Belgrad geht es ja um die Gehälter und so weiter.
00:36:52
Speaker
Also man versucht sozusagen, wie du jetzt gut beschrieben hast, an verschiedenen Orten unterschiedliche Taktiken von Repressionen zu setzen und auf unterschiedlichste Arten und Weise Druck auszuüben.
00:37:04
Speaker
Ja, und eine beliebte Taktik von Vucic ist ja aber auch, auf sogenannte weichere Pensionen zu setzen, also jetzt keine körperliche Gewalt, sondern vom Narrativ und der Erzählung her zu delegitimieren und zu sagen, die Proteste, die sind von außen gesteuert und das Ganze so ein bisschen abzuwerten, oder?
00:37:24
Speaker
Genau, das ist auch häufig passiert, auch in Medienauftretten von ihm, dass er gesagt hat, diese Protesten sind von, wie du jetzt beschrieben hast, von außen bestreut.
00:37:33
Speaker
Das ist ein Versuch, sich in innenpolitischer Lage Serbiens anzumischen, von Außenkräften.
00:37:39
Speaker
Aber im Inland, no one is buying it.
00:37:43
Speaker
Also, weil jeder weiß, hey, guck mal her, wir organisieren uns hier im Plenar und stimmen hier ab.
00:37:50
Speaker
Wir wissen, wie es hier abläuft, weil es ist alles selbst organisiert.
00:37:53
Speaker
Also das ist eher eine Narrative für seine Unterstützer, glaube ich, die aber wiederum häufig über den offentlich-rechtlichen Rundfunk propagiert.
00:38:03
Speaker
Also der hat ja auch die Medien und so weiter und das hat natürlich eine Auswirkung.
00:38:08
Speaker
Und wenn wir jetzt ein bisschen auch über das Internationale gerade reden und die Berichterstattung, dann ist es ja schon sehr aufhändig, warum in Deutschland so wenig darüber berichtet wird und auch, warum der internationale Druck auf Serbien vielleicht nicht so hoch ist, wie er sein
Internationale Reaktionen auf Serbiens Proteste
00:38:26
Speaker
Und das habt ihr ja auch analysiert, wie da die Beziehungen sind.
00:38:31
Speaker
Mögt ihr das nochmal ein bisschen weiter erklären?
00:38:34
Speaker
Dafür ist vielleicht erstmal für diejenigen, die das nicht wissen, wichtig zu wissen, dass Serbien Beitrittskandidat für die Europäische Union ist, so wie auch viele andere umliegende Länder in der Region und sich damit sozusagen eigentlich im Prozess befindet, also es sind die sogenannten Westbalkanstaaten,
00:38:53
Speaker
die eben alle ursprünglich mal aus einem anderen politischen System kommen und sich sozusagen eigentlich gerade im Prozess befinden, der Europäischen Union beizutreten und darin eigentlich ihre politischen Systeme transformieren müssen oder bestimmte Bedingungen umsetzen müssen, auch im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und in Serbien insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.
00:39:13
Speaker
Das ist quasi die eine Seite der Geschichte, dass es sozusagen eigentlich einen europäischen Wund gibt, sozusagen Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen und irgendwie Demokratie oder demokratische Partizipation oder wie man immer das nennen möchte, sozusagen eigentlich was Gutes sein sollte und die Proteste damit eigentlich auch Ausdruck sind, dass es eine Bevölkerung gibt, die das eigentlich auch möchte.
00:39:36
Speaker
Das ist die eine Seite der Geschichte.
00:39:37
Speaker
Die andere Seite der Geschichte ist, dass es in Serbien eben dieses, ich habe das am Anfang, als wir angefangen haben zu sprechen, kurz erwähnt, eine große Lithiummine geben soll in Loznica, das ist im westlichen Serbien.
00:39:49
Speaker
Und Lithium ein Leichtmetall ist, was von sehr hoher Bedeutung ist für die Europäische.
00:39:55
Speaker
insbesondere für die deutsche Autoindustrie.
00:39:58
Speaker
Das ist jetzt auch kein verborgenes Wissen oder so, sondern es gab mehrere Besuche, unter anderem von Ursula von der Leyen, es gab einen Besuch von Olaf Scholz in den letzten zwei Jahren und es gibt sozusagen sehr
00:40:12
Speaker
friendly relations zwischen der Europäischen Union und Vucic.
00:40:17
Speaker
Man hat das, finde ich, ganz gut gemerkt, dass da sozusagen der Ton irgendwie der diplomatischen Beziehung ist, als, ich weiß ehrlich gesagt, Ursula von der Leyen war in Belgrad, ne?
00:40:26
Speaker
Und in ihrer Rede sagt sie nicht, also sagt sie, erwähnt sie nicht sozusagen weder die Proteste gegen die Lithiummine noch irgendetwas sonst, was sie aber sagt, ist die Alexander.
00:40:36
Speaker
Also sozusagen dieses Perdu-
00:40:39
Speaker
Und die, ja irgendwie, wie ich finde, ein bisschen zur Schaustellung irgendwie von politischer Nähe.
00:40:46
Speaker
Genau, und dann kann man sich ja dann selber irgendwie Gedanken darüber machen, was das bedeutet und warum sozusagen sich bestimmte hochrangige europäische PolitikerInnen dazu nicht äußern.
00:40:59
Speaker
Und die Hoffnung, die aber eben damit verbunden ist, ist vielleicht ein bisschen, dass die Proteste so groß sind und so viel zeigen, dass man an den Studierenden vielleicht dann auch nicht länger vorbeikommt.
00:41:11
Speaker
Das wäre so ein bisschen, ja, das wäre ein bisschen das, was ich mir wünschen würde.
00:41:15
Speaker
Aber das ist sozusagen der...
00:41:17
Speaker
politoökonomische Hintergrund dazu.
00:41:23
Speaker
Ja, ich sehe es genauso.
00:41:25
Speaker
Und es hat sehr lange gedauert, bis die Europäische Union überhaupt ein Statement zu den Protesten in Serbien rausgebracht hat.
00:41:32
Speaker
Ich glaube, das war im
00:41:35
Speaker
Wenn ich mich nicht irre, Ende Januar, also bis dann hatten wir drei Monate lang große Proteste im Land gesehen und keine einzige Mitteilung der Europäischen Union.
00:41:45
Speaker
Aber vollständigheitshalber muss man sagen, dass die Mata-Kost, also die Europäische Kommissarin für die Europäische Integration,
00:41:53
Speaker
gerade vor zwei Wochen in Serbien war und sich dann auch mit Zivilgesellschaft, mit Studierenden getroffen hat, aber auch mit der Regierung.
00:42:02
Speaker
Und ich glaube, das war ein viel zu spät gesetztes Zeichen, aber zumindest ein Versuch.
00:42:09
Speaker
Und ich glaube, jetzt ist ein bisschen die Hoffnung, dass wenn man über die Wahlen sprechen würde, dass man da internationale Unterstützung bekommt für faire und freie Wahlen.
00:42:18
Speaker
Also das ist so eine Mindestanforderung,
00:42:21
Speaker
An einer Demokratie, glaube ich.
00:42:23
Speaker
Und dafür musste man, glaube ich, auch eine Unterstützung international sehen sollen.
00:42:30
Speaker
Mal schauen, wie es sein wird.
00:42:31
Speaker
Aber auch in Meinungsumfragen kann man auch sehen, dass die Unterstützung für die EU auch innerhalb Serbiens deutlich geringer wird mit der Zeit.
00:42:39
Speaker
Und das hat, wie Christian bereits erwähnt, angefangen mit dem Lithium-Abbau-Präne.
00:42:45
Speaker
Und jetzt natürlich durch die mangelnde Unterstützung sieht man, dass sich das auch widerspiegelt an die, sagen wir,
00:42:50
Speaker
Unterstützung für die EU insgesamt im Land.
00:42:54
Speaker
Ja, das ist so eine komplexe Dynamik, die dadurch entstanden ist und vielleicht deutlicher geworden ist, die es ja aber seit langem gibt.
00:43:01
Speaker
Und vielleicht noch ganz kurz auch zur Ergänzung, dass sich insgesamt vielleicht auch ein bisschen das Verhältnis zwischen Europäischer Union und den sogenannten Westbalkanstaaten seit 2022 verschoben hat.
00:43:14
Speaker
Das hat irgendwie neuen, also nur mit Beginn des Ukraine-Kriegs
00:43:19
Speaker
Und verschiedenen Staaten in der Region, die auch eine gewisse historische Nähe zu Russland haben, gibt es auch ein sozusagen erneutes Interesse nach der Ausweitung des europäischen Einflussbereichs.
00:43:34
Speaker
Und das ist sozusagen noch die andere politische Komponente, die irgendwie dazukommt und die das Ganze aber auch nicht unbedingt unkomplizierter macht.
00:43:41
Speaker
Und wenn wir das jetzt quasi mal so abwägen gegeneinander, auf der einen Seite die breite Öffentlichkeit und die langanhaltenden Proteste und auf der anderen Seite die staatlichen Repressionen, auch der fehlende internationale Druck und dass Vujicic ja doch noch einige wichtige Stellen auch hat, die ihn unterstützen im Regime.
Ungewisse Zukunft der Proteste: Nationale und regionale Dialoge
00:44:01
Speaker
Wie schätzt ihr die Erfolgschancen und die Weiterentwicklung der Proteste ein?
00:44:05
Speaker
Natürlich, man weiß es nicht und es ist eine schwierige Frage, so Prognosen zu stellen, aber
00:44:10
Speaker
Was sind eure Gedanken dazu, wie sich das Ganze weiterentwickeln könnte?
00:44:15
Speaker
Ja, vielleicht über Erfolgschancen finde ich es sehr schwierig zu sprechen.
00:44:20
Speaker
Ich hatte auch das Gefühl, dass die Bewegung selber, also die Studierenden selber, die darüber gefragt wurden, haben sich auch verweigert, sich dazu zu äußern, weil es in erster Linie darum geht, so anzuerkennen, was man bis jetzt geschafft hat.
00:44:33
Speaker
Aber vielleicht ist es einfacher, über so Chancen und Herausforderungen zu sprechen.
00:44:37
Speaker
Also im Sinne von, ich sehe auf jeden Fall,
00:44:41
Speaker
eine breite Unterstützung für die vorgezogenen Wahlen im Land.
00:44:46
Speaker
Und ich sehe das auf jeden Fall als eine Chance, sich auf diese neue Phase zu konzentrieren, ohne diese direkte Demokratie, die dazu beigetragen hat, zu verlassen.
00:44:57
Speaker
Die Studentische Liste nochmal, direkt gewählt sozusagen, Kandidaten über die Pläne und so weiter.
00:45:05
Speaker
Also man verlässt nicht die alten Methoden, die man angesetzt hat, um das überhaupt zu starten, aber bringt es auf einem anderen Level.
00:45:13
Speaker
Das ist eine Chance, aber gleichzeitig eine Herausforderung, weil darüber haben wir auch noch nicht gesprochen.
00:45:20
Speaker
Also es gibt ja weder einen Anführer oder eine Anführerin sozusagen.
00:45:25
Speaker
Das war von Anfang an sehr wichtig zu betonen, ja, wir treten als Kollektiv ein.
00:45:30
Speaker
Einerseits, um sich vielleicht auch zu schützen gegen die repressive Methoden von der Regierung, weil man dann direkt angreifbar wird.
00:45:39
Speaker
Aber einerseits zu zeigen, die Wichtigkeit des Kollektivs für den Erfolg.
00:45:43
Speaker
Und ein Zeichen zu setzen, es reicht einfach, wenn man da ist und anwesend ist.
00:45:49
Speaker
Die Herausforderung ist aber, dass die Gruppe sehr heterogen ist und ganz unterschiedliche Meinungen vertritt zu unterschiedlichsten Themen, die man ja, wenn man ja auf Wahlen eintritt, sich dazu positionieren muss.
00:46:01
Speaker
Und das wird eine große Herausforderung, glaube ich, in den nächsten Wochen sein.
00:46:04
Speaker
Wie behält man Unterstützung, wenn man ja so breit mobilisiert hat, dass man ja sozusagen durch einen kleinsten gemeinsamen Nenner, kann man sagen,
00:46:13
Speaker
aber der ziemlich groß ist, weil es geht um Korruption im Land und generelle mangelnde Rechtsstaatlichkeit, der sie verbindet, gleichzeitig aber ganz unterschiedliche Meinungen zu vielen wichtigen Themen hat.
00:46:26
Speaker
Ja, das wird, glaube ich, herausfordernd sein.
00:46:29
Speaker
Ich glaube, ich finde es auch vermessen, das sozusagen gerade in der Situation jetzt zu bewerten.
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Speaker
Ich kann vielleicht sagen, was ich mir wünschen würde oder welche Hoffnungen und Befürchtungen ich habe darauf bezogen.
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Speaker
Ich glaube, ich bin nicht besonders optimistisch, was eine grundsätzliche
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Speaker
Reformierbarkeit des politischen Systems angeht.
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Speaker
Und ich würde auch sagen, das beziehe ich jetzt nicht nur auf Serbien, sondern insgesamt frage ich mich das sozusagen, wie bekommen wir eigentlich unsere Institutionen irgendwie dazu, auch in einem demokratischen und vielleicht auch in einem radikal-demokratischen Sinne zu handeln.
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Speaker
Das Problem sehe ich überall, nicht nur in Serbien.
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Speaker
Aber in Serbien ist es besonders explizit.
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Speaker
Was mir Hoffnung gibt, ist, dass ich den Eindruck habe, dass es ein wichtiges, richtig wichtiges Symbol auch ist für andere Länder in der Region.
00:47:26
Speaker
Es gibt in Bosnien eine Studierendenbewegung, die sich auch mit den Studierenden aus Serbien getroffen haben.
00:47:33
Speaker
Da gibt es auch insgesamt eine größere Balkan-Balkan-Balkan.
00:47:37
Speaker
Vernetzung und ich hatte den Eindruck, dass sozusagen der Faden, auch den ich am Anfang des Podcasts erwähnt habe, der rote Faden der Korruption sozusagen, wenn der sich verbinden ließe, dann hätte ich schon Hoffnung, weil es dann eben nicht nur sozusagen, dann geht es nicht um ein Land, sondern dann geht es tatsächlich irgendwie um eine Region und da sehe ich
00:47:59
Speaker
wahnsinnig viele Anknüpfungspunkte.
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Speaker
Ich glaube auch, dass die Pläne sozusagen als neue Form oder was heißt neue oder wiederentdeckte Form des Politikmachens, da sehe ich eine wahnsinnige Chance drin.
00:48:11
Speaker
Ich sehe auch die Ambivalenz davon, also das, was du angesprochen hast, Mina, dass es eben sehr heterogen ist, dass man sich darin auch einigen muss.
00:48:18
Speaker
Aber ich muss ehrlich sein, ich finde es richtig cool.
00:48:20
Speaker
Also irgendwie sozusagen diese Form von
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Speaker
Und Auseinandersetzung mit sozusagen anderen Lebensrealitäten als derjenigen, die man selbst irgendwie erlebt, finde ich, ist eigentlich ja der Kern von dem, was Demokratie eigentlich ausmachen sollte.
00:48:37
Speaker
Was ich denke, was sie nicht macht aktuell, aber was sie sein könnte.
00:48:42
Speaker
Also ich glaube, da steckt irgendwie eine Form von...
00:48:45
Speaker
weiß ich nicht, von realer Utopie drin oder so, wenn man das so nennen will.
00:48:51
Speaker
Und das gibt mir schon Hoffnung.
00:48:54
Speaker
Ob man damit jetzt am Ende erfolgreich ist, das kann ich nicht einschätzen, aber ich glaube, das schmälert sozusagen die Bedeutung nicht, die diese Bewegung jetzt schon hat.
00:49:04
Speaker
Ja, voll schön, dass ihr das nochmal so eingeordnet habt.
00:49:07
Speaker
Ich hatte auch überlegt, welches ist ein Zitat, was ich jetzt mit den serbischen Protesten so verbinde, weil ich ja versuche, immer am Ende noch eins mitzubringen.
00:49:15
Speaker
Und da bin ich wieder über eins gestolpert.
00:49:18
Speaker
Ich glaube, es ist ein mexikanisches Sprichwort oder von einem griechischen Lichter.
00:49:21
Speaker
Ich konnte es nicht so ganz rausfinden, aber es geht ja darum, sie haben versucht, uns zu begraben, aber sie wussten nicht, dass wir die Samen sind.
00:49:28
Speaker
Klingt auf Deutsch nicht so schön wie auf Englisch, aber ich finde, es reißt auch vieles an, was ihr gesagt habt.
00:49:33
Speaker
Also man weiß nie, ob diese Proteste nicht auch ein großes Vorbild sein werden für oder auch schon sind für das, was ja überall gerade auf der Welt passiert, eben den Vormarsch von autoritären Kräften und gibt auf jeden Fall sehr viel Hoffnung, trotz starker Repressionen.
00:49:48
Speaker
Und ja, ich fand es total schön.
00:49:50
Speaker
mit euch darüber zu sprechen.
00:49:52
Speaker
Vielen, vielen Dank, dass ihr da wart und euch die Start genommen habt.
00:49:55
Speaker
Und ja, es war echt richtig schön.
00:49:58
Speaker
Danke dir für die Einladung.
00:50:01
Speaker
An der Stelle vielleicht auch nochmal ein Dankeschön an Felix Anderl für den Kontakt, dass er uns miteinander verbunden hat.
00:50:08
Speaker
Und ja, wenn ihr uns auch weiter unterstützen wollt für den Podcast, dann freuen wir uns sehr über Spenden, sind auch sehr dankbar an unsere Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit, die diesen Podcast unterstützt und die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Staunen.
00:50:23
Speaker
Diese Kampf ist eine, die du gewinnen kannst.