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Ziviler Widerstand - völlig sinnlos?

S1 E1 · Tee & Taktik
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654 Plays5 months ago

Protest bringt doch eh nichts! Oder? In der ersten Folge räumen wir mit einigen Missverständnissen zum zivilen Widerstand auf. Wir sprechen darüber, warum Proteste, die stören, oft kritisch gesehen werden und ob sie wirklich dem Anliegen schaden, für das sie eintreten. Anhand historischer Beispiele wird gezeigt, dass viele Bewegungen, die heute als erfolgreich gelten, in ihrer Zeit als zu radikal abgetan wurden. Lea teilt ihre Erfahrungen und erzählt, wie sie mit den ständigen Vorwürfen umgeht, dass Proteste undemokratisch seien. Wenn ihr euch dafür interessiert, wie Proteste unsere Demokratie stärken und welche Rolle sie in der Geschichte gespielt haben, dann hört rein.

Wenn ihr mehr über uns erfahren wollt und warum wir diesen Podcast machen, dann hört euch zuerst den Trailer an.

Bleibt immer auf dem Laufenden bei Instagram: @dalilah_shemia und @lea_bonasera

→ Danke an die Stiftung “Kraft der Gewaltfreiheit” für die finanzielle Unterstützung, die den Podcast möglich macht

→ Danke an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation Zum Staunen*

→ Danke an Norman und Tomo Konrad für die Bilder für das Cover

→ Danke an Aimée van Baalen für die Social Media Arbeit.

→ Danke an die Tadschikische Teestube, dass wir dort Fotos machen durften.

Buch von Lea: “Die Zeit für Mut ist Jetzt” (Fischer Verlage) 

→ Definition “ziviler Widerstand” von ICNC - International Center for Nonviolent Conflict

Gene Sharp dokumentierte und klassifizierte hunderte historische Fälle gewaltfreien Widerstandes, gründete die Albert Einstein Institution und verbreitete Wissen über gewaltfreien Widerstand weltweit

198 Aktionsformen und die Aktualisierungen für das 21. Jahrhundert

→ Bürgerrechtsbewegung in der Doku “A Force more Powerful” Episode 1 ab Min 26:23

→ Kampf gegen die Apartheid in Südafrika in der Doku “A Force more Powerful” Episode 2 ab Min 2:19

→ Artikel auf der Nachrichtenseite zu zivilem Widerstand “Waging Nonviolence” über die Bewegung für die gleichgeschlechtliche Ehe in den USA

ACT-UP: inkl. Doku

WZB Studie Klimaschutz Bewusstsein 

Occupy Wallstreet hat mehr erreicht als manche denken (Guardian-Artikel)


Transcript

Einleitung: Vorstellung des Podcasts 'Tee und Taktik'

00:00:08
Speaker
Das dritt nach meiner Kenntnis ist das sofort unverzüglich. Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischen Protest. Wir sind Lea und Lila.
00:00:33
Speaker
Hallo. Herzlich willkommen. Heute geht es um das Thema völlig sinnlos. Was bringt Widerstand eigentlich? Unser Podcast heißt ja Tee und Taktik, weil wir beide gerne Tee trinken und über Taktik reden und Strategie. Ich habe mir hier zum Auftakt mal einen Zitronen Ingwer Tee sogar geschnitten, nicht aus dem Beutel, weil ich dachte, das muss man feiern. Mit was bist du heute unterwegs?
00:01:01
Speaker
Sehr schön. Klingt gut. Ich trinke sehr gerne so Basenkräuterteemischungen mit allen möglichen Grünzeug drinnen. Hauptsache schön und erfrischend. Sehr gut. Ja, wenn wir über das Thema ziviler Widerstand
00:01:17
Speaker
sprechen wollen, dann ist es natürlich am Anfang erstmal wichtig zu sagen, was wir damit überhaupt meinen. Ich habe das ja in meinem Buch versucht so zu definieren, dass es beim zivilen Widerstand um den strategischen und oder moralischen Einsatz von gewaltfreien Methoden geht, insbesondere halt von Bürgerinnen und Bürgern, die versuchen, sozialpolitisch und wirtschaftlich was zu verändern und zu verbessern.
00:01:42
Speaker
Du bist ja jetzt voll die Expertin.

Was ist ziviler Widerstand?

00:01:44
Speaker
Teilst du das, was ich da geschrieben habe oder fehlt dir was in dieser Definition? Nein, das ist also eine super Definition. Würde ich an sich jetzt nicht sagen, dass da was fehlt. Nur es gibt halt immer verschiedene Perspektiven und Zugänge zu Themen und verschiedene Schwerpunkte, die man vielleicht legt.
00:02:00
Speaker
Und ich weiß, dass es bei mir nicht so sehr darum geht, um den strategischen oder moralischen Einsatz gewaltfreier Methoden, sondern wirklich dieses strategische Denken, das ich in den Mittelpunkt drücke. Für mich ist ziviler Widerstand eine Form des strategischen Protestes.
00:02:18
Speaker
wo sich eben viele Menschen daran beteiligen können, um Machtverhältnisse zu verändern, um damit dann soziale Veränderungen herbeizuführen. Oder eben, wie du sagst, soziale, politische oder wirtschaftliche. Auf jeden Fall, das ist sehr wichtig. Aber das wird nochmal so eine andere Perspektive reinrücken. Genau, das sind vielleicht aber auch einfach die unterschiedlichen Themen, die einem wichtig sind. Aber ich glaube, was mir daran an dem Thema allgemein wichtig ist oder an dem, was ziviler Widerstand ausmacht,
00:02:43
Speaker
ist dass es einfach darüber hinausgeht eine demo zu machen oder einfach nur ein protest und dass es sehr viel mehr ist als nur ziviler ungehorsam sehr viele menschen verwechseln ja wenn sie hören ziviler widerstand denken sie direkt an zivilen ungehorsam und an so ganz
00:03:00
Speaker
dramatische Szenen auf der Straße und ich denke, es kann so viel mehr sein als das. Also es kann auch ein Streik, kann das auch sein oder ein Boykott, wo man seine Kaufkraft zurückhält oder andere Formen, über die wir auch noch sprechen würden.

Gene Sharps Beitrag zur systematisierung gewaltfreier Aktionen

00:03:16
Speaker
Devestment ist eine andere Methode, die Anteile, die man hat an einer Firma zurückzunehmen. Also es gibt da ganz ganz ganz ganz viele Methoden. Gene Sharp hatte damals, das ist ein so ein Forscher, den werden wir jetzt wahrscheinlich ab und zu mal erwähnen hier in diesen Folgen, weil der hat ganz ganz viel gemacht. Der hat sehr viel Arbeit da reingesteckt, um das ganze Wissen, was es gibt, zu systematisieren. Die historischen Beispiele, bis dato hat er es angefangen in den 70er Jahren, hat er es veröffentlicht.
00:03:46
Speaker
Und er hat halt eben die berühmte Liste der 198 gewaltfreien Aktionsformen, also Methoden, dann auch veröffentlicht. Und daran sieht man, es ist eine ganz große Bandbreite. Und es ist nicht einfach nur Demo, Flyer-Aktion und Kundgebung, sondern oder eben Straßenblockade, sondern es kann sehr viel mehr sein. Und seitdem wurde diese Liste auch natürlich enorm ergänzt und heutzutage dann auch mit digitalen Mitteln
00:04:11
Speaker
Also das heißt, er kann supervielfältig sein, der zivile Widerstand, aber kann ja auch wirksam sein, weil das ist eine der Fragen, die ich am allermeisten gestellt bekommen habe in der Praxis. Also diese Frage oder auch diese Aussage, die ja manchmal schon
00:04:28
Speaker
sehr dominant gesagt wird, der Protest bringt doch eh nichts, warum macht ihr das? Geht doch mal lieber in die Politik. Also vor allen Dingen diese Frage, warum sollte man sich als Bürgerinnen und Bürger unabhängig von der Politik organisieren und nicht eben nach Partei beitreten und versuchen, sich wählen zu lassen, weil dann doch der politische Hebel und der Erfolgshebel viel, viel größer sein kann. Also was sind deine Gedanken dazu, wenn es um diese Politikfrage geht?
00:04:58
Speaker
Ja, da muss ich ein bisschen aushöhlen. Und zwar ist es da ganz wichtig, auch nochmal darüber nachzudenken, wie gesellschaftliche Veränderungen zustande kommen und auch ein bisschen was manchmal daran hindert. Der zivile Widerstand ist eben eine Methode, die
00:05:16
Speaker
gerade dann gut ist und sehr passend ist, wenn die institutionalisierten Wege nicht ausreichen. Also meistens hat man es dann schon in diesen Bereichen, auf diesen Wegen probiert und man wird nicht gehört aus verschiedensten Gründen. Zum Beispiel eben, weil da sehr starke Interessen dagegen sind. Und das ist eben ein Weg, um sich mehr gehört zu verschaffen, um so einen Druck entstehen zu lassen, damit
00:05:46
Speaker
man dann gehört wird, damit man dann ernst genommen wird, damit man überhaupt an den Verhandlungstisch gelassen wird, sagen wir mal so. Und in der Vergangenheit gab es auch immer wieder Beispiele von Menschen, die es erst mal über den politischen Weg versucht haben, es da nicht geklappt hat. Aber denkst du denn auch, dass das funktioniert? Weil die Politik ist ja so ein großer mächtiger Gegner. Wie sollen denn eine kleine Gruppe von Menschen, die sich zusammenschließen, dagegen ankommen? Also da wäre es doch eigentlich doch dann besser, den politischen Weg

Erfolgsbeispiele des zivilen Widerstands

00:06:14
Speaker
zu gehen, oder?
00:06:14
Speaker
Naja, also wenn man sich historisch anguckt, wo der zivile Widerstand herkommt oder die geschichtlichen Traditionen, die es hat, da ist ja ganz, ganz bekannt die Bürgerrechtsbewegung zum Beispiel. Das waren die schwarzen Communities in den USA, die in den 50ern und 60ern sich sehr stark engagiert haben, damit es eben keine sogenannten Rassentrennungen mehr gibt, also dass schwarz und weiße
00:06:38
Speaker
Getrennt, völlig getrennt waren nicht nur am Arbeiten, im Leben, in der Schule. Wenn man mal in den Imbiss gegangen ist, gab es dann Plätze nur für Weiße. Das heißt, es war eine sehr marginalisierte Gruppe, die keine Privilegien hatte, die auch politisch nicht vertreten war. Das heißt, da haben sie zum Beispiel über den politischen Weg versucht,
00:06:56
Speaker
und wurden nicht gehört, weil die Politiker eben nicht wirklich von ihnen abhängig waren. Und dann haben sie durch die Sit-Ins, also dass sie sich eben in diese ein bisschen reingesetzt haben, in die es nicht erlaubt war als Schwarzer und damit quasi den Konflikt erstmal verschärft haben,
00:07:17
Speaker
sich Gehör verschafft und darüber erst entstand dann diese Spannung und diese Krise dann im Land, worauf dann reagiert werden muss. Und dann 1964 gab es dann den Civil Rights Act, also das Gesetz zu dem, dass sie halt mehr Bürgerrechte bekommen. Und ähnlich auch mit der Apartheit in Südafrika. Also da war es ja auch so, dass ein extrem rassistisches, unterdrückendes System, das heißt, Schwarz hatten viel weniger Rechte und Möglichkeiten und auch
00:07:46
Speaker
Die haben sich dann letztendlich durch internationalen Druck und auch Druck im Land aus verschiedenen Art und Weisen, zum Beispiel eben, wie gesagt, da hatte ich vorher schon erwähnt, mit Boykott und Divestment, also dadurch, dass dann die verschiedenen südafrikanischen Firmen, die in der Apartheid involviert haben, boykottiert wurden oder eben Anteile aus diesen Firmen genommen wurden, wurde halt enormer wirtschaftlicher Druck kreiert und dadurch erst wurde dann das Thema ernst genommen, aber das auch erst nach
00:08:14
Speaker
vielen, vielen Jahren, Jahrzehnten der Arbeit und des Drucks. Und ziviler Widerstand ist eben für in genau solchen Fällen genau dann gut geeignet. Auch in Demokratien, die Standardrepertoire von Demokratien sind ja, dass man halt ein Referendum macht, eine Demo, eine Kundgebung oder eben eine Partei gründet.

Die Rolle des zivilen Widerstands in Demokratien

00:08:31
Speaker
Aber wenn diese Wege dann nicht mehr ausreichen, weil da die Interessen dagegen viel zu groß sind, wie zum Beispiel jetzt im aktuellen Fall der Klimabewegung,
00:08:41
Speaker
ist es ja auch so, dass da sehr große wirtschaftliche, industrielle Interessen hinterstehen von Energiekonzernen, also von der fossilen Brennstoffindustrie, Automobilkonzerne. Und da wurde sehr, sehr lange viel Druck und Kampagnen gemacht, um Klimaschutz zu verlangsamen und da auch so eine Klimaleugnung zu verbreiten etc. pp.
00:09:02
Speaker
Und deswegen ist es, also auch wenn eine Partei gegründet werden würde, wenn dieses Machtverhältnis sich nicht verändert, dann wird man auch als Partei nicht viel bewegen können, weil dann hast du ja trotzdem noch weiterhin den Druck der von FDP und Union und die halt bestimmte wirtschaftliche Interessen auch vertreten parlamentarisch. Und das heißt, außerparlamentarisch muss dann einfach auch sich was verändern an den Kräfteverhältnissen und zum Beispiel jetzt aus meiner Sicht, weil das ist jetzt natürlich mein Forschungsfeld,
00:09:30
Speaker
Der Einfluss der politischen Energiekonzerne muss natürlich dann auch zurückgedrängt werden, damit zumindest die Menschen und vor allem die zukünftigen Generationen gleichgehört werden wie diese Konzerne. Und das passiert ja nicht und es wird dann auch nicht gelöst, dieses Problem, wenn man eine Partei dazu gründet.
00:09:48
Speaker
Aus den genannten Gründen. Genau. Und von daher ist, um es zusammenzufassen, der zivile Widerstand eben ein Weg, um Konflikte auszutragen, wenn die offiziellen Kanäle nicht mehr funktionieren oder wenn auch die versagen, um die eigenen Rechte und Interessen durchzusetzen.
00:10:07
Speaker
Da höre ich auf jeden Fall auch schon wieder die Kritikerin in meinem Ohr, weil ich würde ja eine ähnliche Argumentation sagen wie du, aber was ich dann gefragt werde ist ja, aber das sind ja Beispiele aus einer ganz anderen Zeit, aus einem ganz anderen Land und ich finde, da ist auch was dahinter, weil viele der Studien, die wir uns ja angucken, gehen ja auch zu einem diktatorischen Kontext und weniger zu einem demokratischen Kontext, in dem wir uns jetzt befinden.
00:10:32
Speaker
Die Frage ist ja so ein bisschen, kann man all dieses Wissen, was wir haben zum zivilen Widerstand wirklich auch übertragen auf die Demokratien und die Zeit, in der wir jetzt gerade leben? Das denke ich schon. Aber es gibt ja dann auch unzählige Beispiele aus dem zum Beispiel Umweltschutzbereich oder aus der Queeren Community zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe in den USA. Da werden wir vielleicht in der nächsten Folge noch mal mehr darauf eingehen, wenn wir da über die strategischen Konzepte sprechen.
00:11:00
Speaker
wie man so einen zivilen Widerstand strategisch auch vorbereiten und planen kann.

Einfluss von Protesten auf den öffentlichen Diskurs

00:11:05
Speaker
Act Up ist ein ganz tolles Beispiel. Ende der 80er, Anfang der 90er gab es ja die AIDS Epidemie und da sind ganz, ganz viele Homosexuelle gestorben. Also es sind viele Menschen gestorben und es hat vor allem die queere Community quasi getroffen. Und da war halt eine große Empörung darüber, dass da keine Priorität in der Forschung war.
00:11:24
Speaker
Und dass die Medikamente in Bezug auf HIV-Aids zur Lösung von dieser Epidemie, dass das nicht vorangetrieben wurde. Also es gab Ressourcen, aber die wurden woanders investiert. Und dann haben sie in New York ganz viel auch Sitzblockaden und ganz, ganz viel Druck auch kreiert, damit das endlich mal mehr gesehen wurde und also auch die Wichtigkeit dessen und ernst genommen wird. Und das hat dann wirklich dazu geführt, dass endlich, da waren auch ganz langsame bürokratische Prozesse und in der Zeit sind einfach viele gestorben.
00:11:51
Speaker
Und das wurde dann alles beschleunigt und Gelder wurden in diese Forschung gesteckt und dann gab es halt immer mehr Medikamente, sodass diese Epidemie da auch überwunden werden konnte und dann Medikamente entwickelt wurden, die Menschen ermöglichen, länger auch mit der Krankheit zu leben. Aber auch das, sogar das war ein Resultat von der Bewegung. Und trotz dieser verschiedenen Beispiele, die es eben in Demokratien gibt, ist es oft so, und ich hab das Gefühl, das gehört manchmal auch zu einem typischen Verlauf dazu, dass wenn man gerade mitten drin ist in der Hochphase der Bewegung,
00:12:20
Speaker
dass das dann so dargestellt wird, auch medial, dass die Protestformen dem Anliegen schaden. Aber da muss man auch dazu sagen, dass es auch geschichtlich eigentlich standardmäßig so verläuft, also sogar in der Bürgerrechtsbewegung, die heutzutage gefeiert wird und natürlich mussten sie das machen und natürlich war das aber so. Aber in der Zeit selber wurden sie zum Teil wirklich als sehr, sehr radikal abgestempelt, sogar von der
00:12:44
Speaker
von anderen Menschen Moderaterin in den schwarzen Communities, in den Kirchen, wurde dann Martin Luther King zum Beispiel auch sehr kritisiert und ihm auch vorgeworfen, dass er viel zu militante und radikale Mittel wählt und dass das, was sie dann schon erreicht haben bis dann, dass sie das auch noch verlieren würden.
00:13:02
Speaker
an Rechten und das war auch eine große große Angst und das wird im Nachhinein oft nicht mehr so erzählt, aber ja und trotzdem hört man ja dann, also gerade in Bezug auf die letzte Generation gab es ja dann auch ähnliche Vorwürfe beziehungsweise, dass man auch so ein bisschen das Gefühl hat, schreckt es vielleicht jetzt doch irgendwie Menschen davon ab vom eigentlichen Anliegen der Klimabewegung.
00:13:22
Speaker
Ich weiß nicht was, also es war bestimmt für dich auch echt schwierig damit umzugehen und das irgendwie so zu zu balancieren. Also ja, mich würde echt interessieren, wie das für dich war.
00:13:33
Speaker
Ja, also ich finde, es ist ein schwieriger Punkt auf der einen Seite, finde ich schon, dass man natürlich immer wieder auch kritisch hinterfragen sollte, was man macht und dass man auch auswertet, welche Methoden und Taktiken funktionieren jetzt besser und welche schlechter und sich das auch wirklich eingesteht. Und manchmal fehlt mir da auch so ein bisschen die Analyse von Dingen, die nicht so gut funktionieren.
00:13:53
Speaker
Ziviler Widerstand ist ja kein Allheilmittel, was einfach so alle Probleme löst, sondern du hast es ja schon gesagt, es ist ja irgendwo was sehr Strategisches, was viele Ebenen hat, die funktionieren müssen, damit er erfolgreich ist. Und natürlich ist dieses, trotzdem diese Aussagen von, es schadet dem Anliegen und ihr macht diese ganze Arbeit irgendwie kaputt, was, was man sehr oft zu hören bekommen hat.
00:14:16
Speaker
Ich war dann wirklich sehr, sehr froh, als die ersten wissenschaftlichen Studien dazu kamen, weil ich das schon vermutet hatte, aber halt wissenschaftlich nicht belegen konnte, dass es eben nicht so ist. Und dann gab es aber nach ein, zwei Jahren viele verschiedene Studien, zum Beispiel eine vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dem WZB, wo ich ja selber auch das erste Jahr für meinen Doktor war, die dann wirklich mal analysiert haben, wie ist es denn, und geschaut haben,
00:14:42
Speaker
Wie wirkt sich der Protest auf die Meinung der Menschen zum Thema Klimaschutz aus? Und die ja sehr eindeutig gezeigt haben, ja, die Protestformen sind unbeliebt und die sind radikal und die sind weniger gern gesehen als Demonstration, aber sie schaden dem Anliegen nicht, also dem Klimaschutz, worum es ja geht. Und das ist ja genau das Wichtige zu sagen, dass Protest die Aufmerksamkeit und überhaupt erst zeigt, dass es ein Problem gibt und dass Menschen mehr über die Klimakrise lernen
00:15:11
Speaker
Und diese ganzen Probleme, die da mit der Lobbyarbeit und was das bedeutet, wenn sich die Erde ein, zwei, drei Grad erwärmt. Das alles zu verstehen, also das Bewusstsein für die Problematik zu schärfen, das schafft der Protest auf jeden Fall. Und er schadet somit also nicht dem Anliegen, sondern die Vorgehensweise ist halt das, was kritisiert wird. Und das wird leider sehr oft vermischt. Und deswegen ist diese Aussage, er schadet dem Anliegen so in diesem Maße auf jeden Fall nicht richtig.
00:15:39
Speaker
Ja, sehr gut. Und warum manchmal die Vorgehensweise trotzdem Sinn machen kann, auch wenn sie vielleicht nicht so gern gesehen ist, darüber werden wir dann in der nächsten Folge sprechen. Aber ich wollte noch anmerken, dass das auch bei anderen Bewegungen ähnlich war, wie sie den Diskurs, also die öffentliche Debatte dazu verschoben und beeinflusst haben, auch wenn man
00:15:58
Speaker
meint, dass die Bewegung an sich vielleicht nichts erreicht hat oder so. Das war nämlich ähnlich auch bei der Occupy-Wallstreet-Bewegung. Vielleicht erinnert sich noch die eine oder andere ran. 2011 angefangen eben in New York und dann hat sich das auch global verbreitet.
00:16:13
Speaker
Und da gab es dann tatsächlich auch Studien mit Diskursanalysen danach, wo man dann medial sich nochmal anguckt, welche Themen werden wie oft genannt. Und da gab es dann ganz eindeutig wirklich eine Verschiebung, dass viel, viel mehr in den USA über soziale Ungleichheit gesprochen wurde. Damals ging es ja auch sehr viel in den Kampagnen um diese Slogans 1%, 99%, wir sind die 99%.
00:16:36
Speaker
und dass aber die 1%, also die Finanzelite, am meisten Wohlstand hat und von einem profitiert und dass es eben sehr ungleich verteilt ist. Und auch wenn da jetzt erstmal die Finanzheie nicht alle enteignet wurden, dennoch hat sich da ganz viel getan, eben was Bewusstsein angeht und daraus sind dann eben
00:16:57
Speaker
weitere Programme und Gesetze etc. entstanden. Darüber sprechen wir vielleicht auch noch in einem späteren Zeitpunkt über die Schrittweise Veränderung und dass es oft nicht alles auf einmal natürlich geht.

Ziviler Widerstand als demokratisches Werkzeug

00:17:11
Speaker
Ja, und dann ist natürlich noch eine dritte Sache, die neben dem funktioniert das überhaupt und ihr schadet doch der Sache, immer wieder vorkommt. Vielleicht sogar noch öfter ist ja diese Frage nach dem demokratischen, also wie demokratisch ist es überhaupt, das zu machen? Das hast du jetzt ein bisschen schon angeschnitten, als wir darüber gesprochen haben, ob wir in die Politik gehen sollten, aber das
00:17:32
Speaker
Ich weiß nicht, ob du dich noch daran erinnerst, wir saßen in unserer Forschungsgruppe und das war zu Hochzeiten der letzten Generation, wo ich dann die Frage gestellt habe und alle Leute in unserem Forschungskreis erstmal gelacht haben. Ich weiß nicht, ob du, du warst da auch dabei, ob du dich noch daran erinnerst.
00:17:47
Speaker
Aber was mir einfach gezeigt hat, wie absurd diese Behauptung auch ist, weil das ja wissenschaftlich überhaupt keine Debatte ist, oder? Dass wir darüber sprechen, ob es demokratisch ist oder nicht, weil das ja einfach so tief miteinander verwurzelt ist. Und du hast es ja vorhin auch schon ein bisschen gesagt, es geht ja darum, dass man dieses Mittel verwendet, wenn es eben demokratische Defizite gibt. Also Probleme, die anders nicht aufgearbeitet werden können und dass das eben eine Korrektur ist, weil es ja
00:18:14
Speaker
Total absurd ist zu denken, dass in einer Demokratie heute alles perfekt läuft und dass man ja eben viele verschiedene Wege braucht, sich da einzubringen. Also das finde ich ist auch noch mal so einer der Punkte, der immer so oft genannt wird, aber der sich überhaupt nicht deckt.
00:18:30
Speaker
Ja genau, das wollte ich dich eigentlich auch nochmal zurückfragen aus der Praxis und was du da alles so mitbekommen hast, weil ich eben gerade zu dem Punkt mit der Demokratie, ich kenne das eben eher aus der Demokratieforschung, also aus der Forschung zu demokratischen Bewegungen, eben du hast es da Forschung genannt, sehr viele, sehr viel der Forschung und der bekannten Fallstudien sind eben zu Bewegungen gegen Diktaturen oder es geht darum eben Demokratien zu vertiefen, eben dass bestimmte Gruppen mehr Partizipation haben durch mehr Rechte,
00:18:59
Speaker
oder zum Beispiel das Wahlrecht der Frauen. Also ganz, ganz viele Beispiele aus der Geschichte des zivilen Widerstandes. Da geht es eher darum, um mehr Demokratisierung sich zu erkämpfen. Und deswegen habe ich mich dann doch auch öfter mal am Kopf gekratzt, als ich dann so Sachen in den Medien gelesen habe, über das sei undemokratisch oder eben, was wurde dann noch gesagt, dass man damit Politiker erpresst oder eben, dass es nicht legitim ist. Und da wollte ich dich nochmal fragen,
00:19:27
Speaker
Ja, also wie bist du damals damit umgegangen oder vielleicht wahrscheinlich bis heute noch, musst du es ja in Gerichtsverhandlungen vielleicht auch hören. Wie bist du damit umgegangen oder was ist so deine, deine Antwort darauf? Ja, also ich glaube, gerade in den Gerichten ist das was, wo eigentlich einer der Orte ist, der mich am meisten frustriert. Ich bin generell eigentlich nicht so oft frustriert, weil ich oft erlebe, wie gut ziviler Widerstand funktioniert und eigentlich eher hoffnungsvoll bin. Aber ja, dass gerade in den Gerichten ebenso war, dass es
00:19:56
Speaker
so frustrierend war, weil man, ich erzähl dann immer am Anfang sehr lange, was ist überhaupt sie wieder widerstanden, warum ist es demokratisch und geh dann auch auf die Rolle der Gerichte ein, weil das ist ja genau das Problem. Also zum Beispiel beim Klimaschutz wurde die Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht dazu angehalten, mehr Klimaschutz zu machen. In den Jahren darauf haben sie die Sektorenziele, also die einzelnen Ziele in den Bereichen, abgeschwächt und verbessert und jetzt sogar aufgelöst, was einfach zeigt, dass sie ja
00:20:24
Speaker
den Klimaschutz quasi entgegenwirken und gar nicht mehr Klimaschutz machen, so wie das eigentlich eingefordert ist und versuche dann eben vor Gericht zu erklären, ich mache doch Protest um eure Urteilsprechung, die ihr als eine der mächtigsten Institutionen in Deutschland, das Bundesverfassungsgericht, ausgesprochen hat, die Bundesregierung dazu anzuhalten, mehr Klimaschutz zu machen. Das tut sie nicht. Ich versuche, euer Urteil umzusetzen. Das heißt, wir arbeiten gar nicht gegeneinander, sondern wir arbeiten beide im Sinne der Demokratie
00:20:52
Speaker
Und ja, es ist natürlich irgendwie super frustrierend und manchmal dann kommt man auch selber ins Zweifeln, wenn dieser Punkt einfach nicht verstanden wird, dass man sich ja für Demokratie einsetzt. Und ich glaube, da hilft es einfach und das wollen wir auch machen.
00:21:07
Speaker
über die deutsche Protestgeschichte zu sprechen und es muss eigentlich viel mehr darüber hinausgehen. Es müsste eigentlich in den Schulen die ganze Zeit unterrichtet werden. Wie sind eigentlich der Großteil unserer demokratischen Rechte entstanden? Nämlich über Protest und weil Leute aus der Bevölkerung etwas eingefordert haben, was dann erst in den Gesetzestexten und in Verfassungen verankert wurde. Und dieses Bewusstsein, ich bin mir nicht sicher, ob das bewusst versucht wird zu unterdrücken. Das ist jetzt sehr spekulativ, aber
00:21:37
Speaker
ist etwas, was ich finde, was uns als Gesellschaft einfach total fehlt. Ja, und ich finde, das ist ein super Vorschlag, das auch mehr in die Schulen zu bringen. Die Ideen müssen wir nur noch ein bisschen verbreiten. Aber ich glaube, wir kommen auch schon so langsam zum Ende der ersten Folge.

Reflexion und Ressourcen

00:21:54
Speaker
Aber ich habe jetzt schon auch ganz schön viel mitgenommen. Also für mich definitiv auch nochmal diese Erinnerung, dass ziviler Widerstand auch dazu da ist,
00:22:04
Speaker
existierendes Recht auch durchzusetzen und ja, weitere Rechte sich auch zu erkämpfen beziehungsweise, dass die Rechte, die wir haben, überhaupt erst erkämpft werden mussten durch Mittel des zivilen Widerstandes und auf gewaltfreie Art und Weise und das irgendwie auch nochmal sich in Erinnerung zu holen. Was hast du denn mitgenommen?
00:22:21
Speaker
Ja, ich bin ja immer ein großer Fan von Zitaten. Ich weiß nicht, wie sie mich motivieren, die immer total. Und ich habe mir das Volg genommen, zu jeder Podcastfolge von uns einen Zitat am Ende mitzubringen. Und ich finde, dass einfach das Zitat von der Friedensnobelpreisträgerin Betty Williams, die sich viel eben auch für Protest und zivilen Widerstand in Irland eingesetzt hat, die eine unglaublich lustige Frau ist und viele tolle Zitate hat, dass sie gesagt hat,
00:22:46
Speaker
Ich sage immer, dass Gewaltlosigkeit nicht die Waffe der Schwachen ist, sie ist die Waffe der Starken. Und ich hoffe, dass wir das mit diesem Podcast auf jeden Fall auch ein bisschen zeigen konnten.
00:22:57
Speaker
Ja, sehr schön, sehr inspirierend. Ja, und ich würde euch gerne am Ende jeder Folge so ein paar hilfreiche Tipps und Ideen geben, wie man jetzt aktiv werden kann, sei es Ressourcen oder auch Orte, wo man mitmachen kann. Und heute habe ich euch mitgebracht die wunderbare Homepage des Internationalen Zentrums für Gewaltfreie Konfliktbearbeitung, also der International Center for Nonviolent Conflict mit der Adresse nonviolent-konflikt.org.
00:23:25
Speaker
Und das ist wirklich ein ganz hervorragender Hub, sage ich mal, für Ressourcen aller Art, also sei es spannende Dokumentarfilme, wissenschaftliche Publikationen, aktivistische Handbücher zur Kampagnen und Strategieplanung und all das wirklich nicht nur auf Englisch, sondern alles übersetzt in ganz viele verschiedene Sprachen, nicht nur europäische, asiatische, afrikanische, latinamerikanische. Also das ist wirklich
00:23:52
Speaker
ganz wunderbar. Es lohnt sich wirklich da mal einen Blick zu werfen, unter anderem zum Beispiel der Dokumentarfilm Force More Powerful über die Beispiele der Bürgerrechtsbewegung, der Anti-Apartheid-Bewegung, Gandis, Unabhängigkeitsbewegung, aber eben auch der sozialen Verteidigung gegen die Nazis in Dänemark.
00:24:14
Speaker
und in Prag der Prager Frühlinge und ein paar andere nicht so ganz bekannte Fallbeispiele. Es lohnt sich auf jeden Fall da mal raufzuschauen und natürlich packen wir euch die Links in die Show Notes.
00:24:28
Speaker
Wir freuen uns auch von euch zu hören. In den Show Notes seht ihr unsere beiden Instagram-Accounts und wir freuen uns total zu hören, eure Gedanken über diese Folge, was ihr vielleicht, was euch vielleicht noch interessieren würde und freuen uns schon aufs nächste Mal. In der nächsten Folge, das ist unsere Strategiefolge, da geht es dann mehr eben darum, wie ziviler Widerstand eigentlich strategisch geplant wird und was es da so an Werkzeugen und Tools gibt, um strategisch wirksam vorzugehen.
00:24:59
Speaker
Vielen Dank fürs Zuhören, würde ich von meiner Seite sagen. Schreibt uns auf jeden Fall auf Instagram, wenn ihr Vorschläge habt, was wir nochmal sprechen sollten oder Anregungen. Wir lesen uns das auf jeden Fall durch und freuen uns mega über Feedback.
00:25:13
Speaker
Ja, an der Stelle auch ein großes Dankeschön an die tajikische Teestube in Berlin, in der Nähe der Oranienburger Straße. Da durften wir nämlich letztens tatsächlich ein paar Fotos machen, die ihr auf dem Cover fürs Titelbild von unserem Podcast seht. Und ein riesengroßes Dankeschön an Norman Conrad, der die tollen Bilder gemacht hat und sich die Zeit genommen hat. Und ein großes Dankeschön auch nochmal an die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit.
00:25:40
Speaker
die uns das Ganze hier auch finanziell ermöglicht. Vielen Dank für die Unterstützung.
00:25:45
Speaker
Und an dieser Stelle auch nochmal einen riesen Danke an die ganzen Menschen, die uns unterstützen. Die liebe, tolle Emé van Balen, die uns bei unserem Social Media unterstützt. Aber auch an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Staunen. Vielen, vielen Dank. Ja. Und danke an euch alle. Bleibt stark. Und bis bald, würde ich sagen. Bis zum nächsten Mal. Macht's gut. Tschüss. Tschüssi.