Einführung in den Podcast und den Fokus auf strategischen Protest
00:00:08
Speaker
Das dritt nach meiner Kenntnis ist das sofort unverzüglich. Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest. Wir sind Lea und Lila. Hallo. Herzlich willkommen.
00:00:38
Speaker
Schön, dass ihr es in unserer dritten Folge unseres Podcasts zu zivilem Widerstand geschafft habt.
Warum scheitern Bewegungen trotz erfolgreicher Widerstandsgeschichte?
00:00:43
Speaker
Und heute geht es darum, warum Bewegungen scheitern. Wir haben ja die letzten beiden Mal darüber geredet, warum ziviler Widerstand so effektiv ist und so wirksam und wie er besonders strategisch sein kann. Und heute wollen wir eben darüber reden, warum klappt das manchmal eben nicht? Was sind da so Probleme?
00:00:59
Speaker
Wie können Bewegungen eben wirksamer strategischer werden?
Hintergrund der Gastgeber und ihre Erfahrungen
00:01:03
Speaker
Ja, ich bin Dalila. Ich habe zu dem Thema promoviert, zu zivilen Widerstand gegenüber transnationalen Konzernen und habe ein Background auch im Organizing und Aktivismus und gebe Workshops zu den Themen für Aktivistinnen oder auch Uni-Kurse.
00:01:15
Speaker
und leer hat die letzte generation mit gegründet dazu ein buch geschrieben die zeit für mut ist jetzt in fischer verlagen macht ihre doktorarbeit dazu und genau auch zu diesem heutigen thema deswegen werden sie auf jeden fall ausquetschen und wollen wir wissen was da so ideen und gedanken sind.
Casual Gespräch über Tee und ernsthaftes Thema
00:01:32
Speaker
Aber es geht eben nicht nur um Taktiken und nicht nur darum, um erfolgreiche oder erfolglose Taktiken, sondern wir wollen dabei natürlich auch genüsslich unseren Tee schlürfen. Ich habe heute, es nennt sich Glückstee, Apfelminze, Pfefferminze, Zitronenmelisse, Ringelblumen und so weiter und so fort. Sehr, sehr, sehr köstlich. Was hast du dabei, Lea?
00:01:52
Speaker
Ja, ich habe heute auch einen basischen Kräutertee dabei, den werde ich jetzt auch genießen. Ich würde dann vielleicht einmal direkt mal loslegen, weil du ja eben genau dazu auch deine Dessertationsschrift, also deine Doktorarbeit schreiben möchtest. Warum dieses Thema?
Forschung zu Erfolg und Misserfolg des zivilen Widerstands
00:02:07
Speaker
Worum geht es dir da? Was beschäftigt dich da?
00:02:11
Speaker
Ja, also vielleicht vorneweg nochmal, wir haben es ja in den ersten beiden Folgen schon besprochen und du hast es gerade eben auch nochmal gesagt, also es geht mir nicht darum zu vermitteln, dass Ziviler Widerstand ein ineffektives Mittel ist, sondern ganz im Gegenteil, wir haben ja gesehen, wie viele Veränderungen es in der Vergangenheit schon angestoßen hat und wir beide zweifeln das ja überhaupt nicht an.
00:02:33
Speaker
Aber was halt wahrscheinlich genau aus diesem Grund, dass es so erfolgreich war, passiert ist, ist, dass die Forschung sich in meinen Augen sehr doll eben auf erfolgreiche Beispiele konzentriert und sehr wenig auf die Beispiele, wo es mal nicht funktioniert hat. Und das sind aber gerade die Erkenntnisse und das, was man mitnehmen sollte, finde ich, um Bewegung ja noch erfolgreicher zu machen. Und ich habe vor kurzem einen Film geschaut, der nennt sich Rise Up,
00:02:57
Speaker
Und da hat einer der Protestierenden, ein Organizer in Amerika, Kali Akuno heißt der, der hat so schön gesagt, wir haben hier und da Fehler gemacht, bei dem Experiment ging das daneben, das war nicht demokratisch genug. Uns stehen alle historischen Lehren zur Verfügung und ich blicke auf diese fehlgeschlagenen Versuche als irgendwie notwendige Schritte auf dem Weg, unseren Traum zu verwirklichen. Und das hat
00:03:22
Speaker
sehr mit mir resoniert. Das Scheitern gar nicht als was Schlechtes zu sehen, sondern eben als Notwendigkeit, um an den Punkt zu kommen, an dem wir jetzt gerade sind und auch noch viel mehr daraus zu lernen. Und ja, gerade in den Zeiten, in denen wir aktuell leben, wir stehen vor vielen Herausforderungen, brauchen wir einfach eine starke Zivilgesellschaft. Ich hoffe, dass ich da mit meiner Doktorarbeit ein bisschen ein paar Einblicke geben kann, damit Bewegungen eben noch stärker werden.
Fehler als Feedback und Lernmöglichkeiten betrachten
00:03:48
Speaker
Ja, dieses experimentelle Mindset, sage ich mal, von Kali Okuno, das ist, finde ich, total wichtig, also dieses Trial and Error und aber eben das nicht so als Niederlage, also bringt es nichts zu sehen, sondern eher als Feedback, was kann man davon an Informationen mitnehmen, um es eben anders zu versuchen, besser zu machen und eben daraus zu lernen, gestärkt daraus hervorzugehen und zu wachsen.
00:04:10
Speaker
Das meint ja auch eben letztens Brian Martin, mein Doktorvater und Mentor, als wir über euer Projekt gesprochen hatten, das so zu frame, eben als Experimente statt als Scheitern zu sehen. Und ja, ich finde das auf jeden Fall sehr wichtig und es wird oft eher so schwarz-weiß gesehen. Also entweder ist es eine Niederlage oder es ist ein Erfolg und oft ist die Wahrheit halt messy und dazwischen und nicht so binär, sage ich mal.
00:04:34
Speaker
Ja genau, das ist ja der spannende Punkt, also was versteht man überhaupt unter scheitern? Wir hatten in der letzten Folge, hast du über das Occupy Wall Street Movement gesprochen in Amerika, wo es viel um Finanzen ging und da hast du darüber gesprochen, dass sich durch diese Proteste der Diskurs verschoben hat, also die Art und Weise, wie Menschen über dieses Thema gesprochen haben, verschoben hat und dass das schon ein Erfolg in sich selber war und
00:05:01
Speaker
Ich würde dem auf jeden Fall total zustimmen, dass es ein Erfolg des Occupy Wall Street Movements war, diese sozialen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten und wie darüber gesprochen wird, sichtbar zu machen und Aufmerksamkeit darauf zu legen. Aber in meiner Definition
00:05:17
Speaker
hängt halt Erfolg noch an vielen anderen Punkten. Also es geht eben nicht nur um die Aufmerksamkeit, dass sich wirklich realpolitisch was verändert und die Forderungen von den Bewegungen eben durchgesetzt werden. Und wir haben ja eine Grafik dazu oder einen Plan, der nennt sich Movement Action Plan von Bill Moyer, der ist so in acht Stufen unterteilt durch die Bewegungen so durchgehen. Eben am Anfang, wenn das Thema noch überhaupt nicht relevant ist, also er hat das am Beispiel der Anti-Atomkraft-Bewegung gezeigt,
00:05:46
Speaker
Da geht es erstmal darum, ja, gesellschaftlich zu vermitteln, warum ist Atomkraft ein Problem. Dann passieren in den Phasen danach oft sogenannte Trigger-Events, also wie zum Beispiel das Unglück von Fukushima, wo halt dann auf einmal das Problem richtig groß ist. Und dann geht halt eine Bewegung los und gewinnt dann auch am Ende. Und für mich ist eben dieses Gewinn, dass tatsächlich sich was verändert, also Atomkraft runtergefahren wird zum Beispiel.
Öffentliche Meinung vs. politische Veränderungen
00:06:12
Speaker
Ja, ja, da würde ich auf jeden Fall zustimmen. Also das mit der Diskursverschiebung und dass man das tatsächlich auch quasi empirisch nachweisen konnte, das war einfach nur ein Beispiel. Ich glaube, es war sogar bei This is an Uprising von den Englern so benannt. Aber ich bin definitiv auch eher in dem Lager zu sagen, man braucht, also die öffentliche Meinung zu beeinflussen ist definitiv ein wichtiger Schritt, aber das reicht nicht aus und da muss man auf jeden Fall noch weitergehen, um halt tatsächlich Gesetzgebungen und Rahmenbedingungen etc. zu ändern.
00:06:42
Speaker
Ich würde es halt nicht so hart sehen, nicht als Erfolg oder Niederlage, sondern welchen Impact hat es, welchen Effekt kann man in dem Sinne sagen. Und würde ich auch der ehemaligen Organiserin, die ja leider leider leider von uns gegangen ist, Jane McAlevey, und ich weiß bis heute nicht genau, wie ich sie richtig aussprechen soll,
00:06:59
Speaker
die ja eine Doktorarbeit bei Frances Fox Piven dazu geschrieben hat, lange sehr erfolgreiche Organizerin war und dann auch ein Buch dazu geschrieben hat. Sie hat sich eben so ein bisschen in ihrer Doktorarbeit, das fand ich auch witzig, das würde in einer deutschen Doktorarbeit so nicht durchgehen, aber sie hat es richtig lustig gemacht über die Occupy Wall Street Aktivistinnen, dass die halt irgendwelche Plätze besetzen und dann darüber tweeten und meinen, dass dann eben Gesetzesgeber eine Offenbarung erhalten, wie unmoralisch und ungerecht alles ist und deswegen dann alles ändern.
00:07:29
Speaker
Und da bin ich definitiv bei ihr, das ist definitiv mehr tatsächlichen Druck und tatsächliche Störungen, Bedarf, um etwas zu ändern. Es reicht nicht aus, um ein gutes Messaging zu haben, gutes Framing oder alles gut darzustellen durch eine kreative Aktionsform, sondern es ist wirklich wichtig, EntscheidungsträgerInnen da unter Druck zu setzen, wo sie tatsächlich auch, ja, was spüren, sagen wir mal so. Also das musste ich nochmal richtigstellen, dass ich da definitiv nicht in dem Diskurslager bin.
Strategische Planung und interner/externer Erfolg
00:08:00
Speaker
Ja das aber gut ist du das sagst weil das ist ja der erste punkt meiner doktorarbeit also ich unterteile das so ein bisschen in interne faktoren und externe faktoren also interne faktoren bedeuten einfach dass das was ist was die bewegung selber in der hand hat.
00:08:16
Speaker
Also Dinge, für die sie sich entscheidet, die sie anders machen könnte. Und externe Faktoren sind halt die Umstände und der Kontext, in dem sich so die Bewegung bewegt und was auch andere Akteure zum Beispiel das gegenüber so starten, wie die reagieren.
00:08:32
Speaker
und natürlich beeinflussen sich intern und externe faktoren auch total und da ist eben was du schon meintest und was wir auch in der zweiten folge jetzt letztes mal besprochen haben eben total wichtig dieses konzept der macht. Also sie wieder widerstand funktioniert ja darüber dass man macht weg nimmt von dem gegenüber und seine eigene macht auch stärkt natürlich und.
00:08:53
Speaker
Das ist eben so wie McLevy, ich glaube, so wird sie ausgesprochen, das auch gesagt hat, es mangelt den Bewegung nicht an Enthusiasmus oder Leidenschaft, das sind alles sehr engagierte Menschen, sondern das Problem ist, dass oft die Strategie fehlt, also dass nicht eben diese Machtanalysen gemacht werden, zu gucken, welche der Säulen, darüber haben wir letztes Mal gesprochen, also wichtige oder für diesen Kampf relevante Akteure auf die Seite zu ziehen, worauf sollten sich die Proteste fokussieren,
00:09:23
Speaker
Und ja, also Jane McAlevee hat auf jeden Fall immer eine harte Art, die Dinge zu sagen. Ihr Punkt ist einfach, und das stimme ich hier zu, dass man sehr genau sich überlegen muss, wie man das anstellt und wie man Macht bekommen kann. Und in diesem Kontext spricht sie halt auch darüber, dass ein großes Problem in den Bewegungen heutzutage ist, dass mobilisiert wird, aber nicht organisiert. Was eben bedeutet, dass man mit Menschen spricht, die sowieso schon überzeugt sind, die in seiner eigenen Blase sind.
00:09:52
Speaker
Aber dass das im Endeffekt nicht die Menschenmassen ab die Straße bringen wird, sondern nur, wenn man eben aus einer Komfortzone rauskommt und in das Organisieren geht und guckt, wen müssen wir tatsächlich überzeugen und diese schwierigen Gespräche führt, dass man dann eben seine Mobilisierungsbasis auch erweitert. Und das finde ich sehr überzeugend und ist für mich so einer der Kernpunkte, warum Bewegungen heutzutage vor so großen Herausforderungen stehen und teilweise sogar scheitern.
00:10:20
Speaker
Boah, ich bin richtig gerührt, das von dir zu hören, von jemandem, der eine Klimabewegung quasi aufbaut, zu hören, wie wichtig das Organizing ist. Ja, das inspiriert mich sehr, weil ich damals tatsächlich, als ich über den zivilen Widerstand was gelernt hatte, zeitgleich eben auch übers Organizing gelernt hatte,
00:10:38
Speaker
und das da eben so toll fand dass da eben genau die menschen erreicht werden die sonst nicht repräsentiert sind politisch und auch sonst so also marginalisiert werden unterdrückt werden, und dass die dann quasi dazu gebracht werden wirklich aktiv zu werden und für sich und die rechte sich einzusetzen,
00:10:56
Speaker
Und da hatte ich auch schon das Gefühl, boah, das ist so schade, das fehlt so sehr an so vielen Bewegungen, einfach dieses zu schaffen, diese Brücke zu schlagen und nicht immer über bestimmte Menschen zu sprechen, die von was betroffen sind, sondern wirklich, dass die das anführen und anleiten und ganz vorne mit dabei sind. Aber jetzt muss es halt noch umgesetzt werden. Das ist
Prinzipien der Organisation auf Klimabewegungen anwenden
00:11:14
Speaker
halt jetzt so das Ding. Und es ist die Frage, wie vielleicht vielleicht nochmal auch ganz kurz zum Organizing. Das ist ja kommt ja quasi sowohl aus einem gewerkschaftlichen Bereich, also es geht darum, Menschen zu organisieren,
00:11:25
Speaker
in die gewerkschaft quasi dass sie oder so dass sie in der lage sind dass die mehrheit einer belegschaft einen streik ausführen kann oder eben aus den community organizing das ist halt in der nachbarschaft zum beispiel gegenüber vermietern oder im mobilen konzern.
00:11:41
Speaker
da auch in der Lage zu sein, die eigenen Interessen durchzusetzen. Das sind einfach nur Beispiele. Und wie kann man dann die Denkweisen, die Konzepte aus diesen Bereichen anwenden, dann auf andere Bereiche wie eben die Klimabewegung? Und das ist dann eine ganz große Herausforderung. Und ich glaube, da experimentieren gerade viele Menschen und es hat noch keiner so die Antwort gefunden, sondern sind alle gerade so ein bisschen dabei, das auszuprobieren, zu gucken, wie kann das aussehen?
00:12:05
Speaker
Ja, es ist natürlich auch hart. Also ich muss da auch selbstkritisch sein, dass ich das auch selber lange nicht gemacht habe, weil man ja dazu neigt, natürlich mit Menschen irgendwie zu sprechen, die dem eigenen Anliegen auch wohlgesonnen sind und mich da zum Beispiel auch im persönlichen
00:12:20
Speaker
Umfeld sehr abgeschottet habe, wenn da Menschen mit anderer Meinung waren. Und das ist jetzt, glaube ich, so ein bisschen meine Mission geworden, für dieses Jahr wieder mehr diese Gespräche zu führen und alte Beziehungen aufleben zu lassen und so. Weil es ist halt so verdammt wichtig. Und ich glaube nur, dann kommen wir weiter.
00:12:36
Speaker
Vielleicht nochmal ganz kurz zu dem Punkt organisieren versus mobilisieren. Ich weiß nicht genau, wie du es verstehst, aber ich habe mich damit auch ein bisschen auseinandergesetzt in verschiedensten Kontexten. Und da war das halt immer so ein bisschen so mobilisieren, also einfach Menschen einmalig auf die Straße bringen oder für bestimmte Aktionen. Aber dann ist es halt auch wieder vorbei so ein bisschen. Und organisieren heißt das eher so stetig.
00:12:59
Speaker
dran zu arbeiten, dass man immer mehr und immer mehr und immer mehr wird. Und da ist eben auch wieder die Frage, früher gab es eben, was heißt früher, es gibt immer noch Gewerkschaften, aber es ist trotzdem so eine gefühlt altbackene Art der Organisationsform für viele Menschen, wo sie sich nicht wirklich wohlfühlen und repräsentiert fühlen.
00:13:14
Speaker
Und dann ist eben die frage wie organisiert man heute mit anderen organisationsformen aber die trotzdem dazu führen dass man nicht einfach nur einmalig eben menschen zu einer bestimmten aktion einlädt sondern und dann alles wieder verpufft sondern dass das stetig wächst und aufeinander aufbaut und.
00:13:30
Speaker
das menschen auch so ein bisschen ja sich da so zugehörig fühlen langfristig aber eben auch das ist ein bisschen auch der unterschied und ich glaube auch dass oft beim mobilisieren wenige leute für viele entscheiden also so oft so bezahlte campaigner oder sowas und beim organisieren sind eben die betroffenen leute selbst die sich selbst organisieren in dem sinne
00:13:52
Speaker
Also ich glaube, ich habe es ein bisschen anders bisher wahrgenommen, weil also bei den Bewegungen jetzt eigentlich bei allen Bewegungen, wo ich aktiv war, gab es eine Mobilisierungs AG, also eine Gruppe, die sich um das Mobilisieren gekümmert hat, wo es schon auch darum ging zu sagen, die Leute sollen öfters zu den Protesten kommen, also nicht nur einmalig, sondern die wirklich, das war dann oft auch gekoppelt eben mit einer Integration und Einbindung, also die Menschen wirklich auch einzubinden in die Gruppe.
Bedeutung der Einbindung neuer Unterstützer
00:14:19
Speaker
Aber es gab nie eine Organizing AG, es gab eine Gruppe, die sich um die Säulen gekümmert hat, also die schon strategisch analysiert hat, wer sind die Säulen, zum Beispiel mit denen wir sprechen müssen, um einen Tempolimit durchzubekommen oder so. Aber was halt für mich der Unterschied ist, ist, dass es beim Mobilisieren eben genau oft
00:14:36
Speaker
die Menschen ja auch zu einem kommen, die kommen dann zu den Vorträgen, die man hält, die sehen das auf den sozialen Netzwerken oder so, die eh schon interessiert sind. Und beim Organizing nimmt man sich eher so ein bisschen zurück und schaut nochmal, auf wen müssen wir eigentlich zugehen, der gar nicht unbedingt zu uns kommen würde.
00:14:53
Speaker
Wir haben einen Kurs gemacht und da über das Organizing gelernt auch von Jane McEllivy. Und da wurde immer gesagt, man muss halt zu der Person gehen, die eigentlich am wenigsten Lust hat, in der Gewerkschaft zu sein, zum Beispiel, weil die eben so großen Einfluss haben. Und ja, das ist für mich eigentlich so das, was ich daraus mitnehme.
00:15:08
Speaker
Ja, auf jeden Fall eine sehr, sehr gute Ergänzung. Dieses Organisieren heißt eben, diese Gespräche zu fühlen und zu identifizieren, wer sind genau die wichtigen Leute, die dann vielleicht noch andere mit nach sich ziehen und so weiter. Aber gut, da gehen wir jetzt vielleicht ein bisschen zu sehr ins Detail gerade, weil ich es eben ja auch meinte mit Jane McAlevee, dass sie diese Kritik auch hatte mit
00:15:28
Speaker
damals Twitter, heute sind es dann vielleicht wieder andere Kanäle. Ich hatte so im Kopf, dass sie halt irgendwie auch Social Media kritisch war, aber vielleicht, wenn du den Kurs gerade gemacht hast, ich hab den vor ein paar Jahren gemacht, ist schon wieder ein bisschen her, vielleicht hast du es gerade noch mehr parat, was da ihre Kritik war.
00:15:44
Speaker
Ja, also du hast eigentlich schon gesagt und das ist auch Teil auch in meiner Arbeit eben, dass einfach so viel gerade auf den sozialen Netzwerken gemacht wird, dass halt diese ganze Strategie so ein bisschen in den Hintergrund rutscht und Leute halt denken, wenn man die ganze Zeit geliked wird, also und beliebt ist aus den sozialen Netzwerken, dass man auch als Bewegung beliebt ist, aber das halt
00:16:06
Speaker
Genau wieder der Punkt, dass einem in den sozialen Netzwerken ja oft die Menschen vorgeschlagen werden, die Interesse an dem Thema haben und nicht die, die man überzeugen müsste. Das ist, glaube ich, ihre große Kritik und die teile ich auf jeden
Interne Konflikte und Organisationsstrukturen in Bewegungen
00:16:21
Speaker
Ein anderer Punkt in meiner Doktorarbeit zu diesen internen Faktoren, also wenn es wirklich um die Bewegung geht, ist halt auch, was passiert oder was gibt es intern für Dynamiken? Was gibt es für Konflikte, für Kämpfe, für Strukturen? Und das, finde ich, ist ein total unterbeleuchteter Bereich in der Forschung. Aber es gibt sehr wenig dazu eben, was ist eine gute Organisationsform für eine Bewegung?
00:16:47
Speaker
Sollte es anderen Führerinnen geben oder nicht? Wie werden Entscheidungen getroffen und so weiter? Und ich muss sagen, eigentlich in allen Bewegungen, denen ich aktiv war, war das eins mit der Hauptprobleme, halt interne Uneinigkeiten. Und deswegen finde ich, ist das so ein krass unterschätzter Faktor dafür, dass Bewegungen scheitern. Da müssen wir auf jeden Fall nochmal viel zu forschen.
00:17:07
Speaker
Und oft ist ja dann der Versuch durch bestimmte Strukturen interne Dynamiken irgendwie auszugleichen. Und dann führt es irgendwie dazu, dass es da ganz viel um diese Strukturen geht oder dass es dann eben zu so bürokratisch, technisch, wie auch immer dann letztendlich wird. Was ich ja auf jeden Fall eine schöne Ergänzung fand zu machtausgleichenden Strukturen.
00:17:26
Speaker
ist eben sich ein ganz bewusst eine Kultur auch zu überlegen, also so wie man eben auch auf der Arbeit vielleicht eine gute Arbeitsatmosphäre haben will und als ja Personalführer vielleicht die Verantwortung hat für eine gute Arbeitsatmosphäre und Arbeitsklima und Arbeitskultur eben zu sorgen.
00:17:44
Speaker
so ist das vielleicht eben auch wichtig mit den menschen mit dem man versucht eine bessere welt aufzubauen und dann auch für eine gute kultur zu sorgen und sich anzuschauen ok was können wir in unserer täglichen arbeit anders machen damit das miteinander einfach schöner ist nicht nur von den strukturen her die dann quasi uns kontrollieren dass wir nicht so viel macht aufbauen oder sowas.
00:18:03
Speaker
sondern auch wirklich dann auch, ja, so Gewohnheiten auch zu ändern. Sei es aktives Zuhören, mehr Präsenz füreinander, auch emotionale Komponenten mehr berücksichtigen. Und da muss man natürlich auch gucken, dass das nicht zu viel Rauben einnimmt, weil man will ja weiterhin an seinen Strategien arbeiten. Genau, dass das irgendwie so ein herzlicheres Miteinander ist.
00:18:20
Speaker
Ich hatte das mitgenommen von dem Momentum-Training, das nennt sich Movement Incubator, das heißt also, dass die so wie Start-ups Bewegungen auch starten und ist unter anderem von einem der Autoren von This is an Uprising.
00:18:37
Speaker
Und haben in den USA verschiedene Bewegungen auf jeden Fall gekickstartet und das haben sie auch schmerzlich aus eigenen Erfahrungen gelernt, dass sie es am Anfang nicht dabei hatten, sondern eben nur Struktur, Message, Strategie und dann erst nach ein paar Jahren dann die Kultur dazukam als wichtiges Element, weil eben oft hatten sie alles und trotzdem war die Bewegung dann kurz vorm Scheitern, weil eben intern die Kultur dann vielleicht doch zu, ja, gegeneinander war.
00:19:04
Speaker
Ja, also finde ich auf jeden Fall gut, dass du das nochmal sagst. Es ist halt dann immer so die Frage, wie setzt man das dann wirklich um? Weil oft schreibt man dann ganz tolle Sachen auf, wie wir wollen, nicht so viel arbeiten und also in einem gesunden Rahmen und irgendwie aufeinander achten und im Endeffekt rutscht man dann doch wieder in so alte Muster zurück und es gibt nicht so richtig was, wie man das dann kontrollieren kann. Ja, aber ich denke auf jeden Fall auch, dass das wichtig
Vorbereitung auf staatliche Repression
00:19:30
Speaker
Ja, das ist so ein bisschen, also es gibt noch viel mehr interne Faktoren, aber es gibt halt auch eben diese externen Faktoren, die ich mir anschaue. Und da ist natürlich eine große Sache, die immer wieder genannt wird, natürlich auch die staatlichen Repressionen, die Bewegung bekommen. Wir haben es letztes Mal schon auch angesprochen. Es gibt ja, also es ist ja sogar Teil der Strategie von Bewegung, dass eben ab einem gewissen Punkt, wenn man erfolgreich ist, Repressionen kommen und man das ja dadurch, dass man friedlich bleibt,
00:20:00
Speaker
auch für sich nutzen kann, um mehr Menschen zu mobilisieren, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich sehe, dass sich zu viele Bewegungen heutzutage auf diesen Effekt verlassen und sagen,
00:20:15
Speaker
nicht gut, wenn die Repressionen kommen, aber wir provozieren das vielleicht sogar ein bisschen und dann nehmen wir den Backfiring-Effekt mit. Und das ist eine Tendenz, die mir ein bisschen Sorge bereitet, weil ich denke, dass wir auf jeden Fall damit rechnen sollten und darauf vorbereitet sein sollten, wenn Repressionen kommen, aber eigentlich ein Hauptteil unserer Strategiearbeit in, ja, zum Beispiel die Säulen stecken sollten. Aber das habe ich das Gefühl auch noch gar nicht in der Wissenschaft so richtig angekommen, dass das so gerade so ein Selbstläufer wird.
00:20:44
Speaker
Ja, in der Forschung zum Backfire-Effekt, der eben auch Boomerang-Effekt genannt werden kann, weil er eben dieses Zurückschlagen gegen den Verursacher einer Gewalt hat, wie eben Repression. Weil eben in der Forschung genau gesagt wird, das ist eigentlich gar nicht so gewöhnlich, dass das passiert, sondern da muss man schon auch bewusste Arbeit leisten als AktivistInnen.
00:21:05
Speaker
Und weil eben Regierungen oder Konzerne, also die verschiedenen Verursacher dieser Gewalttaten gegenüber Aktivistinnen,
00:21:15
Speaker
verschiedene Taktiken auch anwenden, damit das eben tatsächlich nicht gegen sie genutzt werden kann. Wie zum Beispiel, die Geschehnüsse werden vertuscht, sodass gar nicht erst Menschen davon erfahren. Oder sie werden neu interpretiert, sodass eine Situation einfach in einem anderen Licht dargestellt wird. Oder die Zielpersonen, also die Aktivistinnen in dem Fall, werden abgewertet. Zum Beispiel Klimaaktivistinnen sind Terroristen. Sodass dann quasi angeblich mehr Legitimation da ist, Repression gegen sie anzuwenden.
00:21:44
Speaker
Oder es wird durch offizielle Kanäle gegangen, wie zum Beispiel Komitees, um irgendwas zu überprüfen oder eben Gerichtsverhandlungen oder andere Formen der offiziellen Kanäle, was dann aber in dem Fall eine Verzögerungstaktik ist. Oder, der letzte Fall kann natürlich auch sein, eine verbreitete Taktik sind eben Einschüchterungsversuche, also mit
00:22:05
Speaker
Drohszenarien oder eben, dass auch Anreize geschaffen werden, Bestechungen zum Beispiel, das dann nicht ausgesprochen wird gegenüber der Regierung oder das öffentlich gemacht zu werden, die Ungerechtigkeit, die da passiert. Das heißt, das sind alles Taktiken, die benutzt werden, was den Backfire-Effekt ausmacht, damit dieser einfach nicht eintritt. Von daher
00:22:27
Speaker
ist es eigentlich gar nicht so leicht dass das funktioniert und dann muss man halt auch dazu sagen in der sozialen Bewegungsforschung da geht es schon sehr stark auch um die externen Faktoren und oft wird es dann auch mit externen Faktoren und Konditionen begründet warum bestimmte Bewegung dann halt nicht die günstigsten
00:22:44
Speaker
Bedingungen hatten um zu florieren sage ich mal und es gibt ein paar Bereiche der sozialen Bewegungsforschung die sich eben auch auf Strategie fokussieren aber das sind nicht sehr sehr viele in der Forschung die dann eben sagen klar es gibt definitiv sehr schlechte Bedingungen und die darf man nicht unterschätzen die muss man berücksichtigen vor allem.
00:23:01
Speaker
Bewegungen müssen das berücksichtigen in der Art und Weise, wie sie Strategien planen. Aber es ist nicht, also man kann daran das nicht festmachen. Es gibt auch sehr erfolgreiche Bewegungen, die unter widrigsten Umständen doch gepackt haben und andere, die eigentlich relativ gute hatten, zum Beispiel nicht so krasse Repressionen oder so und dann trotzdem sich das um Sande verlaufen hat.
00:23:21
Speaker
und dass das letztendlich geht es um die strategische Kapazität also in dem Sinne was macht man mit den Ressourcen die man hat was ein interner Faktor wäre oder aber auch mit den externen Faktoren also zum Beispiel krasseste Unterdrückung aber ich halte das tatsächlich für wichtig in dem Sinne dass man halt guckt was macht die Bewegung mit den externen Faktoren also das nicht so
00:23:44
Speaker
so ein Automatismus da ist, okay, schlechte Bedingungen, okay, dann geht es halt nicht oder so, sondern es erklärt das Ergebnis zum Teil. Aber ich glaube, ein Grund ist eben auch, hat die Bewegung strategische Kapazitäten aufgebaut, um besser umgehen zu können mit den externen Faktoren.
00:24:01
Speaker
Ne, das ist ja voll der gute Punkt, dass Bewegungen einfach gerade echt vor der Herausforderung stehen. Wie gehen wir mit diesen massiv ansteigenden Repressionen um? Also vor kurzem habe ich einen Artikel in der Tagesschau, es lief auch und ZDFs lief eigentlich überall, wiedergelesen, dass Protest in Deutschland immer weiter eingeschränkt wird, was
00:24:20
Speaker
automatisch bedeutet, dass die Zivilgesellschaft weiter eingeschränkt wird. Und ich war Anfang des Jahres, wurde ich für Brot für die Welt interviewt, die ihren kompletten Atlas der Zivilgesellschaft zu dem Thema Repressionen herausgebracht haben. Und da wurde Deutschland eben wegen des Umgangs mit den Klimaprotesten als Land herabgestuft und ist jetzt quasi eine beeinträchtigte Zivilgesellschaft und nicht mehr eine komplett freie. Und das sehen wir ja gerade überall an allen Ecken und Enden einander halt.
Repression in Deutschland und deren Auswirkungen
00:24:50
Speaker
Ja, unsere Demokratien immer weiter eingeschränkt und die Zivilgesellschaft weiter eingeschränkt werden, weil sich diese staatlichen Repressionen verschärfen. Und das denke ich, es geht halt über diesen Backfiring-Effekt schon wieder hinaus. Es ist so eine Entwicklung, die für Bewegung einfach wirklich herausfordernd ist, dass da gerade die Gesetze so verschärft werden. Und ja, auch wo ich mich auch frage, was ist da eine gute Reaktion darauf?
00:25:15
Speaker
dass man eingeschüchtert wird, dass man ganz viel dann letztendlich legal damit zu kämpfen hat, irgendwie ständig in irgendwelche Gerichtsverhandlungen rennen muss, ihn darauf vorbereiten muss anstatt, also dann wird man, weil man hat ja selber nicht so viele Ressourcen wie dann vielleicht ein Riesenkonzern, der dann einfach eine ganze Abteilung abzwacken kann und sagen kann, okay, ihr beschäftigt euch jetzt
00:25:31
Speaker
mit der Challenge, aber wir können trotzdem weiter in unsere Profite fahren, so ist es ja nicht, man sind ja nur ein paar Leute und dann musst du gleichzeitig Gerichtsverhandlungen machen und aber deinen eigentlichen Plan weitermachen und von daher werden dann da, es gibt so einen schönen Begriff, vielleicht Ressourcen diffundiert oder so. Naja, auf jeden Fall ist es eine krasse Ablenkungstaktik dann eben auch von Seiten des Staates und eben auch eine Ablenkung und dass eben Dinge verschleppt werden, aber eben auch letztendlich, dass man auch irgendwann erschöpft ist.
00:25:55
Speaker
Und dann viele Leute deswegen dann auch irgendwann aufhören, weil sie denken, es ist immer wieder gegen Windmühlen und immer wieder gegen, dass man dann irgendwann einfach auch nicht mehr die psychischen Kapazitäten hat. Und viele Menschen dann dadurch aussteigen einfach. Also Zermürbungstaktik wäre das ja. Also ich weiß nicht genau, wie du das erlebt hast. Es muss so heftig gewesen sein, da ständig so einen krassen Gegenwind zu halten, weil ich meine, Repression ist ein Wort. Also ich habe das Gefühl, viele Menschen haben gar keine Vorstellung davon, was das im Leben bedeutet.
00:26:22
Speaker
Ja, also es sind ja natürlich nochmal unterschiedlich. Mal die harten Repressionen und die weichen Repressionen. Dass die harten Repressionen sind halt wirklich, du bekommst ja, wenn du protestierst, Polizeigewalt, du hast die Gerichtsverfahren, was natürlich ja heftig ist. Also das sind glaube ich schon eher Dinge, auf die man sich vorher einstellt. Soziale Bewegung trainieren ja auch ganz viel und trainieren zum Beispiel
00:26:47
Speaker
angeschrien zu werden oder weggetragen zu werden von der Polizei. Das ist etwas, worauf man sich noch vorbereiten kann. Natürlich, wenn man länger im Gefängnis ist oder weggesperrt wird, ist das auf jeden Fall eine krasse Belastung. Aber dann gibt es ja noch die sogenannten Weichenrepassionen, also wo
00:27:03
Speaker
Ja, viel verbal auch einfach gemacht wird. Also zum Beispiel dieser ganze Ausdruck der Klimakleber oder Klima-RAF oder Extremisten, Terroristen. Das sind alles Strategien, die benutzt werden, um quasi diese harten Repressionen irgendwie zu legitimieren. Weil wenn man die vorher eh schon mal schlecht redet, die Protozierenden, dann ist es auch nicht mehr so schlimm, wenn die dann verhaftet werden. Das macht ja dann total Sinn. So, ah ja, die sind ja weggeschwert, die Terroristen. Das halt muss man sich auch bewusst sein.
Öffentliche Gleichgültigkeit gegenüber Repression
00:27:31
Speaker
ausgefeilte taktik die benutzt wird das ganze nennt sich auch smart repression also schlaue unterdrückung. Und da hatte eine zuhörerin auch gefragt wie das denn sein kann dass da so oft eine gleichgültigkeit in der bevölkerung.
00:27:47
Speaker
gegenüber Einschränkungen unserer Demokratie ist. Und ja, das ist eben krass zu sehen, wie diese Gegenstrategien gegen Protest im echten Leben wirken und funktionieren und eben viele Menschen das gar nicht mehr als ein Problem dann wahrnehmen.
00:28:03
Speaker
Und das, da muss ich schon sagen, das trifft einen natürlich mehr, weil das so einen Hass führt und polarisiert, dass, ja, ich das sehr gut kenne, eben diese Morddrohung zu bekommen, Angst zu haben, um sich selber, um die Familie. Ich glaub, bei mir war das Hauptthema immer, dass ich mich alleine sehr unwohl gefühlt hab, weil man halt, also wenn ich alleine zu Hause bin, das auch immer noch tue, weil man halt nie weiß, wann steht die Polizei vor der Tür oder sind jetzt eigentlich auch Leute gefolgt oder so.
00:28:31
Speaker
Krass. Ja, also da bin ich ja nicht mit alleine. Das ist ja eben, ich glaube, für alle, die Protest machen und das in der Vergangenheit gemacht haben, auf jeden Fall ein Thema dieses Reporsions, diese Reportion. Aber es macht mir halt große Sorge, dass es gerade so automatisch passiert, dass wir durch den Anstieg von rechten Parteien eben immer mehr diese Zivilgesellschaft einschränken und dass wir jetzt recht aktiv dagegenhalten müssen, uns da nicht unsere Rechte wegnehmen zu lassen.
00:29:00
Speaker
Weil das ist ja auch ein Indikator für Demokratie.
Rolle der Medien in der Wahrnehmung von Protesten
00:29:04
Speaker
Demokratie, würde ich sagen, ist so gesund, wie die Zivilgesellschaft eben frei ist.
00:29:08
Speaker
Genau, und da eben einen Umgang mitzufinden. Und ich denke, wirklich für mich ist auch ein Punkt, wie man dieses Scheitern auch, also wie man wieder erfolgreicher werden kann, ist wie die Berichterstattung über Protest. Das ist so ein wichtiges Mittel, weil oft ist das ja die einzige Verbindung, die quasi Protestierende zu, sag ich mal, Menschen, die jetzt gerade nicht mit protestieren, aber die halt in der Zivilgesellschaft sind, haben, ist über diese Berichterstattung. Und wenn natürlich viele
00:29:36
Speaker
Journalistinnen und Zeitungen auf diesen Zug aufspringen und Protest überhaupt nicht wissenschaftlich einordnen als ein effektives Mittel und als Zeichen von der gesunden Demokratie, sondern eben genau in dieses Terrorismus-Framing aufspringen und das weiter verstärken und sogar auch bewusst irgendwelche Geschichten inszenieren oder so. Das trägt natürlich einfach dazu bei, dass das Protest heutzutage sehr schwer gemacht wird. Und da wünsche ich mir sehr viel klarere Informationen dazu, was Protest eigentlich ist und was er bewirken kann.
00:30:06
Speaker
Das ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt, aber ich muss da immer dran denken, dass das halt bei anderen, also erfolgreichen Bewegungen in der Vergangenheit geschichtlich auch nicht anders war und irgendwie habt ihr, vielleicht ist es auch doof von mir, dass ich mich dann so damit abfinde, ja so ist das halt, das gehört halt dazu, dass man halt immer schlecht gemacht wird. Damals in den 60er Jahren zum Beispiel bei der Bürgerrechtsbewegung, da war das wirklich noch so, sogar in den Sozialwissenschaften wurden Proteste als
00:30:31
Speaker
wirklich so irrationale Mob-Aktion irgendwie dargestellt und in jegliche Rationalität irgendwie abgesprochen. Und genau, es wurde sowohl medial als auch unter den verschiedenen Communities auch eben als zu radikal, also sehr negativ zum Teil dargestellt.
00:30:49
Speaker
Aber nichtsdestotrotz wäre es natürlich schön wenn dem anders wäre aber ich würde darauf nicht so bauen aber vielleicht genau ist es wichtig da wo es möglich ist journalistinnen zu informieren ist das auf jeden fall eine wichtige sache aber ich denke genau wichtig ist sich auch darauf vorzubereiten dass das.
00:31:05
Speaker
auch immer ein Teil der Dynamiken von Bewegung ist. Vielleicht dazu nochmal, ich glaube, den Punkt hatten wir eben, da sind wir weiter gegangen und da wollte ich unbedingt noch was loswerden zu dem Thema, als du das so schön vorgestellt hast, gerade mit dem Movement Action Plan, was ja so ein Entwicklungsmodell ist, aus Ende der 80er Jahre, aus der Praxis.
00:31:24
Speaker
aber ich kann mich auch täuschen jedenfalls genau und da war es eben ein punkt dass also einmal dass es oft dazu gehört dass man eben das gefühlt man ist am scheitern und gerade da eben oft eben auch weil man dann so einen gegenwind bekommt und das ist oft eben genau dann wenn man eigentlich kurz davor ist zu gewinnen weil eben ja die reaktion so stark ist und das dann eben eher
00:31:48
Speaker
die Entscheidungsträger in der wirklich Angst bekommen und alles hochfahren und auffahren um das möglichst noch zu stoppen und deswegen fühlt sich das dann manchmal so an wenn man kurz davor ist dann letztendlich sein Ziel
Kritik an der Vorstellung ständiger Nähe zum Sieg
00:31:59
Speaker
zu erreichen. Aber ja ich weiß nicht ob das alles so sehen.
00:32:05
Speaker
Ja, da will ich unbedingt nochmal kurz drauf reagieren. Also ich bin auch Fan vom Move-in-Action-Plan, aber vor kurzem kam auch ein Artikel raus, der so die Klimagerechtigkeitsbewegung eingeordnet hat und auch meinte, ja, eingestehen wir kurz vorm Gewinn. Und da stimme ich nicht mit ihr ein, weil das wird ganz oft so gesagt, als jetzt gerade läuft es nicht gut. Ah ja, wir sind ja in der Phase vorm Gewinn.
00:32:28
Speaker
und wird so ein bisschen, finde ich, als vorgeschobenes Argument genommen, um sich nicht wirklich mit den eigenen Fehlern, die man macht, und vielleicht Dingen, die man anders machen könnte, zu beschäftigen, weil das so runter reduziert wird auf, wir sind ja eh schon kurz vor knapp vorm Gewinn. Und genau da wünsche ich mir auf jeden Fall, das hast du jetzt nicht gesagt, aber das ist was, was ich schon sehr oft so in der Praxis auch erlebt habe.
00:32:50
Speaker
Da hast du auf jeden Fall schon recht, da ist schon was dran, definitiv. Ein Punkt, der auf jeden Fall wichtig ist, noch mal zurück zu dem Thema zu McAlevee.
Kostenanalyse für Bewegungsziele
00:32:59
Speaker
Sie hat in ihrer Dissertation auch ein schönes Modell benutzt, was aber jemand anders entwickelt hat, nämlich Joseph Luders. Den hatte ich mal eingeladen zu einem Kolokvium Politik von unten vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Und der hat so ein interessantes Modell aufgebaut mit den sogenannten Zugeständniskosten und den
00:33:19
Speaker
Störkosten und das ganze Modell werde ich jetzt nicht erklären. Aber auf jeden Fall, was ich da schon jetzt gerade wichtig finde, ist zu sagen, wo ich tatsächlich dann auch Jane McAleveys Meinung teile.
00:33:29
Speaker
was ein Problem von wieviel Bewegung ist, ist, dass sie gar nicht erst überhaupt einschätzen, was ist denn den Gesetzgebern oder einem Unternehmen, was ist denn Kostenwürde überhaupt auf die Forderungen einzugehen. Also und das überhaupt erst mal sich eine Forschung davon zu machen, was bedeutet das denn wirtschaftlich, politisch, was sind da die Kosten und dass man sich überlegen muss, dass man das auch erst mal matchen muss und dass die Störkosten eben dann auch entsprechend sein müssen, um ein ganz kurzes greifbares Beispiel zu nennen. Aber eben, man kann das auf sehr viele verschiedene Beispiele anwenden.
00:33:58
Speaker
ist wieder der Fall des Streikes. Und zwar angenommen, es gibt da einen riesengroßen transnationalen Konzern, der eben seinen Arbeitnehmerinnen nicht genug Lohn zahlt. Und das würde auch entsprechend kosten, die Löhne zu erhöhen. Und deswegen streiken dann eben die Arbeitnehmer. Aber wenn sie nur einen Tag streiken,
00:34:22
Speaker
dann entstehen da nicht so viele Kosten, dass der Druck hoch genug wäre. Allerdings, wenn sie bis ins Unendliche streiken, also so lange, bis dann eben es teurer wird für den Konzern, den Status quo beizubehalten, als dann endlich diese Löhne zu zahlen, damit endlich diese Streiks aufhören,
00:34:47
Speaker
Dann wird auf die Forderung eingegangen. Das heißt, es ist wirklich oft eine, ja, Kostenkalkulation kann man sagen, ob tatsächlich die Störkosten so hoch sind, dass sie irgendwann zu teuer werden einfach und deswegen unterbunden werden müssen. Und sie werden eben dadurch unterbunden, dass entweder Repressionen angewandt werden.
00:35:10
Speaker
oder wenn das auch zu kostspielig ist zum beispiel politisch dann muss dann irgendwann auf die forderung eingegangen werden vor allem wenn man sich überlegt im bereich der klimabewegung dass da eben natürlich sehr sehr starke industrieinteressen dabei sind von einer industrie die eben unser gesamtes wirtschaftssystem seit 150 200 jahren
00:35:29
Speaker
quasi befördert hat. Und dass die natürlich nicht so einfach ihre Industrie selbst auflösen, ist klar. Aber was das dann nochmal quasi strategisch bedeutet und vor allem auf dieser Kostenebene, ich finde es auf jeden Fall einen interessanten Punkt. Und eben Jane Amick-Ellivies Meinung nach ist das eben auch mit dem Hauptfaktor, warum Bewegungen scheitern, dass sie diese Kalkulation gar nicht erst machen. Ich weiß nicht, wie sie es tut, ist das übertrieben oder zu mechanistisch vielleicht, sagen auch manche.
00:35:57
Speaker
Nee, finde ich überhaupt nicht. Ich kenne das schon, dass man sich so analysiert, mit was für einem Gegenüber hat man es eigentlich zu tun. Da hat ja auch einer meiner Lieblingsforscher, Gene Sharp, das Ausdruck ein bisschen kategorisiert und gesagt, ist das ein Gegner, der sich leicht überzeugen lässt, das ist sehr unwahrscheinlich, ist das ein Gegner, der, wenn genügend Druck aufgebaut wird, dann schlau genug es nachzugeben, oder ist das so ein Dickkopf-Gegner, der einfach bis zum Ende sein Ding durchzieht und dann im Endeffekt
00:36:23
Speaker
das dann im Kontext von Diktaturen auch fällt. Und also damit, das weiß ich auf jeden Fall, dass sich das angeguckt wird, wäre bestimmt mal interessant. Wäre auch schwer, das dann in Zahlen irgendwie zu übersetzen. Aber gut, ja. Ja, aber trotz aller Kritik oder Analyse, warum eben manche Kampagnen dann mal nicht funktionieren, ist es mir trotzdem sehr, sehr, sehr wichtig.
Anerkennung der Anstrengungen von Aktivisten
00:36:44
Speaker
auch meinen Respekt auszudrücken für die Arbeit und die Zeit und die Kraft und die Energie all dieser Menschen in der Zivilgesellschaft, in verschiedenen Bewegungsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften oder auch netzwerkenlose einzelnen Individuen.
00:37:07
Speaker
die eben versuchen, ihren Beitrag zu leisten und zu protestieren und zu tun, was sie können. Und das ist so, so, so, so, so wichtig. Und ich will das hier oder ich glaube wir, ich kann für uns beide sprechen da, wir wollen es auf keinster Weise abwerten, sondern hier geht es wirklich nur um erst mal eine Aufklärung über Konzepte, die irgendwie bekannter zu machen und darüber zu sprechen. Also so ein Beitrag auch in die Diskussion
00:37:33
Speaker
die aktivistische, aber vor allem auch eine breitere öffentliche Debatte. Das stimmt. Was nimmst du denn jetzt so ein bisschen mit aus dieser Folge? Hast du Gedanken zu meiner Doktorarbeit? Also das macht auf jeden Fall Sinn und es ist definitiv ein Gap. Also in der Wissenschaft ist ja immer wichtig, dass man da die Lücke findet, was noch nicht beforscht wurde und was definitiv dann ein Beitrag ist. Und da würde ich sagen, auf jeden Fall.
00:37:56
Speaker
ganz ganz wichtig aber was ich jetzt auf unserem heutigen gespräch mitnehmen ist auf jeden fall dass das ein wunder grenzt immer die also die ganzen erfolge der bewegung überhaupt angesichts all dieser faktoren zu scheitern also es sind ja echt
00:38:09
Speaker
unzählige interne und externe Faktoren, die ziemlich hart auch zum Teil sind, auch was du erzählt hast über Repression. Irgendwie berührt mich das auch immer wieder, das so zu hören. Und ich finde, immer wieder ziehe ich meinen Hut vor dem Mut von Aktivisten dann doch irgendwie immer weiter zu machen. Danke, danke, danke für eure Arbeit. Und ich finde es eher, manchmal, wenn man sich das alles irgendwie ins Bewusstsein holt, dann eher krass, wie wir uns dann überhaupt immer wieder schaffen. Also so ist es schon nicht ohne so.
00:38:38
Speaker
Ja, danke auch für deine Arbeit. Ich bringe ja normalerweise immer ein Zitat mit. Ich habe heute mal kein Zitat mitgebracht, sondern möchte einfach noch mal erinnern an Jane McLevee. Du hast es ja vorhin schon mal kurz gesagt. Sie ist vor kurzem an ihrem Krebs leiden gestorben und
00:38:54
Speaker
Ja, einfach eine wahnsinnige Frau, wenn man sich mal ihre YouTube-Videos anschaut und so. Also mich motiviert das immer so doll. Wenn ich mal eine schlechte Zeit hab, guck ich mir an, was sie so gesagt hat. Und Januar 2025 startet auch der nächste oder Februar der nächste Organizing for Power Score Fundamente, also ihr Kurs der Rosa Luxemburg Stiftung, wo es ja eigentlich ihr Lebenswerk ist, wo es ums Organizing geht.
00:39:17
Speaker
und der wird übersetzt in alle möglichen Sprachen und ich kann nur jedem raten, daran teilzunehmen und ja, ihr Erbe da ein bisschen weiterzutragen. Definitiv mega inspirierend, mega motivierend. Ich fand auf jeden Fall auch noch Short Cards, zumindest die Anfangskapitel, die allgemeine gehalten sind, sehr, sehr brauchbar und bewegend.
00:39:38
Speaker
Ja, und auch um Jane noch ein letztes Mal aufzugreifen, wir haben jetzt so viel in dieser Folge darüber gesprochen, dass es wichtig ist, aus unseren eigenen Blasen herauszukommen, was ja auch ein großes Anliegen von uns ist. Deswegen teilt gerne den Podcast und das Wissen mit euren Freunden, Familie, Kolleginnen und so weiter und schaut mal gerne genau dabei darauf, dass ihr es eben an eine Person schickt, der ihr das jetzt sonst nicht unbedingt geschickt hättet.
00:40:08
Speaker
Denn ja, ich finde, nur wenn wir wieder anfangen, mehr Brücken zu bauen, dann stärken wir letztendlich auch unsere Demokratie.
Höreraufruf zum Teilen des Podcasts für breitere Unterstützung
00:40:15
Speaker
Ein großes Dankeschön auch nochmal an die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit, die uns das Ganze hier auch finanziell ermöglicht.
00:40:22
Speaker
und auch an die liebe Tolle Emé van Balen, die uns bei unserem Social Media unterstützt. Aber auch an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Stauen. Ja, und wie geht es jetzt hier weiter? Wir wollen auf jeden Fall, wie Lea ja davor schon gesagt hat, nächste Mal über Taktiken sprechen. Also das heißt über verschiedene Proteste und Aktionsformen und wie die eben strategisch genutzt werden können, was die
00:40:49
Speaker
für den effekt haben in dem sinne also jetzt nicht nur einfach was man so machen kann sondern eben was bewirkt ist dann eben auch ein wann macht was sinn und die folge danach werde ich so ein bisschen über meine doktorarbeit sprechen also wie kann man die macht der konzerne einschränken.
00:41:04
Speaker
Wir würden uns natürlich total freuen, wenn ihr uns bei Instagram schreibt, auch wenn soziale Medien natürlich nie ausreichen, wie Jane meint. Aber in dem Fall ist es natürlich total schön, sich auszutauschen, eure Gedanken zu hören, Kommentare, vielleicht Fragen, die ihr auch noch habt oder Themen, die euch noch so bewegen und beschäftigen in diesem Zusammenhang. Und genau, das war's von meiner Seite. Vielen Dank fürs Zuhören und wir freuen uns ganz doll aufs nächste Mal.
00:41:32
Speaker
Ja, nicht den Kopf hängen lassen. Bis zum nächsten Mal. Ja, genau. Immer weitermachen. Macht's gut. Ciao. Ciao.