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T&T14: Datenschutz vs. Staat - der gestoppte Zensus

S2 E14 · Tee & Taktik
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110 Plays8 days ago

Ziviler Widerstand bringt doch eh nichts? Diese Folge zeigt, dass das nicht stimmt. Gemeinsam mit dem Soziologen und Volkszählungsboykotteur Bernd Drücke spricht Lea über eine der erfolgreichsten und gleichzeitig oft vergessenen Protestbewegungen der Bundesrepublik: die Volkszählungsboykotte der 1980er Jahre. Damals schlossen sich Menschen aus ganz unterschiedlichen sozialen Hintergründen zusammen und wehrten sich – kreativ, laut, häufig sogar witzig – gegen die wachsende staatliche Überwachung. Die Bewegung legt nicht nur den Grundstein für unser heutiges Datenschutzgesetz, sondern zeigt auch eindrucksvoll, wie vielfältig ziviler Ungehorsam sein kann – von Aktionen auf der Straße bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen. Wir werfen außerdem einen Blick auf die Repressionen, mit denen der Staat versuchte, die Bewegung zu brechen, auf das Scheitern von CSU-Innenminister Zimmermann – und darauf, wie es gelingen konnte, den Staat in die Knie zu zwingen.

Magst du Tee & Taktik? Wir freuen uns über deine Unterstützung :) Wir haben eine neue Spendenplattform. Dein Beitrag zählt!

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Buch von Lea 

Bei Fragen, Kritik, Ideen: teeundtaktik@protonmail.me

Danke an

→ alle, die uns mit einer Spende unterstützen

→ die Stiftung “Kraft der Gewaltfreiheit” für die finanzielle Unterstützung

→ unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation Zum Staunen*
→ Danke, an alle die mit uns über das Thema der Folge gesprochen haben

Shownotes

Recht auf informationelle Selbstbestimmung 

Spiegelartikel “Es gibt keine harmlosen Daten” mit Fotostrecke 

Buch von George Orwell 1984 

Anwältinnen Maja Stadler-Euler und Gisela Wild zur Verfassungsbeschwerde 1983 

Lea bei den Münchner Kammerspielen zum Volkszählungsboykott

198 Methoden des zivilen Widerstands von Gene Sharp 

Tee und Taktik Folge zu den Protesten in Serbien 

Graswurzelrevolution 

Transcript

Einführung in 'Tee und Taktik'

00:00:07
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest.
00:00:14
Speaker
Wir sind Lea und Lila.
00:00:15
Speaker
Hallo.
00:00:17
Speaker
Herzlich willkommen.
00:00:20
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Tee und Taktik.

Volkszählungsboykott der 1980er Jahre

00:00:24
Speaker
Mein Name ist Lea und ich mache zusammen mit Dalila diesen Podcast zu Friedlichkeit, politischem Engagement und Demokratiebildung.
00:00:32
Speaker
Und heute sprechen wir über den Volksstätungsballkott bzw.
00:00:36
Speaker
Volksstätungsballkotte aus den 80er Jahren.
00:00:39
Speaker
Viele von euch kennen die wahrscheinlich nicht mehr und sie geraten ab und zu so in Vergessenheit.
00:00:44
Speaker
Aber ich finde es total wichtig, weil die eben die Vorläufer von unserem heutigen Datenschutzgesetz sind
00:00:50
Speaker
und ja, in Zeiten von Fehlinformationen und konstanter Überwachung relevanter denn je.
00:00:55
Speaker
Und das finde ich allgemein an dem Thema auch so spannend, dass wir so viele Geschichten aus der Vergangenheit haben von erfolgreichen zivilen Widerstand, der eben den Weg bereitet hat für heutige Rechte und eben ein großer Wissensschatz.
00:01:08
Speaker
Also viel Motivation, die ich daraus ziehe.
00:01:10
Speaker
Ich habe auch letztes Jahr bei den Münchner Kammerspielen zu dem Volksbezählungsboykott gesprochen, den werde ich euch auch noch mal verlinken.

Gespräch mit Bernd Rücke

00:01:17
Speaker
Aber heute habe ich einen tollen Gast hier, Bernd Rücke, der promovierter Soziologe ist, freier Journalist und Autor, Koordinationsredakteur der Graswurzelrevolution und tatsächlich einer von vielen Boykotteuren in den 80er Jahren in Münster.
00:01:33
Speaker
Bernd, schön, dass du da bist.
00:01:35
Speaker
Ja, hallo.
00:01:37
Speaker
Danke, dass ihr mich eingeladen habt.
00:01:39
Speaker
Ja, sehr gerne.
00:01:41
Speaker
Genau, es ist ja bei Tee und Taktik unsere kleine Tradition, dass wir am Anfang einmal anstoßen mit unserem Lieblingsgetränk.
00:01:48
Speaker
Ich habe heute einen Eistee dabei.
00:01:50
Speaker
Das ist inspiriert von der letzten Folge mit Dalida, Christina und Julia zu sozialer Verteidigung.
00:01:57
Speaker
Und ich habe tatsächlich gelesen, dass es auch Boykott-Teeabende gab mit politischen Teetrinken.
00:02:02
Speaker
Ich weiß nicht, wie vertrauenswürdig die Quelle ist, aber schön wär's.

Kontroversen um die Volkszählung der 1980er Jahre

00:02:07
Speaker
Was trinkst du heute?
00:02:09
Speaker
Also ich trinke heute einen Ingwertee und ja, das ist auch eigentlich mein Lieblingstee, den trinke ich eigentlich ziemlich oft und am liebsten aus frischem Ingwer selbst gemacht.
00:02:18
Speaker
Also einfach Ingwer schneiden und dann mit kochendem Wasser einen leckeren Tee daraus machen.
00:02:25
Speaker
Und sehr gesund auch.
00:02:26
Speaker
Ja, sehr schön.
00:02:29
Speaker
Genau, ja, lass uns doch mal eine Reise zurück machen in die 80er Jahre.
00:02:33
Speaker
Also wir befinden uns jetzt im Jahr 83 beziehungsweise 87.
00:02:37
Speaker
Erzähl uns doch mal ein bisschen, warum waren die Volkszählungen damals so umstritten und was ist eigentlich genau passiert?
00:02:45
Speaker
Ja, die Volkssiedlungen, die sind ja von der CDU, CSU, FDP-Regierung initiiert worden.
00:02:51
Speaker
Und damals herrschte eigentlich in Deutschland auch eine Terroristenhysterie.
00:02:55
Speaker
Es gab ja die RAF noch und es war so eine Stimmung.
00:02:57
Speaker
Also das hat vielleicht der Horst Herold das ganz gut auf den Punkt gebracht.
00:03:01
Speaker
Er hat gesagt, die Gesellschaft ist ein einziger Gefahrenherd.
00:03:04
Speaker
Und so war auch die Stimmung.
00:03:05
Speaker
Das heißt, es gab große soziale Bewegungen.
00:03:08
Speaker
Die Anti-Atom-Bewegung war schon eine echte Massenbewegung zu der Zeit, die auch gar nichts mit der RAF zu tun hatte, aber die dann eben auch massiv vom Staat kriminalisiert wurde.
00:03:18
Speaker
Und die Friedensbewegung war auch eine Massenbewegung damals noch.
00:03:21
Speaker
Es gab ja die NATO-Aufrüstungspläne mit Atomraketen, den NATO-Doppelbeschluss.
00:03:27
Speaker
Dagegen gab es wirklich dann Demonstrationen mit Hunderttausenden.
00:03:31
Speaker
Und in diesem Klima wollte dann der CSU-Innenminister Zimmermann, das war wirklich auch so ein, könnte man sagen, rechter Scharfmacher, der wollte die Volkszählung machen in Deutschland 1983 und
00:03:42
Speaker
Das heißt, alle damals 60 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik im Grunde befragen und ausgiebig befragen, also auch zu allen möglichen Themen, inklusive Migration und so weiter.
00:03:56
Speaker
Und dagegen gab es dann tatsächlich eine Massenbewegung.
00:03:59
Speaker
Ich selber war damals noch Schüler.
00:04:01
Speaker
Das heißt, ich habe das nur so mitgekriegt, dass wir dann in der Schülervertretung natürlich auch gegen die Volkszählung agitiert haben und da auch ein bisschen uns beteiligt haben an der Kampagne.
00:04:11
Speaker
Die Kampagne war letztlich sehr erfolgreich.
00:04:14
Speaker
Das heißt, das Bundesverfassungsgericht hat dann entschieden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrecht ist und dass die Volkszählung, wie sie geplant war damals von Innenminister Zimmermann, illegal ist.
00:04:27
Speaker
Das heißt, die musste erst mal abgebrochen werden.
00:04:29
Speaker
Das hat die CDU, CSU, FDP-Regierung natürlich sehr verärgert, kann man sich ja vorstellen.
00:04:35
Speaker
Das heißt, die wollten das ja tatsächlich durchziehen und
00:04:38
Speaker
Sie haben dann einen zweiten Versuch gemacht und zwar 1987.
00:04:42
Speaker
Da wollten sie also wirklich eine große Volkszählung machen und dagegen hat sich dann tatsächlich bundesweit eine soziale Bewegung gebildet, also in Münster, wo ich damals war.
00:04:53
Speaker
Es gab allein zehn Initiativen sozusagen, die sich dann in Stadtteilgruppen organisiert haben und dann gleichzeitig zusammenkamen als Delegiertentreffen einmal im Monat zu einem Gesamtreffen praktisch der Fobo-Inis in Münster.
00:05:10
Speaker
Und das war natürlich bundesweit sehr ähnlich.
00:05:12
Speaker
In Münster ist natürlich so eine Studierendensituation.
00:05:15
Speaker
Das heißt, da hast du 60.000 Studis und da ist eine große Studierendenbewegung, die natürlich auch teilweise Träger dieser neuen sozialen Bewegung war.
00:05:25
Speaker
Es war aber eine Bewegung, die wirklich, ja, wie soll man sagen, also sehr, sehr offen war.
00:05:30
Speaker
Das heißt, ganz viele Bürger und Bürgerinnen sind dann eben auch zu den Fobo-Initiativen gekommen und gesagt, was kann ich machen?
00:05:37
Speaker
Ich will jetzt hier nicht ausgehocht werden.
00:05:39
Speaker
Ich will mich dieser, ja, dieser in Anführungsstrichen Volksverhör verweigern.
00:05:44
Speaker
Und das war also, da waren wir als Fobo-Initiativen natürlich auch mit
00:05:48
Speaker
Ich war sehr erfreut darüber.
00:05:49
Speaker
Wir waren auch ziemlich begeistert, dass so viele Leute sich engagiert haben.
00:05:54
Speaker
Die Regierung hat darauf so reagiert, dass sie versucht hat, die Volksängerspolkottbewegung zu kriminalisieren und einzuschüchtern.

Kreative Protestmethoden und Auswirkungen

00:06:01
Speaker
Und das haben sie eigentlich durch den Trick gemacht.
00:06:02
Speaker
Sie haben also gesagt, in Restrisiko Mensch, das war eine Broschüre, die wir verkauft haben und Vorsicht Volkszählung, auch eine Broschüre, die wir verkauft haben.
00:06:11
Speaker
Da wurde aufgefordert, eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB gibt es immer noch, das ist so ein Gummiparagraf.
00:06:21
Speaker
Begründet wurde das damit, dass aufgefordert wurde, die Kenndummer aus dem Volkshebungsbogen zu schneiden.
00:06:27
Speaker
um nicht reidentifizierbar zu sein, wenn man die Volksherrungsbürger bei der Boykott-Initiative abgibt.
00:06:33
Speaker
Und ja, das führte dann dazu, dass bundesweit Razzien durchgeführt wurden und Beschlagnahmeaktionen.
00:06:39
Speaker
Und ich habe zu der Zeit einen Büchertisch betrieben, Anfang 1987.
00:06:45
Speaker
Vom Umweltzentrum Münster und der Fobo-Initiative.
00:06:49
Speaker
Und ja, da kam die Polizei, hat uns dann alle Materialien abgenommen, die wir auf dem Büchertisch hatten und unsere Personalien aufgenommen.
00:06:58
Speaker
Und dann hatte ich ein Ermittlungsverfahren erstmal am Hals und gab es einen Prozess.
00:07:03
Speaker
Zu dem kommen wir später auch noch, genau.
00:07:06
Speaker
Da komme ich später noch zu.
00:07:07
Speaker
Also die Bewegung selber war tatsächlich, würde ich sagen, eine der breitesten in der Geschichte der Bundesrepublik und eigentlich finde ich auch sehr begeisternd, weil es ist einfach natürlich toll zu sehen, wie so scheinbar aus dem Nichts sich überall Gruppen bilden, sich überall auch in verschiedenen Stadtteilen.
00:07:24
Speaker
Also Münster ist ja keine so große Stadt und trotzdem gab es praktisch in jedem Stadtteil eine große Fobo-Inni.
00:07:30
Speaker
Und zu den Fobo-Inni-Treffen sind ja dann auch oft weit über 100 Leute jeweils gekommen.
00:07:35
Speaker
Das heißt, das waren wirklich Tausende von Menschen, die sich gegen diese Pläne der Regierung gestemmt haben und auch teilweise sehr witzige Aktionen gemacht haben.
00:07:44
Speaker
Also wir haben dann ja alle aufgefordert, dass sie ihre Erfassungsbögen zu uns bringen, zur Fobo-Inni.
00:07:50
Speaker
Und wir haben die dann beim Notar praktisch abgegeben.
00:07:53
Speaker
Der hat dann bescheinigt, wie viel...
00:07:55
Speaker
abgegegene Bögen es gab und so.
00:07:57
Speaker
Das war so schon sehr witzig auf der einen Seite auch.
00:08:00
Speaker
Und es war natürlich auch ein Protest auf einer teilweise kabarettistischen Ebene.
00:08:06
Speaker
Also Leute, die haben dann ihre Volksseelungsbögen doch ausgefüllt, haben dann aber eher für ihre Katze ausgefüllt und einfach nur totalen Schabernack da reingeschrieben.
00:08:14
Speaker
Das heißt, im Grunde war die Volksseelung das totale Desaster für den Staat.
00:08:19
Speaker
Und erfreulicherweise muss man sagen, seitdem gab es nie wieder einen Versuch, so eine gesamte Volkszählung auf die Beine zu stellen.
00:08:26
Speaker
Seitdem gibt es etwa, ja alle zehn Jahre versucht der Staat über einen Zensus an die Daten der Bürgerinnen und Bürger zu kommen.
00:08:34
Speaker
Zensus ist aber im Grunde eine kleine Volkszählung.
00:08:37
Speaker
Also da ist nicht die Gesamtbevölkerung betroffen, sondern eben nur zehn Millionen Menschen ungefähr.
00:08:42
Speaker
die dann eben im Grunde vereinzelt sind und sich auch nicht so gut organisieren können.
00:08:46
Speaker
Also da hat der Staat in gewisser Weise aus den erfolgreichen Protesten, ja, dieser Volkshegungs-Pokott-Bewegung, die eben auch große Demonstrationen gemacht hat, die ganz viele Öffentlichkeitsveranstaltungen und Prozesse dann letztlich auch öffentlich geführt hat.
00:09:01
Speaker
Daraus, ja, kann man sagen, die Konsequenz des Staates war, sowas nie wieder zu versuchen.
00:09:06
Speaker
Also seitdem gab es keine Volkshegung mehr.
00:09:08
Speaker
Also von daher würde ich das auch schon als Riesenerfolg sehen, ne?
00:09:11
Speaker
Sehr gut.
00:09:12
Speaker
Ja, auf jeden Fall.
00:09:14
Speaker
Du hast jetzt schon ganz viele Sachen angesprochen, über die wir gleich nochmal mehr im Detail reden werden.

Überwachung und Datenschutz heute

00:09:19
Speaker
Ich wollte dich am Anfang nochmal fragen, du hast einmal, das ist auch ein großer Spiegelartikel, die Überschrift geworden, gesagt, dass es keine harmlosen Daten gibt.
00:09:28
Speaker
Wenn man jetzt mal so ganz kritisch fragt, nicht, dass das meine eigene Meinung ist, aber so wenn man die Kritikerin, sage ich mal, dazu holt,
00:09:37
Speaker
Warum ist das denn so schlimm?
00:09:38
Speaker
Also wenn Menschen nichts zu verbergen haben, dann müssen sie ja diese Überwachung eigentlich auch nicht fürchten.
00:09:43
Speaker
Und bei manchen Informationen könnte man ja auch sagen, ist es sogar wichtig, dass der Staat die bekommt.
00:09:48
Speaker
Also für eine demokratische Gesellschaft brauchen wir ja auch teilweise verlässliche Daten für Schulen und Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit.
00:09:56
Speaker
Ja, das ist natürlich ein Trugschluss.
00:09:59
Speaker
Das denken natürlich sehr, sehr viele Menschen.
00:10:01
Speaker
In der Wirklichkeit ist es aber auch so, dass der Staat natürlich das sehr gut benutzen kann zur Überwachung, dass der Staat auch, zum Beispiel in China kannst du das ja sehen, das heißt die gesamte Opposition kann im Grunde überwacht werden.
00:10:14
Speaker
Die Methoden der Stasi oder so sind gar nicht mehr nötig, weil der Staat einfach schon extrem viel Informationen über die Menschen bekommt.
00:10:21
Speaker
Und seit Edward Snowden wissen wir ja im Grunde, dass ja tatsächlich jedes Telefon abgehört wird, zumindest vom amerikanischen Geheimdienst, aber wahrscheinlich auch von den anderen.
00:10:31
Speaker
Und das ist natürlich ausgesprochen bedrohlich, weil eine freie Gesellschaft lebt auch davon, dass die Menschen ihren Datenschutz im Grunde auch sicher...
00:10:44
Speaker
Und der ist natürlich nicht gewährleistet.
00:10:45
Speaker
Also wir haben schon, der Datenschutz ist in den letzten Jahrzehnten katastrophal im Grunde in den Keller gefahren.
00:10:51
Speaker
Also die Infos, die der Staat hat oder so, davon haben totale Überwachungssysteme natürlich nur geträumt früher.
00:10:58
Speaker
Also allein was die Infos, die Infos, die man selber ja schon abgibt über soziale Medien, das ist ja auch...
00:11:04
Speaker
Eine Fundgrube letztlich mal für den Staat und für Überwachungstendenzen im Staat.
00:11:10
Speaker
Und wohin das führt, sieht man zum Beispiel in China.
00:11:13
Speaker
Da ist natürlich die totale Kontrolle auch schon durchgesetzt worden, kann man sagen.
00:11:17
Speaker
Also wenn man da über die rote Ampel geht, kriegt man Minuspunkte in seinem Sozialpass.
00:11:22
Speaker
Und selbst, also solche Sachen werden dann immer schon aufgezeichnet und das ist natürlich, ja das ist, also 1984 der Roman von George Orwell ist im Prinzip ja schon längst überschritten zum Teil, also von den Überwachungsmethoden und von den Möglichkeiten, die die Staaten heute haben.
00:11:41
Speaker
Ja, richtig.
00:11:42
Speaker
Das war ja auch genau zu der Zeit mit der Horrorvision 1984 das Buch von George Orwell.
00:11:47
Speaker
Wer das noch nicht kennt, ihr müsst es auch in der Schule lesen, aber ja sehr eindrückliches Buch, wo es ja auch um diesen ominösen Big Brother geht, der überwacht und manipuliert und terrorisiert.
00:11:57
Speaker
Genau, wenn wir jetzt nochmal so ein bisschen systematischer schauen auf 83 und auch 87, wie da vorgegangen wurde.
00:12:04
Speaker
Du hast es ja schon kurz erwähnt gehabt, 83 gab es dieses große Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem informationellen oder Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
00:12:14
Speaker
Das war ja damals so, dass zwei Hamburger Anwältinnen das durchgeboxt haben und über tausend weitere Verfassungsbeschwerden eingereicht wurden, bis dann eben schließlich der Bundesgerichtshof dieses Recht erlassen hat.
00:12:28
Speaker
Wie seid ihr denn mit welchen Aktionen 87 vorgegangen, wo der Boykott ja glaube ich auch nochmal größer war, oder?

Strategien des Boykotts 1983 und 1987

00:12:35
Speaker
Ja, da war der Bekott auf jeden Fall, ich würde sagen, tatsächlich noch größer.
00:12:40
Speaker
Es war natürlich auch eine Empörung in der Bevölkerung über dieses Vorhaben, was ja vorher schon im Grunde vom Bundesverfassungsgericht ausgebremst wurde.
00:12:49
Speaker
Also das Zimmermann sich da einfach nicht mit zufrieden gegeben hat, als das Verfassungsgericht gesagt hat, nee, das geht nicht.
00:12:54
Speaker
Ihr könnt hier nicht die ganze Bevölkerung ausspähen und das unbedingt nochmal durchziehen wollte.
00:12:59
Speaker
Und von daher gab es eigentlich überall Veranstaltungen.
00:13:03
Speaker
Es gab überall auch Büchertische und Infotische.
00:13:06
Speaker
Und es war eigentlich eine unglaubliche, ich würde sagen, Sternstunde der Zivilgesellschaft.
00:13:12
Speaker
Und auch eine Sternstunde von gewaltfreien Aktionen, weil es war ja eine ganz eindeutig gewaltfreie Bewegung, die da entstanden ist und die im Grunde mit Protestaktionen den Staat in gewisser Weise auch verärgert hat.
00:13:23
Speaker
Es war ja eben zu der Zeit, wie ich ja ein bisschen so angedeutet habe, auch eine große Repression.
00:13:28
Speaker
Also bei Antiatom-Demonstrationen ist die Polizei zum Teil mit Maschinenpistolen aufgelaufen und hat dann eben auch soziale Bewegungsaktivistinnen und Aktivisten versucht, massiv einzuschüchtern.
00:13:40
Speaker
Und warum soll man diesem Staat, der solche Methoden anwendet, um Menschen zu bedrohen und einzuschüchtern und auch sehr mit Brutalität gegen Demonstrantinnen und Demonstranten vorgeht, warum soll man dem seine Daten geben?
00:13:52
Speaker
Warum soll man dem vertrauen?
00:13:53
Speaker
Das haben wir natürlich nicht gemacht.
00:13:54
Speaker
Und deswegen haben wir überall, soweit es uns möglich war, agitiert.
00:13:59
Speaker
Wir haben mit Menschen geredet.
00:14:00
Speaker
Und das Tolle war, es war eben jetzt nicht auf eine soziale Gruppe beschränkt, sondern es war wirklich eine Massenbewegung, also ganz normale Arbeiterinnen und Arbeiter,
00:14:09
Speaker
Studierende, Hausfrauen, also Leute, die einfach Angst vor dem Überwachungsstaat hatten, zu Recht Angst vor dem Überwachungsstaat, die sind dann zur Fobo-Ini gegangen und haben gesagt, ja, was kann ich denn machen?
00:14:20
Speaker
Ich will natürlich jetzt hier nicht meine Daten abgeben und ich vertraue auch der Regierung von Kohl und Zimmermann nicht.
00:14:27
Speaker
Was kann ich tun, um das zu verhindern, dass meine Daten letztlich beim Staat landen?
00:14:32
Speaker
Und
00:14:33
Speaker
Das war natürlich auch eine relativ niedrigschwellige Protestform, weil es ist natürlich relativ einfach, den Bogen nicht auszufüllen und ihn dann bei der Fobo-Inni abzugeben.
00:14:44
Speaker
Also Fobo ist Volkshebungsboikott, so haben wir uns damals genannt, die Fobo-Innis.
00:14:49
Speaker
Und von daher glaube ich, dass die Hemmschwelle eben ziemlich niedrig war, dass sich eben sehr, sehr viele Menschen daran beteiligen konnten, war auch ein Grund für den großen Erfolg, weil die Menschen nicht so viel Angst hatten vor der Repression und weil sie eben wussten, wenn wir uns alle zusammentun, dann kann die Repression auch nicht so extrem heftig sein.
00:15:10
Speaker
Das war tatsächlich auch so.
00:15:11
Speaker
Es gab ein paar Prozesse, die natürlich auch mit Geldstrafen geendet sind oder so.
00:15:16
Speaker
Aber insgesamt waren auch selbst diese Prozesse in der Regel von den Fobo-Innes getragen, also auch mitfinanziert.
00:15:23
Speaker
Das heißt, die Kosten, die dann auf die Boykotteurinnen und Boykotteure zugekommen sind, wurden dann von der Gemeinschaft der Volksjährungs-Boykott-Initiativen auch im Grunde gegenfinanziert, kann man sagen, zum großen Teil.
00:15:37
Speaker
Und das war natürlich auch eine tolle Solidaritätsarbeit, die da stattgefunden hat.
00:15:42
Speaker
Und zwar, also das ist mir nämlich auch aufgefallen, dass es sehr viele kreative Protestformen gab, teilweise ja auch sehr lustig, was du meinst mit der Katze.
00:15:51
Speaker
Und ich das echt beeindruckend fand von diesen 350 Methoden, die wir im zivilen Widerstand haben, wie viele verschiedene da benutzt wurden.
00:15:58
Speaker
Also ich hatte auch so Plakate gelesen.
00:16:00
Speaker
Es gab ja, glaube ich, so eine große Akzeptanzkampagne für 46 Millionen Mark.
00:16:04
Speaker
Die hieß 10 Minuten, die allen helfen, zu 10 Minuten, die sie noch bereuen werden.
00:16:08
Speaker
Das fand ich schon mal gut umgedichtet.
00:16:12
Speaker
Genau.
00:16:34
Speaker
Und weil die Schiedsrichter nicht so richtig wussten, kriegen das nicht mehr weg, bevor das Spiel anfängt, dann in Rücksprache mit Richard von Weizsäcker eben die Worte der Bundespräsident und nicht hinzugefügt hatten, was dann am Ende auf dem Rasenstrand war, der Bundespräsident boykottiert und sabotiert die Volkszählung nicht.
00:16:50
Speaker
Fand ich auch irgendwie einfach mal sympathisch zu sehen, dass auch nicht alle Dinge immer funktionieren, aber ja insgesamt wahnsinnig kreativ.
00:16:59
Speaker
Meine Frage ist, ihr hattet ja ein bisschen Unterschieden zwischen dem normalen Boykott und einem weichen Boykott.
00:17:07
Speaker
Kannst du das nochmal erklären, wie genau das abgelaufen ist?
00:17:10
Speaker
Also da haben dann Leute einfach falsche Angaben gemacht oder was war der Unterschied genau?
00:17:15
Speaker
Genau, es gab natürlich zwei Möglichkeiten.
00:17:18
Speaker
Im Grunde eine Möglichkeit war, die Kennnummer aus dem Volkshekungsbogen herauszuschnibbeln und den Volkshekungsbogen dann eben nicht abzugeben, sondern ihn zur Volkshekungsböck-Initiative zu bringen, die dann das notariell beglaubigt hat, wie viele Volkshekungsbögen abgegeben wurden.
00:17:36
Speaker
Und die andere Methode war natürlich, dass man einfach total viele falsche Angaben macht.
00:17:40
Speaker
Und das wurde natürlich auch massenhaft praktiziert, vielleicht sogar noch mehr als die Methode, den Bogen abzugeben.
00:17:47
Speaker
Und von daher war das natürlich für den Staat, das waren eigentlich unbrauchbare Daten.
00:17:52
Speaker
Also die Volkshedlung hat im Grunde das, was der Staat sich davon erhofft hat, nicht gebracht.
00:17:58
Speaker
Im Gegenteil.
00:17:59
Speaker
Er hat eigentlich große Teile der Bevölkerung gegen sich aufgebracht, der Staat.
00:18:04
Speaker
Also von daher würde ich das als Anarchist, würde ich sagen, das war eine erfolgreiche Kampagne, auch um aufzuklären über Macht- und Herrschaftsverhältnisse und sozusagen zu politisieren.

Erfolge und Lektionen der Bewegung

00:18:18
Speaker
Und ja, also das würde ich sagen, das, ja, insgesamt war das eine tolle, erfolgreiche soziale Bewegung.
00:18:26
Speaker
Und die dazu geführt haben, dass wir bis heute keine richtige Volkshebung mehr hatten.
00:18:32
Speaker
Auf jeden Fall.
00:18:33
Speaker
Und wie habt ihr das geschafft, so viele Menschen zu mobilisieren?
00:18:37
Speaker
Ich finde es echt faszinierend, wie viele Menschen sich damals beteiligt haben.
00:18:40
Speaker
Und ich habe auch in vielen Texten gelesen, dass ihr ja wirklich auch bewusst versucht habt, eine Gegenöffentlichkeit oder Gegenmacht aufzubauen, was ja...
00:18:48
Speaker
Ja, für so Protestforschen immer interessante Wörter sind, weil es geht ja letztendlich darum, möglichst viel Macht für das eigene Anliegen oder gegen das, wo man mobilisiert aufzubauen, um dann erfolgreich zu sein.
00:18:59
Speaker
Und ich fand es super spannend, die Anwältin, die das damals durchgeboxt haben, kam ja, glaube ich, teilweise aus der FDP oder CDU.
00:19:06
Speaker
Also wie ist es gelungen damals, dass so breit mobilisiert wurde?
00:19:11
Speaker
Also ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass es wirklich eine tolle Bündnisarbeit war, die es damals gab.
00:19:17
Speaker
Also es war wirklich auch so, dass eben ja nicht nur die linke oder linksradikale Szene da empört war über diese Pläne, sondern einfach auch die ganz normale Hausfrau von nebenan, der ganz normale Bauarbeiter von nebenan.
00:19:30
Speaker
Und das führte dann eben auch dazu, dass die alternativen Medien, die es ja damals noch in großem Stil gab, also es gab ja Stadtzeitungen, Stadtblätter, dann natürlich auch Graswurzelrevolution, Arbeiterkampf und in Münster zum Beispiel gab es das Stadtblatt.
00:19:45
Speaker
Die haben dann ihre Infrastruktur zur Verfügung gestellt, dass wir dann als Fobo-Boykott-Initiative im Grunde jeden Tag so eine Meldung machen konnten.
00:19:52
Speaker
Da gab es also jeden Tag so einen Flyer, der dann überall in der Stadt verteilt wurde.
00:19:55
Speaker
Das war ja Formen wie Internet.
00:19:57
Speaker
Es gab kein Internet zu der Zeit.
00:19:59
Speaker
Das heißt, wir haben im Grunde dann überall in die Kneipen, Cafés und so weiter wurden dann die neuesten Infos zum Volkssehungsblockott verbreitet.
00:20:07
Speaker
Und ich glaube, dass das in anderen Städten wahrscheinlich ganz ähnlich war.
00:20:10
Speaker
Also hier warst du wirklich, wenn du in der Stadt gewohnt hast, bist du am Volkssehungsblockott gar nicht vorbeigekommen.
00:20:15
Speaker
Also die Infos wurden wirklich so breit gestreut, dass es alle Leute erreicht hat, selbst die Leute, die normalerweise vielleicht nur die Bild-Zeitung gelesen haben oder so.
00:20:25
Speaker
Und das war, glaube ich, ein Grund dafür, dass auch des Erfolgs halt.
00:20:30
Speaker
Also auch die kleinen alternativen Medien, also Stadtblätter, die es ja damals in jeder größeren Stadt eigentlich gab, also alternative Stadtzeitungen, die wurden einfach dafür genutzt, um Gegenöffentlichkeit herzustellen.
00:20:42
Speaker
Und ich glaube, in dem Fall
00:20:44
Speaker
ist das tatsächlich geglückt.
00:20:45
Speaker
Also ich glaube, die Volkskanz-Bakott-Bewegung ist eine ähnlich erfolgreiche Bewegung, jetzt natürlich über die langfristige Zeit jetzt anders, aber wie die Anti-Atom-Bewegung, die ja auch im Grunde in der Bundesrepublik eine der ganz herausragenden sozialen Bewegungen war und von den damals in den 70er-Jahren geplanten 200 Atomkraftwerke letztlich einen großen Teil verhindern konnten oder eben dafür sorgen konnten, dass sie dann doch wieder abgeschaltet wurden.
00:21:11
Speaker
Und ich glaube,
00:21:13
Speaker
Die sozialen Bewegungen sind viel stärker, als das die Öffentlichkeit wahrnimmt.
00:21:17
Speaker
Also ich glaube, man kann durch gewaltfreien Widerstand von unten viel mehr erreichen, als die meisten Leute denken.
00:21:24
Speaker
Und man darf sich aber nicht ins Boxern jagen lassen.
00:21:27
Speaker
Also natürlich gibt es immer wieder Frustrierungen und es gibt immer wieder diese Repressionen,
00:21:31
Speaker
Und davon dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen und kaputt machen lassen, sondern wir müssen einfach gucken, dass wir auch viele sind, dass wir mehr werden und dass wir für eine bessere Gesellschaft kämpfen.
00:21:42
Speaker
Und da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich, auch wenn die Zeiten momentan ja einfach super scheiße sind, aber
00:21:48
Speaker
Die Volksentscheidungsboykott-Bewegung ist im Grunde für Außenstehende aus dem Nichts gekommen.
00:21:55
Speaker
Die haben gesagt, wie kann das passieren, dass jetzt plötzlich so eine große Bewegung hier entsteht gegen die Pläne der Bundesregierung.
00:22:01
Speaker
Es geht doch hier nur um eine Befragung.
00:22:04
Speaker
Das war für Außenstehende vielleicht erst mal doch sehr erstaunlich, was sich da so getan hat.
00:22:11
Speaker
Ich fand es ziemlich begeisternd und begeistert.
00:22:14
Speaker
Ich habe halt auch praktisch den Anfang und das Ende auch mitgekriegt.
00:22:17
Speaker
Also irgendwann ist dann die Volkslängs-Pokott-Bewegung auch langsam immer ausgelaufen.
00:22:21
Speaker
Und wir haben dann zum Beispiel 1988 die Fobo-Initiative in Münster dann irgendwann aufgelöst, weil wir am Schluss nur noch zu zweit waren in der Münster-Mitte-Gruppe.
00:22:33
Speaker
Und das ging den meisten anderen Gruppen dann natürlich auch.
00:22:35
Speaker
Es war so eine soziale Bewegung, die eben temporär aktiv war, aber eben
00:22:39
Speaker
dann wiederum in den anderen sozialen Bewegungen wieder aufgegangen ist, aus denen sie zum Teil eben auch gekommen ist.
00:22:45
Speaker
Das waren also viele, die vorher schon aktiv waren in der Anti-Atom-Bewegung oder in der Friedensbewegung, in antimilitaristischen Gruppen oder so, Antifa-Gruppen, die sich dann in diesen Bewegungen organisiert haben, die aber eben auch ganz viele andere Leute erreicht haben, die vielleicht eher unpolitisch waren und vielleicht gerade erst durch den Volkskirchen begraben,
00:23:04
Speaker
sich politisiert haben und auch mehr Mut gefasst haben, Widerstand zu leisten gegen staatliche Repression und gegen Pläne der Regierung, die man auf keinen Fall gutheißen kann.
00:23:14
Speaker
Ja, sehr schön gesagt.
00:23:15
Speaker
Und deswegen finde ich es auch eben so wichtig, dass wir heute darüber reden.
00:23:18
Speaker
Du hast jetzt schon öfters das Stichwort Repression gesagt und das ist ja auch total interessant, sich das nochmal genauer anzugucken, weil das Verweigern von diesen Erfolgszählungen wurde ja teilweise bis zu 10.000 D-Mark bestraft, auch
00:23:33
Speaker
für Sachen von dem Verteilen von Flugbettern einfach nur.
00:23:36
Speaker
Und ich habe ein Beispiel gelesen, wo die Grünen, die ja damals vier Jahre im Bundestag erst waren, in Kassel von dem Oberbürgermeister, da wurde das Telefon gesperrt und von dem Oberstaatsanwalt in Lübeck wurde das Rathaus mit einer Hundertschaft von Polizisten umstellt und die vier grünen Mitglieder wurden aus der Sitzung geholt und
00:23:53
Speaker
Und die Politiker, gerade ja auch Bundesinnenminister Zimmermann, hast du ja auch schon erwähnt, der hat es dann als erfolgreiche Aktion abgetan und betont, dass es den Protestierenden ja nicht um den demokratischen Rechtsstaat geht, sondern um das Begehen von Straftaten, was in dem Satz ist, der mir sehr bekannt vorkommt durch mein Engagement in der Klimabewegung.
00:24:13
Speaker
Und du standst ja selbst auch vor Gericht am 11.11.1987.
00:24:16
Speaker
Wofür genau und wie lief dein Prozess da ab?
00:24:23
Speaker
Ja genau, der Grund bei mir war jetzt eben nicht nur der Bullkott, sondern mir wird dann halt unterstellt oder nicht

Persönliche Erfahrungen und rechtliche Herausforderungen

00:24:29
Speaker
unterstellt, also ich habe, ja habe ich ja eben schon so ein bisschen angedeutet, einen Infostand mitbetrieben, der Volkssehungs-Bullkott-Initiative Mitte.
00:24:37
Speaker
mit Materialien aus dem Umweltzentrum, also aus einem Archiv und aus einem Infoladen.
00:24:42
Speaker
Und ja, und dann kam halt irgendwann die Polizei zu unserem Stand.
00:24:45
Speaker
Und das war, als dann Zimmermann sich überlegt hat, wir kriminalisieren das jetzt nach §111 öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, weil dort Staatseigentum, nämlich diese Volkshebungsbögen, beschädigt werden sollen.
00:24:58
Speaker
Also es wird halt aufgefordert, die Kennnummer rauszuschneiden, damit man nicht reidentifizierbar ist.
00:25:04
Speaker
wenn man die dann abgibt bei der Fobo-Initiative.
00:25:08
Speaker
Und das wurde uns dann eben als öffentliche Aufforderung zu Straftaten vorgeworfen, sozusagen.
00:25:13
Speaker
Das war absurd.
00:25:15
Speaker
Sehr absurd, genau.
00:25:17
Speaker
Und der Prozess war dann, also bei mir, ich habe gedacht, das war eigentlich wirklich, ich war erst 21, das war also mein erster Prozess überhaupt und
00:25:28
Speaker
Aber ich habe dann einfach auch so eine Verteidigungsrede schon vorbereitet und der Saal war auch voll und die Leute sind aber nicht aufgestanden, als der Richter reinkam.
00:25:36
Speaker
Dann hat er erstmal direkt einen hochroten Kopf gekriegt.
00:25:39
Speaker
Ich, also hat er angedroht, den Saal zu räumen, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer sich nicht erheben sollten.
00:25:46
Speaker
Das haben sie dann doch gemacht und es gab immer mal wieder Zwischenrufe.
00:25:49
Speaker
Und als ich dann mein Statement vorgelesen habe, hat der Richter dann einfach, man hat halt richtig gesehen, er hat einen roten Kopf gekriegt und mit dem Kopf geschüttelt und ist dann hinterher so richtig aus sich rausgeplatzt.
00:26:00
Speaker
Das würde alles im Chaos enden, wenn alle so denken würden wie ich.
00:26:05
Speaker
Und ja, er ist dann am Ende über die Forderung der Staatsanwaltschaft gegangen.
00:26:09
Speaker
Ich meine, ich war ja wie ein mittelloser Student, von daher eine Geldstrafe praktisch mir aufgebrummt.
00:26:16
Speaker
Ich habe das aber insgesamt im Nachhinein schon als sehr erfolgreichen Prozess trotzdem gesehen, weil einfach die Leute, die da waren, auch die sich beteiligt haben und im Grunde auch gesehen haben, wie der Staat da agiert, nämlich unrechtmäßig.
00:26:30
Speaker
Also es werden im Grunde die Einforderungen von Menschenrechten wird kriminalisiert, das Menschenrecht auf informationelle Selbstbestimmung angeht.
00:26:37
Speaker
Das wird kriminalisiert und ich habe ja nicht zu Straftaten aufgefordert, sondern lediglich informiert über die Volkszählung und von daher habe ich das insgesamt als sehr erfolgreichen Prozess auch gezeichnet.
00:26:52
Speaker
betrachtet, auch wenn natürlich die Geldstrafe ärgerlich war.
00:26:55
Speaker
Aber es gab natürlich dann auch ein Solli-Konzert, um die Kosten wieder reinzukriegen von der Volksängsboykott-Initiative.
00:27:02
Speaker
Und ich fand das insgesamt auch eine wichtige Erfahrung, also dass man vor Gericht steht und für seine Meinung eintritt und dann leider auch erleben muss, dass der Staat das durchaus anders sieht und dass da eben immer noch
00:27:16
Speaker
Richter im Amt sind, die eigentlich eine autoritäre Sichtweise auf die Gesellschaft haben und für die Menschenrechte, wie eben das Menschenrecht auf informationelle Selbstbestimmung, im Grunde irrelevant sind, die also wirklich so alte Schule sind.
00:27:29
Speaker
Und das fand ich eigentlich sehr erhellend, auch für meine weitere politische Arbeit.
00:27:34
Speaker
Ich bin ja dann weiter aktiv, seitdem immer noch aktiv in den sozialen Bewegungen.
00:27:39
Speaker
Und von daher würde ich auch tatsächlich diesen verlorenen Prozess tatsächlich trotzdem nicht als negativ rückblickend betrachten, sondern es war eine wichtige Erfahrung für mich persönlich und für alle Leute, die im Prozess waren, die eben auch gesehen haben, ja, man muss sich dem nicht beugen.
00:27:55
Speaker
Man kann auch Klartext reden vor Gericht und man kann...
00:27:59
Speaker
ja, dann so einen autoritären Knochen verärgern letztlich, aber ja, ich glaube, ich habe das unter so einem Spaßgerilliaspekt auch rückblickend gesehen und fand das von daher eigentlich ganz gut.
00:28:12
Speaker
Vielleicht hat es beim Richter ja auch ein bisschen was bewirkt, ich glaube zwar nicht, aber auch zu sehen, dass es eben Widerstand gibt, dass wir uns nicht davon klein halten lassen und auch nicht jetzt im Grunde zu Kreuze kriechen, wenn wir was Richtiges machen aus unserer Sicht, das ist, glaube ich, eine ganz wichtige persönliche Erfahrung, glaube
00:28:29
Speaker
Ja, es ist ja echt absurd, dass sie euch durch das Wegschneiden von dieser Nummer wirklich vollgeworfen haben, dass ihr ihr Staatseigentum irgendwie beschädigt.
00:28:39
Speaker
Aber ja, ich kenne das aus den Gerichten ja auch.
00:28:41
Speaker
Ich finde, der Gerichtssaal ist eh immer so ein ernüchternder Ort irgendwie, wenn man da mit seinen Anliegen, für die man brennt, sei es jetzt Klimakrise oder Volkshilfungsbollkott, die ja so...
00:28:52
Speaker
Kernstücke der Demokratie sind, versucht dafür einzustehen und dann einem gegenüber sitzt so diese nicht in der Staatsanwalt und Richter, die im Buch blättern und einem einfach nur vorwerfen, was man gemacht hat oder manchmal einen dann auch persönlich angreifen und so ausrasten.
00:29:06
Speaker
Also ich finde, das ist immer, ja, auf jeden Fall eine ganz eigene Erfahrung, manchmal auch nicht so leicht, aber bei dir hat es jetzt ja eher zu einer Mobilisierung geführt.
00:29:14
Speaker
Das finde ich nämlich auch interessant, weil
00:29:16
Speaker
Repressionen sollen ja eigentlich einschüchtern.
00:29:17
Speaker
Ich glaube, sie haben auch einige Leute ja eingeschüchtert, sich nicht mehr zu beteiligen beim Volkszählungsboykott.
00:29:23
Speaker
Aber bei dir jetzt persönlich in dem Fall hat es dich eher noch mehr motiviert, weiterzumachen, oder?
00:29:29
Speaker
Ja, auf jeden Fall.
00:29:29
Speaker
Also es hat mich auch in meinem anarchistischen Weltbild sozusagen bestärkt.
00:29:34
Speaker
Und auch in der Erfahrung, dass eben soziale Bewegung und auch vor allem die Solidarität, die gegenseitige Hilfe in diesen sozialen Bewegungen einfach auch was ganz Wichtiges sind.
00:29:43
Speaker
Und dass wir als soziale Bewegung tatsächlich auch mehr erreichen können, als wir vielleicht vorher erwartet haben oder so.
00:29:51
Speaker
Also man sollte, finde ich, so Widerstandserfahrung und auch
00:29:54
Speaker
positive Entwicklungen jetzt nicht kleinreden.
00:29:57
Speaker
Also ich glaube, wir können eine Menge erreichen und wer ohne Angst ist, kann den König vom Pferd ziehen.
00:30:03
Speaker
Denke ich.
00:30:06
Speaker
Ja, richtig.
00:30:08
Speaker
Du hast ja auch schon gesagt, um nochmal die Fakten zu nennen, es gab ja 1,1 Millionen unausgefüllte Bögen, 87.
00:30:15
Speaker
Und die Qualität der Ergebnisse ist ja eben umstritten.
00:30:18
Speaker
Also es ist ja ein großer Erfolg, wie du auch schon mehrfach gesagt hast, dass diese Volkszählung eben nicht so stattfinden konnte.
00:30:24
Speaker
Plus das Gerichtsurteil von 83.
00:30:26
Speaker
Also auch wenn jetzt vielleicht ihr euch noch mehr erhofft hättet, aber das sind ja schon Erfolge,
00:30:32
Speaker
sehr gute Ergebnisse, die ihr da vorgewiesen habt durch den zivilen Widerstand.
00:30:36
Speaker
Wie würdest du oder wie bewertest du das denn jetzt mit Blick auf heute?
00:30:40
Speaker
Also ich habe eine Überschrift gelesen von einem Zeitungsartikel, da stand, es passiert gerade, 1984 ist überall.
00:30:47
Speaker
Also in Bezug auf George Orwells Buch von damals, was wir am Anfang erwähnt hatten.
00:30:52
Speaker
Trump, Putin, Fehlinformationen, Überwachung.
00:30:55
Speaker
Welche Lehren können wir aus dem Boykott 87 heute ziehen und vielleicht auch für digitalen Widerstand heutzutage übernehmen?
00:31:03
Speaker
Was denkst du dazu?

Moderne Proteste und geopolitische Herausforderungen

00:31:05
Speaker
Ja, ich hatte ja eben schon so ein bisschen angedeutet.
00:31:07
Speaker
Also ich finde, das Problem ist natürlich, heute ist die Überwachung ja viel, viel krasser als damals.
00:31:13
Speaker
Und heute ist es ja auch so, dass die Menschen zum großen Teil freiwillig ihre Daten in den sozialen Medien sozusagen abgeben.
00:31:19
Speaker
Also große Konzerne wie Meta und so weiter, die...
00:31:22
Speaker
Und Elon Musk X und so weiter, die holen sich natürlich Daten.
00:31:26
Speaker
Davon konnten die Regierungen früher ja nur träumen, dass sie ganzen Informationen bekommen.
00:31:32
Speaker
Und das ist natürlich eine andere Dimension.
00:31:34
Speaker
Auf der anderen Seite sehe ich, wir können auch die Lehre daraus ziehen aus dieser Volksängesboykottbewegung.
00:31:41
Speaker
dass es immer wieder auch Bewegungshochs geben kann.
00:31:44
Speaker
Dass man glaubt, okay, jetzt sind wir echt total am Ende.
00:31:47
Speaker
Dass dann plötzlich zigtausende Menschen auf die Straße gehen, demonstrieren.
00:31:51
Speaker
Wir haben das ja jetzt auch letztes Jahr gesehen, als diese Remigrationspläne bekannt geworden sind.
00:31:57
Speaker
Und dann überall, auch selbst in den kleinsten Dörfern und auch in Ostdeutschland, hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen sind, um gegen den aufkreimenden Faschismus aufzustehen.
00:32:07
Speaker
Und also das heißt, sowas finde ich einfach wichtig und gut.
00:32:10
Speaker
Und ich glaube auch nicht in den Regierungen liegt die Lösung für unsere Probleme, sondern die liegt tatsächlich in den sozialen Bewegungen.
00:32:17
Speaker
Also wenn wir Druck herstellen, dann können wir auch eine ganze Menge erreichen.
00:32:21
Speaker
Dann können wir auch Projekte verhindern, die von staatlicher Seite ausgehen und dem Ziel einer menschengerechteren, menschenfreundlicheren Welt eben auch näher kommen.
00:32:30
Speaker
Und das sehe ich eigentlich heute auch.
00:32:31
Speaker
Also ich
00:32:33
Speaker
Ich war natürlich auch ganz begeistert, als dann die Klimabewegung auch so eine Massenbewegung geworden ist.
00:32:38
Speaker
Wir sind momentan natürlich ganz schön in der Defensive.
00:32:40
Speaker
Also es gibt einen extremen Rechtsruck natürlich mit Trump.
00:32:43
Speaker
Wahnsinn eigentlich.
00:32:44
Speaker
Also man kann sich ja nur noch an den Kopf packen, was so passiert gerade.
00:32:48
Speaker
Und auch in Deutschland natürlich auch.
00:32:50
Speaker
Also ich meine, die CDU ist unter Merz extrem nach rechts gewandert.
00:32:54
Speaker
Also unter Merkel, denke ich mal, wäre diese extreme Politik gegen Geflüchtete so nicht gemacht worden.
00:33:00
Speaker
Und das ist einfach eine Politik, da müssen wir uns gegenstemmen.
00:33:05
Speaker
Wir müssen für Menschenrechte eintreten und die Menschenrechte gelten eben für alle Menschen.
00:33:09
Speaker
Die gelten jetzt nicht nur für Angehörige Deutschlands oder für Deutsche, sondern die gelten für alle Menschen auf der Welt.
00:33:14
Speaker
Das heißt, wir müssen einfach soziale Bewegungen auch anderswo unterstützen und uns auch vernetzen mit anderen sozialen Bewegungen.
00:33:21
Speaker
Und dann versuchen, als soziale Bewegung international und bundesweit eine gesellschaftliche Veränderung durchzusetzen von unten.
00:33:30
Speaker
Und das ist ein langer Weg und ich glaube, es lohnt sich, diesen Weg zu gehen.
00:33:36
Speaker
Ja, auf jeden Fall.
00:33:37
Speaker
Und ich meine, dabei sind ja Boykotte als Protestform, sage ich jetzt mal heutzutage, auch in Vergessenheit geraten.
00:33:43
Speaker
Also nicht nur dieses Beispiel, sondern ich habe auch das Gefühl, die Protestform, weil viel ist ja gerade große Demonstrationen oder disruptivere Sachen, wo man blockiert.
00:33:53
Speaker
Da haben wir auch in vorherigen Folgen schon drüber gesprochen.
00:33:55
Speaker
Aber nicht kooperieren, also nicht mitmachen mit etwas, was der Staat zum Beispiel möchte.
00:34:00
Speaker
Das ist ja ein Mittel, was jetzt zum Beispiel von der Klimabewegung auch noch nicht so viel genutzt wurde.
00:34:06
Speaker
Was zum Teil, denke ich, auch daran liegt, dass es eben sich erstmal so groß anfühlt.
00:34:10
Speaker
Und da fände ich es nochmal spannend von dir zu hören, was würdest du jetzt Menschen, die auch diese ganzen Probleme sehen, mitgeben, wie man anfängt und wie man auch die Motivation beibehält?
00:34:21
Speaker
Weil ja, das klingt jetzt alles so riesig, was ihr gemacht habt und glaube ich manchmal auch ein bisschen abschreckend.
00:34:26
Speaker
Wie fange ich da überhaupt an?
00:34:28
Speaker
Also hast du einen Tipp, den du Menschen mitgeben würdest, die sich für Demokratie einsetzen wollen würden?
00:34:33
Speaker
Ja, auf jeden Fall Mitstreiter zu finden und Mitstreiterinnen und sich vernetzen mit anderen Leuten und dann auch Gruppen zu bilden, Kollektive zu bilden und dann basisdemokratisch organisiert, sich dann Aktionen zu überlegen, auch vielleicht witzige Sachen zu überlegen.
00:34:50
Speaker
Und dann, ja, und sich dann immer wieder auf größerer Ebene weiter zu vernetzen.
00:34:53
Speaker
Also wir waren ja, so groß war das gar nicht mehr.
00:34:55
Speaker
Es waren ja, erst mal waren das ja ganz kleine Gruppen und wir waren dann selber überrascht, wie viele Leute dann plötzlich zu unseren Gruppentreffen gekommen sind.
00:35:03
Speaker
Und ich glaube, das kann immer wieder passieren.
00:35:05
Speaker
Also wir haben, wie gesagt, was ich jetzt gerade sehe, also diese Massenbewegung gegen den aufkeimenden Faschismus oder so, da habe ich auch große Hoffnung,

Zukunft sozialer Bewegungen

00:35:13
Speaker
setze ich da rein.
00:35:13
Speaker
Also ich glaube schon,
00:35:14
Speaker
dass wir auf dem Wege vielleicht auch einen Teil dieser rechtsgerichteten, menschenfeindlichen Politik auch wieder zurückdrehen können.
00:35:21
Speaker
Also das ist natürlich eine Hoffnung.
00:35:23
Speaker
Und das müssen wir auch, weil ich glaube, wenn das so weitergeht, auch in Sachen Klimakatastrophe, dann ist die Menschheit irgendwann an dem Punkt, wo es nicht mehr weitergehen kann.
00:35:35
Speaker
Aber das müssen wir natürlich verhindern.
00:35:37
Speaker
Und da müssen wir...
00:35:39
Speaker
Alternativen setzen, die sehe ich nicht im Staat, die sehe ich tatsächlich in sozialen Bewegungen und in einer anderen Form von Gesellschaft.
00:35:47
Speaker
Also ich sehe das natürlich aus einer anarchistischen Sicht, also ich sehe das in Form von Kollektiven, von kleinen Gruppen, die dann immer größer werden und auch sich auf größerer Ebene vernetzen, aber eben auf einer basisdemokratischen Ebene und nicht von oben nach unten, ohne Chef und ohne Staat sozusagen und
00:36:06
Speaker
Dann trotzdem natürlich auf einer sehr solidarischen Ebene und ich glaube, das ist das, worauf es jetzt ankommt eigentlich, dass wir auch Utopien entwickeln, dass wir uns überlegen, wie kann eine Gesellschaft anders strukturiert werden und damit solche Sachen nicht passieren, damit Faschismus nicht wieder aufkeimen kann, damit die Klimakatastrophe aufgehalten werden kann.
00:36:27
Speaker
Das hat immer was mit Organisation zu tun.
00:36:29
Speaker
Und ich glaube, alle Menschen sind erstmal soziale Wesen und jeder kann sich auch ändern.
00:36:34
Speaker
Also ich habe da auch ganz viele tolle Erfahrungen gemacht, auch von Leuten, die dann sich wirklich total verändert haben und auch in positiver Hinsicht verändert haben.
00:36:43
Speaker
Und ich glaube, das sollten wir halt auch sehen.
00:36:46
Speaker
Also jeder Mensch kann sich...
00:36:49
Speaker
Auch nochmal ändern.
00:36:50
Speaker
Aber es kommt eben auch darauf an, solche Machtstrukturen von unten zu bekämpfen und dem was entgegenzusetzen, damit sie nicht die Menschheit zerstören.
00:36:57
Speaker
Und da sehe ich momentan natürlich in gewisser Weise auch relativ schwarz, weil ich meine, vor Jahren wäre das wahrscheinlich undenkbar gewesen, dass solche Leute wie Trump...
00:37:06
Speaker
An die Regierung kommen und man hat ja immer gehofft, dass sich die Gesellschaft immer weiter positiv verändert und dass immer die positiven Seiten sich durchsetzen können, aber das ist natürlich nicht so.
00:37:16
Speaker
Es gibt immer eine gewisse Dialektik, es gibt immer gewisse Kräfte, die dann versuchen, im Grunde die Gesellschaft in Richtung Faschismus zu drängen.
00:37:26
Speaker
Und wie schnell das dann tatsächlich gehen kann, sehen wir ja jetzt gerade in den USA, wo dann, ja, wo seit Anfang des Jahres im Grunde ja eine Zerstörung der demokratischen Strukturen hin zu einer Autokratie umgesetzt werden.
00:37:39
Speaker
Aber was da eben auch zu sehen ist, es gibt halt auch in den USA ganz massiven Widerstand, gewaltfreie Protestaktionen, Massenproteste gegen diese massive Politik, die die Regierung da betreibt, auch gegen Städte.
00:37:52
Speaker
Migrantinnen und Migranten und auf die setze ich natürlich große Hoffnung.
00:37:55
Speaker
Aber natürlich weht uns der Wind auch ganz schön kalt ins Gesicht.
00:37:59
Speaker
Das darf man ja auch nicht vergessen.
00:38:01
Speaker
Aber wir sind immer noch da.
00:38:02
Speaker
Wir können auch noch was ändern und wir sind immer noch nicht alleine.
00:38:06
Speaker
Richtig, ja.
00:38:07
Speaker
Also Verbündete suchen, organisieren und Machtverhältnisse verschieben und Utopien spinnen.
00:38:11
Speaker
Das finde ich alles sehr wichtige Punkte.
00:38:14
Speaker
Und ja, also ich stimme dir da total zu.
00:38:16
Speaker
Ich meine, es passiert ganz viel Schlimmes gerade und auf der anderen Seite blühen zivile Widerstandsbewegungen in Demokratien überall gerade auf.
00:38:25
Speaker
Auch hier, falls euch mal eine Podcast-Folge zum Protesten in den USA gerade interessieren, sagt da gerne mal Bescheid.

Abschluss und inspirierende Gedanken

00:38:32
Speaker
Wir versuchen gerade auch noch mit Menschen in der Türkei zu sprechen.
00:38:34
Speaker
Da passiert ja auch gerade richtig viel und Serbien hatten wir schon eine Protest-Folge dazu.
00:38:39
Speaker
Da sind die größten Demonstrationen.
00:38:41
Speaker
demokratischen Proteste in der Geschichte.
00:38:42
Speaker
Also es ist nicht nur Schatten, sondern auch viel Licht da.
00:38:47
Speaker
Und unsere andere Tradition, die jetzt hierzu denke ich ganz gut passt, neben dem T, ist, dass wir ja am Ende ein, zwei Zitate immer haben.
00:38:55
Speaker
Und Dalila hat mich tatsächlich auf eins hingewiesen von Henry David Thoreau, der ja eher im Kontext von dem Verweigern von Steuerzahlen gesprochen hat.
00:39:03
Speaker
Aber der hat ein Zitat gesagt.
00:39:05
Speaker
Die einzige Verpflichtung, die ich zu übernehmen, das Recht habe, ist jederzeit das zu tun, was ich für richtig halte.
00:39:12
Speaker
Ich finde, das passt sehr schön zum Volkszählungsboykott auch.
00:39:15
Speaker
Also wo Menschen nicht gesagt haben, ich mache nicht mit, weil ich kriminell bin, sondern ich mache mit, weil ich denke, dass der Staat hier seine Grenzen überschreitet.
00:39:23
Speaker
Und tatsächlich habe ich dazu empfohlen.
00:39:26
Speaker
auch ein sehr ähnliches Zitat in deiner Rede vor Gericht gefunden.
00:39:29
Speaker
Ich habe mir davon nämlich Teile durchgelesen und da hast du gesagt, gewaltfreier Widerstand ist Maxime des Handelns und Denkens und demokratische Gesetze können diesen Widerstand auf Dauer nicht brechen und beweisen seine Rechtmäßigkeit.
00:39:43
Speaker
Das fand ich sehr schön und wollte dich noch mal fragen, ob es noch was gibt, was du jetzt zu dem Volkszählungsboykott und deinem Engagement, was du noch mal teilen willst mit den Zuhörern, bevor wir so zum Abschluss kommen.
00:39:55
Speaker
Ja, ich glaube, dass wir eben gut fahren, wenn wir auch aus den Geschichten der sozialen Bewegung, also es ist ja nicht nur die Volkshebungsbewegung, sondern auch die Anti-Atom-Bewegung, die Frauenbewegung, wenn wir da auch die großen Erfolge eben auch sehen und auch sehen, dass wir uns auch anders organisieren können als in Parteien oder in staatlichen Strukturen, sondern einfach selbst organisiert, basisdemokratisch, in kleinen Kollektiven, in kleinen Gruppen, die dann eben zusammen auch organisieren,
00:40:21
Speaker
wieder eine Gemeinschaft bilden können und vielleicht eine ganz andere Form von Gesellschaft verwirklichen können.
00:40:27
Speaker
Also für eine gewaltfreie herrschaftlose Gesellschaft, dieses Ziel, vertrete ich ja auch als Redakteur der Graswurzelrevolution, die seit 1972 erscheint.
00:40:37
Speaker
Die Zeitung selber ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie sowas funktionieren kann.
00:40:41
Speaker
Die ist also wirklich generationsübergreifend.
00:40:43
Speaker
Da hast du Leute zwischen 18 und die Älteste ist 90, Helga Weber-Zucht.
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Speaker
Die ist seit den 60er Jahren in den sozialen Bewegungen dabei.
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Speaker
Wir können aus der Geschichte lernen.
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Speaker
Wir können auch aus gewaltfreien Aktionen lernen und selber Aktionen machen, die vielleicht gar nicht so schwer zu machen sind und die andere Menschen positiv erreichen und die auch zum Nachdenken bringen.
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Speaker
Und ich glaube,
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Speaker
Und das ist auch das, was man aus der Volkslings-Pakott-Bewegung lernen kann.
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Speaker
Sehr schön.
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Speaker
Die Helga muss ich mal nachforschen.
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Speaker
Ich mache eine Liste mit Frauen im Widerstand.
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Speaker
Da muss sie auf jeden Fall noch drauf.
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Speaker
Sie fehlt noch.
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Speaker
Ja, da kann ich dir auf jeden Fall empfehlen.
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Speaker
Also in der neuen Graswurzelrevolution Nummer 500, da ist ein langes Interview mit sechs Graswurzelrevolutionärinnen.
00:41:28
Speaker
Und Helga ist also zwischen 24 und 90.
00:41:30
Speaker
Und die älteste ist Helga.
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Speaker
Und das ist ein ganz, ganz tolles Gespräch.
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Speaker
Und da lernst du Helga, glaube ich, auch ganz gut kennen.
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Speaker
Super, perfekt.
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Speaker
Genau, in der Graswurz-Celebration gibt es auch eine ganze Serie mit ihr, mit Interviews.
00:41:43
Speaker
Also sie ist wirklich ganz beeindruckend, finde ich.
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Speaker
Und wenn wir mit 90 immer noch so aktiv und witzig und stark sind wie Helga, dann haben wir, glaube ich, alles richtig gemacht.
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Speaker
Schön, da habe ich ja noch richtig viel mitgenommen, neben dem Volkszählungsbrikot.
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Speaker
Vielen Dank an dich, Bernd, dass du heute hier warst.
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Speaker
Hat mich wirklich gefreut, ein schönes Gespräch mit dir führen zu können.
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Speaker
Ja, herzlichen Dank dir.
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Speaker
Ja, ich möchte mich auch ganz herzlich bedanken bei allen, die zugehört haben und bei der Stiftung Kraft der Gewalt, Freiheit und Postproduktion zum Staunen, die uns unterstützen.
00:42:14
Speaker
Schreibt uns gerne eine E-Mail, was euch noch interessiert oder falls ihr Gedanken zu dieser Folge habt, die E-Mail ist in den Shownotes.
00:42:21
Speaker
Wenn ihr eine kleine Spende da lassen wollt, dann freuen uns Dalila und ich sehr auf Better Place, weil wir dringend Unterstützung brauchen, um diesen Podcast fortsetzen zu können.
00:42:30
Speaker
Und ja, dann würde ich sagen, hören wir uns am letzten Donnerstag im nächsten Monat wieder.
00:42:34
Speaker
Und ich fand es echt schön.
00:42:36
Speaker
Macht's gut.
00:42:37
Speaker
Tschüss.
00:42:38
Speaker
Danke.
00:42:39
Speaker
Tschüss.
00:42:42
Speaker
This fight is one that you can win.