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Taktiken statt Aktionismus

Tee & Taktik
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213 Plays3 months ago

Warum reicht es nicht aus, individuell Dinge zu ändern? Warum machen störende Aktionen Sinn, auch wenn sie unbeliebt sind? Diese und andere Fragen zur Wirksamkeit von Protesttaktiken werden in dieser Folge beleuchtet. Es geht um die Kraft des zivilen Widerstands und darum, wie verschiedene Protestformen, von Blockaden bis hin zu konstruktivem Widerstand, gesellschaftlichen Wandel anstoßen können – und warum es mehr braucht als individuelle Verhaltensänderungen, um Machtverhältnisse zu verschieben.

Bleibt immer auf dem Laufenden bei Instagram: @dalilah_shemia und @lea_bonasera

Danke an

→ die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit für die finanzielle Unterstützung, die den Podcast möglich macht

→ unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation Zum Staunen*

→ Aimée van Baalen für die Social Media Arbeit

→ Norman und Tomo Konrad für die Bilder für das Cover


Shownotes

-Korrektur: DFL-Investorendeal wird abgewendet durch Fanproteste

-Majken Jul Sørensen Humor in Political Activism

-198 Methoden Gene Sharp

-BP Ökologischer Fußabdruck (Forschung von Rahmstorf dazu)

-präfigurativen Politik

-Nichtnormativ und konstruktiv: Shuman, Eric, Tamar Saguy, Martijn van Zomeren, and Eran Halperin. "Disrupting the system constructively: Testing the effectiveness of nonnormative nonviolent collective action." Journal of Personality and Social Psychology 121, no. 4 (2021): 819

-Johan Galtung positiver und negativer Frieden

-Konfliktreifung Zartmann 

-Francis Fox Piven, interdependenter Machtbegriff

- Anti-Apartheid Boykott Geschichte

-Busboycott Montogmery

-Konstruktiver Widerstand Buch 

-Gandhi constructive programme

-Betty Williams 

- Klimabewegung 350.org

--Buch von Lea 

Transcript

Einleitung und Themenvorstellung

00:00:23
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest. Wir sind Lea und Lila. Hallo. Herzlich willkommen.
00:00:39
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Podcast Tee und Taktik.

Protest, Demokratie und gesellschaftlicher Wandel

00:00:42
Speaker
Wir sprechen über Protest und Demokratie und wie du etwas in der Gesellschaft verändern kannst. Wir sind Lea und Dalila und beschäftigen uns mit dem zivilen Widerstand sowohl in der Forschung als auch in der Praxis.

Kontroversen um Protesttaktiken

00:00:57
Speaker
Und ja, wir haben heute ein sehr spannendes Thema. Es geht darum, welche Taktiken funktionieren am besten. Daran scheiden sich ja so ein bisschen die Geister. Viele sagen ja immer, Protest ist richtig, aber eben nicht in dieser Form. Und genau, über dieses kontroverse Thema wollen wir heute sprechen. Aber zu Beginn erst mal die wichtigste Frage. Dalila, welchen Tee hast du heute dabei?
00:01:21
Speaker
Ich habe heute einen Ingwatz-Zitronen-Tee, allerdings aus dem Beutel. Es musste schnell gehen. Wenig Zeit diese Tage. Schön. Ja, ich habe mir heute einen Seil bei Tee gemacht. Ist vielleicht jetzt nicht die leckerste Sorte, aber es sind ja so viele Menschen krank im Moment. Da dachte ich präventiv so einen Seil bei Tee ist auf jeden Fall eine gute Idee.

Effektivität des zivilen Widerstands

00:01:42
Speaker
Ja, also wir haben ja in den letzten Folgen darüber gesprochen, ziviler Widerstand völlig sinnlos. Warum ist er eigentlich effektiv? Wir haben auch schon über Strategie gesprochen und auch darum, warum er manchmal nicht funktionieren kann. Und heute sind wir eben
00:01:58
Speaker
Bei dem Thema Taktiken, das kam nämlich in den anderen Folgen immer mal so am Rande auf und dafür wollen wir uns heute eine ganze Folge Zeit

Öffentliche Meinung und Protestgruppen

00:02:05
Speaker
nehmen. Mir geht es persönlich so, dass ich in der Praxis sehr, sehr oft gehört habe, gerade im Rahmen der letzten Generation. Ich finde es richtig gut, was ihr macht und dass ihr euch einsetzt, aber ich würde das eben nicht so machen und die Methode, die trifft doch die falschen, macht es mal lieber so wie die Fridays, ihr verschreckt doch die Leute nur.
00:02:21
Speaker
Ja, und da ist man die ganze Zeit mit der Frage konfrontiert, welche Taktiken und warum man diese benutzt.

Einfache und humorvolle Protesttaktiken

00:02:28
Speaker
Bevor wir da jetzt so ein bisschen reingehen, wollte ich dich mal fragen, hast du eigentlich Lieblingstaktiken, die du ja schon mal so gesehen hast? Ja, ich muss sagen, so Lieblingstaktiken tatsächlich nicht. Aber was mir in letzter Zeit aufgefallen ist, was ich ganz cool fand, weil das eben so das
00:02:43
Speaker
sehr simple und dadurch aber trotzdem sehr wirksame kombiniert hat, weil ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, das war ja vor ein paar Monaten in den Nachrichten auch, dass Fußballfans tatsächlich Spiele immer wieder gestört haben und unterbrochen haben, indem sie, was weiß ich, ferngesteuerte Autos aufs Feld geschickt haben oder
00:03:00
Speaker
ich glaube auch Bälle hingeworfen haben und so weiter und so fort. Also ich kenne mich da mit der Thematik auch nicht so aus, aber ich fand das super, weil es einfach ganz einfache Mittel und große, große Wirkungen, also es waren erfolgreiche Proteste und irgendwie so ein bisschen auch unterhaltsam dadurch. Und ja, wie ist bei dir? Da gibt es ja auch ein ganz tolles Buch von
00:03:19
Speaker
einer unserer Professorinnen oder Kolleginnen, Maiken Sörensen, die viel dazu geschrieben hat, wie man Humor auch benutzen kann, um gerade in so sehr autoritären Regimen, wo ja so viel mit Angst gearbeitet wird, das eben nutzen kann als Protestform, um diese große Angst, die versucht wird zu versprühen, aufzubrechen. Das finde ich immer sehr beeindruckend. Wie nennt man das nochmal? Lachtivismus?
00:03:43
Speaker
Ja, ich weiß gar nicht, ob das ... Also, das war mal mein Versuch, das ins Deutsche zu übersetzen, von lafti visum. Ich weiß nicht, ob das so korrekt ist, aber genau, das fand ich immer ganz schön. Also, bei mir selber ist es ja so, dass ich schon viele verschiedene Sachen ausprobiert hab, von Demonstrationen klassischerweise bis zu Besetzung. Dann aber auch krassere Sachen wie den Hungerstreik oder Blockaden.
00:04:07
Speaker
Aber ja, eigentlich eine der liebsten Proteste, die ich mal gemacht habe und die auch auf sehr viel positives Feedback gestoßen ist, waren die sogenannten Containeraktionen, wo wir eben deutschlandweit dagegen protestiert haben, dass ein Großteil der produzierten Lebensmittel weggeworfen wird.
00:04:26
Speaker
Und wir haben dieses Essen aus den Containern gerettet und dann Menschen verschenkt. Teilweise haben wir uns dann auch selber angezeigt wegen Diebstahl, um genau das zu thematisieren, dass dieses Essen zu retten immer noch illegal ist, was ja total absurd ist. Und ja, einfach diese riesigen Berge an Essen zu sehen und die dann an Menschen zu verschenken und denen eine Freude zu machen, das war schon toll.
00:04:52
Speaker
Ja, und es gibt ja ganz viele unterschiedliche Formen. Vielleicht kannst du uns nochmal so zum Einstieg erzählen, wie die so kategorisiert werden, bevor wir in einzelne Methoden einsteigen.

Gene Sharp und Protestmethoden

00:05:03
Speaker
Ja, die klassische Kategorisierung nach Gene Sharp ist ja die einmal zu sagen so symbolische Protestformen, wo es eher darum geht, einfach zu sagen, ja, was man möchte, also einfach so zum Ausdruck zu bringen, was man doof findet zum Beispiel oder was man möchte. Und dann gibt es halt die der Nicht-Kooperation, also dass man etwas unterlässt, was man sonst vielleicht tut. Und die der Intervention oder Disruption.
00:05:26
Speaker
wo es darum geht zu stören. Jedenfalls waren es in der ersten Auflistung 198 verschiedene Methoden, die in diese drei Kategorien fallen, wie Flyer-Aktionen, Kundgebungen, Streiks, Boykottes, Sit-Ins und wie gesagt viele, viele

Protest im digitalen Zeitalter

00:05:45
Speaker
mehr.
00:05:45
Speaker
Und mittlerweile wurde das ja auch schon immer wieder aktualisiert, auch aufgrund der neuen Möglichkeiten durch Internet und digitale Medien und soziale Medien etc. Und da hattest du ja letztes Mal von 350 gesprochen und mittlerweile sind es ja auch schon 360. Wir packen euch auf jeden Fall einen Link in den Shownuts, da könnt ihr dann immer nachvollziehen auf die weiteren neuen, abgedateten quasi Aktionsformen, die es noch gibt, wenn man mal Ideen braucht zum Beispiel.
00:06:15
Speaker
Bevor wir jetzt mit der ersten Kategorie einsteigen, möchte ich gerne noch mal kurz auf einen Punkt eingehen, der gar nicht in der Liste vorkommt, aber trotzdem immer wieder diskutiert wird, wenn es um Taktiken und Vorgehensweisen geht. Und zwar wurde ich neulichst wieder auf einer Veranstaltung aus dem Publikum gefragt, warum es nicht die effektivste Taktik ist, wenn jeder individuell anfängt anders zu handeln.
00:06:41
Speaker
Also das war eine Veranstaltung, da ging es um das Thema Klimaschutz und Protest. Und die Frage war so nach dem Motto, wenn ich meine Gewohnheiten ändere, mich anders ernähre, anders bewege, dann, ja, wenn das dann alle Menschen machen, dann können wir doch die ganze Welt verändern.
00:06:58
Speaker
Und obwohl ich diesen Gedanken sehr gut finde, und es ja wichtig ist, dass Menschen darauf achten, im Rahmen unserer Ressourcen und auch im Einklang mit der Natur zu leben, muss man klar sagen, dass es sich dabei eben nicht um die klassischen Widerstandstaktiken handelt.
00:07:14
Speaker
sondern in diesem Fall tatsächlich sogar eine Gegenstrategie des Gegners, also in dem Fall Staaten und Unternehmen, die die Verantwortung ja in den Privatbereich schieben, weil in dem Fall war es ja etwas, was aus der Ölindustrie angezettelt wurde, also der ökologische Fußabdruck ist ja etwas, das musste ich schon in der Schule ausfüllen, also das wurde uns da im Unterricht so richtig gezeigt, hier könnt ihr euren ökologischen
00:07:44
Speaker
Fußabdruck ausrechnen und dann seht ihr, wie viel CO2 ihr in einem Jahr ausstoßt und dann könnt ihr was verändern.

Ökologische Verantwortung und Unternehmen

00:07:50
Speaker
Und wenn man dazu aber die Hintergrundgeschichte kennt, ist das echt wieder krass, finde ich, zu sehen, weil das wurde eben von British Petroleum im Jahr 2004 eingeführt, also ein Mineralölunternehmen aus Großbritannien, was eben genau darauf abzielt, die Verantwortung von
00:08:06
Speaker
den großen Unternehmen, die das CO2 ja ausstoßen, auf einzelne Leute zu richten und genau so ein bisschen Verantwortung wegzuschieben und auch das Ganze irgendwie ein bisschen klein zu halten, was ich auf keinen Fall sagen will und was super ist, wenn Leute was verändern und
00:08:23
Speaker
nachhaltigen Lebensstil haben und ja, da sehr viel Arbeit ja auch drinsteckt und da habe ich sehr großen Respekt vor, Dinge zu verändern, aber dass man eben sich bewusst sein muss, dass das die großen Machtverhältnisse, worüber wir ja am Anfang gesprochen haben, nicht verändern wird und dass es eben diese anderen Taktiken auch noch braucht.
00:08:41
Speaker
Also für den strukturellen Wandel, wo dann die ganz großen Akteure sind, die oft eben einen Großteil zu Problemen beitragen. Darum geht es da, ein bisschen was zu verändern und die so ein bisschen mehr in die Zange zu nehmen und zu kontrollieren, was sie machen. Und das finde ich schon krass, dass eben BP, also
00:08:59
Speaker
British Petroleum eben tatsächlich eine PR Agentur damit beauftragt hat, mit dem Ziel eben genau eine Strategie, eine Möglichkeit zu finden, die Aufmerksamkeit eben von ihnen als Hauptverursacher abzulenken, was denen dann auch wirklich, also ziemlich gut gelungen ist, würde ich sagen, weil es ging ja ganz viel dann auch um individuelles Shaming und so weiter und so fort.
00:09:19
Speaker
Aber persönliche Transformation ist natürlich immer Teil auch von gesellschaftlicher Veränderung. Es geht nicht darum, die natürlich zu verneinen, aber eben zu sagen, es ist ein Schritt und gesellschaftliche Veränderungen müssen halt Strukturen ändern und dafür muss man wirklich Machtverhältnisse verschieben.

Demonstrationen und Machtverhältnisse

00:09:35
Speaker
Und dafür ist eben der zivile Widerstand ein gutes Mittel. Was natürlich auch heißen kann, man macht viele Demonstrationen zum Beispiel, was ja das übliche Mittel ist. Da ist halt das Problem, dass das
00:09:47
Speaker
tatsächlich zum Standardrepertoire in Demokratien gehört und quasi mit einkalkuliertes, mit berücksichtigt ist und somit eben auch nicht wirklich Machtverhältnisse oder Kräfteverhältnisse verändert. Es ist nicht wirklich störend in dem Sinne, weil das halt
00:10:06
Speaker
angekündigt ist stattfindet. Ja, da werden in dem Sinne keine Machtverhältnisse verschoben. Es ist auch wichtig, Demonstrationen können verschiedene Zwecke erfüllen, also dass sie zum Beispiel ganz gut sind, als Anlaufpunkt oder als auch Test für die Bewegung zu gucken, okay, wo stehen wir gerade, wie viele Supporter haben wir gerade oder auch um andere anzusprechen.
00:10:23
Speaker
sprechen, aber sie sind nicht so sehr dafür da, um so eine Störung auszulösen, die dann tatsächlich Krise, die ja oft vorhanden

Theorie vs. Praxis in Protesten

00:10:31
Speaker
ist. Es geht ja um verschiedene gesellschaftliche Krisen, die die Dramatik dessen auch gut darzustellen. Oder wie siehst du das?
00:10:38
Speaker
Ja, ich sehe das auch so und ich finde, das ist wieder so ein perfektes Beispiel dafür, wenn sie das Wissenschaften und Praxis einfach meilenweit voneinander entfernt sind, weil eigentlich alle Texte, die ich gerade so lese, so protest, haben immer irgendwie eine Analyse da drin oder haben ja auch schon immer aber jetzt noch mal vermehrt, dass sich halt zu viel auf die große Demonstration verlassen wird und halt zu wenig. Ich meine, es gibt ja 359 andere Methoden, die man ausprobieren kann.
00:11:04
Speaker
dass das eben zu wenig ausprobiert wird. Also ich denke, die ist schon wichtig eben, um zum Beispiel, indem sie stört, Aufmerksamkeit natürlich in dem Sinne generiert und dann eine Situation herstellt, dass das einfach nicht mehr ignoriert werden kann, also dass das Thema einfach viel präsenter ist dadurch. Ja, ich denke, ein Problem ist manchmal tatsächlich, wenn es nicht so ganz nachvollziehbar ist, also wenn die Störungen
00:11:30
Speaker
Scheinbar nicht der Problemanalyse oder Ursache oder so, wenn es dann nicht so einleuchtend ist, warum das jetzt genau so gemacht wird. Um mal ein bisschen konkreter zu werden, also zum Beispiel in der Bürgerrechtsbewegung gab es ja auch diese Sit-Ins, also dass sich Menschen aus der schwarzen Community in Kantinen gesetzt haben, wo nur Weiße erlaubt waren quasi in dem Sinn und das war sehr
00:11:53
Speaker
störend für diese weißen Businesses und das natürlich für große Aufbau gesorgt. Und dann haben die Läden erstmal auch vorübergehend beschlossen. Genau, aber es war sehr klar, warum das getan wird. Also es gibt ja diesen Begriff der präfigurativen Politik. Das klingt jetzt sehr theoretisch und abstrakt, aber heißt einfach, dass die Gesellschaft, die man sich so vorstellt, dass man die auch schon lebt und dass das auch schon in den Aktionen sichtbar ist. Und mit dieser Aktion wollten sie einfach nur zeigen, wir sind
00:12:22
Speaker
gegen diese sogenannte Rassentrennung. Wir möchten einfach wie Weiße auch überall hin dürfen einfach. Und das zeigen sie eben dann auch durch diese Aktion. Das heißt, es hat eine sehr, sehr einleuchtende Aktionslogik, die von außen sofort nachvollziehbar ist. Und das fehlt manchmal in anderen störenden, disruptiven Aktionen.
00:12:45
Speaker
Dass dann halt gesagt wird, es trifft jetzt mich, es stört mich jetzt, aber ich bin doch noch nicht Entscheidungsträger. Oder ich bin eben nicht Hauptverursacher dieses Problems. Und dann ist das manchmal nicht so ganz direkt nachvollziehbar für Menschen. Ja, was meinst du?
00:13:01
Speaker
Ja, also ich stimme dir voll zu, das mit der Aktionslogo sehe ich auch

Aufmerksamkeit durch Störung

00:13:06
Speaker
total. Es ist halt schwierig, zum Beispiel beim Thema Klimaschutz, du hast jetzt ja denke ich mal indirekt ein bisschen auf die letzte Generation auch angeschwielte, darfst ruhig sagen, ist alles gut. Wo ich denke, dass es am Anfang sehr gut funktioniert hatte, also man legt
00:13:20
Speaker
Straßen lahm und man hat ja das Ziel erreicht. Politikerinnen mussten sich ja mit uns an den Tisch setzen. Deswegen das, denke ich, hat auf jeden Fall sehr gut funktioniert. Ich finde es manchmal interessant zu sehen, dass so Sitzplakaten so doll mit der letzten Generation verbunden werden, weil das ist ja was, was es schon immer in allen möglichen Kontexten gab. Also ob es jetzt die
00:13:38
Speaker
und dessen Bewegung damals war oder die Antiatomkraft hatte noch mal mehr einen Bezug, aber Blockaden an Universitäten oder mehr fallen tausend andere Beispiele ein, wo ja immer Widersitzblockaden, die jetzt nicht direkt an dem Ort, der das geschehen sind, gemacht werden. Aber ja, es ist natürlich bei der Klimakrise irgendwie schwierig, wo setzt man sich hin, setzt man sich irgendwie an ein Ölunternehmen, was weit weg ist, was keiner mitbekommt. Das muss man dann einfach so ein bisschen austarieren.
00:14:06
Speaker
Ich finde halt, also das Positive an der Disruption, wie du auch schon gesagt hast, für mich ist, dass es eben nicht so angepasst ist wie bei den Demonstrationen oder zum Beispiel auch bei der Nichtkooperation, auf die wir gleich eingehen. Aber es gibt da so eine schöne Theorie, dass man quasi immer das Gleichgewicht halten muss zwischen nicht angepasst sein, aber trotzdem noch konstruktiv sein. Und das ist mir tatsächlich manchmal bei den Blockaden kommt mir das so ein bisschen abhanden, weil es lädt natürlich oder bei der Disruption, es lädt natürlich
00:14:33
Speaker
gerade Menschen ein, die gerne dann auch krassere Sachen machen und sich irgendwie so ein bisschen überbieten oder so. Es entfaltet einfach so eine Dynamik, die ich finde, manchmal gefährlich sein kann. Aber nichtsdestotrotz halte ich Disruption an vielen Stellen für sehr, sehr sinnvoll.
00:14:50
Speaker
Und vielleicht nochmal, um auf eine letzte Sache einzugehen. Ich finde, es zeigt auch sehr doll, was wir in Deutschland für einen Verständnis von Frieden haben. Da gibt es nämlich ein schönes Konzept vom norwegischen Forscher Johan Galtung, der vom positiven und negativen Frieden spricht. Also negativer Frieden heißt, dass es kein Krieg und keine direkte Gewalt gibt und das in diesem Sinne ruhig ist.
00:15:16
Speaker
Der positive Frieden geht jedoch davon aus, dass es auch soziale Gerechtigkeit gibt und zum Beispiel keine strukturelle Diskriminierung von Personengruppen. In diesem Fall bedeutet es auch, Frieden ist unruhig.
00:15:33
Speaker
bedeutet, Menschen setzen sich für ihre Rechte ein, die sind laut, das ist unbequem so, und das sind ja Blockaden oder Disruption, ist das ja auch. Und deswegen, nur weil es laut ist und stört, ist das eigentlich eher ein Zeichen von einer gesunden Demokratie, dass sich Menschen einbringen können. Und das, finde ich, wiederum zeigt die Disruption sehr gut.
00:15:51
Speaker
Ja, vielleicht kannst du auch nochmal mir ein bisschen was dazu erklären, weil das hattest du schon mal erwähnt, dieser Konfliktreifung und die finde ich jetzt auch wichtig in diesem Zusammenhang, also das eben störende Aktion, wie eben in dieser Kategorie der Intervention oder der Disruption.
00:16:08
Speaker
Führen ja eben dazu, dass ein Konflikt zugespitzt wird. Aber bei mir ist jetzt dieses Konzept der Konfliktreife nicht so ganz geläufig. Aber ich glaube schon, dass es sehr, sehr relevant ist in diesem Zusammenhang. Und deswegen, ja, vielleicht kannst du mir das auch nochmal erklären.
00:16:21
Speaker
Ja, auf jeden Fall. Also nicht nur für die Disruption, sondern für alle tatsächlich. Auch Nicht-Korporation ist das wichtig. Aber es gibt quasi zwei Haupttheorien dazu oder so, die aber beide eigentlich das Gleiche ausdrücken. Das eine ist tatsächlich auch von Kolleginnen von uns, von Maiken Sörensson und Jürgen Johansson.
00:16:39
Speaker
die darüber sprechen, man muss den Konflikt reifen und eskalieren und eskalieren ist kein negativ gemeintes Wort in dem Sinne, dass es irgendwie in Gewalt überschlägt oder so, aber es muss halt relevant sein für Politikerinnen, weil wir wollen ja Machtverhältnisse verschieben und wir wollen einen Effekt haben und nicht untergehen mit der hundertsten Demo, sag ich jetzt mal.
00:17:00
Speaker
Böse gesagt. Und da gibt es eben von Saatmann eine Theorie. Die hat er, da sehe ich ganz auf dem Internet, wenn ich dazu was google, so ein Bild von einer Banane. Die kann halt entweder noch grün sein und total unreif oder schon braun und überreift. Und man will halt diesen Moment abpassen, wo die Banane halt richtig schön gelb ist.
00:17:20
Speaker
Und das heißt einfach, dass man es schaffen muss, mit die Taktiken so einzusetzen, zum Beispiel so viel zu stören, dass sich eben so ein Fenster öffnet, in dem die Politik unter Druck steht, in so einer Art Dilemma-Situation, wo sie dann bereit ist, mit einem in Gespräche zu kommen. Aber man darf es nicht überreizen, sodass sich die Tür dann halt wieder schließt. Zum Beispiel beim Hungerstreik ist das sehr, sehr offensichtlich. Je länger man wartet, desto
00:17:44
Speaker
weiter reift die Banane ja, desto mehr Druck besteht. Am ersten Tag redet kein Politiker mit einem, aber wenn man dann kurz vor wirklich schwerwiegenden Folgen steht, dann ist natürlich der Konflikt gereift und dann öffnet sich die Tür. Das ist jetzt ein Extrembeispiel, das sollte man jetzt nicht nachmachen oder so, aber das ist halt eben genau, dass man versucht, mit den Taktiken den Konflikt reifen zu lassen.
00:18:08
Speaker
Ja, es wird natürlich auch medial gefördert, was du auch davor meintest, dass diese Dynamik entsteht, dass man sich da überbietet oder überbieten möchte, mit dem immer krassere Sachen machen und dass das

Medien und Protestwahrnehmung

00:18:19
Speaker
dann vielleicht auch nicht mehr so konstruktiv ist, weil eben, ja, Medien, Nachrichten, ja, Berichterstattung dann oft eben danach schaut, okay, was könnte jetzt Klicks generieren, was ist irgendwie newsworthy und von daher
00:18:33
Speaker
ist das auch dann schon so ein bisschen so ein Haschen nach Aufmerksamkeit, was dann manchmal eben so, wo die Strategie dann so ein bisschen abhanden geht oder was dann genau so ein Selbstlöffel oder so eine Dynamik sich eben entfaltet. Da kannst du wahrscheinlich auch ein Lied von singen, wenn ihr euch über Strategie unterhalten habt und gleichzeitig eben immer die Medien auch im Blick behalten musstet.
00:18:52
Speaker
Ja und das nervt auch einfach, muss ich mal wirklich so sagen, dass das System so funktioniert, weil du kannst dir noch so konstruktive Proteste ausdenken, irgendwie Leuten helfen und was Gutes tun, Dinge verändern, die ja für alle Beteiligten schön sind, aber die gehen halt einfach oft unter.
00:19:09
Speaker
Ja, die dritte Kategorie, die wir jetzt noch nicht besprochen haben, ist ja die der Nicht-Kooperation.

Taktiken der Nicht-Zusammenarbeit

00:19:14
Speaker
Also dazu gehören eben Streiks, Boykotte, aber eben auch so ein bisschen dieses Canceln, was ja in den letzten Jahren öfter, worüber öfter gesprochen wurde, auch medial.
00:19:25
Speaker
ist auch so ein bisschen eine Form der sozialen oder politischen Nichtkooperation. Also da geht es letztendlich darum, die Zusammenarbeit zu entziehen, also einfach eine Zusammenarbeit, die man vorher vielleicht hatte, zu unterbrechen oder gar nicht erst einzugehen, je nach Kontext. Natürlich kann auch Wahlboykotte sein, also dass man sich nicht an Wahlen beteiligt. Auch da sind es wieder drei Unterkategorien mit zig und verschiedenen Protestformen. Aber genau, die Grundlogik ist klar, also einfach
00:19:53
Speaker
nicht mehr kooperieren, wie der Name eben sagt. Ich halte das ja so ein bisschen fürs Herzstück des zivilen Widerstandes, wenn man eben sich die Theorie anguckt, also die Theorie des Wandels zum zivilen Widerstand und zurückgeht eben zu dem Machtbegriff, der dahintersteckt, der eben zurückgeht auf Gandhi und auf Gene Sharp oder eben auf soziale BewegungsforscherInnen wie Francis Fox Piven mit dem
00:20:15
Speaker
interdependenten Machtbegriff, eben zu sagen, dass die Macht der vielen darin begründet liegt, dass sie ihre Zusammenarbeit entziehen, wie eben arbeitende Menschen, wenn sie streiken. Und ich denke eben, dass genau diese Verschiebung von Machtverhältnissen genau in dieser Kategorie der Aktionsform
00:20:35
Speaker
am besten und am meisten zur Geltung kommt. Das Problem ist, dass man dafür wirklich viel, viel, viel vorher schon vorbereitet haben muss. Also wenn man als Einzelgänger eben streikt, dann wird man gefeuert. Das bringt nicht viel und genauso ist es mit anderen Aktionsformen aus dieser Kategorie. Man muss sehr viel vorbereiten, man muss gut organisiert sein und am besten eben schon eine ganze Bewegung aufgebaut haben.
00:20:57
Speaker
wo dann wirklich massenweise Menschen ihre Zusammenarbeit entziehen, weil sonst hat das einfach nicht viel Wirkung. Und das macht es eben schwierig und auch die Tatsache, dass man das oft wirklich sehr lange aufrechterhalten muss. Also Beispiel Südafrika, die internationalen Kampagnen gegen die Apartheid dort, ging sehr lange. Allein der Boykott von Produkten von Firmen, die involviert waren mit der Apartheid,
00:21:21
Speaker
hat schon in der Mitte des 20. Jahrhunderts begonnen und 1994 wurde erst die politische Apartheit abgeschafft. Das heißt, und ähnlich ist es auch bei anderen Bewegungen, also auch die Bürgerrechtsbewegungen, die haben da auch schon
00:21:36
Speaker
Ja, ich würde sagen, also Jahrzehnte vorher auch schon angefangen, Trainings zu machen und sich vorzubereiten etc. Aber ja, prinzipiell würde ich nur sagen, das erfordert einen großen Vorlauf, viel Vorbereitung und daher ist es manchmal einfach auch nicht so das Mittel der ersten Wahl, würde ich sagen, oder nicht einfach realisierbar und machbar. Aber genau, das heißt nicht nur, weil wir aktuell nicht dazu in der Lage sind, dass man das nicht anpeilen sollte, indem man zum Beispiel versucht, sich besser zu organisieren, damit man sowas in der Zukunft vielleicht mal ausführen könnte.

Organisation und Vorbereitung von Protesten

00:22:05
Speaker
Ja, das finde ich wohl den wichtigen Punkt, weil ich finde, man sieht auch sehr doll, also es fällt uns auf die Füße, dass wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
00:22:16
Speaker
Es gibt Menschen, die da sehr viel Arbeit reingesteckt haben, das will ich gar nicht sagen, aber dass viele Bewegungen das eben nicht gemacht haben und dass es an kritischen Momenten, die wir momentan haben, ob es um Fragen der Demokratie geht oder um Rechte von einzelnen Personen, dass dann eben nicht diese krassen Organisierungsstrukturen da sind, auf die man zurückgreifen kann, dass die halt noch nicht so etabliert sind. Also beim Black Lives Matter in
00:22:42
Speaker
Amerika, wo der US-Amerikaner George Floyd getötet wurde von einem weißen Polizisten, da, finde ich, hat man das sehr gut gesehen, weil die schwarze Bewegung in Amerika einfach sehr gut organisiert ist und die natürlich über Jahrzehnte, Jahre lange, Jahrhunderte lange Vorarbeit eigentlich diese Strukturen und Netzwerke haben. Und dann, für viele kam das überraschend, das ist ja immer so bei Protesten, dass dann auf einmal alle sind, huch, wo kommt das denn jetzt her? Aber das ist halt dann dieses krasse Organizing-Arbeit der Menschen gewesen und
00:23:11
Speaker
Ja, da habe ich größten Respekt vor und träume oft davon, dass wir das in Deutschland auch so hinbekommen bei verschiedenen Themen. Und es ist dann manchmal, finde ich, frustrierend zu sehen, dass die Stärke und die Willenstärke, die man bei der Disruption oft sieht, wenn das angewendet wird, dass die manchmal beim Streik, finde ich, so ein bisschen fehlt, weil dann ganz oft gesagt wird,
00:23:30
Speaker
Wir haben ja dieses Streikrecht und wir dürfen gerade noch gar nicht streiken. Wir dürfen nur diesen Zeitraum streiken oder wir streiken für einen Tag, aber dann wieder nicht. Und das nochmal auf den Konfliktreifen-Theorie zurückzukommen, führt halt einfach nicht dazu, dass der Konflikt reift, sondern
00:23:47
Speaker
Die Banane bleibt halt einfach grün, weil genau wie bei einer Demo, einen Tag kann man gut aussitzen als Politikerin, zwei Tage auch, aber ein, zwei Monate halt nicht so gut.

Beharrlichkeit in historischen Protesten

00:23:57
Speaker
Und da, finde ich, müssen wir halt hinkommen. Da fällt mir auch noch mal der Busboykott ein in Montgomery als Teil der Bürgerrechtsbewegung. Der ging ein Jahr lang. Also eben ist es nicht, dass es ein paar Tage, so ein paar symbolische, okay, heute nehmen wir mal ein paar Tage nicht den Bus und dann war es das, sondern man muss wirklich so beharrlich dabei bleiben, bis
00:24:17
Speaker
da was passiert. Und genau, da muss man auch in der Lage sein, also auch von Organisationsgrad her. Ja, deswegen Respekt an alle Leute, die schon sehr lange diese harte Organizing-Arbeit, die ja viel im Hintergrund ist, auch machen. Du hattest jetzt so ein bisschen von Herzstück gesprochen. Also mein Herzstück ist ja der konstruktive Widerstand. Und ich möchte gerne offiziell eine vierte Kategorie dafür aufmachen, weil ich, ich verstehe nicht, wie das zusammenhängt mit der Disruption.

Konstruktiver Widerstand

00:24:46
Speaker
Also genau die dritte
00:24:47
Speaker
Die dritte Kategorie heißt ja, beziehungsweise jetzt für uns hatten wir sie als zweites genannt, aber die heißt ja gewaltfreie Intervention. Und da kann es eben eine konfrontative oder eine konstruktive Intervention sein. Und die konstruktive Intervention ist dann in dem Sinne, Alternativen aufzubauen. Und das ist, glaube ich, die Logik. Man interveniert in einem System, in dem man Alternativen aufbaut. Aber dennoch, würde ich auch sagen, ist es an sich der konstruktive Widerstand einer auch relativ
00:25:12
Speaker
neue Kategorie an sich. Also ich glaube nicht, dass Gene Sharp in seiner Kategorisierung das von eben Maiken Sörensen und Jörgen Johansson, das Buch, das du auch angesprochen hattest, da berücksichtigt hat. Es geht nämlich zurück auf Gandhi's Constructive Program. Gandhi ist ja bekannt dafür, dass er eben diese Unabhängigkeitsbewegung geleitet hat und wo es eben auch Zivilen, Ungehorsam und andere Nichtkooperations
00:25:39
Speaker
Aktionsform gab, aber er hat eben auch davon geträumt, so eine alternative Gesellschaft eben aufzubauen und seinen Widerstand gegenüber der
00:25:50
Speaker
kritischen Kolonialherrschaft, der inkludierte eben auch wirklich, dass man wirklich autonom und autark ist und auch so eine Art Dorfdemokratie und Geschlechtergerechtigkeit. Das war ein ganzes Programm mit vielen verschiedenen Punkten, wo es wirklich darum ging, auch die gesellschaftlichen Strukturen und Praktiken und Kultur
00:26:10
Speaker
zu verändern und eben auch selbst in der Lage zu sein, also wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen, etc., pp. Und soweit ich weiß, wurde das eben daraufhin aufgegriffen und daher dieser Begriff konstruktiv auch von diesem constructive, von diesem konstruktiven Programm quasi von Gandhi und haben das dann weiterentwickelt. Aber genau da kannst du dann, glaube ich, mehr erzählen, weil du da auch schon weiter bist in der Lektüre des Buches.
00:26:36
Speaker
Hier ein Buch, was man sehr empfehlen kann, heißt auch tatsächlich so Constructive Resistance. Und wir schreiben auch gerade eine Buchrezension dazu. Also die verlinken wir euch auch sehr gerne. Aber um mal jetzt zwei konkrete Beispiele zu nennen, wo man konstruktiven Widerstand sieht. Das eine nutzen viele von uns jeden Tag. Zum Beispiel Wikipedia, also eine Seite, die ja gegründet wurde, um Wissen zugänglich zu machen für viele Leute, die nachgewiesen sogar den gleichen Informationsgrad hat wie andere Enzyklopädias.
00:27:06
Speaker
Und das andere ist eben, was ich super schön finde und was thematisch ja auch sehr gut zu dem neuen Projekt passt, an dem ich gerade arbeite, solidarische Landwirtschaft, also Solar Wies, wo sich die Konsumenten und die Produzenten, also Landwirte und Menschen wie wir, zusammentun und sagen, wir wollen sicherstellen, dass der Hof genug Geld hat für das Jahr, um Essen anzubauen und wir bekommen dann quasi die Ernte und
00:27:33
Speaker
in so einen, unabhängig von Supermärkten, in so eine Kollaboration gehen und gemeinsam schauen, dass alle Menschen in dieser Solawi mit Essen versorgt sind, was einfach beides so parallel Strukturen sind zum System. Und das ist halt wichtig, weil da kommt der Machtpunkt wieder ins Spiel. Es geht nicht darum, was Nettes zu machen, sondern es geht wieder im Kern darum, Machtstrukturen zu verschieben. Und das gelingt halt sehr gut bei Solawis, weil
00:27:58
Speaker
Das sind wieder 100 Menschen weniger, die in einer großen Supermarktkette einkaufen gehen, die sehr viel von den Gewinnen einstreicht und sich direkt mit den Landwirtinnen selber ja zusammentun und ein alternatives System aufbauen. Und ich finde, dass sehr, sehr viel Kraft in einem konstruktiven Widerstand steht und freue mich, dass mir das Konzept an letzter Zeit zu oft über den Weg läuft und möchte mich darin auch mehr selber probieren, weil ich einfach glaube, dass das die Lösung für viele von unseren Problemen sein kann.
00:28:27
Speaker
Ja, das hat auf jeden Fall viel Potenzial, nur ich denke genau, man nennt es ja Skalierung, also es müsste definitiv noch mehr wachsen, um einen größeren Impact zu haben als Widerstandstool oder als eine Zutat, um gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern. Weil oft sind es dann eben doch kleinere Inseln, sage ich mal, und
00:28:48
Speaker
fallen dann scheinbar nicht so ins Gewicht, aber eben, man muss da auch geduldig sein und gucken. Ja, manchmal hat es dann schon nach zehn Jahren mehr Impact, als man gedacht hat. Aber vielleicht neige ich da auch dazu, das dann zu unterschätzen, ja, die Wirksamkeit, die es haben kann, weil ein Beispiel, ein anderes Beispiel sind eben auch zum Beispiel Genossenschaften und Kooperativen, die tatsächlich, glaube ich, ja, am Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ziemlich groß waren und auch, also wirklich viel Einfluss, einen großen Einfluss hatten.
00:29:15
Speaker
und eben dazu geführt hatten, dass sich sehr viele Menschen unabhängiger machen konnten, von zum Beispiel auch den Interessen von Unternehmen und somit eben mehr Nicht-Kooperation eingehen konnten. Und die wurden dann auch peu à peu durch juristische, politische oder sonst wie Mittel zerschlagen durch intendierte Kampagnen von Unternehmen, die auch dann die Politik dafür benutzen. Das heißt, sie waren also schon so eine Herausforderung für sie.
00:29:41
Speaker
Ich würde schon sagen, das ist dann tatsächlich auch ein Beispiel von konstruktivem Widerstand. Und aktuell spielen Genossenschaften vielleicht nicht so eine große Rolle, aber das bedeutet nicht, dass das nicht eben das Potenzial dafür da ist. Also von daher, ja, vielleicht sollte ich es auch nicht so sehr unterschätzen, sondern dem nochmal eine Chance geben und nochmal angucken, was ist eigentlich möglich. Aber eben, genauso wie mit dem Organizing, das braucht eben Zeit, um es aufzubauen. Das bedeutet aber nicht, dass es deswegen
00:30:08
Speaker
Ja, weniger wirksam ist. Also von daher vielen, vielen Dank, dass du das auch nochmal aufbringst und so als Erinnerung. Ja, es geht einfach schon darum, glaube ich, damit ein bisschen auszutesten. Und es hat ja eben diese beiden guten Teile, Konstruktiv und Widerstand. Man muss halt die reife Banane finden, das ist das Ziel. Was nimmst du denn jetzt heute mit für Erkenntnisse aus unserem kleinen Plausch?
00:30:32
Speaker
Definitiv eben die Erinnerung an den konstruktiven Widerstand, aber auch das mit der Reifenbanane und der Konfliktreifung und den störenden, disruptiven Aktionsformen. Also genau, auch wenn das nicht für jeden direkt einleuchtend war, dass das natürlich dennoch uns hier erreicht hat.
00:30:50
Speaker
dass einmal Politikerinnen mit euch gesprochen haben, aber eben auch, ich denke auch, dass einmal, was du ja letztes Mal schon erzählt hattest, dass es tatsächlich die öffentliche Debatte und das Bewusstsein über Klima tatsächlich auch geändert hat und auch der enorme Zuwachs. Also das war ja ein rapider Organisationszuwachs, von dem andere Organisationen nur träumen könnten in der Zeit, in der eben gesagt wurde, naja, die Aktionsform ist nicht nachvollziehbar.
00:31:16
Speaker
Also von daher auf allen Ebenen eigentlich Ziel erreicht und nichtsdestotrotz denke ich, es ist immer gut, wenn eine Aktion logisch rüberkommt, aber eben scheinbar ist das nicht immer hundertprozentig notwendig, um zum Beispiel einen Konflikt reifen zu lassen.
00:31:29
Speaker
Ich finde, da hast du auf jeden Fall einen Punkt, den nehme ich auch mit, dass die Aktionslogik stimmen muss, weil ja, es hat vielleicht am Anfang funktioniert mit den Straßenblockaden, aber man hat es ja am Ende gesehen. Man muss sich weiterentwickeln. Du sagst ja auch immer, man braucht einen sehr diversen Werkzeugkoffer und muss gucken, was passt zur Situation. Und selbst wenn eine Sache mal eine Zeit lang funktioniert, kann man die halt nicht endlos wiederholen. Und es ist schon wichtig, natürlich auch der Job der Journalistin, aber die Verbindung dazu erklären. Genau. Deswegen danke. Danke dafür.
00:31:59
Speaker
Ich habe noch ein kleines Zitat mal wieder mitgebracht zum Schluss. Wir hatten sie schon. Betty Williams, Friedensnobelpreisträgerin aus Irland, hat sich viel für Frieden in ihrem Land eingesetzt. Und ich habe am Anfang ein bisschen darüber gesprochen, dass Humor total wichtig ist, auch als Taktik, aber auch generell. Und sie, habe ich ja letztes Mal schon gesagt, eine sehr witzige Person, hat gesagt, wenn alles nicht funktioniert, dann fahren in den Urlaub.
00:32:26
Speaker
Und ich finde, da ist etwas dran, weil Taktiken sind eben nicht einfach was, was man so drauf losmacht, auch wenn das vielleicht manchmal verlockend ist, in einen Aktionismus zu verfallen und einfach zu machen. Aber man braucht immer wieder einen kühlen Kopf, um sich zu überlegen, was für eine Taktik funktioniert, in welcher Situation, um langfristig die Machtbehältnisse zu verschieben.
00:32:51
Speaker
Und ja, Urlaub ist da doch eigentlich ein ganz guter Weg, um diesen kühlen Kopf zu kriegen und zu bewahren. Und ich dachte, das ist noch mal eine gute kleine Erinnerung für das Ende. Und du hast dir, glaube ich, auch noch was mitgebracht, wie man aktiv werden kann.

Einführung zu 350.org und Klimaschutzinitiativen

00:33:09
Speaker
Ja genau, immer wieder diese Vorstellungen bei einer Organisation, bei der man sich einbringen könnte, wenn man jetzt nach dem Hören vielleicht Lust bekommen hat. Das soll jetzt keine Werbung sein in dem Sinne, wir haben jetzt auch nichts direkt mit den Organisationen zu tun, das ist einfach nur Vorschläge, Ideen von verschiedenen
00:33:25
Speaker
Möglichkeiten, die es da draußen gibt, wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll. Und zwar ist das einmal 350.org, das ist eine internationale Klimabewegung, die schon verschiedene Erfolge erzielt hat. Einmal war sie in den USA, glaube ich, auch involviert bei der Blockade der Pipeline Keystone XL.
00:33:48
Speaker
Und ansonsten ist sie sehr bekannt dafür, dass sie eben, ich glaube die Fossil-Free-Kampagne hatte ich schon mal vorgestellt, was ja eine weltweite Kampagne ist, um Universitäten, Pensionsfonds und Städteräte dazu zu bringen, ihre Investitionen in fossile zurückzunehmen und in erneuerbare zu stecken. Und da haben sie schon über Milliarden, also Trioden glaube ich, ich weiß gar nicht, ob das die deutsche Zahl ist, es sind Trillions jedenfalls.
00:34:12
Speaker
tatsächlich verschoben. Und in Deutschland gibt es diese Kampagne auch, Fossil Free. Und aktuell gibt es da auch eine deutsche Bankkampagne unter anderem. Und genau, es gibt viele so lokale Ortsgruppen, bei denen man sich einbringen kann, die da unterstützt werden von dem Movement Support Team, wo ich mich mal auch engagiert habe. Und das ist alles sehr stark verbunden mit all diesen Konzepten, mit denen wir hier sprechen.
00:34:38
Speaker
und beziehen sich explizit eben auch auf die strategischen Konzepte des zivilen Widerstandes und dieser Theorie des Wandels. Genau, könnt ihr mal reinschauen, 350.org in Deutschland. So viel von

Dank an Unterstützer und Mitwirkende

00:34:53
Speaker
meiner Seite. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf das nächste Mal, wo ich so ein bisschen von meiner Doktorarbeit erzählen werde über, wie der zivile Widerstand genutzt werden kann, um die Macht von Konzernen ein bisschen einzuschränken.
00:35:07
Speaker
die ja einen großen politischen und gesellschaftlichen Einfluss mittlerweile haben, was sich eben der zivile Widerstand in der Forschung sehr viel eben auf Regierungen bezieht etc. Aber da kommen wir dann das nächste Mal dann dazu zu sprechen. Was hatten wir für danach noch geplant?
00:35:23
Speaker
Na dann geht es um die deutsche Geschichte und Widerstand. Da freue ich mich auch schon sehr darauf, weil da gibt es einfach so viele interessante Beispiele. Vielen Dank fürs Zuhören, würde ich von meiner Seite sagen. Schreibt uns auf jeden Fall auf Instagram, wenn ihr
00:35:39
Speaker
Vorschläge habt, was wir nochmal besprechen sollten oder Anregungen. Wir lesen uns das auf jeden Fall durch und freuen uns mega über Feedback. Und an dieser Stelle auch nochmal ein Riesendanke an die ganzen Menschen, die uns unterstützen. Das ist einmal Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit, die diesen Podcast finanzieren, aber auch an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Stauen und auch an die liebe Tolle Emé van Balen, die uns bei unserem
00:36:20
Speaker
Dieser Kampf ist der, den ihr gewinnen könnt.