Become a Creator today!Start creating today - Share your story with the world!
Start for free
00:00:00
00:00:01
T&T04 Taktiken statt Aktionismus image

T&T04 Taktiken statt Aktionismus

Tee & Taktik
Avatar
312 Plays1 year ago

Warum reicht es nicht aus, individuell Dinge zu ändern? Warum machen störende Aktionen Sinn, auch wenn sie unbeliebt sind? Diese und andere Fragen zur Wirksamkeit von Protesttaktiken werden in dieser Folge beleuchtet. Es geht um die Kraft des zivilen Widerstands und darum, wie verschiedene Protestformen, von Blockaden bis hin zu konstruktivem Widerstand, gesellschaftlichen Wandel anstoßen können – und warum es mehr braucht als individuelle Verhaltensänderungen, um Machtverhältnisse zu verschieben.

Magst du Tee & Taktik? Wir freuen uns über Unterstützung :) Wir haben eine neue Spendenplattform. Spende jetzt!

Bleibt immer auf dem Laufenden bei Instagram: @dalilah_shemia und @lea_bonasera

Danke an

→ die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit für die finanzielle Unterstützung, die den Podcast möglich macht

→ unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation Zum Staunen*

→ Aimée van Baalen für die Social Media Arbeit

→ Norman und Tomo Konrad für die Bilder für das Cover


Shownotes

-Korrektur: DFL-Investorendeal wird abgewendet durch Fanproteste

-Majken Jul Sørensen Humor in Political Activism

-198 Methoden Gene Sharp

-BP Ökologischer Fußabdruck (Forschung von Rahmstorf dazu)

-präfigurativen Politik

-Nichtnormativ und konstruktiv: Shuman, Eric, Tamar Saguy, Martijn van Zomeren, and Eran Halperin. "Disrupting the system constructively: Testing the effectiveness of nonnormative nonviolent collective action." Journal of Personality and Social Psychology 121, no. 4 (2021): 819

-Johan Galtung positiver und negativer Frieden

-Konfliktreifung Zartmann 

-Francis Fox Piven, interdependenter Machtbegriff

- Anti-Apartheid Boykott Geschichte

-Busboycott Montogmery

-Konstruktiver Widerstand Buch 

-Gandhi constructive programme

-Betty Williams 

- Klimabewegung 350.org

--Buch von Lea 

Transcript

Einführung und Teepräferenzen

00:00:07
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest.
00:00:14
Speaker
Wir sind Lea und Lila.
00:00:15
Speaker
Hallo.
00:00:17
Speaker
Herzlich willkommen.
00:00:19
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Podcast Tee und Taktik.
00:00:23
Speaker
Wir sprechen über Protest und Demokratie und wie du etwas in der Gesellschaft verändern kannst.
00:00:29
Speaker
Wir sind Lea und Dalila und beschäftigen uns mit dem zivilen Widerstand sowohl in der Forschung als auch in der Praxis.

Effektive Protesttaktiken: Kontroversen und Meinungen

00:00:38
Speaker
Und ja, wir haben heute ein sehr spannendes Thema.
00:00:40
Speaker
Es geht darum, welche Taktiken funktionieren am besten.
00:00:44
Speaker
Daran scheiden sich ja so ein bisschen die Geister.
00:00:46
Speaker
Viele sagen ja immer, Protest ist richtig, aber eben nicht in dieser Form.
00:00:51
Speaker
Und genau, über dieses kontroverse Thema wollen wir heute sprechen.
00:00:55
Speaker
Aber zu Beginn erstmal die wichtigste Frage.
00:00:57
Speaker
Dalila, welchen Tee hast du heute dabei?
00:01:02
Speaker
Ich habe heute einen Ingwer-Zitronentee, allerdings aus dem Beutel, es musste schnell gehen.
00:01:06
Speaker
Wenig Zeit diese Tage.
00:01:09
Speaker
Schön.
00:01:10
Speaker
Ja, ich habe mir heute einen Salbeitee gemacht.
00:01:12
Speaker
Ist vielleicht jetzt nicht die leckerste Sorte, aber es sind ja so viele Menschen krank im Moment.
00:01:18
Speaker
Da dachte ich präventiv, so ein Salbeitee ist auf jeden Fall eine gute Idee.

Protesttaktiken vs. Strategien

00:01:23
Speaker
Ja, also wir haben ja in den letzten Folgen darüber gesprochen, ziviler Widerstand völlig sinnlos.
00:01:28
Speaker
Warum ist er eigentlich effektiv?
00:01:31
Speaker
Wir haben auch schon über Strategie gesprochen und auch darum, warum er manchmal nicht funktionieren kann.
00:01:37
Speaker
Und heute sind wir eben bei dem Thema Taktiken.
00:01:40
Speaker
Das kam nämlich in den anderen Folgen immer mal so am Rande auf und dafür wollen wir uns heute eine ganze Folge Zeit nehmen.
00:01:46
Speaker
Mir geht es persönlich so, dass ich in der Praxis sehr, sehr oft gehört habe, gerade im Rahmen der letzten Generation, ich finde es richtig gut, was ihr macht und dass ihr euch einsetzt, aber ich würde das eben nicht so machen.
00:01:56
Speaker
Und die Methode, die trifft doch die Falschen, macht es mal lieber so wie die Fridays, ihr verschreckt doch die Leute nur.
00:02:02
Speaker
Ja, und da ist man die ganze Zeit mit der Frage konfrontiert, welche Taktiken und warum man diese benutzt.

Humor als Protestmittel

00:02:08
Speaker
Bevor wir da jetzt so ein bisschen reingehen, wollte ich dich mal fragen, hast du eigentlich Lieblingstaktiken, die du ja schon mal so gesehen hast?
00:02:16
Speaker
Ja, ich muss sagen, so Lieblingstaktiken tatsächlich nicht.
00:02:19
Speaker
Aber was mir in letzter Zeit aufgefallen ist, was ich ganz cool fand, weil das eben so das...
00:02:25
Speaker
sehr simple und dadurch aber trotzdem sehr wirksame kombiniert hat, weil ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, das war vor ein paar Monaten in den Nachrichten auch, dass Fußballfans tatsächlich Spiele immer wieder gestört haben und unterbrochen haben, indem sie ferngesteuerte Autos aufs Feld geschickt haben oder
00:02:41
Speaker
Ich glaube auch Bälle hingeworfen haben und so weiter und so fort.
00:02:44
Speaker
Also ich kenne mich da mit der Thematik auch nicht so aus, aber ich fand das super, weil es einfach ganz einfache Mittel und große, große Wirkung, also es waren erfolgreiche Proteste und irgendwie so ein bisschen auch unterhaltsam dadurch.
00:02:54
Speaker
Und ja, wie ist es bei dir?
00:02:56
Speaker
Da gibt es ja auch ein...
00:02:57
Speaker
Ganz tolles Buch von einer unserer Professorinnen oder Kolleginnen, Maiken Sörensen, die viel dazu geschrieben hat, wie man Humor auch benutzen kann, um gerade in so sehr autoritären Regimen, wo ja so viel mit Angst gearbeitet wird, das eben nutzen kann als Protestform, um diese große Angst, die versucht wird zu versprühen, aufzubrechen.
00:03:19
Speaker
Das finde ich immer sehr beeindruckend.
00:03:21
Speaker
Wie nennt man das nochmal?
00:03:22
Speaker
Lachtivismus?
00:03:24
Speaker
Ja, ich weiß gar nicht, ob das, also das war mal mein Versuch, das ins Deutsche zu übersetzen von Loftivism.
00:03:30
Speaker
Ich weiß nicht, ob das so korrekt ist, aber genau, das fand ich immer

Protestaktionen und ihre Auswirkungen

00:03:34
Speaker
ganz schön.
00:03:34
Speaker
Also bei mir selber ist es ja so, dass ich schon viele verschiedene Sachen ausprobiert habe, von Demonstrationen klassischerweise bis zu Besetzung, dann aber auch krassere Sachen wie den Hungerstreik oder Blockaden.
00:03:48
Speaker
Aber ja, eigentlich eine der liebsten Proteste, die ich mal gemacht habe und die auch auf sehr viel positives Feedback gestoßen ist, waren die sogenannten Containeraktionen, wo wir eben deutschlandweit dagegen protestiert haben, dass ein Großteil der produzierten Lebensmittel weggeworfen wird.
00:04:07
Speaker
Und wir haben dieses Essen aus den Containern gerettet und an Menschen verschenkt.
00:04:11
Speaker
Teilweise haben wir uns dann auch selber angezeigt, wegen Diebstahl, um genau das zu thematisieren, dass dieses Essen zu retten immer noch illegal ist, was ja total absurd ist.
00:04:23
Speaker
Und ja, einfach diese riesigen Berge an Essen zu sehen und die dann an Menschen zu verschenken und denen eine Freude zu machen, das war schon toll.
00:04:32
Speaker
Ja, und es gibt ja ganz viele unterschiedliche Formen.
00:04:35
Speaker
Vielleicht kannst du uns nochmal so zum Einstieg erzählen, wie die so kategorisiert werden, bevor wir in einzelne Methoden einsteigen.
00:04:44
Speaker
Die klassische Kategorisierung nach Gene Sharp ist ja die einmal zu sagen so symbolische Protestformen, wo es eher darum geht, einfach zu sagen, was man möchte, also einfach zum Ausdruck zu bringen, was man doof findet zum Beispiel oder was man möchte.
00:04:57
Speaker
Und dann gibt es halt die der Nicht-Kooperation, also dass man etwas unterlässt, was man sonst vielleicht tut.
00:05:03
Speaker
Und die der Intervention oder Disruption,
00:05:07
Speaker
Wo es darum geht zu stören.
00:05:09
Speaker
Jedenfalls waren das in der ersten Auflistung 198 verschiedene Methoden, die in diese drei Kategorien fallen, wie Flyer-Aktionen, Kundgebungen, Streiks, Boykotte, Sit-ins und wie gesagt viele, viele mehr.
00:05:26
Speaker
Und mittlerweile wurde das ja auch schon immer wieder aktualisiert, auch aufgrund der neuen Möglichkeiten durch Internet und digitale Medien und soziale Medien etc.
00:05:39
Speaker
Und da hattest du ja letztes Mal von 350 gesprochen und mittlerweile sind es ja auch schon 360.
00:05:44
Speaker
Wir packen euch auf jeden Fall einen Link in den Show Notes, da könnt ihr dann immer nachvollziehen auch die weiteren neuen, abgedateten quasi Aktionsformen, die es noch gibt, wenn man mal Ideen braucht zum Beispiel.

Individuelle Veränderungen vs. Widerstandstaktiken

00:05:57
Speaker
Bevor wir jetzt mit der ersten Kategorie einsteigen, möchte ich gerne noch mal kurz auf einen Punkt eingehen, der gar nicht in der Liste vorkommt, aber trotzdem immer wieder diskutiert wird, wenn es um Taktiken und Vorgehensweisen geht.
00:06:10
Speaker
Und zwar wurde ich neulichst wieder auf einer Veranstaltung aus dem Publikum gefragt, warum es nicht die effektivste Taktik ist, wenn jeder individuell anfängt, anders zu handeln.
00:06:22
Speaker
Also das war eine Veranstaltung, da ging es um das Thema Klimaschutz und Protest.
00:06:26
Speaker
Und die Frage war so nach dem Motto, wenn ich meine Gewohnheiten ändere, mich anders ernähre, anders bewege, dann, ja, wenn das dann alle Menschen machen, dann können wir doch die ganze Welt verändern.
00:06:39
Speaker
Und obwohl ich diesen Gedanken sehr gut finde und es ja wichtig ist, dass Menschen darauf achten, im Rahmen unserer Ressourcen und auch im Einklang mit der Natur zu leben,
00:06:49
Speaker
muss man klar sagen, dass es sich dabei eben nicht um die klassischen Widerstandstaktiken handelt, sondern in diesem Fall tatsächlich sogar um eine Gegenstrategie des Gegners, also in dem Fall Staaten und Unternehmen, die die Verantwortung in den Privatbereich schieben, weil in dem Fall war es
00:07:11
Speaker
Ja, etwas, was aus der Ölindustrie angezettelt wurde.
00:07:14
Speaker
Also der ökologische Fußabdruck ist ja etwas, das musste ich schon in der Schule ausfüllen.
00:07:19
Speaker
Also das wurde uns da im Unterricht so richtig gezeigt.
00:07:23
Speaker
Hier könnt ihr euren ökologischen Fußabdruck ausrechnen und dann seht ihr, wie viel CO2 ihr in einem Jahr ausstoßt und dann könnt ihr was verändern.
00:07:31
Speaker
Und wenn man dazu aber die Hintergrundgeschichte kennt, ist das echt wieder krass, finde ich, zu sehen, weil das wurde eben von British Petroleum im Jahr 2004 eingeführt, also ein Mineralölunternehmen aus Großbritannien, was eben genau darauf abzielt, die Verantwortung von
00:07:47
Speaker
den großen Unternehmen, die das CO2 ja ausstoßen, auf einzelne Leute zu richten und genau so ein bisschen Verantwortung wegzuschieben und auch das Ganze irgendwie ein bisschen klein zu halten.
00:07:59
Speaker
Was ich auf keinen Fall sagen will und was super ist, ist, wenn Leute was verändern und
00:08:04
Speaker
nachhaltigen Lebensstil haben und ja, da sehr viel Arbeit ja auch drinsteckt und da habe ich sehr großen Respekt vor, Dinge zu verändern, aber dass man eben sich bewusst sein muss, dass das die großen Machtverhältnisse, worüber wir ja am Anfang gesprochen haben, nicht verändern wird und dass es eben diese anderen Taktiken auch noch braucht.

Demonstrationen in Demokratien: Kritik und Alternativen

00:08:22
Speaker
Na genau, also für den strukturellen Wandel, wo dann die ganz großen Akteure sind, die oft eben einen Großteil zu Problemen beitragen, darum geht es da, ein bisschen was zu verändern und die so ein bisschen mehr in die Zange zu nehmen und zu kontrollieren, was sie machen.
00:08:37
Speaker
Und das finde ich schon krass, dass eben BP, also
00:08:40
Speaker
British Petroleum eben tatsächlich eine PR-Agentur damit beauftragt hat, mit dem Ziel eben genau eine Strategie, eine Möglichkeit zu finden, die Aufmerksamkeit eben von ihnen als Hauptverursacher abzulenken, was denen dann auch wirklich, also ziemlich gut gelungen ist, würde ich sagen, weil es ging ja ganz viel dann auch um individuelles Shaming und so weiter und so fort.
00:09:00
Speaker
Aber persönliche Transformation ist natürlich immer Teil auch von gesellschaftlicher Veränderung.
00:09:05
Speaker
Es geht nicht darum, die natürlich zu verneinen, aber eben zu sagen, es ist ein Schritt.
00:09:10
Speaker
Und gesellschaftliche Veränderungen müssen halt Strukturen ändern und dafür muss man wirklich Machtverhältnisse verschieben.
00:09:16
Speaker
Und dafür ist eben der zivile Widerstand ein gutes Mittel.
00:09:19
Speaker
Was natürlich auch heißen kann, man macht viele Demonstrationen zum Beispiel, was ja das übliche Mittel ist.
00:09:26
Speaker
Da ist halt das Problem, dass das...
00:09:28
Speaker
tatsächlich zum Standardrepertoire in Demokratien gehört und quasi mit einkalkuliert, mit berücksichtigt ist und somit eben auch nicht wirklich Machtverhältnisse oder Kräfteverhältnisse verändert.
00:09:42
Speaker
Es ist nicht wirklich störend in dem Sinne, weil das halt
00:09:46
Speaker
angekündigt ist, stattfindet.
00:09:48
Speaker
Ja, da werden in dem Sinne keine Machtverhältnisse verschoben.
00:09:51
Speaker
Es ist auch wichtig, Demonstrationen können verschiedene Zwecke erfüllen, also dass sie zum Beispiel ganz gut sind, als Anlaufpunkt oder als auch Test für die Bewegung zu gucken, okay, wo stehen wir gerade, wie viele Supporter haben wir gerade oder auch um andere anzusprechen.
00:10:04
Speaker
Aber sie sind nicht so sehr dafür da, um so eine Störung auszulösen, die dann tatsächlich
00:10:10
Speaker
Krise, die ja oft vorhanden ist, es geht ja um verschiedene gesellschaftliche Krisen, die die Dramatik dessen auch gut darzustellen.
00:10:17
Speaker
Oder wie siehst du das?
00:10:18
Speaker
Ja, ich sehe das auch so.
00:10:19
Speaker
Und ich finde, das ist wieder so ein perfektes Beispiel dafür, man sieht, dass Wissenschaften und Praxis einfach meilenweit voneinander entfernt sind, weil eigentlich alle Texte, die ich gerade so lese, so pro Test, haben immer irgendwie eine Analyse da drin oder haben ja auch schon immer, aber jetzt nochmal vermehrt, dass sich halt zu viel auf große Demonstrationen verlassen wird und halt zu wenig.
00:10:41
Speaker
Ich meine, es gibt ja 359 andere Methoden, die man ausprobieren kann, dass das eben zu wenig ausprobiert wird.
00:10:48
Speaker
Also ich denke, dir ist schon wichtig eben, um zum Beispiel, indem sie stört, Aufmerksamkeit natürlich in dem Sinne generiert und dann eine Situation herstellt, dass das einfach nicht mehr ignoriert werden kann, also dass das Thema einfach viel präsenter ist dadurch.
00:11:04
Speaker
Ja, ich denke, ein Problem ist manchmal tatsächlich, wenn es nicht so ganz nachvollziehbar ist, also wenn die Störung entsteht,
00:11:11
Speaker
Scheinbar nicht der Problemanalyse oder Ursache oder so, wenn es dann nicht so einleuchtend ist, warum das jetzt genau so gemacht wird.
00:11:19
Speaker
Um mal ein bisschen konkreter zu werden, also zum Beispiel in der Bürgerrechtsbewegung gab es ja auch diese Sit-ins, also dass sich Menschen aus der schwarzen Community in Kantinen gesetzt haben, wo nur Weiße erlaubt waren quasi in dem Sinne und das war sehr spätestens.
00:11:33
Speaker
für diese weißen Businesses und das natürlich für große Aufruhr gesorgt.
00:11:39
Speaker
Und dann haben die Läden erstmal auch vorübergehend geschlossen.
00:11:41
Speaker
Genau, aber es war sehr klar, warum das getan wird.
00:11:45
Speaker
Also es gibt ja diesen Begriff der präfigurativen Politik.
00:11:49
Speaker
Das klingt jetzt sehr theoretisch und abstrakt, aber heißt einfach, dass die Gesellschaft, die man sich so vorstellt, dass man die auch schon lebt und dass das auch schon in den Aktionen sichtbar ist.
00:11:59
Speaker
Und mit dieser Aktion wollten sie einfach nur zeigen, wir sind verständlich.
00:12:03
Speaker
gegen diese sogenannte Rassentrennung.
00:12:05
Speaker
Wir möchten einfach, wie Weiße auch, überall hin dürfen einfach.
00:12:11
Speaker
Und das zeigen sie eben dann auch durch diese Aktion.
00:12:14
Speaker
Das heißt, es hat eine sehr, sehr einleuchtende Aktionslogik, die von außen sofort nachvollziehbar ist.
00:12:20
Speaker
Und das fehlt manchmal in anderen störenden, disruptiven Aktionen.
00:12:25
Speaker
Ja, was meinst du?
00:12:42
Speaker
Ja, also ich stimme dir voll zu.
00:12:44
Speaker
Das mit der Aktionslogik sehe ich auch total.
00:12:47
Speaker
Es ist halt schwierig, zum Beispiel beim Thema Klimaschutz.
00:12:50
Speaker
Du hast jetzt ja, denke ich mal, indirekt ein bisschen auf die letzte Generation auch angespielt.
00:12:53
Speaker
Du darfst ruhig sagen, es ist alles gut.
00:12:55
Speaker
Wo ich denke, dass es am Anfang sehr gut funktioniert hat.
00:12:59
Speaker
Also man legt Straßen lahm und man hat ja das Ziel erreicht.
00:13:03
Speaker
Politikerinnen mussten sich ja mit uns an den Tisch setzen.
00:13:06
Speaker
Deswegen, das denke ich, hat auf jeden Fall sehr gut funktioniert.
00:13:08
Speaker
Ich finde es manchmal schwierig.
00:13:10
Speaker
interessant zu sehen, dass so Sitzblockaden so doll mit der letzten Generation verbunden werden, weil das ist ja was, was es schon immer in allen möglichen Kontexten gab.
00:13:18
Speaker
Also ob es jetzt die Schwulen- und Destenbewegung damals war oder die Anti-Atomkraft hatte nochmal mehr einen Bezug, aber Blockaden an Universitäten oder mehr fallen tausend andere Beispiele ein, wo ja immer wieder Sitzblockaden, die jetzt nicht direkt an dem Ort der
00:13:34
Speaker
des Geschehens sind, gemacht werden.
00:13:35
Speaker
Aber ja, es ist natürlich bei der Klimakrise irgendwie schwierig.
00:13:38
Speaker
Wo setzt man sich hin?
00:13:39
Speaker
Setzt man sich irgendwie an ein Ölunternehmen, was weit weg ist, was keiner mitbekommt?
00:13:43
Speaker
Das muss man dann einfach so ein bisschen austarieren.
00:13:46
Speaker
Ich finde halt, also das Positive an der Disruption, wie du auch schon gesagt hast, für mich ist, dass es eben nicht so angepasst ist, wie bei den Demonstrationen oder zum Beispiel auch bei der Nicht-Kooperation, auf die wir gleich eingehen.
00:13:58
Speaker
Aber es gibt da so eine schöne Theorie, dass man quasi immer das Gleichgewicht halten muss zwischen
00:14:03
Speaker
nicht angepasst sein, aber trotzdem noch konstruktiv sein.
00:14:06
Speaker
Und das ist mir tatsächlich manchmal bei den Blockaden kommt mir das so ein bisschen abhanden, weil es lädt natürlich, oder bei der Disruption, es lädt natürlich gerade Menschen ein, die irgendwie, ja, gerne dann auch krassere Sachen machen und sich irgendwie so ein bisschen überbieten oder so.
00:14:21
Speaker
Es entfaltet einfach so eine Dynamik, die ich finde manchmal gefährlich sein kann.
00:14:25
Speaker
Aber nichtsdestotrotz
00:14:27
Speaker
halte ich Disruption an vielen Stellen für sehr, sehr sinnvoll.
00:14:31
Speaker
Und vielleicht nochmal, um auf eine letzte Sache einzugehen.
00:14:35
Speaker
Ich finde, es zeigt auch sehr doll, was wir in Deutschland für ein Verständnis von Frieden

Frieden und Protest in der Demokratie

00:14:40
Speaker
haben.
00:14:40
Speaker
Da gibt es nämlich ein schönes Konzept vom norwegischen Forscher Johann Galtung, der vom positiven und negativen Frieden spricht.
00:14:49
Speaker
Also negativer Frieden heißt, dass es keinen Krieg und keine direkte Gewalt gibt und es in diesem Sinne ruhig ist.
00:14:57
Speaker
Und der positive Frieden geht jedoch davon aus, dass es auch soziale Gerechtigkeit gibt und zum Beispiel keine strukturelle Diskriminierung von Personengruppen.
00:15:08
Speaker
Und in diesem Fall bedeutet es auch, Frieden ist unruhig.
00:15:13
Speaker
Frieden bedeutet, Menschen setzen sich für ihre Rechte ein, die sind laut, das ist unbequem so und das sind ja Blockaden oder Disruption, ist das ja auch.
00:15:21
Speaker
Und deswegen, nur weil es laut ist und stört, ist das eigentlich eher ein Zeichen von einer gesunden Demokratie, dass sich Menschen einbringen können.
00:15:28
Speaker
Und das, finde ich, wiederum zeigt die Disruption sehr gut.
00:15:31
Speaker
Ja, vielleicht kannst du auch nochmal mir ein bisschen was dazu erklären, weil das hattest du schon mal erwähnt, dieser Konfliktreifung und die finde ich jetzt auch wichtig in diesem Zusammenhang, also dass eben störende Aktionen, wie eben in dieser Kategorie der Intervention oder Disruption, führen ja eben dazu, dass ein Konflikt zugespitzt wird, aber mir ist jetzt dieses Konzept der Konfliktreifung nicht so ganz geläufig, aber ich glaube schon, dass es sehr, sehr relevant ist in diesem Zusammenhang,
00:15:58
Speaker
Und deswegen, ja, vielleicht kannst du mir das auch nochmal erklären.
00:16:02
Speaker
Ja, auf jeden Fall.
00:16:03
Speaker
Also nicht nur für die Disruption, sondern für alle tatsächlich auch nicht.
00:16:06
Speaker
Kooperation ist das wichtig.
00:16:07
Speaker
Aber es gibt quasi...
00:16:10
Speaker
Zwei Haupttheorien dazu, die aber beide eigentlich das Gleiche ausdrücken.
00:16:15
Speaker
Das eine ist tatsächlich auch von Kolleginnen von uns, von Meiken Sorensen und Jürgen Johansen, die darüber sprechen, man muss den Konflikt reifen und eskalieren.
00:16:25
Speaker
Und eskalieren ist kein negativ gemeintes Wort in dem Sinne, dass es irgendwie in Gewalt überschlägt oder so, aber es muss halt relevant sein für Politikerinnen, weil...
00:16:33
Speaker
Weil wir wollen ja Machtverhältnisse verschieben und wir wollen einen Effekt haben und nicht untergehen mit der 100.
00:16:39
Speaker
Demo, sage ich jetzt mal böse gesagt.
00:16:42
Speaker
Und da gibt es eben von Saatmann eine Theorie, die hat er, da sehe ich ganz oft im Internet, wenn ich dazu was google, so ein Bild von einer Banane.
00:16:50
Speaker
Die kann halt entweder noch grün sein und total unreif oder schon braun und überreift.
00:16:56
Speaker
Und man will halt diesen Moment abpassen, wo die Banane halt richtig schön gelb ist.
00:17:01
Speaker
Und das heißt einfach, dass man es schaffen muss, mit die Taktiken so einzusetzen, zum Beispiel so viel zu stören, dass sich eben so ein Fenster öffnet, in dem die Politik unter Druck steht, in so einer Art Dilemmasituation, wo sie dann bereit ist, mit einem in Gespräche zu kommen.
00:17:15
Speaker
Aber man darf es nicht überreizen, sodass sich die Tür dann halt wieder schließt.
00:17:19
Speaker
Zum Beispiel beim Hungerstreik ist das sehr, sehr offensichtlich.
00:17:22
Speaker
Je länger man wartet, desto
00:17:25
Speaker
weiter reift die Banane, ja, ne, desto mehr Druck besteht.
00:17:28
Speaker
Am ersten Tag redet kein Politiker mit einem, aber wenn man dann kurz vor, ja, vor wirklich schwerwiegenden Folgen steht, dann ist natürlich der Konflikt gereift und dann öffnet sich die Tür und das ist jetzt ein Extrembeispiel, das sollte man jetzt nicht nachmachen oder so, aber das ist halt eben genau, dass man versucht mit den Taktiken den Konflikt reifen zu lassen, ja.

Medien und Protesttaktiken

00:17:48
Speaker
Ja, es wird natürlich auch medial gefördert, was du auch davor meintest, dass diese Dynamik entsteht, dass man sich da überbieten möchte, mit dem immer krassere Sachen machen und dass das dann vielleicht auch nicht mehr so konstruktiv ist, weil eben, ja,
00:18:04
Speaker
Medien, Nachrichten, Berichterstattung dann oft eben danach schaut, okay, was könnte jetzt Klicks generieren, was ist irgendwie Newsworthy und von daher ist das auch dann so ein bisschen so ein Haschen nach Aufmerksamkeit, was dann manchmal eben so, wo die Strategie dann so ein bisschen abhanden geht oder was dann genau so ein Selbstläufer oder so eine Dynamik sich eben entfaltet.
00:18:25
Speaker
Da kannst du wahrscheinlich auch ein Lied von singen, wenn ihr euch über Strategie unterhalten habt und gleichzeitig eben immer die Medien auch im Blick behalten musstet.
00:18:32
Speaker
Ja, und das nervt auch einfach manchmal wirklich so sagen, dass das System so funktioniert, weil du kannst dir noch so konstruktive Proteste ausdenken, irgendwie Leuten helfen und was Gutes tun, Dinge verändern, die ja für alle Beteiligten schön sind, aber die gehen halt einfach oft unter.

Nicht-Kooperation: Potenzial und Vorbereitung

00:18:50
Speaker
Ja, die dritte Kategorie, die wir jetzt noch nicht besprochen haben, ist ja die der Nicht-Kooperation.
00:18:54
Speaker
Also dazu gehört eben Streiks, Boykotte, aber eben auch so ein bisschen dieses Canceln, was ja in den letzten Jahren öfter, worüber öfter gesprochen wurde, auch medial.
00:19:06
Speaker
ist auch so ein bisschen eine Form der sozialen oder politischen Nicht-Kooperation.
00:19:10
Speaker
Also da geht es letztendlich darum, die Zusammenarbeit zu entziehen.
00:19:14
Speaker
Also einfach eine Zusammenarbeit, die man vorher vielleicht hatte, zu unterbrechen oder gar nicht erst einzugehen, je nach Kontext.
00:19:20
Speaker
Natürlich kann auch Wahlboykotte sein, also dass man sich nicht an Wahlen beteiligt.
00:19:24
Speaker
Auch da sind es wieder drei Unterkategorien mit zig und verschiedenen Protestformen.
00:19:31
Speaker
Aber genau, die Grundlogik ist klar.
00:19:33
Speaker
Also einfach...
00:19:34
Speaker
nicht mehr kooperieren, wie der Name eben sagt.
00:19:36
Speaker
Ich halte das ja so ein bisschen fürs Herzstück des zivilen Widerstandes, wenn man eben sich die Theorie anguckt, also die Theorie des Wandels zum zivilen Widerstand und zurückgeht eben zu dem Machtbegriff, der dahinter steckt, der eben zurückgeht auf Gandhi und auf Gene Sharp oder eben auf soziale BewegungsforscherInnen wie Francis Fox Piven mit dem
00:19:56
Speaker
interdependenten Machtbegriff, eben zu sagen, dass die Macht der vielen darin begründet liegt, dass sie ihre Zusammenarbeit entziehen, wie eben arbeitende Menschen, wenn sie streiken.
00:20:06
Speaker
Und ich denke eben, dass genau diese Verschiebung von Machtverhältnissen genau in dieser Aktionsform, in dieser Kategorie der Aktionsformen
00:20:16
Speaker
Am besten und am meisten zur Geltung kommt.
00:20:18
Speaker
Das Problem ist, dass man dafür wirklich viel, viel, viel vorher schon vorbereitet haben muss.
00:20:23
Speaker
Also wenn man als Einzelgänger eben streikt, dann wird man gefeuert.
00:20:27
Speaker
Das bringt nicht viel und genauso ist es mit anderen Aktionsformen aus dieser Kategorie.
00:20:31
Speaker
Man muss sehr viel vorbereiten, man muss gut organisiert sein und am besten eben schon eine ganze Bewegung aufgebaut haben müssen.
00:20:38
Speaker
wo dann wirklich massenweise Menschen ihre Zusammenarbeit entziehen, weil sonst hat das einfach nicht viel Wirkung.
00:20:44
Speaker
Und das macht es eben schwierig und auch die Tatsache, dass man das oft wirklich sehr lange aufrechterhalten muss.
00:20:49
Speaker
Also Beispiel Südafrika, die internationalen Kampagnen gegen die Apartheid dort gingen sehr lange.
00:20:56
Speaker
Allein der Boykott von Produkten, von Firmen, die involviert waren mit der Apartheid,
00:21:02
Speaker
hat schon in der Mitte des 20.
00:21:03
Speaker
Jahrhunderts begonnen.
00:21:05
Speaker
Und 1994 wurde erst die politische Apartheid abgeschafft.
00:21:08
Speaker
Das heißt also, und ähnlich ist es auch bei anderen Bewegungen, also auch die Bürgerrechtsbewegungen, die haben da auch schon, ja, ich würde sagen, also
00:21:19
Speaker
Jahrzehnte vorher auch schon angefangen, Trainings zu machen und sich vorzubereiten etc.
00:21:23
Speaker
Aber ja, prinzipiell würde ich nur sagen, das erfordert einen großen Vorlauf, viel Vorbereitung und daher ist es manchmal einfach auch nicht so das Mittel der ersten Wahl, würde ich sagen, oder nicht einfach realisierbar und machbar.
00:21:35
Speaker
Aber genau, das heißt nicht nur, weil wir aktuell nicht dazu in der Lage sind, dass man das nicht anpeilen sollte, indem man zum Beispiel versucht, sich besser zu organisieren, damit man sowas in der Zukunft vielleicht mal ausführen könnte.

Herausforderungen bei der Organisation effektiver Proteste

00:21:46
Speaker
Ja, das finde ich voll den wichtigen Punkt, weil ich finde, man sieht auch sehr doll, dass es fällt uns auf die Füße, dass wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht so, es gibt Menschen, die da sehr viel Arbeit reingesteckt haben, das will ich gar nicht sagen, aber dass viele Bewegungen es eben nicht gemacht haben und dass es an kritischen Momenten, die wir momentan haben, ob es um Fragen der Demokratie geht oder um Rechte von einzelnen Personen, dass dann eben nicht diese krassen,
00:22:13
Speaker
Organisationsstrukturen da sind, auf die man zurückgreifen kann, dass die halt noch nicht so etabliert sind.
00:22:20
Speaker
Also beim Black Lives Matter in Amerika, wo der US-Amerikaner George Floyd getötet wurde von einem weißen Polizisten, da finde ich, hat man das sehr gut gesehen, weil die
00:22:32
Speaker
schwarze Bewegung in Amerika einfach sehr gut organisiert ist und die natürlich über Jahrzehnte, Jahrhunderte, Vorarbeit eigentlich diese Strukturen und Netzwerke haben und dann für viele kam das überraschend, das ist ja immer so bei Protesten, dass dann auf einmal alle sind, wo kommt das denn jetzt her?
00:22:48
Speaker
Aber das ist halt dann diese krasse Organizing Arbeit der Menschen gewesen und
00:22:52
Speaker
Ja, da habe ich größten Respekt vor und träume oft davon, bis wir das in Deutschland auch so hinbekommen bei verschiedenen Themen.
00:22:59
Speaker
Und es ist dann manchmal, finde ich, frustrierend zu sehen, dass die Stärke und die Willensstärke, die man bei der Disruption oft sieht, wenn das angewendet wird, dass die manchmal beim Streik, finde ich, so ein bisschen fehlt, weil dann ganz oft gesagt wird,
00:23:12
Speaker
wir haben ja diesen Streikrecht und wir dürfen gerade noch gar nicht streiken, wir dürfen nur diesen Zeitraum streiken oder wir streiken für einen Tag, aber dann wieder nicht.
00:23:20
Speaker
Und das, um nochmal auf den Konfliktreifen-Theorie zurückzukommen, führt halt einfach nicht dazu, dass der Konflikt reift, sondern die Banane bleibt halt einfach grün, weil genau wie bei einer Demo, einen Tag kann man gut aussitzen, als Politikerin zwei Tage auch, aber ein, zwei Monate halt nicht so gut.
00:23:37
Speaker
Und da, finde ich, müssen wir halt hinkommen.
00:23:42
Speaker
Da fällt mir auch nochmal der Busboykott ein in Montgomery als Teil der Bürgerrechtsbewegung.
00:23:46
Speaker
Der ging ein Jahr lang.
00:23:48
Speaker
Also eben ist es nicht, dass es ein paar Tage, so ein paar symbolische, okay, heute nehmen wir mal ein paar Tage nicht den Bus und dann war es das, sondern man muss wirklich so beharrlich dabei bleiben, bis da was passiert.
00:23:58
Speaker
Und genau, da muss man auch in der Lage sein, also auch von Organisationsgrad her.

Konstruktiver Widerstand und gesellschaftliche Autonomie

00:24:03
Speaker
Ja, deswegen Respekt an alle Leute, die schon sehr lange diese harte Organizing-Arbeit, die ja viel im Hintergrund ist, auch machen.
00:24:12
Speaker
Du hattest jetzt so ein bisschen von Herzstück gesprochen.
00:24:16
Speaker
Also mein Herzstück ist ja der konstruktive Widerstand und ich möchte gerne offiziell eine vierte Kategorie dafür aufmachen, weil ich verstehe nicht, wie das zusammenhängt mit der Disruption.
00:24:27
Speaker
Also genau, die dritte Kategorie heißt ja, beziehungsweise jetzt für uns hatten wir sie als zweites genannt, aber die heißt ja gewaltfreie Intervention.
00:24:35
Speaker
Und da kann es eben eine konfrontative oder eine konstruktive Intervention sein.
00:24:40
Speaker
Und die konstruktive Intervention ist dann in dem Sinne, Alternativen aufzubauen.
00:24:43
Speaker
Und das ist, glaube ich, die Logik.
00:24:44
Speaker
Man interveniert in einem System, in dem man Alternativen aufbaut.
00:24:48
Speaker
Aber dennoch würde ich auch sagen, es ist an sich der konstruktive Widerstand eine auch relativ...
00:24:53
Speaker
neue Kategorie an sich.
00:24:55
Speaker
Also ich glaube nicht, dass Gene Sharp in seiner Kategorisierung das von eben Maiken Sörensen und Jürgen Johannsen, das Buch, das du auch angesprochen hattest, da berücksichtigt hat.
00:25:06
Speaker
Es geht nämlich zurück auf Gandhis
00:25:09
Speaker
Konstructive Program.
00:25:10
Speaker
Gandhi ist ja bekannt dafür, dass er eben diese Unabhängigkeitsbewegung geleitet hat und wo es eben auch Zivilen, Ungehorsam und andere Nicht-Kooperation-Aktionsformen gab.
00:25:22
Speaker
Aber er hat eben auch davon geträumt, so eine alternative Gesellschaft eben aufzubauen und seinen Widerstand gegenüber der
00:25:31
Speaker
britischen Kolonialherrschaft, inkludierte eben auch wirklich, dass man wirklich autonom und autark ist und auch so eine Art Dorfdemokratie und Geschlechtergerechtigkeit.
00:25:43
Speaker
Und also das war ein ganzes Programm mit vielen verschiedenen Punkten, wo es wirklich darum ging, auch die gesellschaftlichen Strukturen und Praktiken und Kultur zu
00:25:51
Speaker
Und eben auch selbst in der Lage zu sein, also wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen etc.
00:25:57
Speaker
pp.
00:25:58
Speaker
Und soweit ich weiß, wurde das eben daraufhin aufgegriffen und daher dieser Begriff konstruktiv auch von diesem konstruktiven Programm quasi von Gandhi und haben das dann weiterentwickelt.
00:26:10
Speaker
Aber genau da kannst du dann, glaube ich, mehr erzählen, weil du da auch schon weiter bist in der Lektüre des Buches.
00:26:17
Speaker
Ja, ein Buch, was man sehr empfehlen kann, heißt auch tatsächlich so Constructive Resistance.
00:26:21
Speaker
Und wir schreiben auch gerade eine Buchrezension dazu.
00:26:24
Speaker
Also die verlinken wir euch auch sehr gerne.
00:26:27
Speaker
Aber um mal jetzt zwei konkrete Beispiele zu nennen, wo man konstruktiven Widerstand sieht.
00:26:32
Speaker
Das eine, nutzen viele von uns jeden Tag zum Beispiel Wikipedia, also eine Seite, die ja gegründet wurde, um Wissen zugänglich zu machen für viele Leute, die
00:26:43
Speaker
sogar in den gleichen Informationsgrad hat wie andere Enzyklopädien.
00:26:47
Speaker
Und das andere ist eben, was ich super schön finde und was thematisch ja auch sehr gut zu dem neuen Projekt passt, an dem ich gerade arbeite, solidarische Landwirtschaft, also SolarVees, wo sich die Konsumenten und die Produzenten, also Landwirte und Produkte,
00:27:03
Speaker
Menschen wie wir zusammentun und sagen, wir wollen sicherstellen, dass der Hof genug Geld hat für das Jahr, um Essen anzubauen und wir bekommen dann quasi die Ernte und ja in so einen, unabhängig von Supermärkten, in so eine Kollaboration gehen und gemeinsam schauen, dass alle Menschen in dieser Solavie mit Essen versorgt sind, was einfach beides so Parallelstrukturen sind zum
00:27:28
Speaker
Und das ist halt wichtig, weil da kommt der Machtpunkt wieder ins Spiel.
00:27:32
Speaker
Es geht nicht darum, was Nettes zu machen, sondern es geht wieder im Kern darum, Machtstrukturen zu verschieben.
00:27:37
Speaker
Und das gelingt halt sehr gut bei SolarBees, weil das sind wieder 100 Menschen weniger, die in einer großen Supermarktkette einkaufen gehen, die sehr viel von den Gewinnen einstreicht und sich direkt mit den Landwirtinnen selber zusammentun und ein alternatives System aufbauen.
00:27:51
Speaker
Und

Skalierung von Widerstandsbemühungen

00:27:52
Speaker
ich finde...
00:27:52
Speaker
dass sehr, sehr viel Kraft in dem konstruktiven Widerstand steht und freue mich, dass mir das Konzept in letzter Zeit so oft über den Weg läuft und möchte mich darin auch mehr selber probieren, weil ich einfach glaube, dass das die Lösung für viele von unseren Problemen sein kann.
00:28:08
Speaker
Ja, das hat auf jeden Fall viel Potenzial, nur ich denke genau, man nennt es ja Skalierung, also es müsste definitiv noch mehr wachsen, um einen größeren Impact zu haben als Widerstandspool oder als eine Zutat, um gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern.
00:28:24
Speaker
weil oft sind es dann eben doch kleinere Inseln, sage ich mal, und fallen dann scheinbar nicht so ins Gewicht.
00:28:30
Speaker
Aber eben, man muss da auch geduldig sein und gucken.
00:28:33
Speaker
Ja, manchmal hat es dann schon nach zehn Jahren mehr Impact, als man gedacht hat.
00:28:38
Speaker
Aber vielleicht neige ich da auch dazu, das dann zu unterschätzen, ja, die Wirksamkeit, die es haben kann.
00:28:42
Speaker
Weil ein Beispiel, ein anderes Beispiel sind eben auch zum Beispiel Genossenschaften und Kooperativen, die tatsächlich, glaube ich, am Ende des Tages,
00:28:50
Speaker
19., Anfang des 20.
00:28:51
Speaker
Jahrhunderts ziemlich groß waren und auch wirklich viel Einfluss, großen Einfluss hatten und eben dazu geführt hatten, dass sich sehr viele Menschen unabhängiger machen konnten von zum Beispiel auch den Interessen von Unternehmen und somit eben mehr Nicht-Kooperation eingehen konnten.
00:29:06
Speaker
Und die wurden dann auch peu à peu durch juristische, politische oder sonstige Mittel zerschlagen durch intendierte Kampagnen von Unternehmen, die auch dann die Politik dafür benutzt haben.
00:29:18
Speaker
Das heißt, sie waren also schon so eine Herausforderung für sie.
00:29:23
Speaker
Ich würde schon sagen, es ist dann tatsächlich so ein Beispiel von konstruktivem Widerstand.
00:29:28
Speaker
Und aktuell spielen Genossenschaften vielleicht nicht so eine große Rolle, aber das bedeutet nicht, dass das nicht eben das Potenzial dafür da ist.
00:29:35
Speaker
Also von daher, ja, vielleicht sollte ich es auch nicht so sehr unterschätzen, sondern dem nochmal eine Chance geben und nochmal angucken, was ist eigentlich möglich.
00:29:42
Speaker
Aber eben, so genauso wie mit dem Organizing, das braucht eben Zeit, um es aufzubauen.
00:29:47
Speaker
Das bedeutet aber nicht, dass es deswegen weniger wirksam ist.
00:29:51
Speaker
Also von daher vielen, vielen Dank, dass du das auch nochmal aufbringst und also als Erinnerung.
00:29:56
Speaker
Ja, es geht einfach schon darum, glaube ich, damit ein bisschen auszutesten und es hat ja eben diese beiden guten Teile, Konstruktiv und Widerstand und man muss halt die reife Banane finden, ne?

Bedeutung vielfältiger Protestaktionen

00:30:05
Speaker
Das ist das Ziel.
00:30:06
Speaker
Was nimmst du denn jetzt heute mit für Erkenntnisse aus unserem kleinen Plausch?
00:30:11
Speaker
Ja.
00:30:12
Speaker
Ja, definitiv.
00:30:14
Speaker
Eben die Erinnerung an den konstruktiven Widerstand, aber auch das mit der reifen Banane und der Konfliktreifung und den störenden, disruptiven Aktionsformen.
00:30:24
Speaker
Also genau das, auch wenn das nicht für jeden direkt einleuchtend war, dass das natürlich dennoch ein Ziel erreicht hat.
00:30:31
Speaker
Dass einmal PolitikerInnen mit euch gesprochen haben, aber eben auch, ich denke auch, dass einmal, was du ja letztes Mal schon erzählt hattest, dass es tatsächlich die öffentliche Debatte und das Bewusstsein über Klima tatsächlich auch geändert hat und auch der enorme Zuwachs.
00:30:46
Speaker
Also das war ja ein rapider Organisationszuwachs, von dem andere Organisationen nur träumen könnten in der Zeit, in der eben gesagt wurde, naja, die Aktionsform ist nicht nachvollziehbar.
00:30:57
Speaker
Also von daher auf allen Ebenen eigentlich Ziel erreicht und nichtsdestotrotz denke ich, ist es immer gut, wenn eine Aktion logisch rüberkommt, aber eben scheinbar ist das nicht immer hundertprozentig notwendig, um zum Beispiel einen Konflikt reifen zu lassen.
00:31:10
Speaker
Ich finde, da hast du auf jeden Fall einen Punkt, den nehme ich auch mit, dass die Aktionslogik stimmen muss, weil ja, es hat vielleicht am Anfang funktioniert mit den Straßenblockaden, aber man hat es ja am Ende gesehen, man muss sich weiterentwickeln.
00:31:20
Speaker
Du sagst ja auch immer, man braucht einen sehr diversen Werkzeugkoffer und muss gucken, was passt zur Situation und
00:31:27
Speaker
Selbst wenn eine Sache mal eine Zeit lang funktioniert, kann man die halt nicht endlos wiederholen und es ist schon wichtig, natürlich auch Job der Journalistin aber die Verbindung dazu erklären.
00:31:37
Speaker
Genau, deswegen danke, danke dafür.
00:31:40
Speaker
Ich habe noch ein kleines Zitat mal wieder mitgebracht zum Schluss.
00:31:44
Speaker
Wir hatten sie schon, Bertie Williams, Friedensnobelpreisträgerin aus Irland, hat sich viel für Frieden in ihrem Land eingesetzt.
00:31:52
Speaker
Und ich habe ja am Anfang ein bisschen darüber gesprochen, dass Humor total wichtig ist, auch als Taktik, aber auch generell.
00:31:58
Speaker
Und sie, habe ich ja letztes Mal schon gesagt, eine sehr witzige Person, hat gesagt, wenn alles nicht funktioniert, dann fahren in Urlaub.
00:32:07
Speaker
Und ich finde, da ist etwas dran, weil Taktiken sind eben nicht einfach was, was man so drauf losmacht, auch wenn das vielleicht manchmal verlockend ist, in einen Aktionismus zu verfallen und einfach zu machen.
00:32:20
Speaker
Aber man braucht immer wieder einen kühlen Kopf, um sich zu überlegen, was für eine Taktik funktioniert in welcher Situation, um langfristig die Machtverhältnisse zu verschieben.
00:32:32
Speaker
Und ja, Urlaub ist da doch eigentlich ein ganz guter Weg, um diesen kühlen Kopf zu kriegen und zu bewahren.
00:32:40
Speaker
Und ich dachte, das ist nochmal eine gute kleine Erinnerung für das Ende.

Engagement und zukünftige Themen

00:32:45
Speaker
Und du hast ja, glaube ich, auch noch was mitgebracht, wie man aktiv werden kann.
00:32:50
Speaker
Ja, genau.
00:32:51
Speaker
Immer wieder diese Vorstellung bei einer Organisation, bei der man sich einbringen könnte, wenn man jetzt nach dem Hören vielleicht Lust bekommen hat.
00:32:57
Speaker
Das soll jetzt keine Werbung sein in dem Sinne.
00:32:59
Speaker
Wir haben jetzt auch nichts direkt mit den Organisationen zu tun.
00:33:02
Speaker
Das ist einfach nur Vorschläge, Ideen von verschiedenen Personen.
00:33:05
Speaker
Ja, genau.
00:33:28
Speaker
Und ansonsten ist sie sehr bekannt dafür, dass sie eben, ich glaube, die Fossil-Free-Kampagne hatte ich schon mal vorgestellt, was ja eine weltweite Kampagne ist, um Universitäten, Pensionsfonds und Städteräte dazu zu bringen, ihre Investitionen in Fossile zurückzunehmen und in Erneuerbare zu stecken.
00:33:46
Speaker
Und da haben sie schon über Milliarden, also Trioden, glaube ich, ich weiß gar nicht, ob das die deutsche Zahl ist, Trillions jedenfalls,
00:33:53
Speaker
Tatsächlich verschoben.
00:33:55
Speaker
Und in Deutschland gibt es diese Kampagne auch, Fossil Free.
00:33:59
Speaker
Und aktuell gibt es da auch eine deutsche Bankkampagne unter anderem.
00:34:04
Speaker
Und genau, es gibt viele so lokale Ortsgruppen, bei denen man sich einbringen kann, die dann unterstützt werden von dem Movement Support Team, wo ich mich mal auch engagiert habe.
00:34:13
Speaker
Und das ist alles sehr stark verbunden mit all diesen Konzepten, mit denen wir hier sprechen.
00:34:19
Speaker
Und beziehen sich explizit eben auch auf die strategischen Konzepte des zivilen Widerstandes und dieser Theorie des Wandels.
00:34:28
Speaker
Genau, könnt ihr mal reinschauen, 350.org in Deutschland.
00:34:33
Speaker
So viel von meiner Seite.
00:34:34
Speaker
Ich freue mich auf jeden Fall schon auf das nächste Mal, wo ich so ein bisschen von meiner Doktorarbeit erzählen werde, über wie der zivile Widerstand genutzt werden kann, um die Macht von Konzernen ein bisschen einzuschränken.
00:34:48
Speaker
die ja einen großen politischen und gesellschaftlichen Einfluss mittlerweile haben, was sich eben der zivile Widerstand in der Forschung sehr viel eben auf Regierungen bezieht etc.
00:34:57
Speaker
Aber da kommen wir dann das nächste Mal dazu zu sprechen.
00:35:01
Speaker
Was hatten wir für danach noch geplant?
00:35:04
Speaker
Na dann geht es um die deutsche Geschichte und Widerstand.
00:35:06
Speaker
Da freue ich mich auch schon sehr darauf, weil da gibt es einfach so viele interessante Beispiele.
00:35:11
Speaker
Und ja, vielen Dank fürs Zuhören, würde ich von meiner Seite sagen.
00:35:16
Speaker
Schreibt uns auf jeden Fall auf Instagram, wenn ihr Vorschläge habt, was wir nochmal besprechen sollten oder Anregungen.
00:35:24
Speaker
Wir lesen uns das auf jeden Fall durch und freuen uns mega über Feedback.
00:35:28
Speaker
Und an dieser Stelle auch nochmal ein Riesendanke an die ganzen Menschen, die uns unterstützen.
00:35:33
Speaker
Einmal Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit, die diesen Podcast finanzieren, aber auch an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Staunen und auch an die liebe tolle Eme van Baalen, die uns bei unserem Social Media unterstützt.
00:35:51
Speaker
Vielen, vielen Dank.
00:35:52
Speaker
Ja, und danke an euch alle.
00:35:54
Speaker
Bleib stark und bis bald, würde ich sagen.
00:35:57
Speaker
Bis zum nächsten Mal.
00:35:58
Speaker
Macht's gut.
00:35:59
Speaker
Tschüss.
00:36:00
Speaker
Tschüssi.
00:36:02
Speaker
This fight is one that you can win.