00:00:08
Speaker
Das dritt nach meiner Kenntnis ist das sofort unverzüglich.
Einführung in den Podcast 'Tee und Taktik'
00:00:17
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischen Protest. Wir sind Lea und Lila. Hallo. Herzlich willkommen.
00:00:38
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Widerstands-Podcast hier in Taktik.
Vorstellung der Gastgeber und ihrer Arbeit
00:00:42
Speaker
Wir sind Lea und Dalila und wir machen einen Podcast zum Thema friedlicher ziviler Widerstand. Dalila, wie geht's? Hey yo, mir geht's super. Ich freu mich, hier zu sein.
00:00:53
Speaker
Ja, ich freue mich auch. Vielleicht nochmal so ganz kurz zu uns beiden und unserem Hintergrund. Wir forschen ja beide zu dem Thema Protest, sind auch nächste Woche zusammen auf der Konferenz der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft und halten da Vorträge. Und ich habe außerdem verschiedene Bewegungen mitgegründet. Vor zweieinhalb Jahren die letzte Generation und jetzt gerade auch eine neue Bewegung und
00:01:20
Speaker
Versuch, immer wieder unsere Demokratie aktiv in der Praxis zu verteidigen und zu stärken, worüber man auch mehr in meinem Buch lesen kann. Und, Dalila, du bist promoviert, gibst ja Aktivistenstrategie-Workshops und auch zum Organizing, hast ja jetzt vor kurzem auch an der Uni wieder einen Kurs gegeben zum Thema Widerstand und Unterrichtet und genau, mehr zu uns könnt ihr auf jeden Fall auch in unserem Trailer auf Spotify und Co. hören.
Strategien des friedlichen Widerstands
00:01:50
Speaker
Unser Podcast heißt ja Tee und Taktik, weil wir gerne über friedlichen und zivilen Widerstand, Strategie und Taktiken sprechen, aber weil wir auch gerne Tee trinken. Ich habe mir heute einen Fenchel-Anis-Kümmel-Tee gemacht, den trinke ich eigentlich jeden Tag. Was hast du heute dabei? Ich habe heute tatsächlich einen kühlen Pfefferminz-Tee, weil Pfefferminz schön kühlend ist und es ziemlich warm ist hier oben in dem Dachboden, in dem ich mich befinde.
00:02:16
Speaker
Ja, und heute geht es ja um das Thema Strategie. Das finde ich persönlich immer super interessant. Wir haben ja in der letzten Folge schon darüber gesprochen. Was ist der zivile Widerstand überhaupt? Was macht ihn aus? Also haben quasi dargelegt, warum wir wissen, dass er so effektiv und demokratisch ist. Aber die spannende Frage ist natürlich, wie funktioniert das Ganze? Also was sind die Dynamiken dahinter? Was sind die Mechanismen, die ihn eben so wirksam machen?
00:02:45
Speaker
Ja, genau, also vielleicht muss ich nochmal ganz kurz dazu erzählen, was ist die Theorie des Wandels dahinter? Also was sind so die Annahmen, wie gesellschaftlicher
Das Säulenmodell erklärt und angewendet
00:02:56
Speaker
Wandel funktioniert? Und das ist ganz eng verbunden auch mit dem Verständnis von Macht. Also die Idee ist, dass die Macht der vielen eben darin beruht.
00:03:05
Speaker
dass sie ihren Beitrag zurückhalten können der gebraucht wird also das klingt jetzt etwas kompliziert ausgedrückt aber ich finde man kann es sehr schön veranschaulichen eben am Beispiel vom Streik da gibt es eben die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer und eigentlich oft sagt man eben das Arbeitgeber mehr macht über die Arbeitnehmer haben.
00:03:25
Speaker
Aber es ist ja auch so, dass Arbeitnehmer dann die Dienstleistungen und die Produkte, also ihre Arbeitskraft, da reinstecken, dass die existieren und wenn sie ihre Arbeitskraft zurücknehmen oder zurückhalten, dann spürt der Arbeitgeber tatsächlich, dass er die Arbeitnehmer braucht und dann eben geht er auch oft erst auf die Forderungen ein und so wurden überhaupt erst
00:03:49
Speaker
Grundlegende Arbeitsrechte erkämpft, wie eben den 8-Stunden-Tag, die 5-Tage-Woche, dass Kinderarbeit zumindest hier im globalen Norden abgeschafft wurde und solche Standards für Sicherheit und Gesundheit, dass man halt nicht, also ich meine, tot arbeitet in dem Sinne, dass man an Verletzungen stirbt etc.
00:04:10
Speaker
und dieses diese logik kann man tatsächlich auch auf andere bereiche anwenden und wenn man jetzt so in die planung geht und da so denkt ein ganz ganz bekanntes tool ist eben zu sagen sich so einen griechischen oder römischen tempel vorzustellen der eben
00:04:27
Speaker
so verschiedene Säulen hat. Und diese Säulen tragen eben den Missstand, den man kippen möchte, des Regimes. Und zum Beispiel ist es bekannt eben aus dem Bereich der Demokratiebewegung gegen Diktaturen. Und da sind diese Säulen, die die Diktatur aufrechterhalten, die zur Existenz der Diktatur beitragen, sind dann eben so die verschiedenen Bereiche wie das Militär, die Polizei, aber auch die Wirtschaft, auch Medien, auch
00:04:54
Speaker
religiöse Verbände, die alle irgendwie mitmachen quasi. Und wenn dann einzeln diese Säulen ihre Unterstützung entziehen, wenn diese Säulen also wegbrechen, dann bricht dann auch irgendwann dieser imaginierte Tempel zusammen. Und das ist halt eine schöne Metapher, die man auf verschiedenste Bereiche anwenden kann.
00:05:15
Speaker
Das heißt ja quasi, wenn man jetzt in diesem Säulenmuster denkt, da geht es ja viel darum, ein Regime zu stürzen, also die Säulen, die Einzelnen wegzunehmen. Und ich wurde deswegen schon so oft gefragt, ob es das denn überhaupt auch anwendbar ist auf Demokratien und mit anderen Themen funktioniert, also beispielsweise Klimaschutz. Ist es denn auch was, was du denkst, was funktioniert mit anderen Themen?
00:05:39
Speaker
Na da sind es dann einfach je nach Thema, je nach Bereich, je nach Kontext sind es halt unterschiedliche Säulen. Also das ist dann eben Teil dieser Planungsphase, dass man erstmal versucht zu identifizieren, wer sind eigentlich diese Säulen in unserem konkreten Fall. Und ich hatte in der letzten Folge schon erwähnt das Beispiel mit der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA.
00:06:00
Speaker
Da waren tatsächlich verschiedene Bereiche, auch aus dem Bildungsbereich und eben religiöse Institutionen und Presse, die sich vorher irgendwie dagegen gestellt hatten gegen die Gleichgeschlechtliche Ehe und dann einzeln irgendwie adressiert wurden durch Aktivistinnen und durch die Bewegung.
00:06:19
Speaker
und dann einzeln ihre meinung quasi geändert haben aber das wäre so ein bisschen auf der diskursiven ebene dann gibt es ein anderes beispiel aus der fossil fuel investment bewegung das ist die wie gesagt hatte ich letztes mal schon ganz kurz angerissen was der westman ist wenn eben investitionen zurückgenommen werden.
00:06:37
Speaker
Und im Bereich der Klimabewegung gibt es eine Kampagne, die nennt sich zum Beispiel unter anderem Fossil Free und die versucht eben Universitäten und Stadtverwaltung und Fondionsfonds davon zu überzeugen, nicht mehr in Erdöl, Kohle und Gas etc. zu investieren, sondern ihre Anteile zum Beispiel in erneuerbare Energien zu stecken. Und das finde ich eh krass überhaupt, dass Unis dann irgendwie Geld machen, weil sie Anteile in
00:07:03
Speaker
Erdölunternehmen haben. Aber gut, das ist ein anderes Thema. Fossil Free basiert eben auch auf genau dieser Überlegung zu sagen, okay, die fossile Brennstoffindustrie ist quasi die, die die Klimakrise vorantreibt und auch die, die am meisten diese Klimaleugnerei quasi auch vorantreibt und sich so am meisten dagegen stemmt. Das heißt eben, wie kann eigentlich letztendlich diese Industrie zu Fall gebracht werden? Also im Sinne von Ihre Macht, dass Sie halt nicht mehr so einen Einfluss haben.
00:07:30
Speaker
Und da haben sie halt analysiert, okay, was brauchen sie? Sie brauchen neben Zulieferern und Kunden und Erlaubnissen, irgendwelche Pipelines und so weiter und so fortzubauen, brauchen sie eben auch ganz viel Funding, Investitionen, Gelder. Und dann haben sie das als eine Pille genommen, um sie zu Fall zu bringen und dann eben auf die Art und Weise dann dieser Finanzhahn dann
00:07:51
Speaker
abgedreht wird. Das heißt, da ist es schon weniger auf einer öffentlichen Meinungsebene, sondern wirklich hat dann auch direkt materielle Druck, der dann erzeugt wird. Und das hat sich dann auch direkt auf eine weitere Pille ausgewirkt, nämlich die der Versicherungen, dass dann Versicherungsfirmen auch nicht mehr gewollt waren, solche Unternehmen und die Projekte der fossilen Brennstoffindustrie zu versichern, weil es denen dann doch zu riskant war.
Vielfalt der Allianzen und Unterstützer
00:08:14
Speaker
Ja, also ich bin ja auch große Verwächterin von diesem Konzept der Säulen. Das war auch was, was ich in den Bewegungen, in denen ich aktiv war, immer versucht habe, von Anfang an direkt mitzudenken, halt diese Säulen auf die eigene Seite zu ziehen. Und das hat auch erstaunlich gut funktioniert. Also wir haben da zum Beispiel mit vielen Menschen aus der Kirche gearbeitet, die uns Räume bereitgestellt haben, die zwischen uns und Politikerinnen vermittelt haben.
00:08:41
Speaker
Wir haben mit Polizistinnen gesprochen. Da gehe ich ja auch im Buch darauf ein, dass das natürlich auch nicht immer einfach war, weil es ja zu Recht viel Kritik an rassistischen Strukturen in der Polizei gibt. Aber ja, es in den Bewegungen, in denen ich aktiv war, echt gut funktioniert hat, weil teilweise sehr reflektierte und engagierte Polizistinnen die Glasler über die Klimakrise Bescheid wussten.
00:09:08
Speaker
eben angefangen haben, zum Beispiel die Polizeivernetzung in der letzten Generation zu übernehmen und versucht haben, mit anderen Polizistinnen in Kontakt zu kommen. Und das hat natürlich das Bild von außen total verändert. Wenn auf einmal die Leute, die einen eigentlich verhaften sollen, dann ja mit auf der eigenen Seite stehen. Und ja, da fällt mir auch ein, da war eine richtig gute Frage von einer von unseren Zuhörerinnen.
00:09:36
Speaker
die nämlich nach der Rolle der Verwaltung gefragt hat. Und das ist ein super Beispiel, die Verwaltung, weil die Anzahl der Beamtinnen in Deutschland ist ja riesig. Ich glaube, es sind irgendwie über fünf Millionen, die in diesem Bereich arbeiten. Und ich war neulich auf einem richtig, richtig guten Vortrag von einer tollen Organisation. Frag den Staat heißt die, die unter anderem dazu beraten, was Menschen eben in der Verwaltung machen können. Wenn jetzt zum Beispiel
00:10:05
Speaker
gerade in der eigenen Stadt, die AfD gewählt wurde. Und ja, was eben auch über dieses klassische Verzögern hinausgeht, also wenn Anträge blockiert werden sollen und Beamtinnen dann so sagen, ich muss erst mal, ich muss das erst mal prüfen oder ich muss erst mal meinen Vorsitzenden dazuholen oder ich bin dafür nicht verantwortlich und muss das erst mal weiterleiten. Also das ist einfach ein sehr großer
00:10:30
Speaker
Spielraum ist und eben viele Möglichkeiten, die jetzt darüber hinausgehen. Das heißt, wenn ihr in diesen Bereichen arbeitet, dann holt euch auf jeden Fall Beratung dazu, weil das kann echt viel Einfluss haben. Genau, aber was natürlich trotzdem eine Herausforderung bleibt, ist, dass die Säulenarbeit extrem lange dauern kann. Also man muss ja überhaupt erst mal eine Person finden, die so ein bisschen den Türöffner ist, in die Säule rein.
00:10:58
Speaker
dass man überhaupt mal versteht, wie das da alles funktioniert,
Herausforderungen und Geduld im langfristigen Aktivismus
00:11:03
Speaker
wo man dann am besten mit der zusammenarbeitet. Aber das ist ja dann noch erstmal nur eine Person, wir haben ja schon gesagt sollen, können Millionen von Menschen haben, die da mitarbeiten. Was nicht heißt, dass diese Arbeit weniger wichtig ist und nicht langfristig voll die Potenziale entfalten kann.
00:11:21
Speaker
Aber was einfach auch zeigt, dass da jetzt nicht die schnellen, großen Erfolge kommen, sag ich mal. Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung, die ich immer wieder sehe. Das ist ein sehr guter und wichtiger Punkt und da kann ich dir nur zustimmen. Also zum Beispiel die Divestment-Bewegungen in Bezug auf die fossilen Anteile, die gibt es ja auch schon seit über, ja schon fast 15 Jahre. Und die haben auch schon, also ich glaube, ja wirklich Milliardenbeträge in Milliardenhöhe tatsächlich verschoben.
00:11:47
Speaker
und an der zeit auch zu einer enormen delegitimierung der dieser industrie beigetragen dass sie eben überhaupt so bezeichnet wird ist ja auch würde ich sagen ein zeichner für dass ich da was verschoben hat in der öffentlichen debatte aber dennoch dauert das ganze sehr sehr lange und ist eine langwierige angelegenheit.
00:12:05
Speaker
Aber man muss auch dazu sagen, es ist nicht die einzige Herangehensweise, es ist nicht das einzige Werkzeug, was es da gibt, um strategisch zu planen. Es gibt da verschiedene Zugänge dazu, wie man halt strategischer vorgehen kann, im Sinne von, ja, was wollen wir bezwecken mit der Aktion, wen wollen wir damit adressieren, auf welche Art und Weise kreieren wir der Druck. Vielleicht kann ich da noch mal ganz kurz ausholen, um was dazu zu sagen zu den verschiedenen Aktionsformen und je nachdem, welchen strategischen Nutzen die haben. Ich hatte ja letztes Mal schon erwähnt,
00:12:35
Speaker
dass es diese eine Liste gibt, der 198 Aktionsformen, gewaltfreien Methoden und die sind tatsächlich unterteilt in drei Kategorien. Also die eine ist Protest und Überzeugungsarbeit, das sind eher so symbolische Aktionen und das ist das, was auch am meisten bekannt ist, was Kampagnenarbeit angeht und so die
00:12:54
Speaker
reguläre aktivistische arbeit da geht es viel darum einfach politik und menschen zu überzeugen von etwas dann ist so ein bisschen die nicht kooperation das ist halt dieses was tatsächlich ein richtig auch ans ins eingemachte gert und an den kern dessen also vom macht verständnis von zivilen widerstand
00:13:15
Speaker
Nämlich eben diese eigenen Beiträge, die eigene Zusammenarbeit zu entziehen, zurückzuhalten, sei es die Arbeitskraft im Streik, die Kaufkraft im Boykott, die Finanzanteile im Divestment und so weiter und so fort. Das ist eben diese Nicht-Kooperation.
00:13:31
Speaker
Und dann gibt es noch die Disruption bzw. in der Literatur zu gewaltfreien Widerständen nennt sich das gewaltfreie Intervention. Und dazu gehören eben Sit-Ins und Blockaden, aber auch Hungerstreiks und auch interessanterweise Alternativen. Und das ist auch nochmal so ein ganzer Bereich für sich, den wir uns auch nochmal angucken können im späteren Zeitpunkt.
00:13:53
Speaker
Und was würdest du da sagen, weil das ist ja die spannende Frage, was man dann von den Säulen möchte, also welche der drei Bereiche, weil ich habe das Gefühl, aus meiner Erfahrung habe ich bisher immer versucht, die Säulen dazu zu bringen, vor allem in Kategorie 2 und 3 zu machen, also halt zu sagen, es reicht nicht unbedingt, wenn du
00:14:13
Speaker
mitgehst auf einer Demo oder eine Petition unterschreibst. Das ist schon richtig gut, aber was den größten Effekt entfalten würde, wäre, wenn du auch mit auf der Straße sitzt oder du in einen Hungerstreik gehst oder so. Also wenn Leute, die sehr viel Macht in unserer Gesellschaft haben, halt solche Sachen machen.
Anpassung der Strategien an die Phasen der Bewegung
00:14:33
Speaker
Und mittlerweile bin ich mir aber gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich der beste Weg ist oder ob man nicht eher
00:14:38
Speaker
Weil diese Leute verspielen sich ja dann auch ihre eigenen Kontakte, weil man ja dann selber als so widerständig wahrgenommen wird, ob man nicht doch lieber eher den weniger radikaleren Weg geht und sagt, ja ist gut, wenn du uns diese Kontakte, die du über deine Kirche hast oder so in die Politik geben kannst.
00:14:55
Speaker
Und da immer wieder ein Brückenbauer für uns bist, das hilft uns viel mehr, als wenn du auch quasi deine Kontakte verlierst, aber dafür halt medial und so wahrgenommen bist als Widerstandsfigur. Also ich weiß nicht, ob du weißt, worauf ich hinaus will, aber das ist auf jeden Fall ein Punkt, der mich einfach sehr beschäftigt, was man genau von den Säulen dann eigentlich möchte.
00:15:14
Speaker
Ja also ich glaube ein punkt ist erstmal wegzukommen von diesem denken was ist prinzipiell besser und zu gucken okay was brauchen wir in der aktuellen situation und vor allem in der aktuellen entwicklungsphase der bewegung also wo sind wir wir gerade oder wo ist die bewegung gerade vom.
00:15:29
Speaker
von dem, was geleistet werden kann, was gestemmt werden kann. Und dann kann man gucken, was brauchen wir jetzt? Und dann kann man gucken, welches Tool, welche Herangehensweise ist jetzt gerade die notwendige? Und da würde ich einmal sagen zu den Pillars, also die Idee ist schon die der Nicht-Kooperation, also dass letztendlich die ganze Säule oder ein Großteil der Säule davon überzeugt wird, dass sie als Kollektiv ihre Zusammenarbeit entziehen.
00:15:54
Speaker
Und da kommen wir dann in Themen von Organizing und da könnten wir dann in der entsprechenden Folge noch mal tiefer drauf eingehen zu diesem Punkt, denn ich würde auch sagen, es ist kein strategisch-taktisches Organizing. Der Begriff kommt aus dem Community-Organizing oder den gewerkschaftlichen Organisierungen, wo sich zum Beispiel Mieter oder Nachbarn zusammentun, um gemeinsam ja Missstände zu ändern oder eben am Arbeitsplatz Dinge zu ändern.
00:16:22
Speaker
Genau das nur ganz kurz nebenbei. Aber da würde ich sagen, es ist kein gutes Organizing, wenn man bevor quasi ein Großteil dieser Säule erreicht wurde, mit einzelnen Leuten versucht da direkt in die Nicht-Kooperation zu gehen und wie du sagst, dann die Kontakte zu riskieren, die man hat, da muss man dann schon vorsichtig vorgehen und gucken, wo sind wir jetzt gerade. Und deswegen denke ich auch, dass Nicht-Kooperation auch etwas ist, was eben einmal sagst du es langwierig, aber eben auch zu einem
00:16:51
Speaker
Zeitpunkt passieren muss, wenn viele Menschen da sind, die dann diese Nichtkooperation auch machen können, weil sonst hat es ja nicht die Wirkung, sondern genau wie beim Streik auch, wenn nur ein einzelner Arbeitnehmer streikt, dann wird er gefeuert und dann bringt das auch nicht viel. Erst mal im Hintergrund organisieren, bis genügend Arbeitnehmer organisiert sind, eben also dahinter stecken, stehen und dann, dass man gemeinsam dann in den Streik geht, weil Einzelne sich selber dann gefährden.
00:17:17
Speaker
Ja, man muss ja aber auch sagen, es ist gerade keine einfache Zeit, um Teil einer Säule zu sein und Proteste unterstützen, weil das ja immer noch was ist, wo relativ kritisch drauf geguckt wird. Also es ist ja nicht gang und gäbe heutzutage, dass man als Schulleiterin, als Wissenschaftlerin, als Pastoren, dass man
00:17:38
Speaker
also gewaltfreie Bewegung unterstützen kann und deswegen finde ich das super interessant, dass ich gerade, das ist noch sehr in unserer Wissenschaftsblase, aber dass sich so eine Forderung nach einem Recht auf Unterstützung herausbildet, dass wir als Gesellschaften mehr dahin kommen zu sagen, es ist total normal, dass gewaltfreie Bewegungen unterstützt werden, in welcher Form auch immer, solange die sich halt
00:18:01
Speaker
für Grundrechte und Menschenrechte einsetzen.
Rechtlicher und gesellschaftlicher Wandel zugunsten von Bewegungen
00:18:04
Speaker
Und das sollte doch eigentlich total normal sein, ja, in der Kirche ist oder welche Säule man auch immer ansprechen möchte, dann eben diese Bewegung zu unterstützen. Also ich finde, das ist was, was sie auf jeden Fall auch noch viel weiter in die Welt tragen sollten.
00:18:19
Speaker
Ja auf jeden fall sehr gut da auch so ein umdenken oder so ein kulturwandel zu bewirken aber ich wollte prinzipiell dazu sagen dass man sich auch immer wieder auch dran erinnern muss dass das immer auch teil von bewegungs dynamiken sind, das eine bewegung kriminalisiert und diffamiert wird also das gehört einfach mit dazu vor allem wenn sie dann eine wirkung entfaltet,
00:18:40
Speaker
kriegt sie dann natürlich viel gegenwind und das genau und das wird viel versucht auch mit eben repression durch polizei und gericht und verurteilungen und eben medial dazu beizutragen dass die bewegung eingeschüchtert wird und das passiert eigentlich fast in jeder bewegung und auch in erfolgreichen bewegungen.
00:19:00
Speaker
und zu diesem, dass Leute ihre Zusammenarbeit entziehen oder dass Leute in den Säulen nicht mehr mitmachen und nicht mehr zum Missstand beitragen oder dieses Regime aufrechterhalten, die sind jetzt in der Metapher des Tempels. Also die Forschung besagt, dass Zwiegungen tatsächlich erfolgreicher sind, wenn es Überläufe gibt, vor allem im Bereich der Sicherheitskräfte. Also ich glaube, eine Studie sagt sogar,
00:19:24
Speaker
Bewegungen, also gewaltfreie Revolution, waren 46 Prozent erfolgreicher, wenn da eben Sicherheitskräfte übergelaufen sind. Das ist Channelwith und Stefan und Napstat und die Literatur können wir euch auch in den Show Notes mal verlinken.
00:19:42
Speaker
Genau, das sind ja Studien aus Diktaturen, aber ich denke zumindest und ich weiß nicht, ob ich da für dich mitsprechen kann, aber dass man das auf jeden Fall auch übertragen kann auf Demokratien. Du hattest ja schon viele Beispiele genannt in Demokratien, wo das wirksam war. Und es ist ja auch nur logisch, weil je mehr Leute und vor allen Dingen je mehr Leute mit machtvollen Positionen unserer Gesellschaft und ansehen, den Protest unterstützen, desto vielversprechender und erfolgreicher wird er ja auch
00:20:12
Speaker
Ja, genau. Und das bringt mich jetzt dann auch zu dem anderen Tool, worüber ich ganz kurz nochmal sprechen wollte, weil genau, das nennt sich das Spektrum der Unterstützung und das ist eben das Stichwort, mehr Unterstützung von verschiedenen Gruppen auch
Aktivierung neutraler Unterstützer
00:20:27
Speaker
Und das funktioniert ein bisschen anders und zwar ist es nicht so dass man so sehr sich auf die opposition fokussiert und guckt okay wie kann man die opposition quasi destabilisieren sondern die bevölkerung müssen einteilt in aktive und passive gegner innen also so ein bisschen sympathisanten und oppositionen und dann die unentschlossene zwischen die neutralen.
00:20:47
Speaker
Und man stellt sich das ganze so wie so ein Buchendiagramm quasi vor, aber so ein halbes und teilt es halt in diese verschiedenen Kategorien. Und dann muss man halt so ein bisschen gucken, okay, wie können die Neutralen und die Unentschlossenen und die passiven Unterstützer, also die Sympathisanten,
00:21:03
Speaker
dazu gebracht und animiert werden, nur einen einzigen Schritt in die Richtung der Bewegung zu machen. Also gar nicht mal so sehr sich abarbeiten und versuchen, die Opposition zu überzeugen, sondern wirklich zu gucken, okay, wer sind eigentlich genau diese Menschen in der Kategorie der Neutralen und was brauchen diese oben zu Sympathisanten zu werden? Wie können die abgeholt werden quasi? Und dann genau nochmal bei den
00:21:25
Speaker
bei den passiven Unterstützern, was brauchen sie, um ins Handeln zu kommen, um so Aktivistinnen zu werden, zu aktiven Beteiligten, zu aktiven UnterstützerInnen, dass sie etwas tun, was quasi die Bewegung unterstützt. Und das ist nochmal so eine ganz andere Rangehensweise, weil eben letztendlich es doch wichtig ist auch, dass ein Großteil der Gesellschaft
00:21:46
Speaker
hinter dem Anliegen steht und dass man halt als Bewegung immer mehr wächst und immer mehr Rückhalt auch hat, auch wenn natürlich nicht alle auf der Straße sind. Aber dennoch darf man das nicht aus den Augen verlieren, wenn man Aktionen plant, auch wenn es da natürlich gewisse Debatten über kritische Massen gibt, wo du dich natürlich sehr auskennst, wenn du eben aus der Bewegung auch Extinction, Rebellion und Letzte Generation kommst.
00:22:09
Speaker
Ja, da kommen wir gleich zu meinem Lieblingsthema, die 3,5%, was mich immer sehr nervt, das Thema. Aber das ist natürlich wichtig und ich habe auch das Gefühl, vor ein paar Jahren war da ein richtiger Hype da drum. Vielleicht kurz zum Hintergrund, es geht da ja um eine Studie von Erica Tenoweth, die eine sehr bekannte Forscherin ist, zu einem zivilen Widerstand, die in ihrem Buch und in ihrer größten Publikation eigentlich darüber gesprochen hat, dass man 3,5% der Bevölkerung
00:22:36
Speaker
Brauch oder die alle erfolgreichen Bewegungen hatten, um eben erfolgreich zu sein. Ich finde das ist kritisch, aber sag du doch erst mal gern, wie du dazu stehst.
00:22:48
Speaker
Naja, ich glaube, die Grundmessage, die finde ich erstmal in Ordnung und ich, ja, also die Grundmessage ist ja erstmal zu sagen, okay, es braucht nicht die gesamte Bevölkerung, sondern ein kleiner Teil reicht und da gibt es auch schon Studien schon viel früher, also schon auch in den 90ern so eben mit den 5 Prozent, dass das auch ausreicht. Also die genaue Ziffer ist vielleicht dann auch nicht mehr so relevant, aber das Wichtigste ist eben, es müssen nicht
00:23:11
Speaker
Ich muss nicht die gesamte Bevölkerung mitmachen, damit das klappt. Gleichzeitig hat Erika Chanowith selber auch dann in einer neueren Publikation in einem Buch auch nochmal mehr ausgeführt, wie sie das Ganze sieht und meinte halt auch schon, dass in den Diktaturen, in denen diese Studie eben stattfand, dass dann schon ein
00:23:30
Speaker
Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich, also zumindest eine Mehrheit, hinter dem Bewegung stand, auch wenn diese nicht direkt irgendwie beteiligt waren und auf der Straße waren. Und genau, dass das nicht unbedingt heißt, dass wenn 3,5 Prozent auf der Straße sind und keinen Rückhalt haben in der Gesellschaft, dass es dann klappt, dass ist dann tatsächlich problematisch, denke ich.
00:23:52
Speaker
Also ich finde einfach, also aus verschiedenen Gründen, ich finde die Zahl, wenn man selber versucht, Protest zu organisieren, ist extrem abschreckend, weil ja, es ist nur ein kleiner Teil von der Gesellschaft, aber wenn man das mal so hochrechnet auf Deutschland, wie viele Hunderttausende von Leuten man dann bräuchte, natürlich müssen nicht alle das Gleiche machen, es gibt unterschiedliche Formen der Unterstützung, aber
00:24:15
Speaker
Ich finde, das ist erst mal so, wenn man anfängt und vielleicht eine kleine Gruppe es irgendwie super demotivieren, diese riesige Zahl zu haben. Und ich finde, also mich hat es eigentlich eher gestört, dass sich da dran immer so aufgehangen wurde und alle so diese 3,5 wie so ein Wort, was halt im Trend ist, die ganze Zeit gebracht haben und gesagt haben, ja, wir müssen uns nur darauf konzentrieren, 3,5 Prozent der Bevölkerung zusammenzubekommen, was ich finde irgendwie so ein bisschen überdeckt, was auch kleine Proteste machen können.
00:24:41
Speaker
Und ja, ich muss aber schon sagen, dass sich mein Blick darauf auch verändert hat. Aber ich verstehe jetzt immer mehr der Gedanke, der dahinter steckt, dass man eben eine große Menschenmasse braucht oder Unterstützerin, was du ja auch meintest, mit dem Spektrum. Also ja, die Frage so ein bisschen braucht erfolgreicher Protest immer eine große Menschenmasse ist, glaube ich, was, was
00:25:03
Speaker
mich aktuell sehr beschäftigt und ich tendiere dazu zu sagen, ja, man muss auf jeden Fall Fokus darauf legen, zu versuchen, viele verschiedene Menschen zusammenzubringen. Ja, es gibt ähnliche Debatten auch in der Gewerkschaftsforschung, wo es eben heißt, dass bestimmte Gewerkschaften in bestimmten speziellen Positionen mehr Macht haben, in eben strukturellen Knotenpunkten, so etwas wie eben Piloten
Einfluss kleiner Gruppen und strategische Dilemmata
00:25:28
Speaker
Und das die sind nur eine handvoll leute aber wenn die streiken dann haben sie halt mehr macht mehr auswirkung. Und basierend quasi auf solchen beobachtungen wird dann halt gesagt ja ok in manchen fällen muss man halt nur wirklich die richtigen punkte treffen da wo es wehtut und dann sand ins getriebe quasi werfen und dann funktioniert es nicht und dann braucht man auch nicht so viele menschen das ist ja auch vielleicht so ein bisschen der gedanke dann bei der sabotage akten oder ähnlichen sachen oder eben genau wenn man was blockiert.
00:25:55
Speaker
Aber letztendlich, um also auch eine Arbeiterbewegung, die Arbeiterbewegung allein hätte durch Piloten nicht das geschafft, was sie geschafft haben, nämlich wirklich Arbeitsrecht überhaupt aus dem Nichts zu erschaffen und da komplett so die Arbeitskultur dann zu ändern. Und ich glaube, so ähnlich ist es auch in dem Bereich. Klar, kannst du ein System
00:26:12
Speaker
sehr doll unter Druck setzen durch eine Handvoll Leute. Aber ob du dann wirklich quasi langfristig institutionell was veränderst und sich dann wirklich auch das Denken ändert, wenn man nicht eine Mehrheit erreicht hat, das ist dann tatsächlich die Frage. Genau. Ich stimme dir da auf jeden Fall zu, dass man halt, auch wenn es lange dauert oder länger dauert und anstrengender ist, dass es trotzdem die Arbeit wert ist, zu versuchen, sich zu organisieren, zu mobilisieren und möglichst viele Menschen zusammenzubekommen.
00:26:40
Speaker
Und trotzdem finde ich es halt total spannend, dass du dich bei der Strategie so sehr auf die Säulen und auf das Spektrum und so fokussierst, weil wenn ich über Strategie nachgedacht habe, dann war es sehr viel immer auch dieses ganze Thema um, wie schafft man es, dass ein Konflikt reift, also dass der heranwächst und dass man als Bewegung Macht aufbaut. Jetzt mal unabhängig davon, wie viele Leute man sind, das Gegenüber oder denjenigen, den man adressiert in eine
00:27:08
Speaker
Dilemma-Situation bringt. Weil selbst wenn du eine Bewegung bist, die viele Leute hast, wenn du es nicht schaffst, einen guten Plan zu machen und einen Dilemma zu kreieren, dann finde ich, hat es auch nur einen bedingten Erfolg. Und mit Dilemma meine ich sowas, dass man eine Situation erschafft, die, egal wie sie ausgeht, eigentlich zum eigenen Vorteil in der Bewegung ist. Also das habe ich immer wieder in der Praxis erleben können. Du hattest am Anfang darüber gesprochen, dass
00:27:34
Speaker
Universitäten investieren, auch in fossile und an meiner Uni in Oxford, wo ich mein Master gemacht habe, haben wir einmal ein Uni-Gebäude besetzt und haben quasi die Uni damit in so einen Dilemma gebracht, weil wir haben halt gecampt auf dem Innenhof und es war natürlich ein schlechter Ruf für die Uni und die musste darauf eingehen und die konnte uns aber nicht einfach wegräumen, weil das wäre ja dann auch schlecht für sie gewesen, schlechte Bilder, schlechte
00:27:59
Speaker
Umgang mit den Studentinnen und die haben dann erstmal sehr passiv versucht, uns loszuwerden. Also ohne groß Polizeiaufgebot sind die da halt nachts mit so kleinen Rasseln an dem Camp vorbeigegangen, damit man nicht so gut schlafen kann. Oder haben so eine Handwerksfirma kommen lassen, die so eine ganz alte Holztür zugemacht hat, wo man sich dachte, die wurde seit 100 Jahren nicht mehr
Erfolgsmessung und nachhaltige Strategieentwicklung
00:28:21
Speaker
damit ebenso andere Studenten den Leuten, die da gecampt haben, also uns nicht mehr so viel Essen bringen und uns quasi ja so ein bisschen auszuhungern. Also so ganz bescheuerte Sachen. Und das hat natürlich nicht so gut funktioniert. Was dann daraufhin dazu geführt hat, dass die College-Leitung sich tatsächlich mit einigen von uns in so einem Verhandlungsgespräch hinsetzen musste und auch Versprechungen gemacht hat.
00:28:49
Speaker
Ja, und leider, leider war die Kampagne nicht groß und langfristig genug geplant damals, dass sie nach dem Aufhören quasi sicherstellen konnte, dass das auch wirklich umgesetzt wird. Das passiert ja leider sehr oft im Protest. Das heißt, man zwingt quasi das Gegenüber in, und zwingen ist ja mal sehr negativ konnotiert, aber das finde ich in diesem Fall gar nicht, sondern man bringt das Gegenüber dazu, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen. Und ja, das ist für mich irgendwie
00:29:19
Speaker
auch der Kern von Strategie, den das ausmacht und natürlich diese ganzen Dynamiken, die dann damit einhergehen, also dass das Gegenüber dann darauf reagiert, dass es vielleicht sogar Gewalt oder Repression anwendet, dass man das wieder auch nutzen kann, um seine eigene Bewegung zu verstärken. Genau, das ist etwas, was mir, glaube ich, bei diesen ganzen Sachen rund um die Säulen immer so ein bisschen zu kurz kommt.
Der Backfire-Effekt und seine Risiken
00:29:43
Speaker
Ja, also auch da würde ich sagen, verschiedene Zugänge und ich finde es total wichtig, auch als Feedback für die Forschung zu hören, welche Konzepte tatsächlich praktisch anwendbarer sind und welche nicht. Also ich zum Beispiel auch aus meiner Erfahrung mit Aktivistinnen in verschiedenen Bereichen, was die Säulen angehen, hatte ich auch immer wieder das Gefühl, dass das manchmal sehr allgemein ist und dass man dann eigentlich noch mal ganz viel Recherche braucht und noch eine spezielle Arbeitsgruppe, die dann erst mal recherchieren muss, wer sind denn eigentlich genau diese Säulen.
00:30:09
Speaker
Und dass das vielleicht leichter ist, wenn man sich eben den Backfire-Effekt anguckt. Aber vielleicht magst du dazu noch mal was sagen, weil klar, ich kenne das aus der theoretischen Perspektive, aber wie verstehst du den Backfire-Effekt und wie hast du den erlebt auch dann in der Praxis?
00:30:24
Speaker
Also Backfiring macht für mich halt aus, dass man als Bewegung ja aktiv ist. Man ist ja nie passiv, sondern man ist ja eine aktive Gruppe, die Proteste macht und damit das Gegenüber herausfordert. Und es gibt halt eine Regel in den Wissenschaften, dass das Gegenüber, wenn die Störung halt groß genug ist oder der Streik oder was auch immer,
00:30:44
Speaker
die Partei darauf reagieren muss und ja, in den meisten Fällen etwas wie Strafen oder Polizeigewalt, also diese klassischen Bilder von Wasserwerfern oder ja, in Beispielen, wo Polizisten auch mitknüppeln vorgegangen sind, dass das Momente sind, die, wenn man in einer Bewegung aktiv ist
00:31:02
Speaker
kommen können, wenn man eine erfolgreiche Bewegung ist und dass man sich darauf einstellt und dass das scheiße ist für einen persönlich das zu erleben, aber dass das eben einen Effekt haben kann, wenn man selber friedlich bleibt und das gegenüber halt gewalttätig wird, dass das diese Asymmetrie in dem eigenen Vorteil ist und einen stärker macht, weil dann mehr Menschen mit einem sympathisieren und unterstützen und das so ein
00:31:25
Speaker
Ja, so ein richtiger Moment sein kann, wo Dinge halt einfachen. Das wird ja auch oft mit der Kampfkunst Jiojitsu in Verbindung gebracht, weil man da ja auch die Kraft des Gegners gegen ihn selbst nutzt. Und ich denke, da gehört auch sehr viel, also die Umstände müssen richtig sein und sehr viel Glück und Planung auch dazu. Und Bewegungen heutzutage verlassen sich auch teilweise zu viel auf dem Backfiring-Effekt. Da wollen wir auch in der nächsten Folge drauf eingehen, was ich auch sehr kritisch sehe.
00:31:52
Speaker
Aber für mich ist es halt gar nicht so ein Entweder-Oder. Ich finde die Säulen genauso wichtig wie das Backfiring. Für mich ist es eher so, dass alles zusammen denken und zusammenbringen, damit eine Strategie wirklich erfolgreich sein kann und sich nicht auf einzelne Teile fokussieren, sondern wirklich zu versuchen, ja, alles zusammenzubringen, was natürlich nicht einfach ist.
00:32:15
Speaker
Auf jeden Fall, ja, ich glaube auch, das eine ist so die Dynamik auch mit wie geht man um mit eben Repression, das heißt auch mit der Reaktion des Staates durch Polizei und durch die Reaktion in den Medien. Also das Backfire-Modell einem da helfen kann, wie man am besten mit einer negativen Reaktion umgeht, wie man die zum eigenen Vorteil nutzen kann.
00:32:35
Speaker
Das heißt also, gut deutsch gesagt, wenn man wirklich Gewalt erfährt und von den Polizistinnen zum Beispiel, das dann auch medial zu verbreiten und das generiert dann natürlich ganz viel Sympathie und Unterstützung und Empörung auch bei Menschen, die sich bisher nicht engagiert haben, weil sie dann denken,
00:32:51
Speaker
Also das geht ja immer gar nicht, dass sie so behandelt werden, weil sie haben ja nichts gemacht.
Die Rolle der Medien und diverse Ansätze integrieren
00:32:55
Speaker
In dem Sinne sind sie selber nicht gewalttätig geworden. Also warum werden die jetzt so behandelt? Und daraufhin gibt es da dann einen Zulauf. So wie ich es verstanden habe, war das ja bei der letzten Generation. Am Anfang auch, wenn sie medial zum Teil wirklich auch fertig gemacht wurden, dann aber genauso dieser Effekt, dass es einen enormen Zulauf gab, ein großes Wachstum, ganz, ganz, ganz viele Menschen und auch an Spendengeldern.
00:33:16
Speaker
allein weil diese Bilder gesehen wurden und die Darstellung auch in den Medien, wo man sich gedacht hat, das steht einfach nicht im Verhältnis. Aber genau, vielleicht können wir dann in einer späteren Folge auch nochmal mehr darauf eingehen, weil in der nächsten Folge wollen wir ja darüber sprechen, warum trotz all dieser strategischen Überlegungen dann Bewegungen manchmal doch scheitern oder was jetzt gerade vielleicht auch aktuelle Herausforderungen sind und wie man über diese nachdenken kann. Und da können wir auch nochmal über diesen Effekt ein bisschen mehr sprechen
00:33:44
Speaker
Ja, hast du denn jetzt was, was du aus dieser Folge mitnimmst zur Strategie, so die Erkenntnis, die man immer im Hinterkopf behalten müsste, keinen Druck haben?
00:33:54
Speaker
Ich würde sagen, tatsächlich immer dieses viele Wege für nach oben. Und vor allem gerade in so ganz schwierigen Konflikten, wo braucht man einfach wirklich alle möglichen Zugänge und auch verschiedene Ansätze. Klar, man kann auch natürlich gucken, dass man auch mitnimmt, was tatsächlich einem weiterhilft und was nicht. Aber dann auch zu gucken, verschiedene Sachen da auszuprobieren.
00:34:19
Speaker
und die nicht so gegeneinander auszuspielen, wenn verschiedene Gruppen verschiedene Ansätze da verwenden. Und genau offen zu bleiben für weitere strategische Überlegungen. Und für mich war definitiv jetzt auch ein Takeaway die Forschung, dass der Backfire-Effekt viel anwendungsfreundlicher ist, dass man da mehr als Aktivisten mit anfangen kann, als die anderen Modelle. Das war nochmal für mich gut zu wissen und werde ich glaube ich auch so weitergeben.
00:34:47
Speaker
Weil mein Doktorvater zum Beispiel hat ja viel über Backfire geschrieben, hat das den Begriff auch so ein bisschen geprägt in diesem Forschungsfeld. Und da wird er sich bestimmt freuen, das zu hören.
00:34:58
Speaker
Ja, das glaube ich, dass er sich freut. Also für mich ist aber auch nochmal genau das Gegenteil dazu, dass ich nochmal mitnehme, wie wichtig auch die Säulen sind und dass du das wirklich auch als Kern der Strategie siehst und dass man sich davon nicht entmutigen lassen sollte, sondern halt, ja, vielleicht ist es einfacher, sich auf den Backfiring-Effekt zu fokussieren, weil der eine direkte Folge hat, die man sehen kann, aber das ist langfristig doch auch viel hilfreicher oder auch ergänzend dazu hilfreich sein kann, sich eben auf die Säulen zu fokussieren.
00:35:27
Speaker
Und ich hatte ja gesagt, ich habe Lust, am Ende mal ein Zitat zu teilen, und tatsächlich habe ich das bei einem von unseren Professoren bei Stellan in der Broschüre gefunden.
Abschlusszitat von Arundhati Roy und Ausblick
00:35:40
Speaker
Da hat die politische Schriftstellerin und auch selber protestierende Arundhati Roy ein Zitat geschrieben, das fand ich richtig toll, es geht super lang.
00:35:51
Speaker
Da redet sie auch ganz viel über Macht und wie Macht zusammenbricht, wenn wir nicht mehr weiter mitspielen, also genau das Konzept der Säulen. Aber dass sie am Ende sagt, erinnert euch daran, eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist auf dem Weg und an stillen Tagen kann ich sie schon atmen hören. Und das fand ich einfach richtig schön. Ja, voll. Das macht Mut. Und ich finde es total schön, dass du immer uns ein Zitat mitbringst am Ende, uns ein bisschen Inspiration und Mut auf den Weg zu geben. Das ist wunderschön.
00:36:21
Speaker
Ja, und ich habe euch heute eine ganz wundervolle Datenbank mitgebracht mit ganz vielen verschiedenen Beispielen aus aller Welt. Es nennt sich die Globale Gewaltfreie Aktionsdatenbank, die angedockt ist beim Swarthmore College in den USA, Global Nonviolent Action Database.
00:36:41
Speaker
Und da kann man tatsächlich ganz viele verschiedene Kampagnen suchen, nach den verschiedenen Aktionsformen, nach Region, nach Skala, wie erfolgreich die sind, gewahren und aber auch, wer die Teilnehmenden waren oder die Protestierenden.
00:37:00
Speaker
Und das ist wirklich total toll, um sich hier so inspirieren zu lassen, so ein bisschen, was alles schon geklappt hat, um Ideen zu bekommen bei ähnlichen Themen. Genau, da kann man auch gucken nach den verschiedenen Bereichen, ging es um wirtschaftliche Gerechtigkeit, um Demokratie, um Queer Rights und so weiter und so fort. Und genau, auch da wieder der Link in den Show Notes. Es lohnt sich auf jeden Fall mal reinzuschauen, wenn man
00:37:26
Speaker
Ideen sammeln möchte und sich inspirieren lassen möchte von bisher schon erfolgreichen, aber auch nicht so erfolgreichen Fallbeispielen aus aller Welt.
00:37:38
Speaker
Ja, wir hören uns ja dann wieder mit der nächsten Folge zu, warum ziviler Widerstand scheitert. Und ja, wollen auch nochmal ein Dankeschön sagen an unseren Förderer, die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit und die liebe, tolle Emé van Balen, die uns bei unserem Social Media unterstützt, aber auch an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Staunen. Wir freuen uns von euch zu hören auf unseren Instagram Account. Genau.
00:38:08
Speaker
Die stehen auch in den Show notes, so wie die Literaturverweise auch. Und ja, schreibt uns gerne, was ihr so mitgenommen habt aus der heutigen Folge und was euch noch so interessieren würde. Wir freuen uns aufs nächste Mal. Macht's gut. Alles Liebe. Tschüss.