Einführung in 'Tee und Taktik' und strategische Proteste
00:00:07
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest.
00:00:14
Speaker
Wir sind Lea und Lila.
00:00:17
Speaker
Herzlich willkommen.
00:00:20
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Widerstandspodcast Tee und Taktik.
Forschungsarbeit und Präsentationen zu Protesten
00:00:24
Speaker
Wir sind Lea und Dalila und wir machen einen Podcast zum Thema friedlicher ziviler Widerstand.
00:00:30
Speaker
Dalila, wie geht's?
00:00:34
Speaker
Ich freue mich hier zu sein.
00:00:36
Speaker
Ja, ich freue mich auch.
00:00:37
Speaker
Vielleicht nochmal so ganz kurz zu uns beiden und unserem Hintergrund.
00:00:41
Speaker
Wir forschen ja beide zu dem Thema Protest, sind auch nächste Woche zusammen auf der Konferenz der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft und halten da Vorträge.
Demokratie stärken: Bewegungen und Workshops
00:00:52
Speaker
Ich habe außerdem verschiedene Bewegungen mitgegründet, vor zweieinhalb Jahren die letzte Generation und jetzt gerade auch eine neue Bewegung und versuche immer wieder unsere Demokratie aktiv in der Praxis zu verteidigen und zu stärken.
00:01:09
Speaker
worüber man auch mehr in meinem Buch lesen kann.
00:01:11
Speaker
Und Dalila, du bist promoviert, gibst ja Aktivisten-Strategie-Workshops und auch zum Organizing.
00:01:18
Speaker
Hast ja jetzt vor kurzem auch an der Uni wieder einen Kurs gegeben zum Thema Widerstand und unterrichtet.
00:01:25
Speaker
Und genau, mehr zu uns könnt ihr auf jeden Fall auch in unserem Trailer auf Spotify und
Fokus des Podcasts und Tee-Vorlieben
00:01:32
Speaker
Unser Podcast heißt ja Tee und Taktik, weil wir gerne über friedlichen, zivilen Widerstand, Strategie und Taktiken sprechen, aber weil wir auch gerne Tee trinken.
00:01:41
Speaker
Ich habe mir heute ein Fännchen Anis Kümmeltee gemacht.
00:01:44
Speaker
Den trinke ich eigentlich jeden Tag.
00:01:46
Speaker
Was hast du heute dabei?
00:01:48
Speaker
Ich habe heute tatsächlich einen kühlen Pfefferminztee, weil Pfefferminz schön kühlt ist und es ziemlich warm ist hier oben in dem Dachboden, in dem ich mich befinde.
Effektivität und Demokratie von zivilem Widerstand
00:01:59
Speaker
Ja, und heute geht es ja um das Thema Strategie.
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Speaker
Das finde ich persönlich immer super interessant.
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Speaker
Wir haben ja in der letzten Folge schon darüber gesprochen, was ist der zivile Widerstand überhaupt?
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Speaker
Was macht ihn aus?
00:02:12
Speaker
Also haben quasi dargelegt, warum wir wissen, dass er so effektiv und demokratisch ist.
00:02:18
Speaker
Aber die spannende Frage ist natürlich, wie funktioniert das Ganze?
00:02:22
Speaker
Also was sind die Dynamiken dahinter?
00:02:24
Speaker
Was sind die Mechanismen, die ihn eben so wirksam machen?
Theorie des gesellschaftlichen Wandels und Machtverschiebungen
00:02:28
Speaker
Ja genau, also vielleicht muss ich nochmal ganz kurz was dazu erzählen, so was ist die Theorie des Wandels dahinter, also was sind so die Annahmen, wie gesellschaftlicher Wandel funktioniert und das ist ganz eng verbunden auch mit dem Verständnis von Macht, also die Idee ist, dass die Macht der vielen eben darin beruht,
00:02:47
Speaker
dass sie ihren Beitrag zurückhalten können, der gebraucht wird.
00:02:52
Speaker
Also das klingt jetzt etwas kompliziert ausgedrückt, aber ich finde, man kann das sehr schön veranschaulichen eben am Beispiel vom Streik.
00:02:59
Speaker
Da gibt es eben die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer und eigentlich oft sagt man eben, dass Arbeitgeber mehr Macht über die Arbeitnehmer haben.
00:03:07
Speaker
Aber es ist ja auch so, dass Arbeitnehmer dann die Dienstleistungen und die Produkte, also ihre Arbeitskraft da reinstecken, dass die existieren.
00:03:17
Speaker
Und wenn sie ihre Arbeitskraft zurücknehmen oder zurückhalten, dann spürt der Arbeitgeber tatsächlich, dass er die Arbeitnehmer braucht.
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Speaker
Und dann eben geht er auch oft erst
Metapher der Regime-Stützpfeiler
00:03:28
Speaker
auf die Forderungen ein.
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Speaker
Und so wurden überhaupt erst grundlegende Arbeitsrechte erkämpft.
00:03:34
Speaker
Wie eben den Acht-Stunden-Tag, die Fünf-Tage-Woche, dass Kinderarbeit zumindest hier im globalen Norden abgeschafft wurde und solche Standards für Sicherheit und Gesundheit, dass man halt nicht sich, also ich meine, tot arbeitet in dem Sinne, dass man an Verletzungen stirbt etc.,
00:03:52
Speaker
Und diese Logik kann man tatsächlich auch auf andere Bereiche anwenden.
00:03:57
Speaker
Und wenn man jetzt so in die Planung geht und da so denkt, ein ganz, ganz bekanntes Tool ist eben zu sagen, sich so einen griechischen oder römischen Tempel vorzustellen, der eben
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Speaker
so verschiedene Säulen hat.
00:04:12
Speaker
Und diese Säulen tragen eben den Missstand, den man kippen möchte, das Regime.
00:04:18
Speaker
Und zum Beispiel ist das bekannt eben aus dem Bereich der Demokratiebewegung gegen
Anwendung der Pfeiler auf Demokratien
00:04:22
Speaker
Und da sind diese Säulen, die die Diktatur aufrechterhalten, die zur Existenz der Diktatur beitragen, sind dann eben so die verschiedenen Bereiche wie das Militär, die Polizei, aber auch die Wirtschaft, auch Medien, auch Wirtschaft,
00:04:36
Speaker
Religiöse Verbände, die alle irgendwie mitmachen quasi und wenn dann einzeln diese Säulen ihre Unterstützung entziehen, wenn diese Säulen also wegbrechen, dann bricht dann auch irgendwann dieser imaginierte Tempel zusammen und das ist halt eine schöne Metapher, die man auf verschiedenste Bereiche anwenden kann.
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Speaker
Das heißt ja quasi,
Fossil Free Kampagne und finanzielle Desinvestition
00:04:59
Speaker
wenn man jetzt in diesem Säulenmuster denkt, da geht es ja viel darum, einen Regime zu stürzen, also die Säulen, die einzelnen wegzunehmen.
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Speaker
Und ich wurde deswegen schon so oft gefragt, ob das denn überhaupt auch anwendbar ist auf Demokratien und mit anderen Themen funktioniert.
00:05:15
Speaker
Also beispielsweise Klimaschutz.
00:05:17
Speaker
Ist das denn auch was, was du denkst, was funktioniert mit anderen Themen?
00:05:22
Speaker
Na, da sind es dann einfach, je nach Thema, je nach Bereich, je nach Kontext, sind das halt unterschiedliche Säulen.
00:05:27
Speaker
Also das ist dann eben Teil dieser Planungsphase, dass man erstmal versucht zu identifizieren, wer sind eigentlich diese Säulen in unserem konkreten Fall.
00:05:36
Speaker
Und ich hatte in der letzten Folge schon erwähnt, das Beispiel mit der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA.
00:05:43
Speaker
Da waren tatsächlich verschiedene Bereiche, auch aus dem Bildungsbereich und eben religiöse Institutionen und Presse, die sich vorher irgendwie dagegen gestellt hatten gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und dann einzeln irgendwie adressiert wurden durch AktivistInnen und durch die Bewegung.
00:06:02
Speaker
Und dann einzeln ihre Meinung quasi geändert haben.
00:06:04
Speaker
Aber das wäre so ein bisschen auf der diskursiven Ebene.
00:06:07
Speaker
Dann gibt es ein anderes Beispiel aus der Fossil-Fuel-Divestment-Bewegung.
00:06:11
Speaker
Das ist die, wie gesagt, hatte ich letztes Mal schon ganz kurz angerissen, was Divestment ist, wenn eben Investitionen zurückgenommen werden.
00:06:19
Speaker
Und im Bereich der Klimabewegung gibt es eine Kampagne,
00:06:22
Speaker
Die nennt sich zum Beispiel unter anderem Fossil Free und die versucht eben Universitäten und Stadtverwaltung und Pensionsfonds davon zu überzeugen, nicht mehr in Erdöl, Kohle und Gas etc.
00:06:33
Speaker
zu investieren, sondern ihre Anteile zum Beispiel in erneuerbare Energien zu stecken.
Engagement von Kirche und Polizei in Bewegungen
00:06:39
Speaker
Und das finde ich eh krass überhaupt, dass Unis dann irgendwie Geld machen, weil sie Anteile in Erdölkohle,
00:06:45
Speaker
Erdölunternehmen haben.
00:06:46
Speaker
Aber gut, das ist ein anderes Thema.
00:06:47
Speaker
Fossil Free basiert eben auch so auf genau dieser Überlegung zu sagen, okay, die fossile Brennstoffindustrie ist quasi die, die die Klimakrise vorantreibt und auch die, die am meisten diese Klimaleugnerei quasi auch vorantreibt und sich so am meisten dagegen stemmt.
00:07:03
Speaker
Das heißt eben, wie kann eigentlich letztendlich diese Industrie zu Fall gebracht werden?
00:07:09
Speaker
Also im Sinne von ihrer Macht, dass sie halt nicht mehr so einen Einfluss haben.
00:07:12
Speaker
Und da haben sie halt analysiert, okay, was brauchen sie?
00:07:15
Speaker
Sie brauchen neben Zulieferern und Kunden und Erlaubnissen, irgendwelche Pipelines und so weiter und so fortzubauen, brauchen sie eben auch ganz viel Funding, Investitionen, Gelder.
00:07:26
Speaker
Und dann haben sie das als eine Pillar genommen, um sie zu Fall zu bringen und dann eben auf die Art und Weise dann dieser Finanzhaar dann abzubauen.
00:07:34
Speaker
Das heißt, da ist es schon weniger auf einer öffentlichen Meinungsebene, sondern wirklich hat dann auch direkt materielle Druck, der dann erzeugt wird.
00:07:41
Speaker
Und das hat sich dann auch direkt auf eine weitere Pille ausgewirkt, nämlich die der Versicherungen, dass dann Versicherungsfirmen auch nicht mehr gewollt waren, solche Unternehmen und die Projekte der fossilen Brennstoffindustrie zu versichern, weil es denen dann doch zu riskant war.
00:07:56
Speaker
Ja, also ich bin ja auch große Verwechterin von diesem Konzept der Säulen.
00:08:00
Speaker
Das war auch was, was ich in den Bewegungen, in denen ich aktiv war, immer versucht habe, von Anfang an direkt mitzudenken, halt diese Säulen auf die eigene Seite zu ziehen.
Einfluss von Verwaltungsarbeitern in konservativen Umfeldern
00:08:10
Speaker
Und das hat auch erstaunlich gut funktioniert.
00:08:13
Speaker
Also wir haben da zum Beispiel mit vielen Menschen aus der Kirche gearbeitet, die uns Räume bereitgestellt haben, die zwischen uns und Politikerinnen vermittelt haben,
00:08:24
Speaker
Wir haben mit Polizistinnen gesprochen.
00:08:26
Speaker
Da gehe ich ja auch im Buch drauf ein, dass das natürlich auch nicht immer einfach war, weil es ja zu Recht viel Kritik an rassistischen Strukturen in der Polizei gibt.
00:08:37
Speaker
Aber es in den Bewegungen, in denen ich aktiv war, echt gut funktioniert hat, weil
00:08:42
Speaker
teilweise sehr reflektierte und engagierte Polizisten, die glasklar über die Klimakrise Bescheid wussten, eben angefangen haben, zum Beispiel die Polizeivernetzung in der letzten Generation zu übernehmen und versucht haben, mit anderen Polizistinnen in Kontakt zu kommen.
00:09:01
Speaker
Und das hat natürlich das Bild von außen total verändert, wenn auf einmal die Leute, die einen eigentlich verhaften sollen, dann ja mit auf der eigenen Seite stehen.
00:09:12
Speaker
Und ja, da fällt mir auch ein, da war eine richtig gute Frage von einer von unseren Zuhörerinnen, die nämlich nach der Rolle der Verwaltung gefragt hat.
00:09:22
Speaker
Und das ist ein super Beispiel, die Verwaltung, weil die Anzahl der Beamten in Deutschland ist ja riesig.
00:09:28
Speaker
Ich glaube, es sind irgendwie...
00:09:30
Speaker
über 5 Millionen, die in diesem Bereich arbeiten.
00:09:33
Speaker
Und ich war neulich auf einem richtig, richtig guten Vortrag von einer tollen Organisation, Frag den Staat heißt die, die unter anderem dazu beraten, was Menschen eben in der Verwaltung machen können, wenn jetzt zum Beispiel gerade in der eigenen Stadt die AfD gewählt wurde.
00:09:51
Speaker
Und ja, was eben auch über dieses klassische Verzögern hinausgeht, also wenn Anträge blockiert werden sollen und Beamtinnen dann so sagen, oh ja, ich muss das erst mal prüfen oder ich muss erst mal meinen Vorsitzenden dazu holen oder ich bin dafür nicht verantwortlich und muss das erst mal weiterleiten.
00:10:10
Speaker
Also das ist da einfach ein sehr großer Unterschied.
00:10:13
Speaker
Spielraum ist und eben viele Möglichkeiten, die jetzt darüber hinausgehen.
00:10:17
Speaker
Das heißt, wenn ihr in diesen Bereichen arbeitet, dann holt euch auf jeden Fall Beratung dazu, weil das kann echt viel Einfluss haben.
Langfristige Herausforderungen der Pfeiler-Strategie
00:10:25
Speaker
Genau, aber was natürlich trotzdem eine Herausforderung bleibt, ist, dass die Säulenarbeit extrem lange dauern kann.
00:10:33
Speaker
Also man muss ja überhaupt erstmal eine Person finden, die so ein bisschen ein Türöffner ist, in die Säule rein,
00:10:40
Speaker
Dass man überhaupt mal versteht, wie das da alles funktioniert, wo man dann am besten mit der zusammenarbeitet.
00:10:47
Speaker
Aber das ist ja dann auch erstmal nur eine Person.
00:10:49
Speaker
Wir haben ja schon gesagt, sollen können Millionen von Menschen haben, die da mitarbeiten.
00:10:55
Speaker
Was nicht heißt, dass diese Arbeit weniger wichtig ist und nicht langfristig voll die Potenziale entfalten kann, aber was einfach auch zeigt, dass da jetzt nicht die schnellen, großen Erfolge kommen, sag ich mal.
00:11:08
Speaker
Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung, die ich immer wieder sehe.
00:11:11
Speaker
Das ist ein sehr guter und wichtiger Punkt und da kann ich dir nur zustimmen.
00:11:15
Speaker
Also zum Beispiel die Divestment-Bewegung in Bezug auf die fossilen Anteile, die gibt es ja auch schon seit über, ja schon fast 15 Jahre und sie haben auch schon, also ich glaube, ja wirklich Milliardenbeträge in Milliardenhöhe tatsächlich verschoben.
00:11:30
Speaker
Und in der Zeit auch zu einer enormen Delegitimierung dieser Industrie beigetragen, dass sie eben überhaupt so bezeichnet wird, ist ja auch, würde ich sagen, ein Zeichen dafür, dass sich da was verschoben hat in der öffentlichen Debatte.
00:11:43
Speaker
Aber dennoch dauert das Ganze sehr, sehr lange und ist eine langwierige Angelegenheit.
Vielfalt der Proteststrategien
00:11:47
Speaker
Aber man muss auch dazu sagen, es ist nicht die einzige Herangehensweise, es ist nicht das einzige Werkzeug, was es da gibt, um strategisch zu planen.
00:11:55
Speaker
Es gibt da verschiedene Zugänge dazu, wie man halt strategischer vorgehen kann im Sinne von, ja, was wollen wir bezwecken mit der Aktion, wen wollen wir damit adressieren, auf welche Art und Weise kreieren wir da Druck.
00:12:08
Speaker
Vielleicht kann ich da noch mal ganz kurz ausholen, um was dazu zu sagen zu den verschiedenen Aktionsformen und je nachdem, welchen strategischen Nutzen die haben.
00:12:16
Speaker
Ich hatte ja letztes Mal schon erwähnt,
00:12:17
Speaker
dass es diese eine Liste gibt der 198 Aktionsformen, gewaltfreien Methoden.
00:12:24
Speaker
Und die sind tatsächlich unterteilt in drei Kategorien.
00:12:28
Speaker
Also die eine ist so Protest- und Überzeugungsarbeit.
00:12:30
Speaker
Das sind eher so symbolische Aktionen.
00:12:32
Speaker
Und das ist das, was auch am meisten bekannt ist, was Kampagnenarbeit angeht und so die...
00:12:36
Speaker
Das ist halt dieses, was tatsächlich auch ins Eingemachte gehört und an den Kern dessen, also vom Machtverständnis von zivilen Widerstand ist.
00:12:57
Speaker
nämlich eben diese eigenen Beiträge, die eigene Zusammenarbeit zu entziehen, zurückzuhalten, sei es die Arbeitskraft im Streik, die Kaufkraft im Boykott, die Finanzanteile im Divestment und so weiter und so fort.
00:13:11
Speaker
Das ist eben diese Nicht-Kooperation.
00:13:13
Speaker
Und dann gibt es noch die Disruption, beziehungsweise in der Literatur zu gewaltfreiem Widerstand nennt sich das gewaltfreie Intervention.
Unterstützung durch Institutionen: Radikal vs. Brückenbau
00:13:23
Speaker
eben Sit-ins und Blockaden, aber auch Hungerstreiks und auch interessanterweise Alternativen.
00:13:29
Speaker
Und das ist auch nochmal so ein ganzer Bereich für sich, den wir uns auch nochmal angucken können, zu einem späteren Zeitpunkt.
00:13:36
Speaker
Und was würdest du da sagen, weil das ist ja die spannende Frage, was man dann von den Säulen möchte, also welche der drei Bereiche, weil ich habe das Gefühl, aus meiner Erfahrung habe ich bisher immer versucht, die Säulen dazu zu bringen, vor allem in Kategorie 2 und 3 zu machen, also halt zu sagen, es reicht nicht unbedingt, wenn du mitgehst auf einer Demo oder eine Petition unterschreibst, das ist schon richtig gut, aber
00:14:00
Speaker
Was den größten Effekt entfalten würde, wäre, wenn du auch mit auf der Straße sitzt oder du in den Hungerstreik gehst oder so.
00:14:08
Speaker
Also wenn Leute, die sehr viel Macht in unserer Gesellschaft haben, halt solche Sachen machen.
00:14:15
Speaker
Und mittlerweile bin ich mir aber gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich der beste Weg ist oder ob man nicht eher...
00:14:20
Speaker
Weil diese Leute verspielen sich ja dann auch ihre eigenen Kontakte, weil man ja dann selber als so widerständig wahrgenommen wird, ob man nicht doch lieber eher den weniger radikaleren Weg geht und sagt, ja, ist gut, wenn du uns diese Kontakte, die du über deine Kirche hast oder so in die Politik geben kannst und da immer wieder ein Brückenbauer für uns bist.
00:14:39
Speaker
Das hilft uns viel mehr, als wenn du auch quasi deine Kontakte verlierst, aber dafür halt
00:14:44
Speaker
medial und so wahrgenommen bist als Widerstandshüge.
00:14:47
Speaker
Also ich weiß nicht, ob du weißt, worauf ich hinaus will, aber das ist auf jeden Fall ein Punkt, der mich einfach sehr beschäftigt, was man genau von den Säulen dann eigentlich möchte.
00:14:56
Speaker
Ja, also ich glaube,
Timing und kollektives Handeln in der Nicht-Kooperation
00:14:58
Speaker
ein Punkt ist erstmal wegzukommen von diesem Denken, was ist prinzipiell besser und zu gucken, okay, was brauchen wir in der aktuellen Situation und vor allem in der aktuellen Entwicklungsphase der Bewegung.
00:15:07
Speaker
Also wo sind wir gerade oder wo ist die Bewegung gerade von dem, was geleistet werden kann, was gestemmt werden kann und dann kann man gucken, okay, was brauchen wir jetzt und dann kann man gucken, okay, welches Tool, welche Herangehensweise ist jetzt gerade die notwendiger und
00:15:22
Speaker
Und da würde ich einmal sagen zu den Pillars, also die Idee ist schon die der Nicht-Kooperation, also dass letztendlich die ganze Säule oder ein Großteil der Säule davon überzeugt wird, dass sie ihre, ja als Kollektiv ihre Zusammenarbeit entziehen.
00:15:37
Speaker
Und da kommen wir dann in Themen von Organizing und da könnten wir dann nochmal in der entsprechenden Folge nochmal tiefer drauf eingehen zu diesem Punkt, denn ich würde auch sagen, es ist kein strategisch-taktisches Organizing-Taktiv.
00:15:50
Speaker
Der Begriff kommt aus dem Community-Organizing oder den gewerkschaftlichen Organisierungen, wo sich zum Beispiel Mieter oder Nachbarn zusammentun, um gemeinsam Missstände zu ändern oder eben am Arbeitsplatz Dinge zu ändern.
00:16:03
Speaker
Aber genau das nur ganz kurz nebenbei.
00:16:06
Speaker
Aber genau und da würde ich sagen, es ist kein gutes Organizing, wenn man bevor...
00:16:14
Speaker
quasi ein Großteil dieser Säule erreicht wurde, mit einzelnen Leuten versucht, da direkt in die Nicht-Kooperation zu gehen und wie du sagst, dann die Kontakte zu riskieren, die man hat.
00:16:22
Speaker
Da muss man dann schon vorsichtig vorgehen und gucken, wo sind wir
Gesellschaftliche Akzeptanz friedlicher Bewegungen
00:16:26
Speaker
Und deswegen denke ich auch, dass Nicht-Kooperation auch etwas ist, was eben einmal sagst, ist langwierig, aber eben auch zu einem
00:16:33
Speaker
Zeitpunkt passieren muss, wenn viele Menschen da sind, die dann diese Nicht-Kooperation auch machen können, weil sonst hat es ja nicht die Wirkung, sondern genau wie beim Streik auch, wenn nur ein einzelner Arbeitnehmer streikt, dann wird der gefeuert und dann bringt das auch nicht viel.
00:16:46
Speaker
Erst mal im Hintergrund organisieren, bis genügend Arbeitnehmer organisiert sind, eben also dahinter stecken, stehen und dann, dass man gemeinsam dann in den Streik geht, weil Einzelne sich selber dann gefährden.
00:16:59
Speaker
Ja, man muss ja aber auch sagen, es ist gerade keine einfache Zeit, um Teil einer Säule zu sein und Protest zu unterstützen, weil das ja immer noch was ist, wo relativ kritisch drauf geguckt wird.
00:17:09
Speaker
Also es ist ja nicht gang und gäbe heutzutage, dass man als Schulleiterin, als Wissenschaftlerin, als Pastorin, dass man
00:17:21
Speaker
also gewaltfreie Bewegung unterstützen kann.
00:17:23
Speaker
Und deswegen finde ich das super interessant, dass ich gerade, das ist noch sehr in unserer Wissenschaftsblase, aber dass sich so eine Forderung nach einem Recht auf Unterstützung herausbildet, dass wir als Gesellschaften mehr dahin kommen zu sagen, es ist total normal, dass gewaltfreie Bewegungen unterstützt werden, in welcher Form auch immer, solange die sich halt für Grundrechte und
00:17:45
Speaker
Menschenrechte einsetzen und das sollte doch eigentlich total normal sein, ja, in der Kirche oder welche Säule man auch immer ansprechen möchte, dann eben diese Bewegung zu unterstützen.
Kriminalisierung von Bewegungen und Sicherheitskräfte
00:17:56
Speaker
ich finde, das ist was, was sie auf jeden Fall auch noch viel weiter in die Welt tragen sollten.
00:18:01
Speaker
Ja, auf jeden Fall sehr gut, da auch so ein Umdenken oder so ein Kulturwandel zu bewirken.
00:18:06
Speaker
Aber ich wollte prinzipiell dazu sagen, dass man sich auch immer wieder auch daran erinnern muss, dass das immer auch Teil von Bewegungsdynamiken sind, dass eine Bewegung kriminalisiert und diffamiert wird.
00:18:18
Speaker
Also das gehört einfach mit dazu, vor allem wenn sie dann eine Wirkung entfaltet.
00:18:23
Speaker
kriegt sie dann natürlich viel Gegenwind und das wird viel versucht auch mit eben Repressionen durch Polizei und Gericht und Verurteilungen und eben medial dazu beizutragen, dass die Bewegung eingeschüchtert wird und das passiert eigentlich fast in jeder Bewegung und auch in erfolgreichen Bewegungen.
00:18:42
Speaker
Und zu diesem, dass Leute ihre Zusammenarbeit entziehen oder dass Leute in den Säulen nicht mehr mitmachen und nicht mehr zum Missstand beitragen oder dieses Regime aufrechterhalten, die sind jetzt in der Metapher des Tempels.
00:18:54
Speaker
Also die Forschung besagt, dass Fähigkeiten tatsächlich erfolgreicher sind, wenn es Überläufe gibt, vor allem im Bereich der Sicherheitskräfte.
Modell zur Aktivierung neutraler Unterstützer
00:19:04
Speaker
ich glaube, eine Studie sagt sogar,
00:19:07
Speaker
Also gewaltfreie Revolutionen waren 46 Prozent erfolgreicher, wenn da eben Sicherheitskräfte übergelaufen sind.
00:19:16
Speaker
Das ist Chenoweth und Stefan und Napstart und die Literatur können wir euch auch in den Shownotes mal verlinken.
00:19:25
Speaker
Genau, es sind ja Studien aus Diktaturen, aber ich denke zumindest, und ich weiß nicht, ob ich da für dich mitsprechen kann, aber dass man das auf jeden Fall auch übertragen kann auf Demokratien.
00:19:34
Speaker
Du hattest ja schon viele Beispiele genannt in Demokratien, wo das wirksam war.
00:19:40
Speaker
Und es ist ja auch nur logisch, weil je mehr Leute und vor allen Dingen je mehr Leute mit machtvollen Positionen in unserer Gesellschaft und Ansehen den Protest unterstützen, desto vielversprechender und erfolgreicher wird der ja auch.
00:19:56
Speaker
Und das bringt mich jetzt dann auch zu dem anderen Tool, worüber ich ganz kurz nochmal sprechen wollte, weil genau das nennt sich das Spektrum der Unterstützung und das ist eben das Stichwort mehr Unterstützung von verschiedenen Gruppen auch zu erhalten.
00:20:10
Speaker
Und das funktioniert
Diskussion um die 3.5% Regel für Bewegungserfolg
00:20:11
Speaker
ein bisschen anders.
00:20:11
Speaker
Und zwar ist es nicht so, dass man sich so sehr auf die Opposition fokussiert und guckt, okay, wie kann man die Opposition quasi destabilisieren, sondern die Bevölkerung so ein bisschen einteilt in aktive und passive GegnerInnen, also so ein bisschen Sympathisanten und Oppositionen und dann die Unentschlossenen dazwischen, die Neutralen.
00:20:30
Speaker
Und man stellt sich das Ganze so wie so ein Kuchendiagramm quasi vor, aber so ein halbes und teilt das halt in diese verschiedenen Kategorien.
00:20:37
Speaker
Und da muss man halt so ein bisschen gucken, okay, wie können die Neutralen und die Unentschlossenen und die passiven Unterstützer, also die Sympathisanten, dazu gebracht und animiert werden, nur einen einzigen Schritt weiterzugeben.
00:20:49
Speaker
in die Richtung der Bewegung zu machen.
00:20:50
Speaker
Also gar nicht mal so sehr sich abarbeiten und versuchen, die Opposition zu überzeugen, sondern wirklich zu gucken, okay, wer sind eigentlich genau diese Menschen in der Kategorie der Neutralen und was brauchen diese, um zu Sympathisanten zu werden?
00:21:03
Speaker
Wie können die abgeholt werden quasi?
00:21:05
Speaker
Und dann genau nochmal bei den Akzeptanten,
00:21:07
Speaker
Bei den passiven Unterstützern, was brauchen sie, um ins Handeln zu kommen, um Aktivistinnen zu werden, zu aktiven Beteiligten, zu aktiven UnterstützerInnen, dass sie etwas tun, was quasi die Bewegung unterstützt.
00:21:20
Speaker
Und das ist nochmal so eine ganz andere Herangehensweise, weil eben letztendlich es doch wichtig ist auch, dass ein Großteil der Gesellschaft...
00:21:29
Speaker
hinter dem Anliegen steht und dass man halt als Bewegung immer mehr wächst und immer mehr Rückhalt auch hat, auch wenn natürlich nicht alle auf der Straße sind.
Erfolgreiche Proteste: Große Zahlen vs. strategische Aktionen
00:21:38
Speaker
darf man das nicht aus den Augen verlieren, wenn man Aktionen plant, auch wenn es da natürlich so gewisse Debatten über kritische Massen gibt, wo du dich natürlich sehr auskennst, wenn du eben aus der Bewegung auch Extinction Rebellion und Letzte Generation kommst.
00:21:51
Speaker
Ja, da kommen wir gleich zu meinem Lieblingsthema, die 3,5 Prozent, was mich immer sehr nervt, das Thema.
00:21:57
Speaker
Aber das ist natürlich wichtig und ich habe auch das Gefühl, vor ein paar Jahren war da ein richtiger Hype da drum.
00:22:02
Speaker
Also vielleicht kurz zum Hintergrund.
00:22:04
Speaker
Es geht da ja um eine Studie von Erika Tenowitz, die eine sehr bekannte Forscherin ist zum zivilen Widerstand, die in ihrem Buch und in ihrer größten Publikation eigentlich darüber gesprochen hat, dass man 3,5 Prozent der Bevölkerung
00:22:19
Speaker
oder die alle erfolgreichen Bewegungen ja hatten, um eben erfolgreich zu sein.
00:22:24
Speaker
Ich finde, das ist kritisch.
00:22:26
Speaker
Aber sag du doch erst mal gern, wie du dazu stehst.
00:22:30
Speaker
Naja, ich glaube, die Grundmessage, die finde ich erstmal in Ordnung.
00:22:34
Speaker
Und ich, ja, also die Grundmessage ist ja erstmal zu sagen, okay, es braucht nicht die gesamte Bevölkerung, sondern ein kleiner Teil reicht.
00:22:41
Speaker
Und da gibt es auch schon Studien schon viel früher, also schon auch in den 90ern zu eben mit den 5 Prozent, dass das auch ausreicht.
00:22:47
Speaker
Also die genaue Ziffer ist vielleicht dann auch nicht mehr so relevant, aber das Wichtigste ist eben, es müssen nicht...
Erfolgsfaktoren von Protesten
00:22:54
Speaker
die gesamte Bevölkerung mitmachen, damit das klappt.
00:22:56
Speaker
Gleichzeitig hat Erica Chenoweth selber auch dann in einer neueren Publikation in einem Buch auch nochmal mehr ausgeführt, wie sie das Ganze sieht und meinte halt auch schon, dass in den Diktaturen, in denen diese Studie eben stattfand, das dann schon ein Grundgesetz.
00:23:12
Speaker
Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich, also zumindest eine Mehrheit hinter den Bewegungen stand, auch wenn diese nicht direkt irgendwie beteiligt waren und auf der Straße waren.
00:23:21
Speaker
Und genau, also dass es nicht unbedingt heißt, dass wenn 3,5 Prozent auf der Straße sind und keinen Rückhalt haben in der Gesellschaft, dass es dann klappt, dass es eben, ja, dann, das ist dann tatsächlich problematisch, denke ich.
00:23:35
Speaker
Also ich finde einfach, also aus verschiedenen Gründen.
00:23:37
Speaker
Ich finde die Zahl, wenn man selber versucht, Protest zu organisieren, ist extrem abschreckend, weil ja, es ist nur ein kleiner Teil von der Gesellschaft, aber wenn man das mal so hochrechnet auf Deutschland, wie viele Menschen,
00:23:51
Speaker
Hunderttausende von Leuten, dann müssen natürlich nicht alle das Gleiche machen.
00:23:55
Speaker
Es gibt unterschiedliche Formen der Unterstützung, aber ich finde, das ist erst mal so, wenn man anfängt und vielleicht eine kleine Gruppe ist, irgendwie super demotivierend, diese riesige Zahl zu haben.
00:24:04
Speaker
Und ich finde, also mich hat es eigentlich eher gestört, dass sich daran immer so aufgehangen wurde und alle so diese 3,5 wie so ein Wort, was halt im Trend ist, die ganze Zeit gebracht haben und gesagt haben, ja, wir müssen uns nur darauf konzentrieren, 3,5 zu
00:24:16
Speaker
Prozent der Bevölkerung zusammen zu bekommen, was ich finde, irgendwie so ein bisschen überdeckt, was auch kleine Proteste machen können.
00:24:23
Speaker
Und ja, ich muss aber schon sagen, dass sich mein Blick darauf auch verändert hat.
00:24:27
Speaker
Aber ich verstehe jetzt immer mehr der Gedanke, der dahinter steckt, dass man eben
00:24:32
Speaker
eine große Menschenmasse braucht oder Unterstützerin, was du ja auch meintest mit dem Spektrum.
00:24:37
Speaker
Also ja, die Frage so ein bisschen braucht erfolgreicher Protest immer eine große Menschenmasse ist, glaube ich, was mich aktuell sehr beschäftigt.
00:24:47
Speaker
Und ich tendiere dazu zu sagen, ja, man muss auf jeden Fall Fokus darauf legen, zu versuchen, viele verschiedene Menschen zusammenzubringen.
Strategie der Gegner-Dilemmata
00:24:56
Speaker
Ja, es gibt ähnliche Debatten auch in der Gewerkschaftsforschung, wo es eben heißt, dass bestimmte Gewerkschaften in bestimmten speziellen Positionen mehr Macht haben, an eben strukturellen Knotenpunkten, so etwas wie eben Piloten oder so.
00:25:11
Speaker
Und das sind nur eine Handvoll Leute, aber wenn die streiken, dann haben sie halt mehr Macht und mehr Auswirkungen.
00:25:17
Speaker
Und ich glaube, basierend quasi auf solchen Beobachtungen wird dann halt gesagt, ja okay, in manchen Fällen muss man halt nur wirklich die richtigen Punkte treffen, da wo es wehtut und dann Sand ins Getriebe quasi werfen und dann funktioniert es nicht und dann braucht man auch nicht so viele Menschen.
00:25:30
Speaker
Das ist ja auch vielleicht so ein bisschen der Gedanke dann bei Hinter-Sabotage-Akten oder ähnlichen Sachen oder eben genau, wenn man was blockiert.
00:25:37
Speaker
Aber letztendlich, also auch in der Arbeiterbewegung, die Arbeiterbewegung allein hatte durch Piloten nicht das geschafft, was sie geschafft haben, nämlich wirklich Arbeitsrecht zu machen.
00:25:46
Speaker
überhaupt aus dem Nichts zu erschaffen und da komplett so die Arbeitskultur dann zu ändern.
00:25:50
Speaker
Und ich glaube, so ähnlich ist es auch in dem Bereich.
00:25:53
Speaker
Klar, kannst du ein System sehr
Backfire-Effekt und Bewegungserfolg
00:25:55
Speaker
doll unter Druck setzen durch eine Handvoll Leute, aber ob du dann wirklich quasi langfristig institutionell was veränderst und sich dann wirklich auch das Denken ändert, wenn man nicht eine Mehrheit erreicht hat, das ist dann tatsächlich die Frage.
00:26:08
Speaker
Genau, also ich stimme dir da auf jeden Fall zu, dass man halt, auch wenn es lange dauert oder länger dauert und anstrengender ist, dass es trotzdem die Arbeit wert ist, zu versuchen halt, sich zu organisieren, zu mobilisieren und möglichst viele Menschen zusammen zu bekommen.
00:26:22
Speaker
Und trotzdem fände ich es halt total spannend, dass du dich bei der Strategie so sehr auf die Säulen und auf das Spektrum und so fokussierst, weil wenn ich über Strategie
00:26:32
Speaker
nachgedacht habe, dann war sehr viel immer auch dieses ganze Thema um, wie schafft man es, dass ein Konflikt reift, also dass der heranwächst und dass man als Bewegung Macht aufbaut, jetzt mal unabhängig davon, wie viele Leute man sind, das Gegenüber oder denjenigen, den man adressiert, in eine
00:26:50
Speaker
Dilemma-Situationen bringt.
00:26:51
Speaker
Weil selbst wenn du eine Bewegung bist, die viele Leute hast, wenn du es nicht schaffst, einen guten Plan zu machen und ein Dilemma zu kreieren, dann finde ich, hat es auch nur einen bedingten Erfolg.
00:27:01
Speaker
Und mit Dilemma meine ich sowas, dass man eine Situation erschafft, die, egal wie sie ausgeht, eigentlich zum eigenen Vorteil in der Bewegung ist.
00:27:09
Speaker
Also das habe ich immer wieder in der Praxis erleben können.
00:27:12
Speaker
Du hattest am Anfang darüber gesprochen, dass
00:27:15
Speaker
Universitäten investieren, auch in fossile und an meiner Uni in Oxford, wo ich meinen Master gemacht habe, haben wir einmal ein Unigebäude besetzt und haben quasi die Uni damit in so ein Dilemma gebracht, weil wir haben halt gekämmt auf dem Innenhof und es war natürlich ein schlechter Ruf für die Uni und die musste darauf eingehen und die konnte uns aber nicht einfach wegräumen, weil das wäre ja dann auch schlecht für sie gewesen, schlechte Bilder, schlechte
00:27:41
Speaker
Umgang mit den Studentinnen und die haben dann erst mal sehr passiv versucht, uns loszuwerden.
00:27:46
Speaker
Also ohne groß Polizeiaufgebot sind die da halt nachts mit so kleinen Rasseln an dem Camp vorbeigegangen, damit man nicht so gut schlafen kann.
00:27:55
Speaker
Oder haben so eine Handwerksfirma kommen lassen, die so eine ganz alte Holztür zugemacht hat, wo man sich dachte, die wurde seit 100 Jahren nicht mehr zugemacht.
00:28:04
Speaker
damit eben so andere Studenten den Leuten, die da gecampt haben, uns nicht mehr so viel Essen bringen und uns quasi so ein bisschen auszuhungern.
00:28:14
Speaker
Also so ganz bescheuerte Sachen.
00:28:17
Speaker
Und das hat natürlich nicht so gut funktioniert.
00:28:20
Speaker
Was dann daraufhin dazu geführt hat, dass die College-Leitung sich tatsächlich mit einigen von uns in so einem Verhandlungsgespräch hinsetzen musste und auch Versprechungen gemacht hat.
00:28:31
Speaker
Ja, und leider, leider war die Kampagne nicht groß und langfristig genug geplant damals, dass sie nach dem Aufhören quasi sicherstellen konnte, dass das auch wirklich umgesetzt wird.
00:28:43
Speaker
Das passiert ja leider sehr oft im Protest.
00:28:46
Speaker
Das heißt, man zwingt quasi das Gegenüber, und zwingen ist ja immer sehr negativ konnotiert, aber das finde ich in diesem Fall gar nicht, sondern man bringt das Gegenüber dazu, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen.
00:28:58
Speaker
Und ja, das ist für mich irgendwie...
00:29:01
Speaker
auch der Kern von Strategie, den das ausmacht und natürlich diese ganzen Dynamiken, die dann damit einhergehen, also dass das Gegenüber dann darauf reagiert, dass es vielleicht sogar Gewalt oder Repressionen anwendet, dass man das wieder auch nutzen kann, um seine eigene Bewegung zu verstärken.
00:29:17
Speaker
Genau, also das ist was, was mir, glaube ich, bei diesen ganzen Sachen rund um die Säulen immer so ein bisschen zu kurz kommt.
Kombination strategischer Modelle
00:29:25
Speaker
Ja, also auch da würde ich sagen, verschiedene Zugänge und ich finde es total wichtig, auch als Feedback für die Forschung zu hören, welche Konzepte tatsächlich praktisch anwendbarer sind und welche nicht.
00:29:36
Speaker
Also ich zum Beispiel auch aus meiner Erfahrung mit AktivistInnen in verschiedenen Bereichen, was die Säulen angeht, hatte ich auch immer wieder das Gefühl, dass das manchmal sehr allgemein ist und dass man dann eigentlich nochmal ganz viel Recherche braucht und noch eine spezielle Arbeitsgruppe, die dann erstmal recherchieren muss, wer sind denn eigentlich genau diese Säulen?
00:29:52
Speaker
Und dass das vielleicht leichter ist, wenn man sich eben den Backfire-Effekt anguckt.
00:29:57
Speaker
Aber vielleicht magst du dazu nochmal was sagen, weil klar, ich kenne das aus der theoretischen Perspektive, aber wie verstehst du den Backfire-Effekt und wie hast du den erlebt auch dann in der Praxis?
00:30:07
Speaker
Also Backfiring macht für mich halt aus, dass man als Bewegung ist man ja aktiv.
00:30:12
Speaker
Man ist ja nie passiv, sondern man ist ja eine aktive Gruppe, die Proteste macht und damit das Gegenüber herausfordert.
00:30:19
Speaker
Und es gibt halt eine Regel in den Wissenschaften, dass das Gegenüber, wenn die Störung halt groß genug ist oder der Streik oder was auch immer, dass die Partei darauf reagieren muss.
00:30:29
Speaker
Und ja, in den meisten Fällen etwas wie Strafen oder Polizeigewalt, also diese klassischen Bilder von
00:30:36
Speaker
Wasserwerfern oder in Walspielen, wo Polizisten auch mit Knüppeln vorgegangen sind, dass das Momente sind, die, wenn man in einer Bewegung aktiv ist, kommen können, wenn man eine erfolgreiche Bewegung ist und dass man sich darauf einstellt und dass das scheiße ist für einen persönlich, das zu erleben, aber dass das eben einen Effekt haben kann, wenn man selber friedlich bleibt und das Gegenüber halt gewalttätig wird, dass das
00:30:59
Speaker
diese Asymmetrie in dem eigenen Vorteil ist und einen stärker macht, weil dann mehr Menschen mit einem sympathisieren und unterstützen und es so ein richtiger Moment sein kann, wo Dinge halt entfachen.
00:31:12
Speaker
Das wird ja auch oft mit der Kampfkunst Jiu-Jitsu in Verbindung gebracht, weil man da ja auch die Kraft des Gegners gegen ihn selbst nutzt.
00:31:20
Speaker
Und ich denke, da gehört auch sehr viel, also die Umstände müssen richtig sein und sehr viel Glück und Planung auch dazu.
00:31:26
Speaker
Und Bewegungen heutzutage verlassen sich auch teilweise zu viel auf den Backfiring-Effekt.
00:31:31
Speaker
Da wollen wir auch in der nächsten Folge drauf eingehen, was ich auch sehr kritisch sehe.
00:31:34
Speaker
Aber für mich ist es halt gar nicht so ein Entweder-Oder.
00:31:37
Speaker
Also ich finde die Säulen genauso wichtig wie das Backfiring.
00:31:40
Speaker
Für mich ist es eher so wichtig.
00:31:42
Speaker
das alles zusammen denken und zusammenbringen, damit eine Strategie wirklich erfolgreich sein kann und sich nicht auf einzelne Teile fokussieren, sondern wirklich zu versuchen, ja, alles zusammenzubringen, was natürlich nicht einfach ist.
00:31:57
Speaker
Auf jeden Fall, ja.
00:31:58
Speaker
Ich glaube auch, das eine ist so die Dynamik auch mit, wie geht man um mit eben Repressionen, das heißt auch mit der Reaktion des Staates durch Polizei und durch die Reaktion in den Medien.
00:32:08
Speaker
Also das Backfire-Modell einem da helfen kann, wie man am besten mit einer negativen Reaktion umgeht, wie man die zum eigenen Vorteil nutzen kann.
00:32:17
Speaker
Das heißt also, gut deutsch gesagt, wenn man...
00:32:20
Speaker
Und wirklich Gewalt erfährt und von den Polizistinnen zum Beispiel das dann auch medial zu verbreiten und das generiert dann natürlich ganz viel Sympathie und Unterstützung und Empörung.
00:32:30
Speaker
Auch bei Menschen, die sich bisher nicht engagiert haben, weil sie dann denken, also das geht ja immer gar nicht, dass sie so behandelt werden, weil sie haben ja nichts gemacht in dem Sinne, sie sind selber nicht gewalttätig geworden, also warum werden die jetzt so behandelt?
00:32:41
Speaker
Und daraufhin gibt es dann einen Zulauf.
00:32:44
Speaker
So wie ich es verstanden habe, war das ja bei der letzten Generation am Anfang, auch wenn sie medial zum Teil wirklich auch fertig gemacht wurden, dann aber genauso dieser Effekt, dass es einen enormen Zulauf gab, ein großes Wachstum, ganz, ganz, ganz viele Menschen und auch an Spendengeldern.
00:32:58
Speaker
Allein, weil diese Bilder gesehen wurden und die Darstellung auch in den Medien, wo man sich gedacht hat, das steht einfach nicht im Verhältnis.
Ausblick auf das nächste Thema: Warum Bewegungen scheitern?
00:33:06
Speaker
Aber genau, vielleicht können wir dann in der späteren Folge auch nochmal mehr darauf eingehen, weil in der nächsten Folge wollen wir darüber sprechen, warum trotz all dieser strategischen Überlegungen dann Bewegungen manchmal doch scheitern oder warum es jetzt gerade vielleicht auch aktuelle Herausforderungen sind und wie man über diese nachdenken kann.
00:33:22
Speaker
Und da können wir auch nochmal über diesen Effekt ein bisschen mehr sprechen.
Reflexionen und inspirierende Zitate
00:33:26
Speaker
Ja, hast du denn jetzt was, was du aus dieser Folge mitnimmst zur Strategie?
00:33:30
Speaker
So die Erkenntnis, die man immer im Hinterkopf behalten müsste, kein Druck, aber...
00:33:36
Speaker
Na, ich würde sagen, tatsächlich immer dieses viele Wege für nach oben und vor allem gerade in so ganz schwierigen Konflikten, wo braucht man einfach wirklich alle möglichen Zugänge und auch verschiedene Ansätze.
00:33:52
Speaker
Klar, man kann auch natürlich gucken, dass man auch mitnimmt, was tatsächlich einem weiterhilft und was nicht, aber dann auch zu gucken, verschiedene Sachen da auszuprobieren.
00:34:02
Speaker
Und die nicht so gegeneinander auszuspielen, wenn verschiedene Gruppen verschiedene Ansätze da verwenden.
00:34:08
Speaker
Und genau, offen zu bleiben für weitere strategische Überlegungen.
00:34:13
Speaker
Und für mich war definitiv jetzt auch ein Take-away für die Forschung, dass der Backfire-Effekt viel anwendungsfreundlicher ist.
00:34:20
Speaker
Und dass man da mehr als Aktivist mit anfangen kann als die anderen Modelle.
00:34:25
Speaker
Das war nochmal für mich gut zu wissen und werde ich, glaube ich, auch so weitergeben.
00:34:29
Speaker
Weil mein Doktorvater zum Beispiel hat ja viel über Backfire geschrieben, er hat den Begriff auch so ein bisschen, ja, ich glaube, geprägt in diesem Forschungsfeld und da wird er sich bestimmt freuen, das zu hören.
00:34:40
Speaker
Ja, das glaube ich, dass er sich freut.
00:34:42
Speaker
Also für mich ist aber auch nochmal genau das Gegenteil dazu, dass ich nochmal mitnehme, wie wichtig auch die Säulen sind und dass du das wirklich auch als Kern der Strategie siehst und dass man sich davon nicht entmutigen lassen sollte, sondern halt, ja, vielleicht ist es einfacher, sich auf den Backfiring-Effekt zu fokussieren, weil der eine direkte Folge hat, die man sehen kann, aber dass es langfristig doch auch viel hilfreicher oder auch ergänzend dazu hilfreich sein kann, sich eben auf die Säulen zu fokussieren.
00:35:10
Speaker
Und ich hatte ja gesagt, ich habe Lust am Ende mal ein Zitat zu teilen und tatsächlich habe ich das bei einem von unseren Professoren bei Stellan in der Broschüre gefunden.
00:35:22
Speaker
Da hat die politische Schriftstellerin und auch selber protestierende Arundati Roy ein Zitat geschrieben, das fand ich richtig toll, es geht super lang,
00:35:33
Speaker
Da redet sie auch ganz viel über Macht und wie Macht zusammenbricht, wenn wir nicht mehr weiter mitspielen.
00:35:37
Speaker
Also genau das Konzept der Säulen.
00:35:39
Speaker
Aber dass sie am Ende sagt, erinnert euch daran, eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist auf dem Weg und an stillen Tagen kann ich sie schon atmen hören.
Globale Datenbank für gewaltfreie Aktionen
00:35:49
Speaker
Und das fand ich einfach richtig schön.
00:35:54
Speaker
Und ich finde es total schön, dass du immer uns ein Zitat mitbringst am Ende.
00:35:59
Speaker
Uns ein bisschen Inspiration und Mut auf den Weg zu geben, das ist wunderschön.
00:36:03
Speaker
Ja und ich habe euch heute eine ganz wundervolle Datenbank mitgebracht mit ganz vielen verschiedenen Beispielen aus aller Welt.
00:36:13
Speaker
Es nennt sich die globale gewaltfreie Aktionsdatenbank, die angedockt ist beim S.
00:36:19
Speaker
Swarthmore College in den USA, Global Nonviolent Action Database.
00:36:23
Speaker
Und da kann man tatsächlich ganz viele verschiedene Kampagnen suchen nach den verschiedenen Aktionsformen, nach Regionen, nach erfolgreich, also Skala, wie erfolgreich die sind, gewahren und aber auch, wer die Teilnehmenden waren oder die Protestierenden waren.
00:36:42
Speaker
Und das ist wirklich total toll, um sich hier so inspirieren zu lassen, so ein bisschen, was alles schon geklappt hat, um Ideen zu bekommen bei ähnlichen Themen.
00:36:51
Speaker
Genau, da kann man auch gucken nach den verschiedenen Bereichen, ging es um Ideen.
00:36:55
Speaker
wirtschaftliche Gerechtigkeit, um Demokratie, um Queer Rights und so weiter und so fort.
00:37:02
Speaker
Und genau, auch da wieder der Link in den Shownotes.
Abschluss und Dank an Unterstützer
00:37:05
Speaker
Es lohnt sich auf jeden Fall mal reinzuschauen, wenn man Ideen sammeln möchte und sich inspirieren lassen möchte von bisher schon erfolgreichen, aber auch nicht so erfolgreichen Fallbeispielen aus aller Welt.
00:37:21
Speaker
Wir hören uns ja dann wieder mit der nächsten Folge zu Warum ziviler Widerstand scheitert und wollen auch nochmal ein Dankeschön sagen an unseren Förderer, die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit und die liebe tolle Emi van Balen, die uns bei unserem Social Media unterstützt, aber auch an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Staunen.
00:37:46
Speaker
Wir freuen uns von euch zu hören auf unseren Instagram-Accounts.
00:37:50
Speaker
Die stehen auch in den Show Notes, sowie Literaturverweise auch.
00:37:54
Speaker
Und ja, schreibt uns gerne, was ihr so mitgenommen habt aus der heutigen Folge und was euch noch so interessieren würde.
00:38:01
Speaker
Wir freuen uns aufs nächste Mal.
00:38:05
Speaker
This fight is one that you can win.