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Deutsche Protestgeschichte

Tee & Taktik
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161 Plays2 months ago

Wusstest du, dass friedlicher Protest in Deutschland ganze Inseln zurückerobert und die Verfassung gestärkt hat? In dieser Folge werfen wir einen spannenden Blick auf die weniger bekannten Kapitel der deutschen Widerstandsgeschichte: Von der friedlichen Invasion auf Helgoland bis zu den Göttinger Sieben und Protesten gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen. Wie haben Menschen in Deutschland  ihre Rechte erkämpft, was können wir daraus für heute lernen, und warum wird ziviler Widerstand oft erst im Nachhinein gefeiert? Eine inspirierende Reise durch historische Beispiele, die zeigt, dass Protest ein wichtiger Bestandteil der Demokratie ist. Hör rein und lass dich von Geschichten voller Mut und Kreativität begeistern!

Bleibt immer auf dem Laufenden bei Instagram: @dalilah_shemia und @lea_bonasera

Danke an

→ die Stiftung “Kraft der Gewaltfreiheit” für die finanzielle Unterstützung, die den Podcast möglich macht

→ unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation Zum Staunen*

→ Aimée van Baalen für die Social Media Arbeit

→ Dr. Barbara Müller für ihren informativen Beitrag zum Ruhrkampf!

Shownotes

Spendenaktion: Hier könnt ihr uns für die 2. Staffel unterstützen: https://gofund.me/2eeb1abc

Triggerwarnung: Es geht bei Min 28- 30 um Schwangerschaftsabbrüche

Disclaimer: Der Gewinn an politischer Freiheit in der DDR war positiv, jedoch brachte der Zerfall für manche auch negative Folgen wie sinkende Lebensqualität, während die Montagsdemonstrationen primär eine demokratische Erneuerung statt die Integration in die BRD und den Kapitalismus anstrebten.

Einspieler Mauerfall: Günter Schabowski

Leas Auftritt bei den Münchner Kammerspiele für mehr deutsche Widerstandsbeispiele

Widerstand auf Helgoland

Anti Atomkraft

Barbara Müller: Kämpferische Demokratie. Militärische Besetzung und gewaltlose Befreiung des Ruhrgebiets 1923 - 1925 (2025, Irene Publishing)

Göttinger Sieben

Säulen der Unterstützung

smart repression (Buch von Lea: “Die Zeit für Mut ist Jetzt” (Fischer Verlage) Kapitel 2)

Frauenbewegung Paragraph 218

Politisches Jiu jitsu/Backfire Grundlagen

Willy Brandt Zitat

gewaltfreie Aktion

waging nonviolence

Deutsche Teekultur

Transcript

Einführung in den Podcast über strategischen Protest

00:00:23
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest. Wir sind Lea und Lila. Hallo. Herzlich willkommen.
00:00:39
Speaker
Und hallo auch zu dieser Folge, in der wir uns mal wieder darüber unterhalten über die Forschung und Praxis des zivilen Widerstandes. Das letzte Mal hatten wir uns ja ein bisschen die Macht transnationaler Konzerne angeguckt und wie ziviler Widerstand da vielleicht ein Schlüssel sein kann.
00:00:58
Speaker
Ja, hallo auch von mir. Ich freue mich, wieder hier zu sein. Ich sitze hier auch gerade mit meinem Tee. Ich liebe es ja, wenn es draußen so richtig schön kalt ist und man dann mit seinem warmen Tee drin sitzt. Und ich habe heute mal zum Auftakt ein paar Fakten rausgesucht über die deutsche Teekultur. Und wusstest du, dass Deutsche durchschnittlich 70 Liter Tee im Jahr trinken? Also circa 300 Tassen Tee pro Kopf.
00:01:24
Speaker
Ich muss sagen, ich habe da auch immer ein bisschen Angst, dass viele unserer Zuhörerinnen Kaffeetrinkerinnen sind und wenigstens ein bisschen verschrecken. Naja, ich muss ja auch zugeben, dass ich morgens schon leidenschaftlich gerne auch meinen Kaffee trinke, aber ich liebe eben auch Kräutertee. Also ich glaube,
00:01:40
Speaker
Durch mich wird der Durchschnitt sehr angehoben von daher. Und was sind so die Lieblingssorten? Steht das da auch? Ja, ich habe tatsächlich rausfinden können, dass neben Kräutertees vor allen Dingen Schwarztee und Früchtetee ganz vorne mit dabei sind.
00:01:56
Speaker
Ja,

Friedliche Revolution und der Fall der Berliner Mauer

00:01:56
Speaker
mag ich mal, das ist auch nicht so gern der Grund, warum ich hier ein paar Fakten zu deutscher Teekultur teile, ist, weil es einen kleinen Hinweis gibt auf das Thema heute. Und zwar beschäftigen wir uns mit der deutschen Widerstandsgeschichte, also Beispiele hier um die Ecke quasi, in denen friedlicher ziviler Widerstand geleistet wurde, um heutige Rechte zu erkämpfen.
00:02:19
Speaker
und ein Ereignis, was wahrscheinlich sofort präsent ist, wenn man über deutsche Widerstandsgeschichte spricht und dieses Jahr 35. Jubiläum hat, ist der Mauerfall. Und vielleicht hat man auch schon darüber gehört, über die friedliche Revolution, wie es ja auch manchmal genannt wird in dem Zusammenhaben. Aber ja genau, es war ja eben November 89, das sind echt 35 Jahre her.
00:02:42
Speaker
Da wurde ein Gesetzentwurf verkündet zur Reisefreiheit und es sollte einen Zuspruch der Bevölkerung bekommen, weil sich eben natürlich immer mehr Leute auch das Land verlassen wollten etc. Aber das ist nach hinten losgegangen, weil da waren lauter verschiedene Schwachstellen und die Bevölkerung hat sich so ein bisschen hinter das Licht gefühlt und hat auch dagegen produziert. Da waren ja auch damals diese Montagsdemos.
00:03:08
Speaker
Und da wurde Kritik bei der nächsten Montagdemo dann laut und das Politbüro wollte daraufhin sehr schnell handeln, um die Proteste eben so ein bisschen zu besänftigen. Von daher kam es dann zu einer schnellen Regierungsverordnung, die dann eben am 9. November 1989 in einer Pressekonferenz durch Günter Schabowski, Mitglied des DDR-Politbüros,
00:03:29
Speaker
verlesen wurde, eben die Verkündung der Öffnung der Grenzen und die souveräne Entscheidung des Bürgers zu reisen, auch ständige Ausreisen. Das war allerdings etwas zu früh. Also das war 19 Uhr ungefähr die Pressekonferenz und eigentlich sollte es am nächsten Tag um 4 Uhr morgens über eine Radioansage verkündet werden. Und das ist eben auch das, was wir in dem Trailer am Anfang in den Jingle zu hören haben. Ja, wollen wir es einmal einspielen?
00:03:58
Speaker
haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jeden Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszuweisen. Die Presseabteilung des Ministeriums hat der Ministerrat beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung durch die Volkskammer diese Übergangsregelung in Kraft gesetzt wird.
00:04:28
Speaker
Also doch, doch. Ständig außen und können wir alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise Berlin-West erfolgen. Also hier ist es mir mitgeteilt worden, dass eine solche Mitteilung heute schon verbreitet worden ist. Sie müsste eigentlich in ihrem Besitz sein. Das drückt nach meiner Kenntnis ist das so hoch. Unverzüglich.
00:04:58
Speaker
Genau. Und die Grenzsoldaten waren natürlich darauf auch nicht vorbereitet. Und es gab da so ein kleines Chaos. Aber ganz gut, dass es da nicht zu Eskalationen kam durch diese Verwirrung. Ja,

Bewusstsein für Deutschlands Widerstandsgeschichte

00:05:10
Speaker
auf jeden Fall krass. Warum haben wir uns dann dieses Thema heute ausgesucht? Also als ich angefangen habe, mich mit dem zivilen Widerstand zu beschäftigen, da bin ich auf zwei große Themen gestoßen, bei denen ich es super schade fand, dass die in der Allgemeinheit so unterbeleuchtet sind.
00:05:27
Speaker
und man nur viel darüber erfährt, wenn man wirklich tief sucht. Und ich habe angefangen, zwei Listen zu schreiben und alles zusammen in was ich finden konnte und das dann immer versucht, so viel wie möglich zu teilen, weil mir das in meiner Protestarbeit extrem viel Kraft und Motivation gegeben hat. Und das ist zum einen, dass ich eine Liste angelegt habe mit Frauen und anderen diskriminierten Gruppen, die super viel Widerstand geleistet haben oder
00:05:51
Speaker
auch mussten, um sich ihre Rechte zu erkämpfen. Die finde ich richtig gut, diese Liste. Und ich finde es echt super, dass du das gemacht hast. Die inspiriert mich auch total und hilft mir auch immer wieder dann zu gucken, bevor man eben schnell Martin Luther King oder Gandhi Zitat einstreut, dass man da nochmal nachguckt. Was haben eigentlich die Frauen gesagt? Und deswegen vielen Dank auch dafür, auch fürs Teilen.
00:06:12
Speaker
Schön,

Helgoland und die Macht des gewaltfreien Protests

00:06:12
Speaker
das freut mich sehr, dass die auch genutzt wird. Genau, und die andere Liste, die ich eingelegt habe, ist eben mit Beispielen aus der deutschen Geschichte, weil ich da immer wieder auf spannende Ereignisse gestoßen bin, die an Orten passiert sind, die ich auch kannte. Und es hat mich so genervt, dass wenn ich auf Veranstaltungen bin oder Interviews gebe, dann oft von der Moderation oder auch von den Menschen, mit denen ich gesprochen habe, gesagt wurde.
00:06:37
Speaker
Ja, Protest ist doch toll und gerechtfertigt, wie bei der Unabhängigkeitsbewegung in Indien oder der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Aber hier bei uns in Deutschland spielt Widerstand doch überhaupt nicht so eine große Rolle. Und ja, diese Aussage ist einfach falsch, weil wir vergessen allzu oft, wie viel unserer Grundwerte mit friedlichem Widerstand überhaupt erstritten wurden.
00:07:02
Speaker
Und ich hatte Anfang des Jahres eine richtig tolle Chance, bei den Münchner Kammerspielen über die deutsche Widerstandsgeschichte zu sprechen im Rahmen der Veranstaltungsreihe Erde, Feuer, Wasser, Luft und konnte da nochmal richtig tief in das Thema eintauchen. An der Stelle auch nochmal schöne Grüße nach München. Es hatte richtig Spaß gemacht, da ganz viele Bilder und Geschichten aus der deutschen Widerstandsgeschichte in so einem
00:07:26
Speaker
voll imposanten Raum teilen zu können. Und ein Beispiel, was ich dort tatsächlich nicht genannt habe, aber was für mich so der Punkt war, der auch mit am besten aufzeigt, wieso das Bewusstsein von unserer Widerstandsgeschichte so wichtig ist, ist Helgoland. In Helgoland, da habe ich schon als kleines Kind Urlaub gemacht, hatte da voll die aufregende Schifffahrt und habe Robben gesehen und es war voll der coole Urlaub.
00:07:52
Speaker
Aber ich habe erst viele Jahre später erfahren, dass genau an diesem Ort in Deutschland eben auch friedlicher Widerstand geleistet wurde. Also dass Helgoland nicht immer schon dieser ruhige Ort für Urlaub am Meer war, sondern dass viele vergessen oder auch gar nicht wissen, dass das mal militärisches Sperrgebiet unter britischer Kontrolle war nach dem Krieg und unbewohnbar und halt regelmäßig da so Bombenübungen gemacht wurden. Und zu der Zeit, also in den 50ern,
00:08:22
Speaker
war in Deutschland gerade viel über das Thema Wiederbewaffnung gesprochen worden. Und zwei Heidelberger Studenten, René Leutzdorf und Georg von Hartzfeld, haben sich eben entschieden, ein Zeichen für Frieden zu setzen und haben Helgoland als passenden Ort für ihren Protest ausgewählt.
00:08:40
Speaker
Deswegen haben sie im Dezember 1950 dann ihre friedliche Invasion gestartet und die Insel besetzt und zwischen diesen Trümmern und Bombenkratern zwei Tage und Nächte eben ausgeharrt, als ein Symbol für den gewaltfreien Protest.
00:08:55
Speaker
Ja und ihr Einsatz, der wurde europaweit sehr in den Medien berichtet und die haben dann zusammen mit anderen Protestierenden, die auch auf die Insel gekommen sind, eben so ein klares Zeichen gesetzt und schließlich dann auch Erfolg gehabt, dass am 21. Februar 1951 Helgoland von den Briten zurück an Deutschland gegeben wurde und die Insel eben wieder aufgebaut werden konnte, also was
00:09:20
Speaker
mir überhaupt nicht bewusst war. Genau, und da habe ich noch zwei interessante Aussagen gelesen, über die ich gestolpert bin. Einmal von einem der Protestierenden, René Leudesdorf, der im Norddeutschen Rundfunk gesagt hat, dass die Insel sowieso nicht gegen gewaltfreie Besetzung mit militärischen Mitteln zu halten ist. Das hat dann schließlich den britischen Royal Air Force Chef überzeugt.
00:09:43
Speaker
Also das, worüber wir die ganze Zeit reden, Dalila, dass Gewaltfreiheit so viel Macht hat und sogar über Gewalt oder Militär siegen kann, das konnte man an dem Beispiel sehen. Und von einem Friedensforscher, von Theodor Ebert, der im Interview mit der Taz gesagt hat, hätte man die Besetzung fortgesetzt, dann wären die politischen Kosten weitaus höher gewesen als der militärische Nutzen.
00:10:09
Speaker
Und auch das genau wieder, was wir vor allen Dingen auch in der letzten Folge gesagt haben, dass es eine Kosten-Nutzen-Rechnung ist, ab wann sich die Machtverhältnisse verschieben und eben neue Möglichkeiten Fenster ergeben.

Errungenschaften durch Protest: Eine historische Perspektive

00:10:21
Speaker
Genau. Und ich finde es einfach total wichtig zu zeigen, unsere Rechte waren nicht einfach da, sondern man nimmt vielleicht vieles für selbstverständlich, aber das ist sehr tief die Geschichte mit Protest verwoben, auch hier in Deutschland. Deswegen die kleine Reise heute.
00:10:40
Speaker
Ja, es gibt echt so viele Beispiele und es ist zum Teil finde ich echt schon erschreckend manchmal, dass man das nicht wirklich im Geschichtsunterricht erfährt davon. Was man ja schon vielleicht kennt, ist die Anti-Atom-Kraft-Bewegung, die relativ bekannt ist, die in den 70er Jahren angefangen hat und eben ziemlich viel gewaltfreien zivilen Widerstand.
00:11:01
Speaker
und eben diese Art der Aktionsform gegen Atomkraftwerke, aber auch eben die Atomlagerungen etc. protestiert hat. Aber es gibt eben so viele andere faszinierende Beispiele auch, die auch erfolgreich waren und Wirkung hatten und von denen man noch nie was gehört hat. Und deswegen wollen wir uns eben in dieser Folge besonders auf so eine Beispiele konzentrieren, von denen man eben noch nicht so viel gehört hat.
00:11:25
Speaker
Und dafür haben wir auch ausnahmsweise mal einen Gast eingeladen, und zwar Barbara Müller. Sie ist Historikerin im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung. Und sie ist in den 80er Jahren als Studentin der Geschichte dazu gekommen über das Thema des passiven Widerstandes 1923. Und dazu hat sie
00:11:46
Speaker
in 1995 ihre Dissertation geschrieben und beschäftigt sich noch heute damit. Und nächstes Jahr erscheint im Irene Publishing Verlag auch ein ganz aktualisiertes Buch dazu. Und sie ist Geschäftsführerin und Mitbegründerin vom Institut für Gewaltfreie Konfliktaustragung und 2020 Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit Power of Nonviolence Foundation.

Barbara Müller über passiven Widerstand 1923

00:12:10
Speaker
und wohnt mit ihrem Mann in Hunsrück, was eben ein auch Stationierungsort der Cruise Missiles ist und da ja eben auch Forschung und Engagement durchs Ohr sich oft gegenseitig befluten. Und sie wird uns jetzt ein bisschen was eben zu diesem passiven Widerstand 1923 also zum Ruhekampf erzählen.
00:12:29
Speaker
Am 11. Januar 1923 besetzten eine 40.000 Mann starke, kriegsmäßig ausgerüstete Armee von französischen und belgischen Soldaten das Ruhrgebiet.
00:12:42
Speaker
Der Hintergrund war, dass Belgien und Frankreich im ersten Lied am meisten unter der deutschen Besetzung und Belagerung gelitten hatten und dort ganze Landstriche verwüstet waren. Das Deutsche Reich musste nach dem verlorenen Krieg als Wiedergutmachung unter anderem Sach- und Geldleistungen bezahlen und ein Rückstand dabei war der Anlass zum Einmarsch allerdings nicht die Gründe.
00:13:05
Speaker
Die Gründe liegen tiefer, denn der gesamte Friedensvertrag von Versailles war in Deutschland zwar unter dem Druck einer sofortigen Kriegsaufnahme unterschrieben worden, aber niemals akzeptiert. Vor allem die alleinige Schuld am Krieg und die Behandlung als Paria in der Staatengemeinschaft wurde zurückgewiesen.
00:13:23
Speaker
Der Einmarsch 1923 trieb diesen Konflikt auf die Spitze und erstmals reagierte die Weimarer Republik mit klaren eigenen Abwehrmaßnahmen. Dieses Nein, wir machen da nicht mit, seitens der Regierung, traf auf einen großen Wiederhall in der Bevölkerung. Sie machte daraus eine Kampagne der Nichtzusammenarbeit.
00:13:43
Speaker
Konkret äußerte sich das zunächst in symbolischen Aktionen wie die Rolläden runterlassen und die Straßen leeren beim Einmarsch oder als Bürgermeister den Offizieren nicht vor dem Rathaus die Stadt übergeben, sondern die Offiziere wie alle anderen auch im Sprechzimmer zu empfangen und dort gegen die Gewalt zu protestieren. Die Zechenbetriebe hatten bereits vorher einige Unterlagen weggeschafft, sodass die Besatzer keine Kontrolle über die komplexe Infrastruktur gewinnen konnten.
00:14:12
Speaker
Eisenbahner fuhren keine Züge für die Besatzer, Rheinschiffer streikten, wenn sie Kohlenkähne nach Frankreich umadressieren sollten. Die Besatzung wiederum versuchte, ihre Herrschaft herzustellen, indem sie zum Beispiel Ausweise ausstellen ließ, die die Leute nicht abholten, oder eine Zolllinie zum unbesetzten Gebiet einrichtete, die entweder ignoriert, umgangen oder umfahren wurde oder per Schmuggel ausgehebelt wurde.
00:14:40
Speaker
Als die Besatzer das Schienennetz selber fahren wollten, hatten sie Probleme, die Locks zu finden oder die Weichen richtig zu stellen. Die Besatzer wiederum wandten Zwangsmaßnahmen an und ließen Verweigerer verhaften, verurteilten sie zu Geldstrafen oder wiesen sie aus dem besetzten Gebiet mitsamt ihren Familien aus. Das betraf insgesamt fast 200.000 Menschen.
00:15:03
Speaker
Auf die Dauer lehnten natürlich die Eingriffe der Besatze das Wirtschaftsleben, Lieferketten wurden unterbrochen, aber auch die Streiks und die Nichtzusammenarbeit auf deutscher Seite hatten den Effekt, dass das Wirtschaftsleben zuerst durcheinander kam und dann immer mehr erlarnte. Die deutsche Regierung unterstützte dabei die Betriebe durch Lohnzuschüsse, sodass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben gehalten werden konnte.
00:15:30
Speaker
Es kam auch zu gewaltsamen Übergriffen der Besatzungsarmee gegenüber der Zivilbevölkerung, sodass mehr als 100 Tote zu beklagen waren. Auf der deutschen Seite wurde der zivile Widerstand von Sabotageakten begleitet. Solche Anschläge, die auch Tote forderten, gaben den Besatzungsmächten jeweils den Anlass zu einschneidenden Unterdrückungsmaßnahmen. Die Wichtigste dabei war im Juli.
00:15:56
Speaker
Dadurch wurde der Verkehr im besetzten Gebiet jetzt wirklich wirksam unterbrochen und zum besetzten Gebiet hin vollständig lahmgelegt. Da die Kosten des Widerstands inzwischen nicht mehr zu tragen waren, wurde der Widerstand Ende September abgebrochen. Inzwischen waren hinter den Kulissen erste diplomatische Initiativen in Gang gekommen, die aber dem Widerstand selbst nichts mehr halfen.
00:16:20
Speaker
Nun neigte sich die Waagschale der Macht jedoch sehr nach Frankreich, das nun seine Bedingungen für die Arbeitsaufnahme im besetzten Gebiet auf der Wirtschaft diktierte. Die Souveränität des Deutschen Reiches im besetzten Gebiet war praktisch ausgesetzt. Separatistische Aufstände schienen anzudeuten, dass die Einheit der Weimarer Republik angezählt war.
00:16:43
Speaker
Das war der Moment, in dem vor allem die USA entschieden, aber doch im Hintergrund in den Konflikt eingriff und ihre Wirtschaftsmacht ausspielte.
00:16:52
Speaker
Es entstand eine enge diplomatische Zusammenarbeit mit England und den USA, um die Räumung des Ruhrgebiets auf diplomatischem Wege zu erreichen. Das schließlich ist im Sommer 1924 gelungen, sodass Dortmund als erste Stadt schon im Oktober 1924 geräumt wurde und das übrige Ruhrgebiet binnen eines Jahres. Was wir hier also sehen, ist der gelungen dritte Weg, mit einer militärischen Besetzung eines Landes umzugehen.
00:17:21
Speaker
Der dritte Weg ist keine Kapitulation, kein Krieg, sondern ziviler Widerstand und kluge Diplomatie.
00:17:30
Speaker
Ja, das ist super spannend. Gerade diese Kampagne der Nichtzusammenarbeit im Bereich Verwaltung finde ich bemerkenswert. Also das Bürgermeister, die Offiziere nur im Sprechzimmer empfangen und so gegen diplomatische Verhaltensweisen verstoßen oder was Barbara meinte, die Unterlagen, die weggeschafft wurden, sodass es keinen Überblick gibt über administrative Strukturen.
00:17:52
Speaker
Also das wird auf jeden Fall noch mal sehr relevant werden für unsere nächste Folge zum Widerstand gegen rechts, eben die Rolle der Administration. Deswegen vielen Dank, Barbara, für schon diese Einblicke. Ja, ich finde es einfach enorm wichtig, solche Beispiele bekannter zu machen und sich zu überlegen, was wäre eigentlich, wenn solche Beispiele auch in der Schule gelehrt werden würden oder wenn es sogar Ausbildung und Trainings zu zivilen Widerstand, zu zivilen Verteidigung gäbe.
00:18:20
Speaker
neben vielleicht der militärischen Verteidigung, aber das ist wirklich, dass die Bevölkerung darin trainiert wird in massenhafter Nicht-Kooperation, dass sie eben im Fall einer militärischen Intervention auch ohne Waffen gewaltfrei reagieren kann, was natürlich auch verschiedene Szenarien haben kann, vielleicht eben auch gefährlich sein kann, aber es ist jedenfalls ein spannendes Gedankenexperiment. Aber du meintest ja auch davor mit Helgoland zum Beispiel oder auch so, dass es eben interessant ist,
00:18:50
Speaker
an den verschiedenen Orten, die so verknüpft sind eben mit Protest und Widerstand, wo man das irgendwie so nicht so auf den ersten Blick sieht und da denkt. Und da muss ich so ein bisschen dran denken, dass wir eben letztens auf einer politikwissenschaftlichen Konferenz waren in Göttingen und die fand ja in der Universität statt.

Protest der Göttinger Sieben und sein Vermächtnis

00:19:08
Speaker
Und da ist ja der Platz auch der Göttinger 7, was ja auch sehr stark verbunden ist mit Professoren-Protest oder eben Widerstand an der Universität.
00:19:19
Speaker
Ja, auf jeden Fall. Und ich fühle mich so ein bisschen wie bei Geschichten aus der Geschichte. Also das ist auch ein ganz toller Podcast, in den ihr mal reinhören könnt, wo sich zwei Historiker gegenseitig jeweils eine Geschichte erzählen. Und auch ich würde jetzt gerne so eine kleine Reise zurück in der Zeit machen zu den Göttinger Sieben. Und genau genommen befinden wir uns im Winter 1837, also schon eine ganz schöne Weile her.
00:19:47
Speaker
Da gab es einen neuen König von Hannover, der hieß Ernst August, und der wollte das Staatsgrundgesetz für Eloschen erklären oder hat es als Eloschen erklärt. Und dieses Gesetz hatte seinen Bruder, der Vorgänger König Wilhelm IV., eingeführt, der den bürgerlichen Kräften in Hannover eine für damals ziemlich liberale Verfassung zugestand.
00:20:10
Speaker
Aber dem Ernst August, dem König Misfiel, das total und er wollte diese Errungenschaften der Verfassung wieder rückgängig machen.
00:20:19
Speaker
Und der rechtfertigte seine Maßnahmen mit der Behauptung, dass es da Fehler gemacht wurden, also formale Fehler in der Verabschiedung von der Verfassung, also dass seine Zustimmung von Mitgliedern des Herrschauses nicht eingeholt worden war, was totaler Quatsch war, weil genau im gleichen Jahr zwei hannoverische Spitzenbeamte den König darüber informiert hatten.
00:20:41
Speaker
Also was sich einfach zeigt dadurch ist, dass er sehr, sehr offensichtlich das aus politischen Gründen verhindern wollte, weil er einfach unbegrenzte, ködigliche Herrschaft haben und verwirklichen wollte. Aber das traf auf Widerstand von Professor Friedrich Christoph Dahlmann,
00:20:59
Speaker
der ein Verfassungsexperte war und an dieser ersten Verfassung die mit ausgearbeitet hatte. Und der sah in dieser Entscheidung von dem König eben einen riesigen Rechtsbruch. Er fand schließlich dann sieben Professoren, die sich mit ihm zusammenschließen wollten. Und das finde ich sehr interessant. Unter den sieben Professoren waren die beiden Gebrüder Grimm.
00:21:24
Speaker
die ja durch ihre Märchenwelt bekannt wurden. Also das finde ich schon krass, dass selbst die Autoren vieler meiner Kindheitsbücher, auch wenn die heute teilweise kritisch gesehen werden müssen, aber dass selbst die Widerstand geleistet haben.
00:21:40
Speaker
Das reicht wirklich überall hin. Also die haben sich ja dann zusammengeschlossen und haben einen Brief geschrieben an den König, in dem sie schriftlich darüber berichteten, dass sie das nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können und das gegen ihre rechtsstaatlichen Überzeugungen spricht und sie es ihrer persönlichen Ehre als Universitätslehrer Schulden weiterhin an dem Staatsgrundgesetz festzuhalten und
00:22:05
Speaker
So erzählte es die Geschichte, wollten sie das zunächst intern halten und gaben es ihren Vorgesetzten für die Behörde, doch der Brief gelangte dann in die Hände von den Studenten, die im Schneeballsystem in der Nacht vom 19. auf den 20. November 1837 Hunderte von Kopien anfertigten. Ich weiß nicht, ob das wirklich so passiert ist, aber es wird halt so erzählt, dass sich dann die Studenten, während sie so diese Kopien anfertigten,
00:22:34
Speaker
auch mit Bier aus dem Gasthaus zur Krone. Viele davon tranken und sich immer wieder anfeuerten und auch Parolen riefen wie Nieder mit ihm, also in Bezug auf Ernst Augus. Aber was dann tatsächlich passierte, ist, dass Zeitungsredaktionen in allen deutschen Landen und selbst im Ausland diese Kopien zugesandt bekamen und eben von dem Aufbegehren der Professoren berichteten und diese auch weiter abdruckten, die Erklärung.
00:23:01
Speaker
Natürlich in Hannover wurde jede Mitteilung unterdrückt, aber das hat trotzdem nichts daran geändert, dass es eben eine öffentliche große Protestation der Professoren wurde.
00:23:13
Speaker
Und jetzt kommen wir wieder zu einem spannenden Punkt, wo ich auch viele Parallelen zum aktuellen Umgang mit Protestierenden sehe, weil heutzutage ja auch oft in Debatten und Protest gesagt wird, Widerstand ist kriminell, er ist radikal oder gar extremistisch und Menschen in der Vergangenheit haben ja viel besser und auf legalere Weise demonstriert.
00:23:34
Speaker
Aber das stimmt überhaupt nicht so, weil die Göttinger Sieben sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Protest im Nachhinein erst glorifiziert wird. Also sie haben ja jetzt auch so ein großes Denkmal in Hannover. Und wie gesagt, die Uni, wo wir waren, hat ja auch ganz viele Bezüge dazu. Aber zu der Zeit wurden sie eben auch sehr doll versucht, klein zu halten. Und deswegen finde ich es einfach wahnsinnig wichtig, wenn jetzt die Bild wieder so
00:24:01
Speaker
Titel druckt mit Protestierende sind Terroristen oder die neue RAF, dass Menschen endlich mal anfangen, das zu hinterfragen. Ja, das ist ja auch ganz klar, was das für eine Taktik oder Strategie ist, das eben zu delegitimieren, zu defamieren, damit sie eben auch nicht so viel Rückhalt in der Gesellschaft haben, in der Bevölkerung, damit eben dann auch vielleicht sie keinen Zuwachs bekommen, die verschiedenen Bewegungen. Aber ich finde es auch immer wieder erstaunlich zu sehen,
00:24:27
Speaker
wie das Narrativ war, während die Dinge passiert sind. In so vielen verschiedenen Fällen ist das ja so und wie es dann eben im Laufe der Zeit der Geschichte über die Jahrzehnte sich dann verändert und dann eben oft so heroisiert, glorifiziert oder so sehr positiv dann dargestellt wird.
00:24:43
Speaker
Ja voll, weil also die Göttäger sieben waren damals nicht diese glorreichen Göttäger sieben, sondern der König nannte sie Federviede Tintenkleckser und hat auch, also finde ich auch schön, das finde ich auch ein bisschen witzig.
00:24:58
Speaker
Aber genau, seine Strafen haben halt mit voller Härte schon eingeschlagen, weil Anfang Dezember des Jahres 1837 wurden dann die Professoren vor dem Universitätsgericht vernommen und aus ihrem Amt entlassen, da sie, das war die Begründung, durch Gehorsamsverweigerung ihr eigenes Dienstende herbeigeführt hätten.
00:25:21
Speaker
und der König hat dann sogar drei von ihnen des Landes verwiesen, darunter war auch Jakob Grimm, also einer der Brüder. Und selbst die Unterstützung von den Studenten wurde dann versucht zu unterbinden, was wirklich, also, ja.
00:25:36
Speaker
Das ist lächerlich, was da passiert ist. Und zwar sollten die Professoren über einen abgelegenen kursischen Grenzort Witzenhausen ausreißen, damit sichergestellt wird, dass die Studenten sich nicht nochmal verabschieden können, weil die hatten so einen großen Fackelzug geplant, aber alle öffentlichen Ansammlungen wurden verboten.
00:25:55
Speaker
Und die Behörden verstärkten dann außerdem die Polizeipräsenz und zogen vor der Stadt fast 800 Soldaten zusammen. Also es muss man sich ja vorstellen, dass dann Lohnkutscher schwere Strafen bekommen hätten, wenn sie ihre Wagen und Pferde an Studenten verleihen.
00:26:11
Speaker
was dann dazu geführt hat, dass die Studenten sich aber nicht aufhalten lassen wollten und so am gleichen Abend dann noch, also 400 Studenten am gleichen Abend noch an dieser kalten Winternacht 25 Kilometer nach Witzenhausen gelaufen sind, um sich von den Professoren zu verabschieden.
00:26:28
Speaker
Und auch die Unterstützung von denen generell im Nachhinein sehr essentiell war, weil manche der sieben Professoren jahrelang noch nach einer neuen Stellung suchen mussten. Und zum Glück hatten sich Bürger überall in deutschen Städten zu sogenannten Göttinger Vereinen zusammengeschlossen, um eben Geldspenden zusammenzubringen, um diesen Professoren weiterhin den Einkommen bezahlen zu können.
00:26:53
Speaker
Ja,

Frauenbewegung und Reform von Paragraph 218

00:26:54
Speaker
also ganz verrückte Geschichte finde ich und insgesamt ist es jetzt so, dass man sagen kann, der Protest hat jetzt nicht direkt was bewirkt, also klar lokal, aber der erhoffte Aufstand gegen diesen Staatsschreich vom König blieb erst mal aus und die Professoren haben jetzt auch direkt keine politischen Forderungen irgendwie gestellt, sondern lediglich erklärt, dass sie sich an den Eid auf die Verfassung gebunden fühlen.
00:27:21
Speaker
Aber ich finde trotzdem, dass die Tatsache, dass den sieben Professoren der Verfassungseid so wichtig war, dass sie diese ganzen persönlichen Nachteile in Kauf genommen haben, übte alleine großen Einfluss damals aus und griff auch diese politische Stimmung, die eh schon im Land war, auf und trug dazu bei, den Liberalismus in Deutschland weiter voranzutreiben, der ja dann wiederum Voraussetzung war für die Märzrevolution von 1848.
00:27:48
Speaker
Und ja, es ist jetzt leider ein Beispiel, was sich sehr auf Männer konzentriert, aber ich finde es trotzdem sehr mutig, dass die sieben Fessoren da ihre demokratische Haltung beibehielten und ja irgendwo auch dazu beitrugen, den Grundstein für unsere heutige Verfassung zu legen. Ja, das ist auf jeden Fall sehr, sehr mutig und kann definitiv auch Inspiration für unsere heutigen Zeiten sein, was man so für die eigenen Werte und Ideale alles in Kauf nehmen kann.
00:28:16
Speaker
Ja, dafür habe ich ein Beispiel, was ich auf Frauen fokussiert, mitgebracht, inspiriert durch deine Perspektive, da immer wieder auch gesondert oder bewusster irgendwie auch drauf zu gucken. Und zwar war das 1971 gegen den Paragrafen 218, also der eben Abtreibungen kriminalisiert, also Schwangerschaftsabbrüche als Straftat sieht. Und dieser Paragraf, muss man auch sagen, kommt auch eben da aus dem Kaiserreich.
00:28:44
Speaker
und ist auch noch vom Kirchenrecht beeinflusst, also ganz altbacken. Und da gab es eben im Juni 71 im Stern mit diesem Covertitel mit ganz vielen Fotos von Frauen drauf und dann Wir haben abgetrieben, war eben eine Kampagne, wo sich Frauen und zwar über 374 Frauen selbst bezichtigt haben, dass sie eben also öffentlich bekannt haben, dass sie diese Straftat quasi begangen haben.
00:29:11
Speaker
und unter anderem auch Prominente wie Romy Schneider oder Sinter Berger. Und in den Folgemonaten kam es dann wirklich zu Tausenden, also über 2.300 weiteren Selbstanzeigen von Frauen und über 86.000 Solidaritätsbekundungen mit den Frauen, die eben öffentlich sich ausgesprochen hatten. Und das hat richtig so einen Schwung gebracht in die Frauenbewegung in Deutschland in den 70er Jahren.
00:29:35
Speaker
Und tatsächlich dann auch schon im September des gleichen Jahres gab es dann direkt schon Reformdiskussionen, was man daran ändern kann. Heutzutage ist der ja ein bisschen abgemildert in dem Sinne, dass das dann geguckt wird auf die Zeit der Schwangerschaft, also das erste Quartal oder eben dann die verschiedenen Gründe, die es gibt für den Schwangerschaftsabbruch.
00:29:59
Speaker
Aber damals war das natürlich, also wenn Frauen sich dann öffentlich selbst angezeigt haben, gab es dann natürlich auch Hausdurchsuchungen, die eben einschüchtern sollten, was sie aber nicht geschafft haben, sondern tatsächlich hat es eher noch die Frauenbewegung da verstärkt. Was ja ein bisschen, da hatten wir glaube ich auch schon mal darüber geredet, dieses politische Jiu-Jitsu, das eben versucht wird, mit Kraft die Bewegung zu unterdrücken, aber diese Kraft kann eben dann gegen einen verwendet werden.
00:30:28
Speaker
und eben die Bewegung dann noch stärker machen, weil dann eben in der Öffentlichkeit gesehen wird, dass das ja ungerecht ist und nicht in Ordnung ist und so weiter. Ja, also es ist doch echt interessant zu sehen, dass die Proteste dann doch ähnliche Dynamiken immer wieder alle haben und diese Unterdrückung und auch diese ganzen Mechanismen, dass die sich wiederholen und so wiederfinden und wie viele mutige Beispiele es einfach gibt.
00:30:55
Speaker
Das waren ja jetzt noch nicht mal alle, also wir könnten ja noch so lange weiter erzählen. Wir haben ja noch nicht mal über den Volkszählungspolkott gesprochen in den 80ern, der der Vorläufer für unser heutiges Datenschutzgesetz ist und so viele kreative Protestformen vereint hat.
00:31:12
Speaker
Stuttgart 21, Startbahn West, den spektakulären Einsatz von Corona-Rakete für Geflüchtete und natürlich die ganze Bewegung heutzutage. Also sagt uns da auch gern mal, ob das für euch interessant ist, wenn wir da weiter drüber reden und tatsächlich auch vielleicht Zeitzeugen in allen laden, also Menschen aus der Anti-Atomkraft-Bewegung oder aus dem Volkstätungsvolkort, die das mit organisiert haben oder die Wende und uns so ein paar Einblicke geben können. Gebt uns da doch gern mal mal Rückmeldung.
00:31:42
Speaker
Ich finde es auch total spannend, mich eben mit Menschen zu unterhalten, die zum Beispiel die Anti-Atomkraft-Bewegungen mitgestaltet haben und zu gucken, was können wir heute davon lernen, auch zum Beispiel eben in der Klimabewegung oder die damalige Friedensbewegung, aber vielleicht eben auch aus Rückschlägen, also jetzt nicht unbedingt nur aus den Erfolgen, sondern auch aus, was da nicht so gut gelaufen ist. Also das stelle ich mir schon spannend vor, da ein paar Gäste einzuladen.
00:32:06
Speaker
Ja, ich hätte auch richtig Lust. Ja, aber ich finde, dass alle Beispiele, die wir jetzt auch heute besprochen haben, mal wieder zeigen, dass friedlicher ziviler Widerstand ein effektives, legitimes Mittel ist, mit dem Bürgerinnen politisch etwas verändern können und dass er ebenso ein wichtiger Bestandteil der Demokratie ist.
00:32:25
Speaker
Und zwar trotz dieser hohen Reportionen und persönlichen Risiken, in die sich die Menschen begeben haben, in unseren Beispielen, wurden sich ja immer wieder für demokratische Rechte eingesetzt, die von der Regierung selbst gebrochen wurden. Also

Kontinuierliche Wachsamkeit und Aktivismus

00:32:41
Speaker
auch eine Dynamik, die wir heutzutage wie zum Beispiel in Sachen Klima immer wieder sehen. Und für mich zeigt das einfach, dass das ein totaler Luxus ist, wenn man mal gerade nicht protestieren muss, weil
00:32:53
Speaker
Genau, es ist ja immer darum ging, bei diesen Protesten Verfassung zu stärken, Rechte zu erkämpfen und das alles, bevor sie dann tatsächlich in Parlamenten und Gerichtssälen verankert wurden.
00:33:05
Speaker
Ja, und ich finde, beide Beispiele sind leider auch irgendwie heute aktuell in dem Sinne, dass natürlich immer wieder auch schon erkämpftes Recht dann rückgängig gemacht werden kann, wie eben das mal in der Verfassung dann wieder vielleicht abgeschafft wird oder eben das schon erkämpfte körperliche Selbstbestimmung und Recht auf Schwangerschaftsabbruch dann auch wieder rückgängig gemacht wird und so. Und dass das alles fragil ist und eben nicht selbstverständlich, sondern dass man sich dafür einsetzen muss und dafür kämpfen muss.
00:33:35
Speaker
damit es dann am Ende, genau wie du sagst, in die Gesetze fließen kann und im Parlament diskutiert werden kann. Aber ja, das scheint immer wieder auch so eine Hin- und Herbewegung zu sein. Und genau, es ist wichtig, dann eben aus den alten Beispielen auch nochmal sich die anzugucken und zu schauen, was nehmen wir für heute davon mit.
00:33:53
Speaker
Ja, das ist die perfekte Überleitung für mein Zitat. Das hast du richtig gut gesagt, weil ich habe heute ein Anschlusszitat von tatsächlich noch einem weiteren Beispiel der deutschen Widerstandsgeschichte von Willy Brandt, einem ehemaligen deutschen Bundeskanzler, der selbst auch schon mal zum Widerstand aufrief und zwar 1961 gemeinsam mit
00:34:17
Speaker
dem Deutschen Gewerkschaftsbund hat er einen S-Bahn-Boykott gegen den Bau der Berliner Mauer gestartet und er hat vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin eine Rede gehalten und genau das auf den Punkt gebracht, was die Proteste in dieser Folge ja auch immer wieder gezeigt haben und was du gerade gesagt hast, nämlich
00:34:38
Speaker
Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie. Wir fangen gerade erst richtig an. Und zu seinem Zitat würde ich noch ergänzen, das, was du auch meintest, das gilt es auch immer wieder zu verteidigen.
00:34:50
Speaker
Ja, voll. Vielen, vielen Dank dafür. Und wer sich vielleicht weiter über deutsche und internationale Beispiele informieren möchte aus heutiger Zeit, aber auch eben retrospektiv in der Geschichte, der kann sich sehr gerne die deutsche und internationale Nachrichtenseite zum zivilen Widerstand angucken. Einmal gewaltfreie Aktion.
00:35:16
Speaker
und Waging Non-Violence. Die Links kommen natürlich wie immer in die Show-Notes. Und das ist, finde ich, sehr spannend, weil es zum Teil eben auch Mut macht, zu sehen, was Menschen überall auf der Welt alles so geschafft haben und schaffen, aber auch eben analysiert, wie und eben auch mit diesen Konzepten, die wir hier auch besprechen, arbeitet, um sich Protestdynamiken und aber auch eben so politische Geschehen
00:35:41
Speaker
anzugucken, aber anders als in den herkömmlichen Medien wird es eben aus der Perspektive der Bewegung, wie sie eben Politik und Gesellschaft beeinflusst, gesehen und betrachtet. Ich finde es immer wieder spannend, da reinzugucken und mir auch Inspiration zu holen, wenn es gerade mal wieder schlechte Nachrichten gibt, wie man dann jetzt damit umgehen kann und wie es weitergehen kann, um eben auch zu gucken, wie wurde in anderen Bewegungen mit ähnlichen Problemen umgegangen.
00:36:06
Speaker
Ja,

Engagement für Widerstandsgeschichte und Ausblick auf Staffel 2

00:36:06
Speaker
und man kann auch, wenn man selber mal ein tolles Widerstandsbuch gelesen hat oder so, auch Rezension schreiben für gewaltfreie Aktionen, soweit ich das weiß. Richtig? Weil das versuche ich ja auch gerade. Ja, gerne. Also genau. Ihr könnt gerne, wenn ihr was Spannendes gelesen habt, da so eine Buchbesprechung machen in euren eigenen Worten.
00:36:26
Speaker
Ja, und wir haben auch noch große Neuigkeiten und zwar wollen wir nächstes Jahr eine zweite Staffel machen. Wir haben so viel positives Feedback von euch bekommen in letzter Zeit und wir haben noch so viele Themen in petto, also
00:36:43
Speaker
das, was wir auch vorhin schon überlegt hatten, ob wir Zeitzeuginnen einladen sollen. Es gibt noch so viele Theorien und Beispiele zu besprechen aus dem Widerstand, dass uns auf jeden Fall die Inhalte nicht ausgehen. Und es ist natürlich ja unser großer Wunsch auch, das Thema weiter in die Allgemeinheit zu tragen. Also diese Folge unterstreicht es ja total, wie wichtig das Thema Widerstand in Demokratien ist und Menschen auch zu ermutigen,
00:37:09
Speaker
gerade in so düsteren Zeiten, wie wir sie gerade mit den aktuellen Wahlergebnissen haben, dass wir immer wieder aufzeigen, was sind Optionen, wie man ins Handeln kommen kann, um eben nicht in dieser Schockstarre zu verharren. Ja, aber leider trägt sich der Podcast nicht alleine, also wir haben Kosten vor allen Dingen für den Schnitt, aber auch für die Technik und
00:37:29
Speaker
Wir brauchen da deine Unterstützung. Wir sind zwar fleißig auch am Anträge schreiben für Stiftungen, die unsere Themen weiter voranbringen wollen, aber die haben wir halt noch nicht sicher. Und deswegen haben wir jetzt einen Spendenaufruf gestartet über GoFundMe. Das ist eine Plattform, wo man eben Spenden für solche Projekte sammeln kann.
00:37:51
Speaker
Und den Spenden-Link findet ihr in der Beschreibung der Folge. Und es wäre richtig, richtig toll, wenn ihr uns unterstützen könnt, damit der Podcast weitergehen kann. Egal in welcher Höhe, wir freuen uns total über eure Unterstützung. Ja, das wäre echt richtig, richtig cool. Vielen, vielen Dank.
00:38:10
Speaker
Und ein großes Dankeschön natürlich auch an die Stiftung Kraft der Gewaltfreiheit, die eben jetzt diese Staffel ermöglicht hat. Und natürlich auch vielen Dank an unseren Partner für die Postproduktion, das Kreativstudio für Wissenschaftskommunikation zum Staunen.
00:38:27
Speaker
und Emé Van Balen für die tolle Social Media Arbeit. Und in der nächsten Folge, was ja dann auch quasi Staffelfinale ist, die letzte Folge dieser Staffel, geht es dann darum, wie wir all das Gelernte und Gehörte vielleicht anwenden können, um zu gucken, wie gehen wir jetzt mit dem aktuellen Rechtsruck um. Das war's diesmal von unserer Seite. Schön, dass ihr zugehört habt. Macht's gut. Bis zum nächsten Mal.
00:38:57
Speaker
Wir hören uns, bleibt dran. Tschüss. Tschüss.