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Folge 8: Zwischen Klimaprotest, Seenotrettung und EU Parlament – Carola Rackete im Gespräch bei Tee & Taktik

S2 E8 · Tee & Taktik
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117 Plays13 days ago

Was bringt eine Person dazu, von der Polarstern in der Arktis direkt in den zivilen Ungehorsams zu wechseln? In dieser Auftaktfolge der zweiten Staffel spricht Lea Bonasera mit Carola Rackete über den Moment, der sie vom Forschungsschiff ins Zentrum politischer Proteste brachte. Es geht um Seenotrettung als Akt des Widerstands, die Frage, warum bestimmte Proteste mediale Aufmerksamkeit bekommen – und andere nicht – sowie um Klimagerechtigkeit von Skandinavien bis ins EU-Parlament. Carola teilt persönliche Einblicke in ihre Protesterfahrungen, den Umgang mit politischem Druck und was uns helfen kann, trotz Gefühlen von Ohnmacht ins Handeln zu kommen.

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Carola Rackete

Seenotrettung

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Rosa Parks und Claudette Colvin

Politische Möglichkeitsfenster/ Political opportunities structures: Tarrow, Sindey. 1994. Power in Movement: Social Movements and Contentious Politics.

Säulen der Unterstützung

Das Backfire Modell

Dannenröder Forst

Hambacher Forst

Parlamentarische Beobachtung ins Gesicht geschlagen

Buch von Lea

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Transcript
00:00:08
Speaker
Das dritt nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich.

Einführung in die zweite Staffel von 'Tee und Taktik'

00:00:25
Speaker
Hallo und herzlich willkommen zu Tee und Taktik, deinem Podcast zu strategischem Protest.
00:00:31
Speaker
Wir sind Lea und Lila.
00:00:33
Speaker
Hallo.
00:00:35
Speaker
Herzlich willkommen.
00:00:40
Speaker
Hallo zur zweiten Staffel von Tee und Taktik.
00:00:42
Speaker
Mein Name ist Lea Bonacera und wie in der letzten Folge angekündigt, ist heute alles etwas anders.
00:00:49
Speaker
Und zwar sitze ich hier nicht alleine, auch nicht mit Dalila, die die nächste Folge macht, sondern mit unserem allerersten Tee und Taktik Gast dieser Staffel, Carola Rakete.
00:01:00
Speaker
Schön, dass du da bist.
00:01:02
Speaker
Hallo, ich freue mich mit dir zu sprechen.
00:01:05
Speaker
Ja, ich freue mich auch sehr doll.

Carola Raketes Engagement und Hintergrund

00:01:07
Speaker
Ich finde deine Arbeit nämlich richtig wichtig und du bist ja auf so vielen verschiedenen Ebenen aktiv.
00:01:14
Speaker
Es ist richtig spannend, sein wird heute mit dir verschiedene Proteste mal ganz genau unter die Lupe zu nehmen.
00:01:21
Speaker
Bevor wir da jetzt aber inhaltlich einsteigen, ist es ja so eine kleine Tradition bei Tee und Taktik, dass wir uns eine Tasse Tee kochen.
00:01:29
Speaker
Und da interessiert es mich natürlich, was da deine Lieblingssorte ist.
00:01:34
Speaker
Also ich koche normalerweise eigentlich gar keinen Tee, muss ich ehrlicherweise sagen, weil...
00:01:41
Speaker
Ich glaube, mein liebstes Heißgetränk wäre Ingwer.
00:01:45
Speaker
Aber Ingwer ist ja eigentlich kein Tee, weil es keine Teepflanze ist.
00:01:50
Speaker
Also viele Kräutertees sind ja sozusagen gar keine Tees, sondern wenn man eben keine Teepflanzen drin hat, ist es eigentlich technisch kein Tee.
00:01:59
Speaker
Deswegen entweder Salbei fände ich gut, aber meistens trinke ich ausgekochten Ingwer.
00:02:05
Speaker
Sehr gut, auch sehr gesund.
00:02:07
Speaker
Also ja, richtig lecker, das mag ich auch.

Übergang von Wissenschaft zu Aktivismus

00:02:11
Speaker
Ja, wir kennen uns ja tatsächlich jetzt schon einige Jahre.
00:02:15
Speaker
Du warst damals bei meinem Gespräch über die Klimakrise mit Bundeskanzler Scholz dabei nach dem Hungerstreik und hast mich da sehr lieb getröstet nach diesem sehr ernüchternden, doch teils sehr überfordernden Gespräch, wo ich sehr unzufrieden war.
00:02:28
Speaker
Und seitdem sind wir regelmäßig in Kontakt.
00:02:32
Speaker
Und ja, du hast ja auch einen super spannenden Werdegang, also hast Nautik studiert, bist mit dem Schiff Polarstern mehrfach am Nordpol gewesen, hast dann bei der Greenpeace Seenotrettung gearbeitet, hast Naturschutz studiert, bist in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv, kartografierst Pflanzen, habe ich gelesen und bist jetzt im EU-Parlament.
00:02:54
Speaker
Ich hoffe, ich habe da nichts vergessen.
00:02:56
Speaker
Ja, auf jeden Fall nichts Wichtiges, denke ich.
00:02:58
Speaker
Also nichts, was ich nicht jetzt selber noch ergänzen könnte.
00:03:03
Speaker
Wann war denn, würdest du sagen, der Moment oder die Momente auf deiner Reise, wo du angefangen hast, dich aktiv für politische Anliegen einzusetzen?
00:03:13
Speaker
Gerade auch, weil ich gelesen habe, dass du ursprünglich gerne auch Zockerin warst und World of Warcraft gespielt hast.
00:03:21
Speaker
Wie ist das passiert, dass du dich dann auf einmal für politische Anliegen eingesetzt hast?
00:03:26
Speaker
Also ich habe 2011 angefangen, als technisches Personal praktisch auf Polarstern zu arbeiten.
00:03:34
Speaker
Und auf meiner ersten Reise sind wir dann zum Nordpol hoch, direkt im Sommer dann natürlich geht das ja auch nur, weil das Eis dann schon zum großen Teil abgeschmolzen ist.
00:03:43
Speaker
Und als wir dort angekommen sind am Nordpol, also wirklich direkt am Nordpol, nicht irgendwo in der zentralen Arktis, da war einfach sehr...
00:03:51
Speaker
Sehr wenig Eis und vor allem nur Eis, das aus dem letzten Winter kam und nicht über mehrere Jahre schon gefroren ist.
00:03:58
Speaker
Und das hat mich sehr nachdenklich gemacht, vor allem dann die Gespräche mit den Wissenschaftlern, die gesagt haben, naja, seit 20, 30 Jahren berichten wir davon.
00:04:05
Speaker
Wir berichten über die sich erwärmenden Ozeane, über die Klimakrise, wie sie voranscheidet.
00:04:11
Speaker
Und politisch passiert nichts.
00:04:13
Speaker
Und dann habe ich mir gedacht, okay, was soll ich denn jetzt auf dem Forschungsschiff arbeiten,
00:04:18
Speaker
wenn die Daten, also die richtigen und wichtigen Daten, für nichts genutzt werden in der Praxis, weil der politische Hebel fehlt und weil sich gesellschaftlich nichts ändert.
00:04:27
Speaker
Und das war, also das selber zu sehen und die Frustration auch aus diesem Gespräch mit den Wissenschaftlern zu spüren, das hat mich eigentlich dazu gebracht, zu entscheiden, dass ich mich politisch engagieren muss.
00:04:42
Speaker
Und mich selbst nicht auf Wissenschaft fokussieren möchte, obwohl wir die Wissenschaft natürlich brauchen.
00:04:52
Speaker
Du hast ja glaube ich auch mal gesagt, dass ihr am Anfang, ich weiß nicht, ob du dabei warst, aber mit mehreren Schiffen in die Arktis fahren musstet und dann am Ende war das Eis irgendwie so wenig, dass dann auch ein Schiff gereicht hat.
00:05:04
Speaker
Also dass man das wirklich auch gesehen hat, ist das richtig?
00:05:07
Speaker
Ja.
00:05:08
Speaker
Ja, also Polarstern war mehrfach, also das Schiff jetzt, der deutsche Forschungseisbrecher, der staatliche, den, sag ich mal, wir haben, der war 1991, glaube ich, das erste Mal in der Arktis, also in der zentralen Arktis am Nordpol und damals waren drei Eisbrecher zusammen unterwegs, um es überhaupt zu schaffen und als ich dort war, 2011, haben wir sehr, sehr wenig Zeit dafür gebraucht und
00:05:37
Speaker
konnten dort sehr problemlos mit einem Schiff hinfahren.
00:05:40
Speaker
Aber das ist jetzt natürlich so eine einmalige Erzählung.
00:05:44
Speaker
Insgesamt ist die Datenlage ja auch einfach die von allen Messstationen so, dass wir sehen, dass das Meereis in der Arktis extrem viel dünner wird und eine größere, also weniger geringere Ausbreitung hat einfach.
00:05:58
Speaker
Ja, auf jeden Fall.

Medien und missrepräsentierte Narrative

00:06:01
Speaker
Nun ist es ja so, dass du verschiedenste Proteste gemacht hast.
00:06:05
Speaker
Über den Klimaschutz sprechen wir vielleicht später nochmal.
00:06:08
Speaker
Ein wichtiger Protestmoment war ja die Seenotrettung 2019.
00:06:12
Speaker
Und da würde ich gerne vorweg sagen, dass ich weiß, dass du, glaube ich, eigentlich nicht so gerne über dieses Thema redest, aus guten Gründen.
00:06:21
Speaker
Weil wenn ich es richtig verstanden habe, ist ja da...
00:06:23
Speaker
damals ein großer Personenkult um dich aufgebaut worden und viele andere langjährige Kapitänen, die sich in der Seenotrettung engagieren, wurden so links liegen gelassen, medial, ganz zu schweigen natürlich von den Menschen, die jeden Tag auf dem Meer sterben und das so wenig thematisiert wird.
00:06:42
Speaker
Und trotzdem finde ich es wichtig, dass wir uns einmal den Protest selber anschauen können, weil da eben viele Dynamiken entstehen,
00:06:50
Speaker
die wir vorher in den vorherigen Folgen von Tee und Taktik zu Protest schon so besprochen haben.
00:06:56
Speaker
Vielleicht kannst du uns einmal kurz erzählen, was das Problem genau war 2019 und was natürlich davor schon bestand und jetzt auch noch anhält und was bei der Seenotrettung passiert ist.
00:07:08
Speaker
Naja, die Seenotrettung an sich wird von den unterschiedlichen NGOs, die dort aktiv sind, seit die europäischen Staaten keine staatlichen Seenotrettungsmissionen mehr umsetzen.
00:07:20
Speaker
Was sie eigentlich sollten, wird sehr unterschiedlich gesehen.
00:07:23
Speaker
Es gibt einige Organisationen, die sehen es,
00:07:26
Speaker
sehr als eine Wohltätigkeitsleistung, so Charity-mäßig.
00:07:34
Speaker
Sie sehen es sehr humanitär oder allein humanitär.
00:07:38
Speaker
Und dann gibt es Organisationen, die sehen es humanitär und politisch und sehen es auch praktisch als eine direkte Aktion.
00:07:45
Speaker
Weil in dem Fall, wo der Staat eben nicht handelt und keine, und darüber gibt es wirklich hunderte von Fällen und Belegen, wo Italien, Malta,
00:07:55
Speaker
Andere Mittelmeerstaaten ganz genau wissen, es ist ein Boot in Seenot und sie schicken aber nicht die Küstenwache oder sie schicken überhaupt kein Schiff zur Rettung dorthin.
00:08:04
Speaker
Also mit Absicht praktisch unterlassene Hilfeleistung.
00:08:08
Speaker
Diese Situation gibt es seit mehr als 15 Jahren, wenn nicht schon länger.
00:08:13
Speaker
Und die Seenotrettungsorganisationen sind einfach ein zivilgesellschaftlicher Versuch, die Leute selbst zu retten, aber eigentlich mit dem Ziel gewesen, die Staaten dazu zu bringen, die staatliche Seenotrettung wieder aufzunehmen.
00:08:26
Speaker
Das hat überhaupt nicht funktioniert.
00:08:28
Speaker
Muss man ja ehrlicherweise sagen, sondern im Gegenteil werden die Leute, die diese Seenotrettung machen, kriminalisiert.
00:08:36
Speaker
Logisch ist oder leider ist die Realität, eigentlich ist es nicht logisch, aber es ist die Realität, die Menschen selbst, die auf der Flucht sind und ja ein Recht auf Asyl haben, werden noch viel stärker kriminalisiert als diejenigen, die jetzt Seenotrettung machen oder sonst irgendwo an den Grenzen helfen.
00:08:53
Speaker
Das muss einem auch bewusst sein und das ist auch einer der Gründe, warum ich nicht so großes Interesse habe, über dieses Thema zu reden generell.
00:09:00
Speaker
Also es liegt nicht daran, dass ich das nicht wichtig finde, sondern dass ich denke, die falschen Menschen reden darüber, weil wir reden sehr häufig in den Medien über die verschiedensten Dinge.
00:09:11
Speaker
Kapitäne, hauptsächlich Kapitäninnen, weil man sich irgendwie so freut, dass jetzt Frauen einen Männerberuf machen, aber meinetwegen.
00:09:18
Speaker
Und wir reden ganz wenig über die Leute, die ja aktiv ihre Flucht geschafft haben, sage ich mal, und auf Booten oder auf anderen Wegen.
00:09:30
Speaker
nach Europa kommen und von denen hören

Gesellschaftliche und politische Faktoren bei Seenotrettungen

00:09:32
Speaker
wir sehr wenig.
00:09:32
Speaker
Und ich möchte dazu mal ein konkretes Beispiel machen.
00:09:34
Speaker
Also zu dem Zeitpunkt ziemlich genau, wo ich kurzzeitig in Hausarrest war und ja nach drei Tagen auch wieder rausgelassen wurde, zu dem gleichen Zeitpunkt wurden auf Malta drei schwarze Teenager verhaftet und denen wurde vorgeworfen, sie hätten das Schiff, was sie gerettet hat, gekidnappt und dieses Schiff dazu gezwungen, nach Malta zu fahren.
00:09:58
Speaker
Und der Prozess gegen diese drei jungen Männer läuft seit mittlerweile sechs Jahren.
00:10:04
Speaker
Die waren länger im Gefängnis.
00:10:06
Speaker
Die Prozesse sind wirklich langwierig.
00:10:10
Speaker
Es ist eigentlich allen klar, denen ist überhaupt nichts vorzuwerfen.
00:10:14
Speaker
Und Malta verfolgt einfach weiterhin dieses Verfahren.
00:10:17
Speaker
Abgesehen von einer sehr linken Szene haben die eigentlich überhaupt keine Aufmerksamkeit.
00:10:21
Speaker
Niemand weiß, wer die sind.
00:10:24
Speaker
Und das ist wirklich nur ein Beispiel dafür, wie Medienaufmerksamkeit auch funktioniert.
00:10:29
Speaker
Krass.
00:10:32
Speaker
Ja, richtig absurd.
00:10:33
Speaker
Also meinst du quasi, dass du als weiße Frau aus Deutschland, dass das auch den Protest so hoch gepusht hat?
00:10:41
Speaker
Weil das ist ja oft eine Frage, warum wird jetzt dieser eine Protest zu groß, obwohl schon hunderte von anderen Personen das vorher, sag ich mal, auch genauso gemacht haben.
00:10:50
Speaker
Das war ja bei Rosa Parks und den Sit-Ins auch so, dass sie nicht die erste war.
00:10:54
Speaker
sondern es davor schon sehr viele Leute gab.
00:10:56
Speaker
Aber warum wird es dann ausgerechnet bei dieser Person groß?
00:10:59
Speaker
Denkst du, das hat damit zu tun?
00:11:02
Speaker
Also wichtig ist natürlich der politische Kontext, in dem das alles stattfindet.
00:11:07
Speaker
Also was ist gesellschaftlich gerade so los?
00:11:09
Speaker
Was ist für eine Stimmung überhaupt?
00:11:11
Speaker
Und
00:11:13
Speaker
Dass jetzt meine Verhaftung große Wellen schlagen würde, das haben wir innerhalb der Organisation und ich auch selber erstmal nicht vorhergesehen.
00:11:20
Speaker
Das heißt, es ist eine Analyse, die wir dann alle nachher so hatten und nachher alle gedacht haben, ach ja, natürlich ist es in der Situation passiert.
00:11:28
Speaker
Und zwar kamen verschiedene Faktoren zusammen.
00:11:31
Speaker
In Italien waren wirklich extrem viele Menschen zusammen.
00:11:35
Speaker
mit Salvini, dem damaligen Innenminister, der diese sehr harte Migrationspolitik in die Regierung eingebracht hat.
00:11:42
Speaker
Mit dem waren sie extrem unzufrieden.
00:11:44
Speaker
Viele Menschen in Italien wollten diese Politik nicht und haben auch immer wieder dagegen protestiert, aber hatten letztlich zu wenig Einfluss auf diese Regierung.
00:11:53
Speaker
Das heißt, die Stimmung gegen Salvini war eh schon schlecht.
00:11:55
Speaker
Konkret dann in dem Fall...
00:11:58
Speaker
So wie Salvini ja immer und immer wieder kommentiert hat in diesen zwei, drei Wochen, wo das Thema aktuell war, waren die Kommentare durchweg auch sehr sexistisch.
00:12:09
Speaker
Und das hat auch wiederum viele Frauen auf die Palme gebracht.
00:12:12
Speaker
Auch solche, die vielleicht gar nicht positiv per se zur Migration stehen, aber es war ein weiteres Feld von Leuten, die wirklich genervt waren von Salvini,
00:12:22
Speaker
von dieser Art und Weise, aber auch vom Machismo in Italien generell.
00:12:25
Speaker
Und das ist ja einfach ein Problem, das schon länger existiert.
00:12:29
Speaker
Aber was einfach insbesondere Frauen, aber natürlich auch jüngere Männer extrem nervt.
00:12:33
Speaker
Und dann auf der Seite der Rechten war es natürlich so, dass ich als eine Dünn,
00:12:38
Speaker
Deutsche Personen und die Deutschen werden eben häufig auch als arrogant und belehrend empfunden.
00:12:43
Speaker
Hat auch dann damit zu tun, wie Frau Merkel in der Euro-Krise sich gegenüber Italien oder Griechenland verhalten wird, aber ist auch historisch schon länger so.
00:12:51
Speaker
Das heißt, ich als eine deutsche Person habe ein italienisches Gesetz gebrochen, was die Salvini-Regierung gerade verhängt hatte.
00:12:57
Speaker
Und die
00:12:58
Speaker
Das hat viele Italiener auf der rechten Seite dann eben wütend gemacht, abgesehen davon, dass die über Migration eh schon sehr wütend waren.
00:13:06
Speaker
Und aus diesen verschiedenen Faktoren, aber hauptsächlich, weil innerhalb der Gesellschaft viel gebrodelt hat, hat dieser Tropfen dann praktisch das Fass zum Überlaufen gebracht.
00:13:17
Speaker
Und letztlich hat dazu geführt, dass durch den internationalen Druck, der auf die italienische Regierung entstanden ist, die Regierungskoalition gescheitert ist.
00:13:27
Speaker
Also wenige Wochen danach ist die Regierung von Italien zusammengebrochen.
00:13:32
Speaker
Das ist jetzt natürlich passiert in Italien üblicherweise alle eineinhalb Jahre.
00:13:37
Speaker
Muss man ja leider so sagen, aber es ist trotzdem wirklich so gewesen, dass der Protest oder dieser Fall so groß war, dass er auch dort bei der Koalition, die eh schon Probleme hatte, dazu geführt hat, dass die zusammengebrochen ist.
00:13:51
Speaker
Ja, also Wahnsinn.
00:13:53
Speaker
Du hast gerade in zwei Minuten sehr viel Protestanalyse zusammengebracht.
00:13:57
Speaker
Also einmal natürlich diese externen Faktoren.
00:14:00
Speaker
Gibt es Möglichkeiten Fenster, wo dann Protest auch gut reifen kann auf diesem Grund.
00:14:05
Speaker
Also spannend, wie da die Stimmung in dem Land war und das halt gut zu der Protestaktion auch gepasst hat.
00:14:12
Speaker
Dann natürlich auch, wie sich verschiedene Bewegungen, sage ich mal, überschneiden.
00:14:16
Speaker
Also das mit dem Sexistischen wusste ich zum Beispiel gar nicht.
00:14:19
Speaker
Also dass die Vorgehensweise, die Salvini da gewählt hat, dich als Kriminelle und so darzustellen, dass das dann zurückgeschlagen hat, also ihn ja eigentlich geschwächt hat und Leute noch wütender gemacht hat.
00:14:31
Speaker
Und auch, dass es internationale Unterstützung für dich gab.
00:14:34
Speaker
Also wir haben schon oft über die Säulen der Unterstützung in vorherigen Folgen gesprochen, wo es darum geht,
00:14:40
Speaker
dass man möglichst viele verschiedene wichtige Gruppen in der Gesellschaft für das eigene Anliegen gewinnen sollte.
00:14:46
Speaker
Und gerade ja international, wenn da dann Druck aufgebaut wird, macht es den Protest viel effektiver.
00:14:51
Speaker
Also super spannend, dass da so viel zusammengekommen ist.
00:14:54
Speaker
Mir ist gerade aufgefallen, dass wir, glaube ich, noch gar nicht gesagt haben, was genau die Protestaktion war.
00:14:59
Speaker
Vielleicht magst du das nochmal kurz sagen.
00:15:02
Speaker
Naja, im Grunde empfinde ich auch gar nicht, dass es eine Protestaktion in dem Sinne gab, sondern wir haben einfach mit dem Seenotrettungsschiff ja ungefähr 50 Leute aus einem Boot gerettet.
00:15:15
Speaker
Italien hat uns keinen Hafen zugewiesen, was die nach internationalem Recht müssen, weil die Leute müssen an einen sicheren Ort gebracht werden.
00:15:22
Speaker
Ein Schiff ist kein sicherer Ort, dazu gibt es verschiedene Gerichtsurteile.
00:15:25
Speaker
Und wir haben dann zwei Wochen lang ungefähr versucht, ja auch in anderen Ländern die Möglichkeit zu bekommen, das Schiff anzulegen.
00:15:36
Speaker
Niemand wollte das und dann irgendwann war die Situation der Leute einfach medizinisch so schlecht.
00:15:43
Speaker
dass ich mich entschieden habe, das Schiff in den nächsten Hafen auf Lampedusa zu fahren, auf einer italienischen Insel, ohne die Erlaubnis der italienischen Regierung zu haben und dafür praktisch eine Art Notfall auszurufen und praktisch einen Nothafen anzulaufen.
00:16:00
Speaker
Und dann wurde ich kurz eben verhaftet.
00:16:03
Speaker
Ich war drei Tage im Hausarrest, weil es gerade am Wochenende war, deswegen eigentlich nur.
00:16:08
Speaker
Der Fall wurde einer Haftrichterin zur Prüfung vorgelegt.
00:16:12
Speaker
Und die hat dann gesagt, alles totaler Quatsch, diese Frau, also ich, hätte gar nicht verhaftet werden dürfen und hat mich dann halt freigelassen, sag ich mal.
00:16:22
Speaker
Und sie hat ein Urteil geschrieben zu diesem Fall, in dem sie eben nicht nur über die Verhaftung, sondern über den gesamten Seenotrettungsfall verantwortlich,
00:16:31
Speaker
praktisch die Fakten zusammengefasst hat und die legale Situation dargelegt hat.
00:16:36
Speaker
Und dieses Urteil, was sie geschrieben hat, wurde dann vom obersten Gericht in Italien, dem Cassazione-Gericht, praktisch bestätigt ein halbes Jahr später.
00:16:47
Speaker
Und damit war ihr Urteil rechtskräftig und alle weiteren Untersuchungsverfahren gegen Michonan eingestellt.
00:16:54
Speaker
Sehr gut.
00:17:19
Speaker
In dem Moment, wo du auf dem Boot, glaube ich, angelegt hast und auch gefragt wurdest, denkst du, du bist verhaftet und du noch ganz trocken gesagt hast, nein, irgendwer muss ja das Schiff noch zurückfahren.
00:17:30
Speaker
Und da habe ich mich einfach auch gefragt, wie viel, du hast es gerade schon gesagt, es war aus der Not heraus, aber wie viel von dem Protest von dir oder auch von der Organisation, sage ich mal, vorbereitet war.
00:17:41
Speaker
Oder wie viel da einfach auch aus dir heraus spontan passiert ist, weil du bist ja auch unglaublich, oder ihr als ganze Mannschaft seid ja unglaublich friedlich auch geblieben, habt die Küstenwoche, wenn sie an Bord gekommen ist, immer wieder freundlich auch mit der Hand begrüßt.
00:17:56
Speaker
Genau, inwieweit war das, wusstest du, dass es diese ganzen zivilen Widerstandstheorien gibt und inwieweit war das einfach Intuition?
00:18:04
Speaker
Also wie gesagt, ich empfinde es nicht in dem Sinne als Protest der Menschen,
00:18:09
Speaker
Protest an sich ist vielleicht, dass man mit dem Schiff schon rausfährt und sagt, ich rette diese Leute einfach aus moralischen, politischen Gründen.
00:18:21
Speaker
Aber in den Hafen einzulaufen, habe ich ja nicht aus Protest gemacht, sondern weil es keine andere Lösung für die Menschen an Bord gab.
00:18:29
Speaker
Also es war wirklich ein Notfall.
00:18:32
Speaker
Jetzt möchte ich aber trotzdem ganz klar sagen, die Seenotrettungsorganisationen und auch die Kapitäne, die an Bord gehen,
00:18:38
Speaker
bereiten sich juristisch vor.
00:18:40
Speaker
Wir haben uns in dem Fall eigentlich auf ein anderes Szenario vorbereitet gehabt.
00:18:44
Speaker
Wir haben uns eigentlich darauf vorbereitet gehabt, dass wir angewiesen werden, nach Tunesien zu fahren und die Leute in Tunesien abzugeben.
00:18:51
Speaker
Das heißt, uns war sehr klar, dass diese Seenotrettungsmission, weil die Stübung in Italien insgesamt so aufgeladen war,
00:18:59
Speaker
Und Salvini auch gerade eben dieses neue Gesetz oder diese neue Verordnung nur Tage vorher durchgebracht hatte.
00:19:06
Speaker
Uns war klar, dass es ein Verfahren geben würde.
00:19:09
Speaker
Aber die meisten Leute, die ein Seenotrettungsverfahren, sage ich mal, hatten, es sind gar nicht mal so viele am Ende,
00:19:16
Speaker
Die werden nicht verhaftet.
00:19:17
Speaker
Das ist ein Unterschied.
00:19:19
Speaker
Das heißt, die kriegen einfach Papierkram hingelegt, Dokumente mit einer Anklage.
00:19:23
Speaker
Aber weil sowieso keine Fluchtgefahr besteht und alles andere, werden die eigentlich nie verhaftet.
00:19:28
Speaker
Und das ist der Grund, warum ich auch nicht gedacht habe, dass ich verhaftet werde in dem Sinne,
00:19:33
Speaker
sondern mir war sehr klar, dass ich ein Verfahren bekomme.
00:19:37
Speaker
Und dafür haben die Seenotrettungsorganisationen natürlich auch juristische Unterstützung.
00:19:41
Speaker
Sea-Watch hat alles juristisch begleitet, macht das auch für alle anderen Leute, die da jemals von betroffen waren.
00:19:48
Speaker
Es gibt einen Rechtshilfefonds.
00:19:50
Speaker
Mit dem Rechtshilfefonds werden auch ganz andere Fälle auch von Geflüchteten manchmal unterstützt.
00:19:56
Speaker
Also es gibt natürlich eine juristische Vorbereitung, aber in dem Fall lag auch die Schwierigkeit darin, dass das Gesetz ganz neu war.
00:20:05
Speaker
Und wenn ein Gesetz neu ist, wissen auch noch keine Anwälte, wie das Gesetz ausgelegt wird.
00:20:11
Speaker
Ja, okay, spannend.
00:20:14
Speaker
Nun ist es ja so, dass du dich eigentlich viel mehr in der Klimagerechtigkeitsbewegung auch verortest.

Protestaktionen und lokale Gemeinschaften

00:20:20
Speaker
Du warst bei verschiedenen Waldbesetzungen, dann im Röderforst oder im Hambacherforst, auch in Skandinavien und hast viele verschiedene andere Proteste selber ausprobiert oder auch warst dabei als begleitende Person.
00:20:37
Speaker
Was hast du genau gemacht und was funktioniert deiner Erfahrung nach auch sehr gut?
00:20:42
Speaker
Ich habe an einigen Waldbesetzungen teilgenommen, aber meistens nur punktuell, würde ich sagen.
00:20:49
Speaker
Nicht von Anfang bis Ende, auch wenn ich sehr viel während der Räumung zum Beispiel im Dannenröder Wald war.
00:20:57
Speaker
Das war ja 2021, glaube ich, in Hessen.
00:21:00
Speaker
Ich war bei den ersten Brückenbesetzungen von Extinction Rebellion in London zum Beispiel dabei.
00:21:07
Speaker
Und habe da noch einige Leute getroffen, die ganz im Kern von XR damals am Anfang standen und das in Großbritannien groß gemacht hatten im Geheimen, bis es dann zu diesen ersten großen Protesten kam.
00:21:20
Speaker
Ja, ich habe natürlich auch gelegentlich für Greenpeace gearbeitet.
00:21:25
Speaker
die der anderen Form von, also ich würde sagen, deutlich organisierteren oder anders organisierteren Protest machen.
00:21:33
Speaker
In Schweden habe ich teilweise Waldproteste unterstützt, wo es auch um dekoloniale Fragen geht.
00:21:43
Speaker
weil im Norden von Skandinavien und Finnland wohnen Sami, die Rechte als Indigene haben, die aber je nach Staat unterschiedlich anerkannt werden.
00:21:53
Speaker
Norwegen hat mehr Rechte für die Sami als andere Länder.
00:21:58
Speaker
Und da ist es wirklich noch mal schwieriger, Proteste umzusetzen in dem Sinne, dass man eine sehr lange Vorbereitungszeit braucht.
00:22:09
Speaker
Wenn man von außen irgendwo hinkommt, das ist aber auch
00:22:12
Speaker
Ähnlich natürlich in Deutschland.
00:22:14
Speaker
Wenn man von außen als irgendeine Gruppe, die bereit ist, Wälder zu schützen, man denkt, wohin kommt, muss man sich mit den lokalen Menschen erstmal anfreunden und die Gemeinschaft, die dort lebt, auch davon überzeugen, dass ziviler Ungehorsam passend sein könnte.
00:22:31
Speaker
Und vielleicht ist es ja auch gar nicht passend.
00:22:33
Speaker
Und die lokalen Leute wissen das viel besser als man selbst, weil sie ja dort eben leben und die Gemeinschaft kennen.
00:22:39
Speaker
Aber man muss eben dort verstehen im Norden, dass die Gemeinschaften zersplittert sind, dass es viele Konflikte gibt, historische Konflikte und eben auch Konflikte deswegen, weil es eine Mehrheitsgesellschaft gibt, Schweden, Finnen, Norweger und so weiter.
00:22:57
Speaker
Und dann gibt es eben Sami, die wirklich seit Jahrhunderten und bis heute vom Staat unterdrückt werden.
00:23:04
Speaker
auf gewisse Art und Weise, also teilweise kulturell, teilweise, dass ihnen Land genommen wurde,
00:23:11
Speaker
dass sie nicht anerkannt werden als Sami, ganz verschiedene Dinge.
00:23:17
Speaker
Und das macht es einfach nochmal schwieriger, als Menschen aus einem anderen Land oder Menschen aus einer Mehrheitsgesellschaft irgendwo hinzugehen, mit Leuten zu arbeiten, die seit Jahrhunderten mit kolonialer Repression konfrontiert sind.
00:23:32
Speaker
Das erfordert auch ganz viel Arbeit innerhalb der Gruppe der Aktivisten, sich damit auseinanderzusetzen.
00:23:39
Speaker
Und was hast du dann, also wie hast du das genau gemacht?
00:23:42
Speaker
Oder was habt ihr dann genau gemacht, um euch für die Rechte einzusetzen?
00:23:46
Speaker
Also anfangs, um das Vertrauen und die Verhältnisse zu den Leuten aufzubauen, wurde auch einfach, es wurden viele Gespräche geführt und viel Tee getrunken.
00:23:54
Speaker
Tee?
00:23:56
Speaker
Oder Kaffee.
00:23:58
Speaker
Dort wird eigentlich viel Kaffee getrunken.
00:24:01
Speaker
Aber ja, Blockaden dort...
00:24:04
Speaker
Das findet natürlich häufig im Winter auch statt.
00:24:07
Speaker
Das ist genau wie eigentlich wie in Deutschland, dass die Rodungssaison im Winter ist.
00:24:14
Speaker
In Skandinavien hat das damit zu tun, dass dann die Straßen manchmal leichter befahrbar sind, die Forstwege, weil sie nämlich gefroren sind und man mit schwerem Fahrzeug dort besser passieren kann als im Sommer, wenn es matschig ist.
00:24:24
Speaker
Und dort sehen eigentlich Waldproteste,
00:24:29
Speaker
Ähnlich aus wie in Deutschland, aber man kann nicht so gute Baumhäuser zum Beispiel bauen.
00:24:33
Speaker
In Deutschland kennt man ja so klassisch das Baumhaus.
00:24:35
Speaker
Das geht in Skandinavien nicht, weil die Bäume meistens, also im Norden meistens zu klein und zu niedrig sind.
00:24:42
Speaker
Man kann trotzdem Traversen mit
00:24:44
Speaker
Bannern, Spannen über die Straße oder sich was anderes einfallen lassen.
00:24:49
Speaker
Wir haben auch einmal den Zugangsweg zu einem Waldgebiet, das gerodet werden sollte, mit einem Zelt blockiert.
00:24:56
Speaker
Und das war aber wirklich ein Gruppenzelt, was einen kleinen Ofen da drin hatte, wo wir gemeinschaftlich geschlafen haben, wo irgendwie so 10, 15 Leute reingepasst haben.
00:25:06
Speaker
Das haben wir einfach mitten...
00:25:08
Speaker
auf diesen Feldweg gestellt.
00:25:10
Speaker
Und dadurch, dass ja alles zugeschneit war, links und rechts, konnte dann im Prinzip der Schneepflug an uns nicht mehr vorbeifahren und auch die Straße nicht mehr räumen.
00:25:18
Speaker
Aber man muss auch wissen, in verschiedenen, also
00:25:23
Speaker
In verschiedenen Kulturen generell oder in verschiedenen Orten sind Leute unterschiedlich konfrontativ, sage ich mal.
00:25:30
Speaker
Und in Skandinavien, spezifisch auch in Schweden, tragen Leute Konflikte häufig nicht so offen zur Schau.
00:25:36
Speaker
Das heißt, so eine Art von Protest, also einfach nur die Straße mit einem Zelt zu blockieren, wird dort schon ein sehr starkes Signal.
00:25:43
Speaker
Der Schneeflugfahrer, der dann kam und mit dem wir einfach gesprochen haben, der letztlich einfach nur umdrehen musste, war vollkommen entrüstet.
00:25:51
Speaker
Und hat dann beim Chef angerufen und der hat beim Chef von der größten schwedischen Forstfirma eben angerufen bei Sverskog, die dafür zuständig waren, die da eben roden wollten.
00:26:02
Speaker
Und das heißt, es war im Prinzip eine Form von Protest für überhaupt niemand.
00:26:07
Speaker
Es gab keine Polizei, es passierte eigentlich gar nichts.
00:26:10
Speaker
Wir haben einfach dort gezeltet, aber es hat schon ausgereicht.
00:26:14
Speaker
Also in dem Jahr ist dort jedenfalls nicht gerudelt worden und da ist auch bis heute, sobald ich weiß, ein paar Jahre später, gehen verschiedene Formen von Protest weiter.
00:26:23
Speaker
Sehr gut, sehr effektiv und auch wichtig, dass du das einordnest nochmal, dass natürlich auch die Theorien, die wir so zum Widerstand besprechen, man kann die nicht alle eins zu eins überall so einsetzen, sondern es ist sehr kontextabhängig natürlich immer, in welcher Region du dich befindest und auch super wichtig mit den Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten.

Polizeigewalt und Proteste: Rassendynamiken

00:26:43
Speaker
Ja, und ich finde einen Punkt, den ich auch nochmal da erwähnen möchte, ist, die Repression durch Polizei oder Gewalt durch Polizei ist halt unterschiedlich von Land zu Land, aber hängt natürlich auch davon ab, wer protestiert.
00:26:58
Speaker
Und das, finde ich, sieht man wieder sehr deutlich in diesem Unterschied von, haben wir hauptsächlich weiße Menschen, die irgendwo protestieren oder haben wir schwarze Menschen, die eh eine rassistische Diskriminierung in unserer Gesellschaft schon erleben, die irgendwo protestieren, weil die sind häufig wirklich von deutlich mehr Polizeigewalt betroffen.
00:27:17
Speaker
Ja, ich glaube, das ist eine gute Überleitung.
00:27:20
Speaker
Da wollte ich dich nämlich auch noch fragen.
00:27:23
Speaker
Du hast mir neulich erzählt, dass du auch Menschen begleitest.
00:27:26
Speaker
Ich weiß jetzt nicht, ob das im Zuge deiner parlamentarischen Beobachtung war.
00:27:30
Speaker
Vielleicht kannst du das nochmal kurz erzählen, was genau du da gemacht hast und was das bedeutet, weil das ja auch eine Protestunterstützung oder Protestform sein kann, die verschiedene Menschen ja auch ausüben können.
00:27:43
Speaker
Ja, also...
00:27:45
Speaker
Seit ich jetzt im Juni Abgeordnete bin, wurde ich mehrfach angefragt als parlamentarische Beobachtung, also als juristische Beobachtung, wenn man so will, Proteste zu begleiten.
00:27:58
Speaker
In dem speziellen Fall im Juni bei Widersätzen in Essen, also praktisch einem großen Protest gegen den AfD-Parteitag in Essen.
00:28:06
Speaker
Das war jetzt wieder im Prinzip das Gleiche beim AfD-Parteitag in Riesa vor wenigen Wochen.
00:28:14
Speaker
dass ja viele Leute zusammengekommen sind.
00:28:16
Speaker
Aber dort im Juni hat mich spezifisch jemand angefragt, der als Sprecher für das Protestbindnis Widersetzen dabei war.
00:28:26
Speaker
Eine Person, die selbst geflüchtet ist.
00:28:29
Speaker
und die ich auch schon ein bisschen länger kannte, Alassar Fouin-Brun.
00:28:33
Speaker
Und er wollte einfach, dass ich mitkomme und ihn den ganzen Tag praktisch dort begleite, weil er einerseits Angst auch vor Polizeigewalt hat, weil er Angst vor schwierigen Situationen in diesem Protest hat und als Sprecher natürlich dann eine hervorgehörige Rolle hat.
00:28:50
Speaker
Dass das jetzt nicht von der Hand zu weisen ist, sieht man ja auch daran, dass eben bei den letzten Protesten in Riesa tatsächlich dann der parlamentarische Beobachter von der linken Namen von der Polizei ins Gesicht geschlagen wurde, obwohl er sich ausgegießen hat als parlamentarischer Beobachter.
00:29:06
Speaker
Das sind natürlich wieder so Sonderfälle von Polizeigewalt.
00:29:09
Speaker
Aber häufig trifft natürlich die Polizeigewalt die Demonstranten und Demonstrantinnen.
00:29:13
Speaker
Und da kann parlamentarische Beobachtung helfen,
00:29:17
Speaker
die Polizei zu kontrollieren, nachher das anzuklagen, wenn etwas passiert.
00:29:22
Speaker
Aber das sind auch Aufgaben, die auch Leute von NGOs oder Menschenrechtsgruppen häufig übernehmen.
00:29:31
Speaker
Also in Frankreich gibt es bestimmte Gruppen, die dafür ausgebildet sind, Proteste zu begleiten und
00:29:40
Speaker
die im Prinzip auch immer zu weißen Westen rumlaufen und dann einfach beobachten, was dort passiert und das zur Anklage bringen, wenn es Probleme mit Polizeigewalt zum Beispiel gibt.
00:29:51
Speaker
Ja, und ich glaube, es ist halt auch dahingehend super essentiell, dass wir ja oft sehen, dass effektiver Protest halt darauf aufgebaut ist, dass verschiedenste Menschen teilnehmen.

Carola Raketes Rolle im EU-Parlament

00:30:01
Speaker
Und das kann ja eine Möglichkeit sein, um eben verschiedenen Gruppen zu helfen oder das zu ermöglichen, auch teilzuhaben oder zu sprechen in der Öffentlichkeit.
00:30:11
Speaker
Also richtig gut, dass du das machst.
00:30:14
Speaker
Da habe ich auch noch eine Frage.
00:30:16
Speaker
Ich persönlich sehe das ja gar nicht so kritisch, aber wenn man jetzt mal die Kritikerin mit in dieses Gespräch holt, ist es ja so, dass du jetzt im EU-Parlament bist und da ja oft oder ich auch schon oft gefragt wurde, ja, warum gehen sie denn nicht den politischen Weg?
00:30:32
Speaker
Der ist doch viel wirksamer als Widerstand und so ein bisschen die beiden gegeneinander ausspielen.
00:30:37
Speaker
Wobei ich ja denke, wir brauchen bei den großen Krisen, die wir haben, alle verschiedenen Werkzeuge, die so in unserem Werkzeugkasten sind und
00:30:45
Speaker
Aber genau, wie gehst du damit um, wenn dich Menschen fragen, ob du jetzt quasi den Protestwiderstand deiner Engagement vorher abgeschworen hast und jetzt doch den politischen Weg geht, wenn man es jetzt mal so überspitzt gesagt sagt, was hat dich dazu bewegt?
00:31:01
Speaker
Ich habe diese Entscheidung ja zusammen mit anderen Menschen auch getroffen, die in sozialen Bewegungen aktiv sind.
00:31:08
Speaker
Ein wichtiges Argument war für mich tatsächlich, dass mir Menschen, Leute, die auch wirklich aktiv sind in sozialen Bewegungen, Initiativen, die viel organisieren, viel auf die Beine stellen,
00:31:19
Speaker
aber eben keinen deutschen Pass haben, sondern, was weiß ich, politisches Asyl oder so, weil sie aus Staaten wie Syrien oder aus Ägypten fliehen mussten.
00:31:27
Speaker
Dass die sagen, es ist wirklich ein Privileg und das sollte uns wirklich bewusst sein, wenn du einen europäischen Pass hast, wenn du einen deutschen Pass hast, weil dann kannst du bestimmte Dinge machen, die können Leute ohne Pass eben nicht.
00:31:41
Speaker
Und das ist halt zum einen wählen und zum anderen auch zu einer Wahl als Kandidat antreten.
00:31:48
Speaker
Und in dem Sinne, wenn man sich fragt, in diesem Ökosystem der Bewegung, wo es verschiedene Rollen gibt, die alle sinnvoll sind, dann können manche Leute bestimmte Rollen vielleicht nicht ausüben.
00:32:00
Speaker
Und in diesem Zusammenhang kann es nützlich sein,
00:32:05
Speaker
Informationen aus dem Parlament zu bekommen, Anfragen stellen zu können, Reden im Parlament halten zu können, parlamentarische Ingenietät zu haben und so weiter.
00:32:15
Speaker
Das kann eine sinnvolle Aufgabe sein, aber das heißt natürlich nicht,
00:32:20
Speaker
Auf gar keinen Fall, dass alle Menschen, die auf der Straße aktiv waren oder in sozialen Initiativen irgendwie aktiv sind, dass die alle in die Parteipolitik gehen sollen.
00:32:30
Speaker
Also ich bin jetzt auch kein Parteimitglied, aber es ist auf jeden Fall nicht genau, wie du sagst.
00:32:35
Speaker
Es ist nicht das eine oder das andere, sondern es braucht eigentlich alles.
00:32:41
Speaker
Also es braucht gerade jetzt ja auch mit dem massiven Rechtsruck, den wir sehen,
00:32:46
Speaker
Eine Stärkung der Verbindung von meiner Meinung nach Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und linker Politik im Parlament.
00:32:55
Speaker
Ja, auf jeden Fall, stimme ich dir auf jeden Fall zu.
00:32:59
Speaker
Und danke auch, dass du diese...
00:33:01
Speaker
diesen Weg jetzt auch gehst und das schon so lange machst.
00:33:04
Speaker
Da wäre jetzt noch meine letzte Frage, weil das immer wieder großes Thema auch bei uns ist, wie man das auch schaffen kann, weil man sich ja oft ohnmächtig fühlt, sage ich mal, und überfordert von den ganzen Krisen, die es so in dieser Welt gibt.

Ratschläge für Motivation und Fokus

00:33:18
Speaker
Was du Menschen vielleicht noch mitgeben möchtest, die jetzt diesen Podcast hören, die
00:33:22
Speaker
schon engagiert sind oder auch noch nicht.
00:33:24
Speaker
Was kannst du denen noch mitgeben, was man manchmal oder wie du dich da auch in solchen Zeiten immer wieder motivierst, neue Dinge auch auszuprobieren?
00:33:32
Speaker
Ich denke, es hilft sich auf etwas Konkretes zu fokussieren, was man auch wirklich tun kann.
00:33:39
Speaker
Es gibt natürlich gerade und wir haben so viele Informationen auch über all die vielen furchtbaren Dinge, die gerade passieren.
00:33:47
Speaker
Aber ich glaube, dass
00:33:49
Speaker
Für die eigene Gesundheit, sage ich mal, ist es wichtig, sich auf das zu fokussieren, was man konkret tun kann.
00:33:57
Speaker
Und selbst wenn man sich eine konkrete Sache vornimmt, die man auch wirklich tut, eine Politgruppe, eine Sache vor Ort, eine Aktion, die man wirklich umsetzt,
00:34:09
Speaker
wo man mitmacht oder wo man auch längerfristig dabei bleibt.
00:34:12
Speaker
Das ist auf jeden Fall sinnvoll.
00:34:14
Speaker
Wir können ja nicht als Einzelpersonen oder wir können auch nicht mit unserer Gruppe von Freunden alle Probleme lösen, über die wir jetzt über Social Media oder Nachrichten hören.
00:34:25
Speaker
Sondern ich glaube, es ist wirklich, wirklich wichtig, sich auf das zu fokussieren, was man konkret tun kann und mit einer Sache anzufangen und sich darauf zu verlassen, dass hoffentlich auch andere Leute mit einer Sache konkret anfangen.
00:34:40
Speaker
Denn wenn wir alle denken, das Problem ist zu groß, ich bin total überwältigt, ich tue gar nichts,
00:34:47
Speaker
dann führt das ja dazu, dass wir kollektiv alles nichts machen, sondern im Prinzip müssen wir dahin kommen, dass jede Person, die das kann, mit einer Sache anfängt und an einer Gruppe, an einer Aktion oder so sich beteiligt.
00:35:00
Speaker
Ja, das finde ich sehr schön.
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Speaker
Vielen, vielen Dank, liebe Carola, dass du dir die Zeit genommen hast.
00:35:06
Speaker
Ich weiß, du musst gleich noch ins EU-Parlament und Reden halten und dass du dir so früh morgens Zeit nimmst, um mit uns über Protest zu sprechen.
00:35:14
Speaker
Ja, vielen Dank dir.
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Speaker
Ja, es hat mir Spaß gemacht und ich hoffe, wir sehen uns mal wieder.
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Speaker
Ja, auf jeden Fall.
00:35:21
Speaker
Das fände ich auch sehr schön.
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Speaker
Genau, an der Stelle auch nochmal ein großes Dankeschön an unsere Postproduktion zum Staunen und Kraft der Gewaltfreiheit, die uns mit einer Förderung unterstützt, diesen Podcast machen zu können.
00:35:35
Speaker
Und wir freuen uns dann auf die nächste Folge, wo Dalila am letzten Donnerstag im März kommt hier raus, zwar eine Fußball-Folge macht mit einem spannenden Gast Thomas Kessen.
00:35:45
Speaker
Da ging es nämlich darum, wie sie Proteste in der Bundesliga gestört haben, um DFL-Investoren-Deals abzuwenden.
00:35:53
Speaker
Also bleibt dran und ja, Carola und ich sagen Tschüss, macht's gut.
00:36:04
Speaker
This fight is one that you can win.