Einführung und Vorstellung von Lars von Törne
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Speaker
Hallo und herzlich willkommen zum Splittercast, dem Podcast von und mit dem Splitter Verlag, Bielefelds bestem Comic Verlag. Wir sind heute schon in der 20. Folge dieses Podcasts, worüber ich mich sehr freue, wie ich letztes Mal auch schon erwähnt habe. Danke für eure Treue, danke fürs Zuhören. Und wenn euch gefällt, was ihr hört, dann lasst uns natürlich gerne ein Abo da und gebt uns ein bisschen Feedback an info-splitter-verlag.de.
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Speaker
So, nachdem ich das jetzt schon mal aus den Füßen habe, diese Bemerkungen, stelle ich euch kurz unseren Gast vor diese Woche, denn heute spreche ich mit Lars von Törne vom Tagesspiegel in Berlin, also die Tageszeitung in Berlin. Der Tagesspiegel hat schon seit 13 oder 14 Jahren eine ziemlich gut laufende und beständige Comic-Probrek, die inzwischen sogar auch darin gipfelt, dass es eine einmalige Comic-Doppelseite in der Print-Ausgabe vom Tagesspiegel gibt.
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Speaker
Und darüber spreche ich mit Lars, wie es dazu kam, wie diese Seite zusammengestellt wird, wie sich das entwickelt hat und auch ein bisschen darüber, wie er die Comicszene gerade in Berlin so sieht.
Leidenschaft für kanadische Comics und Tagesspiegel-Geschichte
00:01:11
Speaker
Und wir sprechen auch über Lars großes, ich sag mal Steckenpferd, seine große Liebe, nämlich den kanadischen Comic, wo er einige echt coole Leseempfehlungen hat. Generell bringt Lars uns einige interessante Leseempfehlungen auch im späteren Teil der Folge noch mit.
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Speaker
Seid gespannt und freut euch ein wenig. Ich denke, es ist ein sehr interessantes Gespräch geworden mit einem tollen Gesprächspartner. Wirklich sehr, sehr unterhaltsam. Und ich wünsche euch jetzt viel Spaß mit Folge 20 vom Splittercast mit Lars von Törne. Hallo, lieber Lars. Willkommen im Splittercast. Danke, dass du dir Zeit nimmst. Geht's dir gut?
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Speaker
Ja, Max, vielen Dank für die Einladung. Geht mir gut. Sitze hier gerade in meinem Homeoffice und habe eine kleine Arbeitspause von meinem täglichen Tagesspiegelwerk und freue mich, mit dir zu sprechen.
00:02:00
Speaker
Das freut mich auch sehr. Danke, dass du dir die Zeit nimmst in deiner Pause. Und ja, freut mich sehr, dass wir dich hier zu Gast haben können. Du hast es grad schon erwähnt, du arbeitest beim Tagesspiegel in Berlin. Ich denke, viele unserer Zuhörerinnen und Zuhörer kennen die Zeitung, auch wenn sie wie ich auch nicht in Berlin leben. Und du bist da unter anderem für die Comicseite zuständig. Ihr habt ja eine regelmäßige Comicseite in der Printausgabe und auch einen sehr schönen ...
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Speaker
Ich nenn's jetzt mal Comicblog, auch wenn's natürlich ein Ressort der Tagesspiegel-Website ist. Und wenn ich nicht ganz falsch informiert bin, hast du diese Comicseite auch damals aus der Taufe gehoben, oder? Genau. Das war vor zwölf, dreizehn Jahren eine Idee, die damals noch zusammen mit meinem Kollegen Sebastian Leber ich entwickelt habe, der dann aber sich weiteren anderen Dingen gewidmet hat. Und ich hab das Projekt dann alleine weitergeführt.
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Speaker
Das war damals eine Zeit, als Zeitungen im Umbruch waren und mehr und mehr eben auch Medienunternehmen Richtung Internet wurden, was bei uns inzwischen ein ganz wichtiger Bestandteil natürlich ist. Und da haben wir vieles ausprobiert und da haben wir eine Online-Comic-Seite gestartet.
Wachstum und Integration der Comic-Sektion bei Tagesspiegel
00:03:13
Speaker
die damals dann auch so gut ankamen, dass wir das dann wiederum auch in die Print-Zeitung überführt haben. Von daher ist das heute so ein Sammelbegriff. Wenn man sagt, die Tagesspiegel-Comic-Seite, dann ist es, wie du ganz richtig sagst, zum einen eine monatliche Comic-Seite, die
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Speaker
in der Printausgabe des Tagesspiegels erscheint. Das ist die Website, es sind verschiedene Social-Media-Plattformen und es ist inzwischen auch noch dazugekommen vor einigen Jahren eine Rubrik jeden Montag auch in der Printausgabe auf unserer letzten Seite, Weltspiegelseite namens Comicheld der Woche. Also wir haben so verschiedene Spielflächen, die alle unter diesem Sammelbegriff Tagesspiegelcomicseite zusammengefasst werden können.
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Speaker
Und das ist alles so organisch immer größer geworden über die Jahre. Hab ich das richtig so rausgehört? Genau.
00:04:00
Speaker
Genau, das hat, wie viele unserer Projekte, dann einfach auch so ein Wachstum erlebt durch Ausprobieren, durch Ausleben auch eigener Interessen. Ich war damals regulärer Redakteur im Berlin-Resort, also Lokalredakteur, als das anfing vor 13 Jahren und habe das eher so nebenbei gemacht, dass ich für die Kulturseiten hin und wieder mal über Comics schrieb, aber eben gemerkt habe, dass da eigentlich selten genug Platz ist, um all das zu würdigen, was zu behandeln wäre.
00:04:29
Speaker
Und hab dann eben angefangen, online mehr zu machen und hab mir da auch Bündnispartner gesucht, um das innerhalb der Zeitung und auch außen stärker und stärker auch vertreten zu können. Und dann ist das tatsächlich organisch so in verschiedene Richtungen gewachsen. Klingt nach der Win-Win-Situation sozusagen.
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Speaker
Ja, es war halt auch das Glück. Also man muss sagen, es gab halt auch Vorläufer, die den Weg für uns geebnet haben. Also meine Vorbilder damals vor 13, 14 Jahren, das waren natürlich Projekte wie die Comic-Berichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es gab hier in der Stadtzeit Schrift City, die leider inzwischen eingestellt wurde, eine Zeit lang eine regelmäßige Comic-Seite. Es gab in der Berliner Zeitung, unserem Hauptlokalkonkurrenten lange Zeit, eben hin und wieder auch
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Speaker
Gute Comic-Berichterstattung und auch Comic-Strips wurden da veröffentlicht, wie auch in der FATS. Und in beiden Bereichen, also auch bei der Veröffentlichung von Comics, waren das so Vorbilder. Wir haben ja neben den Comics-Seiten, wo wir redaktionell Comics behandeln, auch lange Zeit immer sonntags einen großen Comic veröffentlicht und machen jetzt das Ganze online in unserem Newsletter-Checkpoint. Da gibt es einen täglichen Comic.
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Speaker
Und das basiert aber eben alles unter anderem auch ein bisschen auf dem Input, den Vorbilder aus anderen Medien geebnet haben. Na ja gut, besser gut kopiert und weiterentwickelt als schlecht selbst erfunden.
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Speaker
Das sollte jetzt nicht gemein sein. Es ist ja tatsächlich auch so, dass man eben auch gucken muss, was geht überhaupt und dafür ist es ja hilfreich zu sehen, wenn andere bestimmte Dinge auch schon mal ausprobiert haben. Wir haben das dann halt viel stärker verstetigt und viel stärker so institutionalisiert, diese Comic-Seite, als die anderen Medien das hatten, weil ich eben auch wirklich fand, dass wir so einen festen Rahmen haben, dass man nicht jeden Tag oder jede Woche oder jeden Monat wieder neu dafür werben muss,
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Speaker
den Comics jetzt mal Platz zu geben, sondern dass man einfach auch so einen Schutzraum sozusagen hat für diese Kunstform und dadurch ist das dann auch schon was eigenes geworden, ist aber eben auch dank vieler Inspiration von außen so gewachsen. Aber als genau sowas nehme ich eure Comicarbeit oder das Restor bei euch auch so wahr. Es ist ein Schutzraum und es ist halt auch dadurch, dass es diese Regelmäßigkeit hat auf
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Speaker
dem Niveau, auf dem ihr euch bewegt, irgendwo eine gewisse Einzigartigkeit. Ich wüsste jetzt auch keine Zeitung von der Größe des Tagesspiegels, die das in der Form so macht, zumindest innerhalb von Deutschland natürlich.
Persönlicher Werdegang und Einfluss von Lars von Törne
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Speaker
Ja. Genau. War ja auch einer der Gründe, weshalb ich dich eingeladen habe.
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Speaker
Aber wenn wir mal einen kurzen Schritt zurückgehen und vielleicht mal kurz auf deinen Hintergrund dazu zu sprechen kommen. Also, wie kam es dazu oder wie kamst du dazu, das unmitmachen zu wollen? Also, du hast gesagt, dass du schon so immer mal wieder Comic-Themen im Kulturbereich, die du betreut hast oder mitbetreut hast, besprochen hast. Aber jeder kommt ja irgendwie zum Comic. Wie kamst du denn dazu, wenn du dich da noch erinnern kannst?
00:07:26
Speaker
Ja, das war tatsächlich auch eine frühe Kindheitserfahrung, wie bei vielen Leuten, die sich den Comic verschrieben haben. Das war tatsächlich die Kunstform, das Medium, über das ich Lesenden gelernt habe, über das ich die Kombination von Bild und Text wahrgenommen habe. Und auf dem Dorf, wo ich groß geworden bin in Norddeutschland,
00:07:45
Speaker
dann auch immer abhängig davon, was zufällig gerade auf dem Flohmarkt zu kriegen war. Und die werden dann eben geprägt worden von lustigen Taschenbüchern, Asterix, Tim und Struppi und Superheldengeschichten. Aber dann meistens tatsächlich so die Sachen, die zufällig zu finden waren. Also keine sehr gepflegte Comicbildung.
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Speaker
dann ist es ein paar Jahre lang eingeschlafen, weil das ja oft dann auch Comics waren, die explizit für Kinder waren und mich dann auch als Student nicht mehr interessiert haben. Und als Erwachsener nach dem Studium habe ich dann eher zufällig entdeckt, dass es inzwischen einen großen Bereich von Comics gibt, der sich damals schon entwickelt hatte und seitdem ja fast explosionsartig gewachsen ist, der eben auch Erwachsene anspricht. Und habe dann angefangen im Tagesspiegel, wo ich seit über 20 Jahren jetzt Redakteur bin,
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Speaker
habe da angefangen, immer wieder auch bei meinen Kollegen auf der Literaturseite dafür zu werben, auch mal Comics zu besprechen. Ich war hauptsächlich in der Lokalredaktion viele Jahre, in der Berliner Redaktion, das heißt, ich hatte jetzt keinen festen Fuß in der Kultur, aber habe dann nach und nach angefangen, mir eben auch das Anzueignen, ein Wissen und Verständnis dafür, was es inzwischen alles an Erwachsenencomics gibt.
00:08:52
Speaker
und bin da nach und nach dann sozusagen zum zweiten Mal wieder eingestiegen in den Comic-Bereich und habe das dann eben auch über verschiedene Auslandserfahrungen intensiviert. Also ich war eine Zeit lang dann länger in Nordamerika, vor allem in Kanada, auch aus privaten Gründen, bin immer wieder in anderen Ländern unterwegs gewesen und habe da dann auch versucht, so viel wie möglich Comic
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Speaker
Artikel Comic Recherchen zu machen. Und so ist das dann gewachsen, dieses Interesse und auch ein gewisses professionelles Verständnis von dem, was dieses Medium, diese Kunstform heute ausmacht. Kannst du zurückverfolgen, gab es so den einen Comic für Erwachsene, sag ich jetzt mal, die das
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Speaker
vor Augen geführt hat, dass dieses Medium vielleicht auch für dich als erwachsenen Menschen ... Ich frag das so, weil ich kann's bei mir genau zurückverfolgen, dass es Fun Home von Alison Bechtel war. Oh ja, das ist ja auch ein tolles Buch. Ja, ist ein supertolles Buch. Da steh ich auch immer noch, einer meiner Lieblings-Graphic-Novels. Und dann kurze Zeit später Persepolis und Maus, was jetzt ein bisschen bekannter ist wieder. Gibt's bei dir auch so dieses eine Schlüsselwerk, sag ich mal?
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Speaker
Na, es gab tatsächlich zwei Bücher, die ich zufällig in der Bibliothek entdeckt habe als Student hier in Berlin in einer Bezirksbibliothek, die sehr gut sortiert ist, was Comics angeht. Das eine war von Thaddi hier selbst. Eine Geschichte von einem Mann, so ein bisschen surrealistisch, der auf einer Mauer wohnt und da so von Mauern und Grenzen durchzogenes Gebiet überwacht.
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Speaker
fantastisch gezeigt hat und eine fantastische surrealistische Geschichte. Die hat mir damals tatsächlich die Augen geöffnet. Und dann habe ich Haute Rue du Soleil von Baru entdeckt, was auch bei Edition Moderne erschien.
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Speaker
So eine wilde Geschichte von zwei jungen Männern, die sich da mit Rechtsextremisten und Gangstern und allen möglichen Gegenspielern rumschlagen auf so eine Road-Story. Aber fantastisch gezeichnet, damals glaube ich von Baru auch für japanische Veröffentlichungen anvisiert.
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Speaker
Also auch eine tolle Mischung von stilistischen Elementen. Das waren so zwei Bücher, wo ich mit Mitte 20, Ende 20, die dann x-mal wiedergelesen habe und gemerkt habe, wow, da geht ja was. Das war mir bis dahin gar nicht bewusst gewesen. Ja, war bei mir genauso. Bei mir ging es über die Universitätsseminare, wo das dann so breiter getreten wurde.
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Speaker
Ja, auch zwei sehr schöne Werke. Und da du es jetzt grade schon erwähnt hattest, du hast dir dann auch Wissen angelesen zum Comic-Medium, so drumrum hast du gesagt. Kannst du da vielleicht dich auch an ein oder zwei Werke erinnern, die dir da ... Oder weiß ich nicht, wo hast du diese Informationen hergenommen? Also, ich mein, es gibt ja schon so ein paar Comic-Erklärbücher, sag ich mal. Weißt du noch, was das bei dir war?
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Speaker
In den 90ern waren so drei Autoren für mich wichtig. Andreas C. Knigge, der hatte ja einige, nachdem er Karlsenredakteur war und sich dann den Büchern zugewandt hat, hat er ja einige Grundlagenwerke geschrieben, die die Geschichte der Comics aus seiner persönlichen Warte erzählen, aber eben trotzdem auch sehr universell vermitteln.
00:12:02
Speaker
Also das war für mich ein wichtiger Autor von Sekundärliteratur. Dann hat Andreas Plathaus ja nicht nur in der FATS immer wieder ganz wichtige Hintergrundartikel geschrieben und macht es auch immer noch, sondern hat hin und wieder dann auch Bücher veröffentlicht zu einzelnen Themen und auch so Comic-Überblicksbücher und auch zu einzelnen Künstlern.
00:12:19
Speaker
Möbius und so weiter. Das waren für mich auch wichtige Werke. Und dann war Lutz Göllner, der bei der City-Redakteur war. Jemand, der hat jetzt nicht so Sekundärliteratur im klassischen Sinne geschrieben, aber der hat halt unheimlich gut und unterhaltsam und einfach auch witzig und gut informiert immer wieder über Comics in der City geschrieben. Das habe ich auch verschlungen und darüber eine Menge gelernt und Input bekommen.
00:12:42
Speaker
Okay. Andreas Zicknigge, erinnere ich mich daran, den habe ich damals an der Uni, als ich Hausarbeiten über Comics geschrieben habe, auch verwendet. Ich hab's damals als Literaturquelle verwendet und habe dann von meinem Dozenten den Bescheid bekommen, dass das keine zitierbare Quelle sei.
00:13:04
Speaker
Wieso da? Das hat er mir nicht ... Na ja, er hat halt reingeguckt und hat irgendwie vom Schreibstil her dann für sich da rausgezogen, dass das halt mehr so ein persönliches Memoirending wäre. Ja, ja. Was auf den ersten Blick und vielleicht auch auf den zweiten ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Ist ja auch was dran, ja.
00:13:22
Speaker
Andererseits ist es jetzt auch nicht so, dass man im originärdeutschen Segment, also wenn man jetzt von originärdeutschen Werken spricht, so viel Auswahl hätte, oder damals vor allem, was Comic-Sekundär-Literatur anging. Zumindest hab ich das damals so wahrgenommen. Na ja.
00:13:40
Speaker
Ich hab meinen Abschluss trotzdem bekommen, ist alles gut gelaufen. Und jetzt noch mal einen Schritt vor vielleicht. Ihr habt diese einmonatliche Comic-Seite in der Printversion des Tagesspiegels.
00:13:57
Speaker
Ich hab das hier mal so etwas reißerisch in meinem Pad, ein Akt des Widerstandes genannt, wie ihr die etabliert habt. So wie du es jetzt beschrieben hast, war es aber eher so, dass das eine natürliche Weiterentwicklung aus den guten Zahlen der Online
Herausforderungen bei der Etablierung der Print-Comic-Seite
00:14:11
Speaker
-Comic-Besprechungen war.
00:14:14
Speaker
Beides ein bisschen. Also es gab sozusagen einen positiven Rückenwind, weil 2008 war das, glaube ich, dass wir die Online-Comic-Seite gestartet haben, also tagelspiegel.de slash comics. Und das war dann ein, zwei Jahre lang, gab es eben ganz gute Zugriffe und es wuchs so langsam, auch ein kleiner Stamm von freien Autorinnen und Autoren heran, sodass ich dann, ich glaube, ein, zwei Jahre später, so um 2010 muss das gewesen sein, das Gefühl hatte ich jetzt,
00:14:41
Speaker
könnte man tatsächlich auch mal in den Printbereich vorstoßen und habe dann ein Konzept entworfen für die Seite. Und da war es tatsächlich so, dass das erstmal auf Widerstand stieß der damaligen Kulturressortleitung, weil eben die Angst da bestand, dass das, was jetzt dem Comic dann gewidmet wird an Platz für andere Dinge, fehlt. Und das konnte ich dann dadurch ein bisschen entkräften, dass ich von Anfang an eben auch
00:15:08
Speaker
geguckt habe, welche Verlage sind bereit Anzeigen zu schalten und dann in Zusammenarbeit mit unserer Anzeigenabteilung gezeigt habe, wir können im Zweifel, wenn es gut läuft, das als Gewinn für die ganze Zeitung so machen, dass es nicht einfach eine Seite ist, die dann irgendwo anders der Kultur fehlt, sondern es vielleicht einfach mehr wird. Und zwar eine Seite, die sich selbst mehr oder weniger finanziert. Das klappt nicht immer, aber es war halt damals so, dass es dann schon ein bisschen Widerstände noch gab.
00:15:32
Speaker
Zumal eben in der Kultur auch viele Leute, viele Kolleginnen und Kollegen mit Comics als Kunstformen persönlich einfach nicht viel anfangen konnten, ist halt oft so. Und da war dann einfach erst mal eine große Zurückhaltung. Aber inzwischen hat sich das dann auch so etabliert, sodass sie dann ein, zwei Jahre später auch zunehmend das auch positiver gesehen haben. Da gab es so eine Übergangsphase, wo man sich so ein bisschen gerieben hat. Aber inzwischen ist das, glaube ich, ein akzeptiertes Element der Kulturseiten im Tagesspiegel.
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Speaker
Das freut mich zu hören, wundert mich jetzt allerdings auch nicht. Ist ja ein gutes Thema. Für mich als Laien mal so erklärt, wenn wir uns jetzt mal auf diese Seite oder auf diese Doppelseite konzentrieren,
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Speaker
Kannst du vielleicht kurz umreißen für die Zuhörerinnen und Zuhörer, wie ist der Prozess, diese Seite zusammenzustellen? Also, es gibt ja Monat für Monat unzählige Neuerscheinungen auf dem deutschsprachigen Comic-Markt, vielleicht auch auf dem internationalen Comic-Markt, wir haben superviele Verlage. Manga knabbert ihr ja auch nicht aus, es ist wirklich Comic im weitestmöglichen Sinne. Manga, Comic, Graphic, Novel, wie auch immer.
00:16:43
Speaker
Ich stell mir das irre schwer vor, da eine Auswahl zu treffen, die man einmal im Monat dann auf dieser Seite präsentieren will, kann, soll. Es sind ja nun auch ... Ihr habt ja immer einen großen Mittel, also auch mittig platzierten Artikel, dann noch ein paar kleine Rezensionen am Rand und dann auch ... Ja, also, es ist ja ein Rundumschlag schon so ein bisschen. Aber wie ist dieser Prozess der Zusammenstellung?
00:17:11
Speaker
Ja, es fängt oft damit an, dass ich die großen Elemente auf der Seite mir als erstes überlege. Der Aufmacher soll idealerweise immer so ein Überblicksartikel sein, der einen bestimmten Trend oder ein bestimmtes Dachthema oder einen bestimmten Schwerpunkt zum Inhalt hat. Also jetzt haben wir zum Beispiel einen Überblick zum Thema Comics, in denen Wasser eine wichtige Rolle spielt, passend zum Sommer. Davor hatten wir einen Überblick zum Thema
00:17:37
Speaker
neue Comics, die Musik visualisieren. Dann haben wir hin und wieder mal einen Artikel, in dem einfach mehrere Werke eines Autors oder einer Autorin miteinander ins Verhältnis gesetzt werden. Also das sind immer so Überblicksartikel und da liegt dann oft einfach auch ein Thema in der Luft. Da gucke ich dann, was ist gerade aktuell so los im Comicbereich und da gibt es halt bestimmte Häufungen,
00:17:58
Speaker
von Themen, von Autorinnen und Autoren, von Ländern vielleicht auch. Also dann haben wir auch mal was zu Comics in Brasilien oder Comics in Indien oder in anderen Teilen der Welt. Und wenn ich merke, da gibt es eine bestimmte Häufung von Themen, dann leite ich daraus einen
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Speaker
aufmache ab und gucke dann, wie weit ich den entweder selbst schreibe, wie weit andere Autorinnen und Autoren, teilweise auch Kolleginnen und Kollegen im Tagesspiegel, die da inzwischen mitmachen, als Autor zur Verfügung stehen. Und dann ist der zweite Schritt, dass ich oft gucke, was würde passen als ergänzendes Element, visuelles großes Element aus einem anderen Comic, der vielleicht auch so ein bisschen Gegengewicht sein kann.
00:18:38
Speaker
Also wenn im Aufmacher zum Beispiel ganz viele eher westliche Comics ein Thema sind, dann bietet sich zum Beispiel wie auf der aktuellen Seite jetzt ein Manga an. Und da gucke ich dann, wie weit passt da vielleicht gerade was. Und ich gucke halt auch, was haben unsere freien Autorinnen und Autoren an Input und auch die Verlage. Also wir haben ungefähr 30, 40 Autorinnen und Autoren, die hin und wieder für uns schreiben. Da kommt auch viel an Input, dass die sagen, hallo, ich habe was gesehen, das sieht toll aus. Oder hallo, ich habe was gesehen, das hat mich schwer enttäuscht.
00:19:07
Speaker
Das ist ja auch wichtig, dass man einfach auch so ein Gespür dafür kriegt in alle Richtungen, was ist gerade relevant, worüber reden Leute, die sich für Comics interessieren. Da kommt also sehr viel Input von den Freien und dann kommen ja auch von den Verlagen immer wieder Anregungen. Also ich schaffe das oft gar nicht, die Verlagsprogramme überhaupt in Ruhe durchzublättern, weil die Zeit wirklich sehr knapp ist. Aber manchmal kommt dann auch eine Anregung vom Verlag, wo man sofort merkt, ja, das spricht mich an oder das spricht ein Autor an.
00:19:32
Speaker
Und daraus entwickelt sich dann so nach und nach Patchwork-mäßig die Planung für die Printseite. Und so ähnlich ist es auch online, wobei man online natürlich mehr Freiheiten hat. Andererseits ist die Printseite schon so ein bisschen das Fundament, weil darüber die Honorare erzeugt werden. Also unsere Online-Honorare sind, wie das im Online-Journalismus generell so ist,
00:19:54
Speaker
leider sehr gering. Deswegen versuche ich, so viel wie möglich in der Printseite unterzubringen und sei es nur ein kurzer Text, dann kommen die Leute wenigstens auf ihr Honorar. Es gibt für jeden Text so einen Standardhonorar, egal wie lang der ist, sodass das sich dann auch lohnt. Wenn die Leute ganz kurz einen Text für Print schreiben, kriegen sie ihr Honorar und machen dann für online was Längeres. Das heißt, da gibt es auch so eine Verzahnung idealerweise, damit sich das für die Schreibenden auch
Integration von Print- und Online-Inhalten bei Tagesspiegel
00:20:19
Speaker
Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, dass das bei euch so ein Standard ist, dass die längeren Texte dann noch mal online verfügbar sind und die dann noch mal detaillierter sind. Aber dann ist es ja tatsächlich ein recht fluider und auch teilweise kreativer Prozess, diese Seite zusammenzustellen. Ist ja eigentlich eine ganz schöne Analogie auf das Comic-Schaffen an sich.
00:20:39
Speaker
Genau, es ist halt auch so ein Wechselspiel zwischen, also zum einen bei mir so in meinem Kopf zwischen Text und Bild, dass ich versuche da eine Mischung zu finden und dann auch zwischen den ganzen Beteiligten. Also wir haben halt unter den freien Autorinnen und Autoren auch Leute, die kriegen einfach so viele Sachen mit, die ich oft gar nicht mitkriege. Ich habe eben auch nur begrenzt Zeit.
00:20:56
Speaker
Comics zu lesen und und zu gucken was ist da los und kennen auch nicht jede Nische und habe auch nicht an jeder Nische jetzt großes Interesse persönlich und dadurch ist das einfach auch unheimlich spannend zu gucken was was schlagen die Freien vor klar.
00:21:10
Speaker
Ich find's auch schön, dass ihr dann solche Artikel ... Diesen Wasserartikel hab ich gestern erst gelesen. Und da hast du ja auch wieder viele, viele, viele Kreative und Journalistinnen und Journalisten. Und am weitesten sind Leute aus der Comicbranche zu Wort kommen lassen.
00:21:31
Speaker
starke ... ja, Inspirationsquelle für, wenn man Lesematerial sucht oder braucht. Also, diese Art von Artikel find ich persönlich immer sehr schön. Worüber wir uns ... das ... sag ich jetzt einfach mal so unverblümt, worüber wir uns in der Redaktion natürlich immer ein bisschen aufregen, ist eure Comic-Bestenliste im Jahr. Ich mein, ihr seid ja bei beiden nicht die Einzigen, die so was machen. Es gibt ja auch diese fatalsweise Comic-Bestenliste,
00:21:56
Speaker
Comic.de und irgendwie vom Börsenblatt erhoben wird. Die sind ja die eigentlichen Strippenzieher dahinter. Ich frag's jetzt aber trotzdem einfach mal so provokant. Wollt ihr damit vielleicht auch provozieren? Braucht es solche Listen? Oder wieso? Was war so euer Hintergedanke? Es ist ja immer eine Jury, die das bei euch macht.
00:22:20
Speaker
Genau. Oder was war dein oder euer Hintergedanke? Warum macht ihr das? Um uns zu ärgern? Oder hat's auch noch Antworten? Provozieren soll's nicht, es soll eher inspirieren. Bevor ich das genauer beantworte, wär ich neugierig, was dich daran ärgert. Einerseits ... die Disparität der Tipps. Also ...
00:22:42
Speaker
man kann das natürlich positiv oder negativ sehen aber die jurorinnen und juroren die dabei sind die haben halt teilweise dermaßen unterschiedliche an ansichten also wenn wenn ein titel x von drei leuten zwölf punkte kriegt und von drei leuten null und vom rest irgendwie gar nicht rezensiert wurde dann hilft mir das als leser
00:23:03
Speaker
Nur begrenzt bei der Einschätzung. Also, ihr macht das ja immer auch noch mit so einem Rasterdiagramm, wo man dann an der Größe der Punkte oder so ähnlich, ich hab's jetzt nicht exakt vor Augen, dass er sehen kann, was grundsätzlich eine schöne Sache ist.
00:23:20
Speaker
oder finden wir, oder vielleicht ist es auch vor allem mein Problem, das halt gar nicht mal so irre hilfreich. Und ... für mich als Leser, der jetzt auch nicht den kompletten Markt im Blick hat, erschließt sich halt auch nicht so hundertprozentig, welche Titel da jetzt überhaupt ins Rennen geschickt wurden und welche nicht. Das ist jetzt gar nicht nur auf unser Programm gemünzt. Ich kann durchaus verstehen, dass vieles unserer Publikationen beispielsweise
00:23:49
Speaker
ins Schema fallen, weil's halt ... ja, eher ... ja, wie Genrestoff für den breiten Geschmack ist. Aber ich weiß nicht. Es ist jetzt auch keine Kritik nur an eurer Liste, aber ihr macht halt auch eine, und du bist grade hier am Telefon, darum frag ich dich.
Vielfältige Comic-Bestenlisten und Juryherausforderungen
00:24:06
Speaker
Nee, ich glaube, dass auch unsere Liste tatsächlich noch disparater oder vielfältiger ist als viele andere Listen. Was ein bisschen auch damit zusammenhängt, dass ich über die Jahre, wir haben das jetzt, glaub ich, auch ...
00:24:17
Speaker
acht, neun Jahre lang jedes Jahr gemacht und machen das sicher auch noch ein paar Jahre weiter. Über die Jahre versucht habe, immer wieder auch unterschiedliche Zusammensetzungen der Jury auszuprobieren. Zum einen, weil es einfach auch viel Arbeit ist und man dadurch ein bisschen auch Abwechslung gebrauchen kann. Und dann auch, um immer mal wieder zu gucken, wie kriegt man auch eine spannende Mischung von Titeln hin am Schluss.
00:24:37
Speaker
Und wir hatten über die Jahre auch hin und wieder mal dann Comic Schaffende, hauptsächlich in der Jury und Fachhändlerinnen und Fachhändler. Jetzt die letzten zwei, drei Jahre haben wir vor allem Autorinnen und Autoren unserer Seiten da in der Jury. Aber das ist eben auch eine wirklich sehr disparate Mischung von Menschen, die einfach sehr unterschiedliche Zugangsweisen haben zum Comic. Also da sind Leute bei.
00:25:01
Speaker
Vom Alter her sind die halb so alt wie ich mit meinen 52. Da ist schon ein großer Unterschied. Da sind Leute bei, die sind Frauen, Männer, trans. Wir haben verschiedenste persönliche Hintergründe, die ja auch einfach einen Blick auf die Comics unterschiedlich machen. Da sind Leute bei, die haben vielleicht eher einen Blick auf
00:25:21
Speaker
Manga und verwandte Comics, da sind andere bei, die haben eher einen Blick auf Franco-Belgisch, Europäisch. Dann gibt es Leute, die sind Genre-Fans, andere lieben eher die autobiografische Graphic Novel.
00:25:32
Speaker
Das ist schwierig bei so einer Jury mit acht bis zehn Mitgliedern, da dann am Schluss den einen Titel zu haben, der der eindeutige Sieger ist. Das ist wahrscheinlich einfacher, wenn man das macht, wie zum Beispiel manche Comicfachmagazine, dass man eben eine Jury hat, die größtenteils aus Männern einer Altersgruppe besteht. Dann glaube ich einfach mal ganz frech gesagt, dass das Ergebnis wahrscheinlich etwas weniger vielfältig ist. Nicht, dass die alle den gleichen Geschmack haben, aber die haben halt teilweise eine ähnliche Sozialisation.
00:26:02
Speaker
Und die sind halt mit bestimmten Arten von Comics, bestimmten Codes, aber auch mit bestimmten Inhalten groß geworden. Bei uns, wie gesagt, da sind Leute bei, die sind gerade Anfang 20 und haben Manga im Blick. Die kennen viele Comics gar nicht, die ich so wahrnehme, aber dafür kennen ich viele auch nicht, die sie wahrnehmen. Und das führt im Ende dann dazu, und das ist vielleicht auch ein Problem unserer Auswertung,
00:26:24
Speaker
dass die unterschiedlichsten Punkte und Vorlieben dann in so einer Liste auch widersprüchlich wirken. Vielleicht macht es dann tatsächlich am Schluss auch nicht wirklich Sinn zu sagen, das ist jetzt der eine Sieger oder das sind jetzt die zehn Siegertitel, weil du ja recht hast. Das kann sein, dass da nachher in den ersten fünf Plätzen Titel sind, die von manchen Leuten in der Jury gar nicht für gut befunden werden.
00:26:49
Speaker
Das ist ein bisschen das Problem dieser mathematischen Punkteverteilung am Schluss. Da haben wir sicher auch noch nicht die beste Lösung gefunden. Dass es vielfältig sein soll und auch ein bisschen zeigen soll, was für große, unterschiedliche Segmente es im Comic-Bereich gibt, das ist halt bei dieser besten Liste schon auch ein bisschen das Ziel aller Widersprüchlichkeit.
00:27:08
Speaker
Zum Trotz, ne? Das find ich aber eine sehr schöne Antwort, muss ich ehrlich sagen. Das erschließt sich mir dann auch, wenn man sich halt von diesem besten Liste oder diesem Treppchengedanken verabschiedet. Denn du hast auch vollkommen recht, dass eure Jury ...
00:27:23
Speaker
im allerpositivsten Sinne divers und auch wirklich da toll aufgestellt ist. Auch dadurch, dass es halt immer wieder durchwechseln und hier auch wirklich, so wie es in diesem Podcast ja auch, mach Versuche, alle möglichen Player aus der Szene oder Playerinnen, ich weiß nicht, muss man Player gendern,
00:27:41
Speaker
Bin mir nicht sicher, ist ein englisches Wort. Auf Englisch neutral. Das kann man so stehen lassen. Alle möglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Szene mal zu Wort kommen lassen. Das dann mehr so als Showcase, als Schauraum für, was es so gibt, zu verstehen, find ich eigentlich eine tolle Sichtweise, auf die ich allerdings selber gar nicht so gekommen wäre, auch wenn's echt naheliegend ist.
00:28:05
Speaker
Wir versuchen das halt auch so transparent wie möglich zu machen, indem wir im Vorfeld dann jedem Autor und jeder Autorin auch den Raum geben, dass sie auf unseren Online-Seiten ihre fünf Top-Titel vorstellen, mit einer kurzen Begründung. Da kriegste dann als Leser zumindest ein bisschen ein Gefühl dafür, wo kommt der Mensch her, nach welchen Kriterien hat er oder sie jetzt diese Titel ausgewählt.
00:28:23
Speaker
Es gibt viele Lücken und das merke ich auch immer wieder. Ich habe halt auch bestimmte Vorlieben, gebe ich offen zu. Ich kann auch mit bestimmten Genrestoffen teilweise nichts anfangen. Ich kann mit bestimmten Comics einfach schon aus Altersgründen nicht so viel anfangen. Und ich versuche das immer wieder auch zu kompensieren, indem ich dann Autorinnen und Autoren hole, die vielleicht da stärker
00:28:43
Speaker
sind in den Bereichen, wo ich meine Schwächen habe. Aber gut, es ist eben auch was, was ich ganz ehrlich gesagt eher so nebenbei mache, neben meinem normalen Tagewerk. Und da sind dann einfach nur begrenzte Kapazitäten, wie stark man dann wirklich alles machen und abdecken kann, was man eigentlich gerne machen möchte. Also dafür finde ich es aber eine echte Ermutleistung. Wie gesagt, ich finde das eine tolle und auch sehr nachvollziehbare Antwort. Danke dafür. Ein kleiner Themenwechsel.
00:29:12
Speaker
Ich sitze hier in meiner Wohnung irgendwo in Ostwestfalen-Lippe, weit ab von Schuss in Bielefeld. Die ein oder andere Zuhörerinnen und Zuhörer wissen das vielleicht, dass wir hier sitzen. In Berlin ist man da natürlich ein bisschen besser am Puls der Zeit. Aus meiner Perspektive oder aus der Perspektive von hier aus gesehen, aus einer Stadt, in der es keinen wirklich ...
00:29:37
Speaker
gut sortierten Comic-Laden oder keinen modernen Comic-Laden in dem Sinne so richtig gibt. Auch wenn es im Umfeld ein paar sehr schöne gibt, definitiv. Ist Berlin schon so ein bisschen die Comic-Hauptstadt Deutschlands, wenn
Die Berliner Comicszene und kanadische Einflüsse
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Speaker
man so möchte? Ihr habt sehr viele schöne Läden, ihr habt ein tolles Programm an Veranstaltungen, auch immer wieder Messen. Ihr habt zum Beispiel, was aus unserer Sicht ganz interessant ist,
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Speaker
die halt auch immer mal wieder Veranstaltungen zu Comic oder Bon dessiné machen. Denkst du, dass ... Also, erst mal würdest du dieser Beobachtung zustimmen. Und dann denkst du, dass das vielleicht auch den Erfolg eurer oder deiner Sparte Comic im Tagesspiegel, ich sag mal, ein bisschen Rückenwind gegeben hat. Dass halt das Thema Comic in Berlin präsenter ist als vielleicht an den meisten anderen Orten in Deutschland.
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Speaker
Ja, ich denke schon. Also was Comic-Läden angeht, haben wir wirklich eine tolle Basis hier von vor allem zwei großen Marken, Modern Graphics und Grober Unfug, die mit mehreren Läden hier präsent sind. Aber wir haben auch spezialisiertere Manga-Läden, wir haben kleinere Comic-Läden, die teilweise auch noch mal spezialisierter sind.
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Speaker
Wenn gleich tolle Comic-Läden, ja auch in manch anderen größeren Städten. Berlin ist nunmal eine sehr große Stadt. Da gibt es auch tolle Läden in Hamburg oder München oder Stuttgart. Aber das, was ich in Berlin so besonders finde, ist, dass es tatsächlich auch so Netzwerke und andere Akteure gibt. Du hast gerade schon das Institut Francais angesprochen.
00:31:10
Speaker
Es gibt halt hier starke Partner, die die Comic-Szene auch flankierend hier zu dem gemacht haben, was sie ist. Also es gibt sowohl so Kulturinstitutionen, die Franzosen, die Belgier, et cetera. Mehrere ausländische Kulturinstitutionen oder Botschaften hängen da ja oft auch dran, die die Comics als Kunstform sehr fördern. Es gibt Museen, die Comic-Veranstaltungen sehr unterstützen, das Museum für Kommunikation.
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Speaker
hat jetzt gerade eine Ausstellung laufen zu feministischen Comics. Es gibt in der Kommunalpolitik sehr starke Akteure, die auch die Interessen des Comics vertreten. Also der Deutsche Comic-Verein hat hier seinen Sitz. Der hat sehr stark auch auf die Kommunalpolitik eingewirkt, um zum Beispiel das Berliner Comic-Stipendium zu etablieren, was jetzt in den vergangenen Jahren nochmal ausgebaut wurde.
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Speaker
und was dem Deutschen Comic-Verein zu verdanken ist. Also es gibt so Allianzen, die dann eben auch mit den Comic-Läden zusammen immer wieder tolle Sachen machen. Und in diesem Kontext sehe ich auch uns und auch andere Medien. Also es gibt auch RBB Kultur-Radiosender, wo auch eine Kollegin regelmäßig ganz tolle Comic-Beiträge macht und Comic des Monats als Rubrik dort auch hat und so weiter. Also wir haben hier mehrere Medienhäuser, in denen dann auch der Comic
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Speaker
zumindest wahrgenommen wird und das hängt sicher auch mit dem zusammen wie er in der stadt wahrgenommen wird und das in der stadt einfach auch viele tolle comicschaffende leben ich sehe das aber vor allem als ein ergebnis von so einem netzwerk aber dieses netzwerk ist so gesehen ja schon irgendwo einzigartig man das hängt natürlich auch einfach mit der größe der stadt zusammen keine frage
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Speaker
Aber ja, gut, ihr habt ja auch mehrere Comic-Verlage direkt bei euch. Genau, die Comic-Verlage sind auch hier die Hochschulen, die wiederum auch für die Verlage eine wichtige Rolle spielen, weil viele der Absolventen und Absolventinnen, also Kunsthochschule Weißensee, da kommen halt mehrere Leute her, die jetzt bei Reprodukt und Avant ganz wichtige Autorinnen und Autoren geworden sind.
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Speaker
Die Universität der Künste hat auch einige Comics schaffen, die hervorgebracht. Es gibt ein paar spezialisiertere Berufsfachschulen, in denen dann eben auch Comic und artverwandte Dinge wie Animation etc. vermittelt werden.
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Speaker
Und die Verlage spielen hier natürlich eine ganz wichtige Rolle, weil die auch eine Menge pushen an Veranstaltungen und auch an öffentlicher Wahrnehmung. Ja, das ist auch so ein bisschen die Wahrnehmung, die wir haben, dass wenn man Veranstaltungen in der Richtung hier machen will, dann kommt man an Berlin eigentlich kaum vorbei. Was jetzt auch nicht so besonders verwundert natürlich, aber ja.
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Speaker
Du hast es vorhin schon mal kurz erwähnt. Ich würd da gerne auch noch mal drauf eingehen. Kanada und die kanadische Comic-Szene, da hast du ja schon ein gewisses Augenmerk drauf. Das liegt dir ja auch irgendwo am Herzen.
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Speaker
Du hast zum Beispiel ja auch schon öfters Interviews mit Jeff Lemire geführt. Zum Beispiel im Vorfeld zum letzten Comic-Salon in Erlangen, da erinnere ich mich gut dran, warst, wenn ich mich nicht ganz falsch erinnere, auch sogar derjenige, der uns als Verlag so ein bisschen darauf gebracht hat, Black Hammer ins Programm zu nehmen. Was ja ein großer Erfolg für uns geworden ist. Und auch für viele Leserinnen und Leser so eine,
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Speaker
der Landmarkserien der letzten Jahre war. Superheldengenre oder auch nicht. Ja, doch, also kriegen wir viel Interesse dran, viel Feedback. Wir sind noch sehr gespannt darauf, wie das jetzt ... Es fängt jetzt gerade der neueste Zyklus an, der Hauptserie, Black Hammer Reborn.
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Speaker
Genau, da bin ich auch sehr gespannt. Jaja, wirklich sehr gespannt. Und den Spin-offs hatten wir jetzt, ich hab gestern noch nachgezählt, wir sind jetzt, glaub ich, beim achten Spin-off und das neunte und das zehnte kommen jetzt demnächst noch, bevor es mit der Hauptserie überhaupt erst weitergeht.
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Speaker
So langsam ... langsam kannst du auch mal irgendwie mit dem Hauptplatt weitergehen. Ja, aber was ist es denn, oder was würdest du denn sagen, was den kanadischen Comic, wenn man so will, auszeichnet? Was fasziniert dich gerade daran? Du hattest schon erwähnt, es gibt auch persönliche Gründe. Aber es ist bestimmt auch etwas darüber hinausgehendes.
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Speaker
Genau. Also bei mir ist so, dass die Liebe zum kanadischen Comic tatsächlich auch mit der Liebe als solches begann, da meine Frau aus Kanada stammte. Und wir eben, nachdem wir uns hier in Berlin kennengelernt hatten vor 22, 23 Jahren, seitdem regelmäßig eben auch in Kanada waren auf Familienbesuch und dann immer wieder auch länger Zeit verbracht haben. Ich habe ein Jahr unter anderem auch mal als Korrespondent für den Tagesspiegel in Toronto gearbeitet.
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Speaker
was inzwischen auch schon wieder 14 Jahre her ist. Aber da habe ich halt eine sehr enge Verbindung zu Kanada und zu der kanadischen Kultur entwickelt und habe als jemand, der sich sowieso immer schon für nordamerikanische Comics interessiert hat, aber gleichzeitig auch europäische Comics sehr mochte, Kanada als so ein Ort entdeckt, an dem
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Speaker
Ja, wenn es gut läuft, das Beste der verschiedensten Comic-Welten auch zusammenkommt. Das ist so ein Schmelzpunkt, würde ich sagen, wo eben europäische Einflüsse, nordamerikanische Einflüsse, dann zunehmend auch indigene Einflüsse. Die indigene Kultur in Kanada erlebt gerade tatsächlich eine Renaissance. Asiatische Einflüsse und dann auch noch ganz viel Eigenes, also so eine spezielle kanadische lokale Note. Das kommt da alles zusammen.
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Speaker
und führte halt zu Comics, die damals schon in den 90ern, als ich anfing regelmäßig nach Kanada zu fahren, mich angesprochen haben. Damals gab es aber noch relativ wenig. Da gab es halt Seth und Chester Brown und Julie Doucet. Das fand ich alles faszinierend und wenn man das gelesen hatte, dann gab es aber auch nicht mehr so viel Neues zu entdecken.
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Speaker
Mal ganz böse gesagt. Aber in den vergangenen 20 Jahren ist die Szene halt so ähnlich wie auch hier in Deutschland, die Comicszene, enorm gewachsen in alle möglichen Richtungen. Und so Leute wie Jeff Lemire, aber auch die Tamakis, also Jillian und Mariko Tamaki, Brian Lee O'Malley, Nina Bunchevac, Michael DeForge sind populär geworden, sind bekannt geworden, zum Teil ja auch hier in Deutschland inzwischen verlegt.
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Speaker
die meiner Ansicht nach tatsächlich so ein bisschen diese verschiedensten Comic-Traditionen zu was ganz Eigenem gemacht haben und von daher nicht nur für Kanada-Fans, das bin ich ganz ehrlich, muss ich das zugeben, sondern ich glaube auch generell für Comic-Interessierte etwas zu bieten haben, dass es vor allem bei einem Land von dieser Größe, Kanada hat halt wirklich eine Bevölkerung, die haben weniger als halb so viele Menschen wie Deutschland, aber die haben wirklich enorm viel zu bieten, was auch ganz speziell mit diesem Land dann zu tun hat, mit seiner Kulturmischung.
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Speaker
Sehr spannende Beobachtung. Hättest du da jetzt, wir kommen gleich erst noch zu dem Empfehlungsteil, aber hast du aus der Hüfte geschossen, vielleicht eine Leseempfehlung, wo man diese, ich sag mal, diese Verschmelzung der verschiedenen Traditionen, wenn du so willst, gut beobachten kann? Oder ein Werk, was da besonders heraussticht oder direkt in den Kopf kommt?
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Speaker
Also es ist halt tatsächlich so vielfältig, dass man da nur mal so kurz reinpixeln kann. Aber was ich halt faszinierend finde, sind gerade in letzter Zeit habe ich mich viel auch mit indigenen Comics beschäftigt, weil es also die Nachfahren der Bevölkerungsgruppen, die wir hier in Deutschland Indianern nennen, First Nations nennen die sich da,
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Speaker
Aber auch die Inuit und die Métis, also die sozusagen Mischlinge, die Nachfahren aus Mischbeziehungen von europäischen Einwanderern und indigenen Frauen. In diesen Gruppen ist unheimlich viel passiert an Kultur, an Literatur, Musik und sehr selbstbewusst wird da sehr vieles jetzt auch in die Öffentlichkeit gebracht und sehr erfolgreich. Es gibt viele Bestseller aus diesen Bereichen und da gibt es einen Künstler, der an der Westküste
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Speaker
dort auch aus einem der indigenen Völker kommt. Michael Nicole Yagulanas heißt der. Das ist ein Künstler, der hat zwei Bücher veröffentlicht, die er klassifiziert als Haida Manga. Haida ist die dortige Kultur und Manga ist dann eben sein Referenzpunkt, weil er, als der von der Westküste kommend, eher so nach Asien auch sich orientiert, was seine Einflüsse angeht, aber gleichzeitig eben die
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Speaker
die Bildkultur, die Bildtradition und auch die Erzähltradition der Westküsten-Ureinwohner in seinen Büchern dann aufscheinen lässt. Also da sind dann so Sagenfiguren, Sagengestalten, die da auftauchen, die teilweise in der oralen Tradition dieser Völker seit Jahrhunderten immer weitergeführt werden, diese Geschichten, die hat er dann in so Comic-artige, Comic-Manga-artige
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Speaker
Bücher umgesetzt, in denen unheimlich fließende Bilder mit fließenden Linien ganz tolle Geschichten dann entstehen, die so ein bisschen auch von Kulturbruch und Kulturtraditionen handeln, die eben mit den europäischen Einwohnern über diese Völker gekommen sind. Also das ist auf jeden Fall ein Autor, den ich jetzt sehr spannend finde und empfehlen kann, wenn man sich für diesen Teil von Kanada interessiert, Michael Nicole Yagulanas. Das eine Buch heißt Red und Untertitel ist Haida Manga.
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Speaker
Und das andere Buch heißt Carpe Fin, und da ist auch der Untertitel A Haida Manga. Das ist zum Beispiel, und dann gibt es Walter Scott. Das ist ein Künstler, der auch Indigene Wurzeln hat, wobei das Indigene bei ihm gar keine so große Rolle spielt. Der hat eine Serie von Büchern gemacht, die von Wendy handeln, einer Kunsthochschulstudentin.
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Speaker
die ähnlich ironisch und witzig und ein bisschen durchgeknallt und selbstreferenziell wie Anna Heifisch The Artist ist. Das ist ja eine Serie bei Anna Heifisch, in der sehr schön auch so passiviert wird das Kunstleben, die Kunstwelt, aber es geht auch um so persönliche Selbstfindungsfragen und so. Und bei Wendy wird das Ganze nochmal mehr auf die Spitze getrieben.
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Speaker
Das ist eine tolle Serie, die ist sehr witzig, finde ich. Dann habe ich jetzt noch gerade kürzlich ein Buch entdeckt von zwei Autorinnen, Zeichnerinnen, Team, die eher so durch den feministischen Bereich zuzurechnen sind.
Empfehlungen und innovative Comic-Ideen
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Speaker
Catelyn Major und Kelly Bustow.
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Speaker
Und das Buch heißt Man Freed the Man. Das habe ich jetzt kürzlich gerade gelesen und dabei alle paar Seiten laut lachen müssen, weil die davon erzählen, wie eine Katze sich einen Mann hält in einer Welt, in der die Katzen groß sind und die Menschen klein. Das habe ich schon mal gesehen irgendwo. Die Katze hält sich halt einen Mann so wie unser eins sich eine Katze hält. Und der Mann verhält sich aber so wie sich Männer verhalten, ist aber gleichzeitig so klein wie eine Katze. Und das ist ein herrliches Spiel mit diesen Klischees. Katzenklischees, Männerklischees, Menschenklischees.
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Speaker
Sehr böse, sehr witzig. Und dann eine letzte Empfehlung. Da gibt es inzwischen zwei Bücher von einer tollen Serie. Die Serie nennt sich Hop Town Mystery Stories. Das ist von einem Team von der Ostküste von Kanada. Chris Burton und Alexander Forbes heißen die. Und die beiden, die erzählen Geschichten, die sehen auf den ersten Blick so ein bisschen aus wie so
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Speaker
Die Fünf-Freunde-Geschichten von Enid Blyton oder so. Das sind junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, die erleben so Abenteuer und lösen dann irgendwelche Rätsel. Aber das Ganze ist durchsetzt mit so einer ganz absurden Horroreben, also nicht für Kinder, sondern es ist voll mit absurden, sehr humorvollen Horrorelementen, surrealistischen Elementen und auch einfach so durchgeknallten Ideen. Das Ganze in einem sehr
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Speaker
schön glatt wirkenden, aber dann doch auch wieder sehr verstörenden schwarz-weiß Strich. The Case of the Missing Man und The Cursed Hermit. Das sind zwei Bücher von diesem Team. Das wären so Bücher, ich habe jetzt mal hier in meinem Regal gekramt, was hier vor mir steht mit meinen Kanada-Büchern. Das wären so Bücher, die ich auf den ersten Blick empfehlen würde. Und die letzte Empfehlung stammt von Ray Fawkes. Ray Fawkes ist ein kanadischer Künstler, der auch vor ein paar Jahren mal auf dem Comic-Salon Erlang war, zusammen mit Jeff Demir.
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Speaker
Der macht auch unter anderem so Mainstream-Geschichten in Richtung Superhelden, Supernatural-Horror und sowas, aber hat auch immer wieder so Concept-Comics gemacht, in denen zum Beispiel er bei dem Buch The People Inside und auch One Soul, das sind so zwei Bücher, in denen er die Leben von mehreren Menschen zeitgleich verfolgt, synchron und das auch so zeichnet, dass man sozusagen einer Seite
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Speaker
sieht, wie Menschen zeitgleich geboren werden und dann, was aus ihnen wird, das sind sowieso verschiedene Zeitlinien, die untereinander laufen und was für unterschiedliche Lebensläufe Menschen haben und was aus ihnen wird, je nachdem, wo sie geboren sind, also was sie geboren sind, unter welchen Umständen sie aufwachsen.
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Speaker
Und das ist so synchron gezeichnet, dass man ja fast wie so eine Infografik den Lebensläufen folgen kann und dann immer vergleichen kann, wo stehen die Menschen in ihrem Leben. Also das ist auch formal einfach sehr innovativ. Und er ist einfach auch ein fantastischer Zeichner, Ray Fawkes. Was für ein interessantes Experiment. Ja. Gibt noch keinen deutschen Verlag für, also das ist noch zu haben. Okay, geht klar.
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Speaker
Die Empfehlungen werde ich sammeln und in die Show Notes schreiben. Ich hoffe, ihr habt jetzt, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, nicht mit dem Stift da gesessen und versucht, das irgendwie zu transkribieren. Das findet ihr alles noch in der Beschreibung von dieser Folge.
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Speaker
Dann könnt ihr's euch in Ruhe noch mal anschauen. Ja, und bevor wir jetzt ... mal zu dem Endblock, zu dem Empfehlungsblock, sag ich mal, nenn dich das immer, rumgehen, wo du uns noch ein paar Leseempfehlungen, noch ein paar Mehrlesempfehlungen, aber auch unabhängig von Kanada oder kanadischer Literatur geben darfst, hast du, wie alle meine Gäste, auch noch die Gelegenheit zu einer Gegenfrage, wenn du das möchtest. Eine Frage an den Splitterverlag oder an mich oder wie auch immer.
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Speaker
gerne. Ich beobachte mit wirklich großer Hochachtung und auch Begeisterung, wie ihr als Verlag es schafft, über Jahre hinweg auf einem gleichbleibend hohen qualitativen Niveau einen Output zu halten, der aber atemberaubend ist, sowohl von der Menge als auch von dem Niveau der Veröffentlichung und von dem handwerklichen Niveau. Und meine Frage ist, wie schafft ihr das, dieses
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Speaker
diesen Output zu halten. Und wie weit ist das finanziell nachhaltig? Rechnet sich da jeder Titel? Oder ist das oft auch Liebhaberei oder die Verpflichtung der Kunstform gegenüber? Und unterm Strich tragen dann die schwächeren, wirtschaftlich schwächeren Titel die stärkeren?
00:45:43
Speaker
Oder ist das tatsächlich möglich, in Deutschland so einen hohen Output zu machen, der komplett sich dann auch rechnet? Das ist eine sehr gute, interessante Frage. Also wie wir das schaffen, das so lange zu halten, ist durch sehr gestreamleite und geleinte Produktionsabläufe, ginge zum Beispiel nicht, wenn wir nicht in Deutschland produzieren würden. Wir haben halt mit unserer Druckerei, in unserer Binderei,
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Speaker
ein enormes Maß an Flexibilität, was auch ganz viel, ich hab's jetzt auch mehrfach schon erwähnt in diesem Podcast, an unserem Hersteller und Mitverlagsgründer Horst liegt, der da viel möglich macht in der Herstellung. Aber natürlich auch an unserer Grafikerin Marlena und eigentlich an allen Teilnehmenden, außer mir mehr oder weniger, weil ich an der Produktion der Bücher nichts zu tun hab.
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Speaker
Eigentlich liegt's vor allem daran, dass wir eng in der Hand arbeiten, dass alles sehr flüssig ineinanderläuft. Von dem Moment, wo wir die Daten für ein Buch kriegen, bis zu dem Punkt, wo es an die Drucklegung geht. Und dadurch funktioniert das. Und weil wir ... Es ist für unsere Produktionspartner natürlich auch toll, dass wir bisher immer gewachsen sind und viel Beständigkeit drin haben.
00:46:58
Speaker
Also ich mein wir wir bringen jetzt im Monat jetzt diesen Monat meinetwegen haben wir 18 Novitäten rausgebracht, aber auch 10 Nachauflagen. Das kriegt man jetzt natürlich als Leserinnen und Leser nicht so mit, aber für unsere Druckerei ist das natürlich eine ganze Stange Geld, was die mit uns dann noch mal extra kriegen.
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Speaker
Was für uns nicht so der wahnsinnige Aufwand ist, weil es Nachauflagen sind, die sind größtenteils unverändert von ein paar Korrekturen abgesehen. Und dadurch geht das einfach durch Beständigkeit und ein bisschen, ja, muss man auch sagen, Geschick und Know-how, was halt Dirk und Horst vor allem haben.
00:47:33
Speaker
Die Sache mit der Rechnung ist eine interessante Frage. Es ist natürlich so, dass sich nicht jeder Comic rechnet. Das weiß man vorher nicht immer. Wir haben auch schon Sachen ins Programm genommen, wo wir hätten Stein und Bein schwören können, das muss funktionieren. Oder das wird auf dem Break-even, also auf den Punkt an verkauften Exemplaren, hinauslaufen, dass wir keine Kosten damit hatten, sondern anfangen, Gewinn zu machen. Und es hat gar nicht funktioniert.
00:48:01
Speaker
Teilweise ist das aber auch so ein bisschen mit Ansage. Also, es gibt halt Autoren und Zeichner, die wir entdecken oder die wir pflegen, ob wir das jetzt finanziell wirklich vertreten könnten oder auch nicht. Beispiel, wir haben jetzt grade Shangri-La veröffentlicht, wie ich finde, grandios, guten Science-Fiction-Graphic-Novel.
00:48:24
Speaker
wirklich in dem einen Genre, in dem ich mich ein bisschen auskenne, eines der besten Bücher, das ich je gelesen habe. Aber es ist auch sperrig, es ist dick, es ist großformatisch, es ist dadurch auch ziemlich teuer. Und der Autor Mathieu Bablé ist halt komplett unbekannt in Deutschland.
00:48:42
Speaker
Und da kann man von ausgehen, wenn da nicht irgendwie, weiß ich nicht, was passiert, dann wird der sich nicht so gut verkaufen, dass der in absehbarer Zeit diesen Breakeven schafft. Aber vielleicht dann mit dem zweiten Buch oder über die Jahre hinweg. Es gibt auch viele Bücher wie Kindercomics, beispielsweise auch die Schlümpfealben, verkaufen sich immer ganz furchtbar rein in den ersten paar Monaten. Und über die Jahre drückt man's dann doch vier-, fünfmal nach.
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Speaker
Es ist vor allem eine Kalkulation über die Zeit bei uns. Und da haben wir halt das Glück, dass wir auch einen Vertriebspartner haben, der das halt möglich macht, dass wir ein relativ großes Lager haben und halt auch wirklich viel, viel, viel lieferbar halten können. Das ist bei vielen Verlagen nicht der Fall, dass die da so diese Möglichkeit besitzen.
00:49:29
Speaker
Und darüber wird's dann irgendwie quer- und gegenfinanziert. So Titel wie ... wie Black Hammer oder Lady Mechanica oder die Storm-Thorgyle-Klassiker, die sich halt ab Moment eins rechnen, sind tatsächlich eher die Ausnahme als die Regel. Muss man eigentlich so sagen.
00:49:47
Speaker
Das ist toll, sehr beeindruckend. Ich bin immer wieder baff, wenn ich auch gerade mal auf Comic-Veranstaltungen, auf Festivals, dann euren gesamten Tisch sehe. Und auch die Kataloge, die ihr immer raushaut, das ist ja wirklich sehr beeindruckend. Wir haben ja einmal im Jahr in unserem Kundenkatalog die Komplett-Backlist, die ich dann auch immer zusammenstelle. Das finde ich immer beeindruckend.
00:50:08
Speaker
Wo dann diese Serien und Reihen herkommen, von denen ich gefühlt nie was gehört habe, aber die wohl dann doch bei uns auf Lager sein sollen, ist schon irre. Na ja. Ja, nee, aber eine schöne Frage. Und, äh, ja, ich hoffe, äh ... Ja, gut. Aber, denke, relativ gut beantwortet. Wenn ich mir mal kurz auf die Schulter klopfen darf.
00:50:31
Speaker
Gut, dann lass uns doch noch zu meinen Schlussfragen kommen und gib uns noch ein paar Leseempfehlungen. Wer den Podcast kennt, weiß, was jetzt kommt. Lieber Lars, gib uns doch mal drei Comics, die du auf einer einsamen Insel mitnehmen würdest. Comic-Reihen sind auch erlaubt. Es müssen nicht Einzelbände sein.
00:50:50
Speaker
Ja, wenn ich hier so in meine Regale gucke, da gibt es tatsächlich ein paar Serien, die ich gestartet habe, aber mir aufhebe, bis ich sie dann irgendwann komplett habe. Denn für die Einsamme Insel würde ich jetzt keine Comics mitnehmen, die ich schon kenne. Ein paar davon lese ich zwar auch immer gerne mal wieder.
00:51:06
Speaker
Aber wenn ich auf einer einsamen Insel bin, weiß man ja auch nicht, wie lange man da ist. Deswegen würde ich ein paar Serien mitnehmen, die ich gestartet habe. Und zum einen lese ich immer gerne wieder Manga, vor allem von Naoki Urasawa. Der hatte damals mit Billy Bad und Pluto ganz großartige Serien gemacht. Und da bin ich jetzt gerade dabei, mir zwei auf Deutsch
00:51:27
Speaker
jetzt langsam der Vollendung entgegenstrebende Serien zusammenzukaufen. Monster ist bei Carlsen erläuft, das erscheint das gerade, und 20th Century Boys bei Panini. Da habe ich jetzt hier jeweils zwei, vier, sechs, sieben im Regal. Ja, also sieben, acht Bände stehen hier schon im Regal. Ich glaube, zwei, drei brauche ich noch, dann ist die Reihe voll.
00:51:48
Speaker
Also die würde ich auf jeden Fall mitnehmen auf die Insel. Da hätte ich wahrscheinlich schon mal das erste halbe Jahr was zu lesen. Sehr schön. Dann kaufe ich mir gerade so nach und nach antiquarisch Bände einer kanadischen Klassiker-Serie, Cerebus von Dave Simm.
00:52:04
Speaker
Das ist so ein Klassiker des Self-Publishing-Comics eigentlich aus den 80er Jahren, glaube ich, wo auch große Literatur und fantastische Experimente zusammenkommen. Sarah Bush, Dave Simm, da habe ich inzwischen auch fünf oder sechs Bände hier stehen. Schon mal angefangen zu lesen, aber warte da auch erst mal, bis die fertig sind.
00:52:25
Speaker
Und dann ist mein Ziel irgendwann, Tipp Nummer drei, tatsächlich auch die Peanuts mal komplett zu haben. Ach was, ist das möglich, die Peanuts komplett zu haben? Na ja, es gibt, bei Fanta Graphics gibt es diese tolle, von Seth designte Ausgabe, die da erscheint, aber man muss tatsächlich, ich habe jetzt nicht gerechnet, aber ich glaube, also das kann schon auch in die hunderte gehen, vielleicht sogar auch ein Tausender,
00:52:50
Speaker
Das ist eher so ein Projekt, das ich über die nächsten Jahre sammle, von daher hoffe ich, dass das mit der einsamen Insel noch ein paar Jahre Zeit hat. Und da nehme ich auch eben eine ganze Kiste Peanuts mit. Das ist schön, ja, Peanuts kann ich immer wieder lesen. Und Urassava, Urassava? Ja. Urassava hatte auch ...
00:53:06
Speaker
Michael vom Manga-Kult, den hatte ich vor Kurzem mal hier, der war auch großer Fan und hat auch Pluto vor allem über den Klee hinausgelobt. Ja, das ist fantastisch. Ja, liegt auch auf meiner Leseliste noch, aber bisher noch relativ weit unten. Die nächste Frage stell ich auch jedes Mal und versuch's jedes Mal ein bisschen anders zu formulieren. Ich stell's jetzt mal so.
00:53:29
Speaker
Diesen Comic gibt es noch nicht, es sollte ihn aber unbedingt geben. Vervollständige diesen Satz und zwar wie auch immer du diese Frage jetzt interpretieren möchtest. Also ein Comic, den es noch nicht gibt, den es aber geben sollte.
00:53:42
Speaker
Also ich lese zunehmend Comics auch auf Tablets jetzt über Comixology. Das heißt digitale Comics interessieren mich zunehmend und da finde ich halt sehr schön, dass es so über diese Bildführung, guided viewing nennt sich das, dass man mehr und mehr auch jedes einzelne Panel ganz bildfüllend sehen kann. Was mir aber fehlt,
00:54:02
Speaker
ist ein Element, was ich, also neben Comics hab ich mag ich irgendwie auch Stadtpläne. Ich bin Stadtplan-Fan und auf dem Handy gibt's ja dieses fantastische Element des 3D-Stadtplans, wo man dann über einen Knopfdruck so reinzoomen kann und dann kann man plötzlich Straßenzüge in 3D sehen und kann sich zwischen den Häusern bewegen, als flöge man da so durch wie ein Vogel. Und von daher, wenn ich einen Comic mir wünschen darf, den es unbedingt geben sollte,
00:54:26
Speaker
werden das einige meiner Lieblingscomics in 3D. Dass man da sozusagen reinzoomen kann in dieses Bild und dann das Bild auch von der Seite ansehen kann, sodass das quasi aus der Seite heraustritt. Das wird wahrscheinlich noch ein paar Jahre dauern, bis das technisch möglich ist. Aber ein paar Jahre habe ich ja auch noch. Also von daher hoffe ich, dass es in meiner Lebenszeit noch zu erleben ist. Das ist ein 3D-Comic, den man auf dem iPad lesen kann.
00:54:50
Speaker
Das ist eine ziemlich coole Idee und bei manchen Comic-Projekten dürfte das eigentlich auch gar nicht so schwierig in der Translation sein. Ich habe sowohl mit Kathrin Gahl als auch mit Ingo Röblinge darüber geredet, die bauen zu einem gewissen Teil ihre Innenräume, die sie dann in 2D zeichnen, in 3D vor.
00:55:10
Speaker
Also, ich weiß nicht, die Chroniken des Universums zum Beispiel von Ingo Römmling, falls du das gelesen hast, die ganzen Raumschiff-Innenräume gibt es schon in 3D, die hat er irgendwo bei sich rumliegen. Das wär wahrscheinlich nur noch eine Frage, da halt eine Textur draufzupacken, und dann müsste man's natürlich irgendwie umrechnen, aber ...
00:55:29
Speaker
Ich glaube, da sind wahrscheinlich schon relativ viele Vorarbeiten gemacht worden, die irgendwo bei Künstlerinnen und Künstlern auf den Festplatten liegen. Kann man das ja auch nur so punktuell machen. Also es gab eine Zeit lang bei Marvel das, ich hab das jetzt das letzte Jahr nicht mehr so gesehen, aber Marvel hatte eine Zeit lang Comics für
00:55:47
Speaker
digitale Lesungen so aufbereitet, dass es manchmal zwischen den Szenen so verbindende Elemente gab, wo dann so ein Wish-Effekt plötzlich war, dass es fast wie so ein Trickfilm war, wobei ich selbst als Comic-Leser auch einen Comic haben möchte, das heißt, ich brauch da jetzt keinen Trickfilm, aber die haben sozusagen Zusatzelemente gebaut,
00:56:03
Speaker
die so verbindend dann plötzlich animiert waren innerhalb eines ansonsten statischen Comics. Vielleicht kann man ja auch bei diesen Comics dann einfach mal das eine oder andere Bild, wo so ein Raumschiff ist, plötzlich durch so ein aktivierbares 3D-Element ein bisschen ergänzen. Das fänd ich faszinierend. Da gibt's bestimmt viele Möglichkeiten. Wahrscheinlich hast du recht, dass das in den nächsten Jahren irgendwie von alleine mehr oder weniger aufkommen wird. Coole Überlegungen. Sehr cool.
00:56:30
Speaker
Wenn du mal Kuppler spielen dürftest für einen Autorenzeichner und wenn du möchtest auch Koloristen, Duo oder Trio, ist auch vollkommen egal, wie realistisch das ist. Die Personen dürfen auch schon tot sein, wenn du das möchtest. Also Möbius wurde an der Stelle schon häufiger gewünscht, aus naheliegen Gründen. Wenn du dir einen Comic von einem Kreativteam wünschen dürftest, welches Kreativteam wäre das?
00:56:57
Speaker
Mir geht es so, dass ich als Leser sehr gerne Geschichten mag von einzelnen Autoren, die so im US Mainstream eine wichtige Rolle spielen. Also Brian K. Vaughn mag ich zum Beispiel sehr gerne in Paper Girls und Saga. Scott Snyder lese ich auch immer wieder gerne, der neben Batman ja auch noch viele andere Geschichten gemacht hat. Tom King, der auch so einerseits diese Superheldengeschichten macht, aber dann auch immer wieder ganz eigene Graphic Novels. Ich finde aber, dass die oft mit Zeichnerinnen und Zeichnern zusammenarbeiten, die sehr
00:57:25
Speaker
glatt und technisch und für mich, für meinen Geschmack, zu perfekte Zeichnungen haben oder zu geglättete Zeichnungen. Ich mag neben den tollen Geschichten, mag ich eigentlich gerne Zeichnungen, die so einen persönlichen, individuellen Strich haben. Deswegen mag ich zum Beispiel auch Jeff Lemire als Zeichner gerne. Das ist handwerklich nicht immer so perfekt, aber es hat halt so einen individuellen Strich. Oder Deutschland zum Beispiel mag ich gerne, weil die auch einen ganz eigenen Strich haben. Barbara Yellin oder Michael Ross, der jetzt Goldjunge gemacht hat.
00:57:53
Speaker
Von daher wäre mein Wunsch, dass man Geschichten hat, wo so Mainstream-Leute, also tatsächlich Brian K. Vaughan schreibt was und Jeff Lemire zeichnet das. Oder man tut mal so einen amerikanischen Mainstream-Autor zusammen mit deutschen Leuten wie Michael Ross oder Barbara Yellin. Das wäre für mich eine spannende Verbindung aus einer tollen, komplexen,
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Speaker
packenden Geschichte und dann im Strich, der eben ein bisschen weniger glatt und ein bisschen weniger gefällig ist, als das, was die sich sonst immer so für ihre Geschichten aussuchen. Das ist eine sehr coole Idee. Das kann ich voll nachvollziehen und gebe dir auch vollkommen recht, hatte ich noch nie so drüber nachgedacht.
00:58:31
Speaker
weil die meisten Kreativen oder Künstlerinnen und Künstler, mit denen Leute wie Vaughan oder Snyder zusammenarbeiten, ja schon auf der Höhe ihrer Kunst sind und es sieht halt auch einfach gut aus. Aber du hast recht, da ist häufig nicht so dieses stark ausgeprägte individuelle Moment drin.
00:58:48
Speaker
Ja, cool. Dann jetzt noch ein kleiner Werbeblock, denn wie jeder Gast bisher, würde ich dich natürlich auch bitten, uns noch eine Empfehlung aus unserem Programm zu geben, also aus dem Splitter-Programm, unabhängig davon, ob es jetzt ein altes Buch, ein neues Buch, eine Serie, was auch immer ist, eine Empfehlung aus dem Splitter-Programm.
00:59:10
Speaker
Ja. Oder gibt's viel. Das ist ja wirklich eine so große Bandbreite, die ihr da habt. Ich muss sagen, dass ich eben leider, weil ich, wie gesagt, mit manchen Genres einfach nicht so warm werde. Also ich bin jetzt zum Beispiel kein großer Fantasy-Fan. Das heißt, dadurch fällt leider einfach auch ein großer Teil eures Programms für mich schon mal so ein bisschen hinten runter. Ich versuche das immer wieder mal. Aber man muss eben auch natürlich eine gewisse Kenntnis und auch so einen Rahmen haben, so einen Wahrnehmungsrahmen, um das auch würdigen zu können, was zum Beispiel in dem Bereich passiert.
00:59:38
Speaker
Dadurch fällt manches hinten runter, aber ich finde, dass es trotzdem auch in so vielen anderen Bereichen tolle Sachen gibt. Also, was ich zum Beispiel gerne mag, ist Greg Rucker. Von dem ist, glaube ich, Lazarus bei euch und Stumptown jetzt auch gestartet. Genau.
00:59:52
Speaker
Die finde ich zum Beispiel ziemlich stark, die Serien und bin da immer gepackt. Dann natürlich so Klassiker, also die Möbius-Geschichten. Incarl habe ich auch verschlungen und würde sie auch immer weiterempfehlen. Von Jeff Lemire, dann eben auch Gideon Falls und Ascender bei euch. Aber dann auch so Entdeckungen wie, von ein paar Jahren habt ihr mal Melville?
01:00:19
Speaker
So eine Geschichte von einem Einzelgänger, der da in den Wäldern irgendwie so ein bisschen mysteriöse Dinge erlebt, ganz toll gezeichnet.
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Speaker
Dann mag ich aber auch gerne so politische Satieren. Also ihr habt ja hin und wieder dann auch so zum Beispiel Death of Stalin habt ihr glaube ich auch erlebt. Und Doomsbury. Also diese Polit-Satieren finde ich sind bei euch wirklich auch gut. Dann sehr kunstvoll fand ich blau ist eine Farbe. Eine warme Farbe.
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Speaker
Das hat mich einfach auch künstlerisch sehr angesprochen, diese Liebesgeschichte in Aquarellfarben, Ozean der Liebe, jetzt auch noch mal wieder genannt in unserem Special zum Thema Wassercomic, ein voller wortloser Comic. Und was ich klasse finde, um zum Schluss dieser Frage zu kommen, dass ihr eben zunehmend auch so deutsche Genresachen macht. Und jetzt habe ich eben vergangenen Monat oder vor vergangenem Monat hatten wir größer Ingo Röhmlings, die Marskroniken,
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Speaker
Chroniken des Universums, wo Ingo Römmling als Zeichner meiner Ansicht nach wirklich einen fantastischen Job gemacht hat, den ich sowieso auch als Zeichner toll finde, auch wenn der eben einen sehr glatten Stil hat, aber das ist trotzdem mit einer persönlichen Note. Das finde ich ist eben auch wichtig, dass es nicht
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Speaker
so fast schon maschinell aussieht, wie das bei manchen Zeichnern meiner Wahrnehmung ist. Er hat da immer noch einen eigenen Strich drin. Und das finde ich eben auch toll, diese deutschen Genresachen, die ihr auch habt. Katrin Gahl hat es so schon genannt und die so im Fantasy- und Science-Fiction-Action-Bereich habt ihr ja einiges in den vergangenen Jahren gemacht, Frauke Berger. Da finde ich, habt ihr wirklich auch tolle Sachen. Und ja, Ingo Römmling würde ich dann in dem Fall
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Speaker
mit den Chroniken des Universums auch empfehlen und bin gespannt auf die Fortsetzung der Reihe. Wir auch, ich freu mich schon, ja. Genau, und dann noch eine Empfehlung unabhängig
Empfehlungen für andere Medien und kulturelle Visionen
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Speaker
vom Comicbereich. Ein Buch, eine Serie, ein Videospiel, irgendwas, was du in letzter Zeit geschaut oder gelesen hast, was dich begeistert hat. Eine aktuelle Empfehlung.
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Speaker
Ich bin kurz vor dem Ende der Netflix-Adaption von Sweet Tooth. Bei mir dreht sich irgendwie viel um ihn, weil ich natürlich trotz aller professionellen Distanz das einfach auch fantastisch finde, was der alles für Geschichten sich ausdenkt. Und ich finde die Adaption, obwohl ich erst Schwierigkeiten hatte mit der Umsetzung und sie etwas zu süßlich fand und den Hauptdarsteller
01:02:45
Speaker
den Kinderschauspieler auch nicht ganz überzeugend. Ist das doch inzwischen so, dass ich da so ein bisschen gehuckt bin und sehr hoffe, dass Netflix die Serie nicht wie viele andere Serien dann irgendwann einfach einstellt, sondern da auch weiter macht, weil das wirklich mich sehr angefixt hat. Und dann habe ich diverse andere Comic-Verfilmungen auch in letzter Zeit geguckt, wobei ich die schon besonders stark fand.
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Speaker
Und Jupiter's Legacy hab ich aber auch, bin ich gerade dabei. Und es ist auch anders als der Comic. Ich fand es aber bisher, basierend auf der Geschichte von Marc Millard, aber finde das irgendwie auch sehr interessant, wie anders dann so eine Geschichte erzählt wird in dieser anderen Kunstform. Also das wären so meine Empfehlungen für den Bereich TV-Serien, Streaming-Serien.
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Speaker
Ja, dann im Bereich Literatur. Da lese ich tatsächlich auch recht viel kanadische Literatur. Nicht zuletzt, weil im Herbst jetzt Kanadagastland der Buchmesse ist und ich mich da so ein bisschen auch vorbereite auf den einen oder anderen Artikel für den Tagesspiegel. Und da gibt es zum Beispiel ganz tolle
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Speaker
Bücher von auch wieder indigenen Autorinnen und Autoren, wo ich jetzt mehrere gelesen habe, die wirklich faszinierend sind, weil sie teilweise auch so in den Genrebereich gehen. Also David A. Robertson ist ein Schriftsteller aus Kanada, der viel auch für jüngere Erwachsene schreibt. Der schreibt auch so indianische Superhelden-Geschichten, wenn man das so möchte. Hat aber auch immer wieder so dokumentarische Sachen gemacht.
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Speaker
Also da gibt es einiges zu entdecken aus dem Bereich Kanada. Und dann habe ich jetzt gerade einen modernen Klassiker gelesen, den viele andere schon kennen. Comet McCarthy, The Road, diese postapokalyptische Sparta-Sohn-Geschichte, der lag bei mir schon lange auf dem Tisch. Den habe ich jetzt vor ein paar Wochen zu Ende gelesen und war da auch so umgehauen von der sprachlichen Stärke und Einfachheit, mit der diese unheimlich
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Speaker
berührende Geschichte und erschütternde Geschichte vermittelt wird. Also die kann ich auf jeden Fall auch weiterempfehlen, wer das nicht schon kennt. Den sollte man lesen. Das hat Kraft. Also das ist wirklich ein Buch, das ist kraftvoll. Das ist das Einzige, was mir dazu einfällt, so als Adjektiv. Genau, Lars. Und jetzt ganz, ganz, ganz zum Schluss. Wie auch immer hast du noch einen Wunsch frei. Wenn du einen nerdigen Wunsch frei hättest, was wäre das?
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Speaker
Ich habe immer so eine Fantasie, die mir durch den Kopf geht, wenn Fußballmeisterschaften sind. Wie wäre die Welt, wenn wir in einer Welt lebten, in der Comics den Stellenwert von Fußball hätten? Das kommt mir schon immer beim Comic-Salon durch den Kopf. Der fand ja auch zeitgleich statt mit EM oder BM. Und ich selbst kann mit Fußball nicht so viel anfangen. Ich gucke das gerne mal, aber bin jetzt nicht so ein Fan.
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Speaker
In meinem Leben hat halt Comic tatsächlich diesen Stellenwert und ich träume manchmal von einer Welt, in der Comics generell diesen Stellenwert von Fußball haben. Also diese Omnipräsenz, diese wirtschaftliche Relevanz, diese Medienaufmerksamkeit, die jetzt in diesen Tagen wieder während der EM dem Fußball gewidmet sind.
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Speaker
Ich überlege dann, wie wäre das, so eine Welt zu haben, in der so Comic-Events diese Aufmerksamkeit bekommen. Also zum Beispiel Live-Zeichnungen, die am Fernsehen von Millionen von Leuten verfolgt werden oder Live-Comic-Lesungen, wo dann Zehntausende ins Stadion gehen und dem zuhören. Das finde ich irgendwie einerseits toll und faszinierend und denke, das wäre schon toll. Andererseits, wenn ich mir dann angucke, welche Entwicklungen der Profifußball
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Speaker
immer wieder auch so durchmacht, und auch problematische Entwicklungen, dann denke ich, es müssten vielleicht auch nicht alle Träume wahr werden. Das hätte ich jetzt gesagt, ich finde, das kann man nicht besser ausdrücken, als du's grade gemacht hast. Ich find das einen superschönen Wunsch, aber ich hätte genau dieselben Bedenken. Nee, toll, ja, sehr, sehr schön. Aber ich find, man darf ja mal träumen, und dann darf man auch in eine Utopie sich reinsteigern. Ich spiel dir überhaupt nichts gegen.
01:06:42
Speaker
Lars, vielen lieben Dank, dass du da warst. Wir machen mal einen Cut, denn ich glaube, wir haben viele, viele interessante Sachen besprochen, viele tolle Leseempfehlungen bekommen. Ich schreib das, wie gesagt, alles noch mal in die Show Notes rein. Ich verlink auch definitiv, also sowieso, aber wer's nicht so finden würde, für die verlink ich natürlich auch noch die Comic-Klatte des Tagesspiegels. Und weil ich den wirklich schön fand und das immer noch grade passt, auch mal den Artikel zum Wasser Comics, mal in die Show Notes mit rein.
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Speaker
Genau. Wo ihr uns findet, wisst ihr ja info at splitter-verlag.de für Fragen, Rückmeldungen, Feedback, Kommentare oder auf den sozialen Medien oder wie auch immer. Wenn's euch gefallen hat, lasst uns ein Abo da. Lars findet ihr auch auf Twitter. Das lege ich auch einfach mal in die Show Notes. Und da beschäftigst du dich ja auch relativ viel mit Comic-Sachen unter anderem. Lohnt sich auch, da mal reinzuschauen.
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Speaker
Genau, damit bleibt mir eigentlich nur noch mal zu sagen, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast. Vielen Dank für das sehr interessante, unterhaltsame, tolle Gespräch. Ja, danke dir. Ja, nicht dafür. Und genau, bis hoffentlich ganz bald, spätestens nächstes Jahr dann irgendwann wieder in Leipzig und in Erlangen. Da sieht man sich bestimmt mal persönlich. Genau. Und genau, dir noch einen schönen Nachmittag. Ja, danke, gleichfalls. Bis bald. Mach's gut, Lars. Ciao. Jo, tschüss, Max.