Reaktion in Konflikten als Form der Meditation
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Speaker
Angst habe ich immer vor etwas. Wenn ich dann mitten in einer Situation bin, bin ich schon im drauf reagieren und im machen und im tun. Es gibt kein Feedback, was so gerade und ehrlich ist wie eine Faust im Gesicht. Dieser Vorgang ist für mich Meditation. Zu schauen, was geschieht gerade wirklich. Ich habe dann sowas gesagt zu ihm wie, warte kurz, ich fühle mich gerade total bedroht und ich glaube jetzt entscheidet sich wirklich, wie es in unserem Leben weitergeht.
Einführung und Vorstellung von Tom Höfer
00:00:28
Speaker
Mike Rider Deep Talk. Menschen, Business, Diskussionen. Der Mike Rider Podcast. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Mike Rider Deep Talk. Heute bei mir zu Gast Tom Höfer. Tom, du bist Psychotherapeut, du bist Achtsamkeitslehrer und inzwischen auch Kampfsporttrainer. Genau. Schön, dass du da bist. Ja, freue mich auch.
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Speaker
für euch da draußen. Wir kennen uns schon. Normalerweise treffen wir uns, haben wir uns regelmäßig getroffen, um uns auf die Fresse zu hauen. Und heute wollen wir es ausdiskutieren. Nicht nur. Es gibt dann noch. Nein, aber wir haben uns da eh schon öfter länger auch unterhalten. Also wir kennen uns vom Kickboxen, vom Kickbox-Training im Endeffekt.
Toms Weg vom Teilnehmer zum Trainer in der Kampfkunst
00:01:21
Speaker
Und erzähl du vielleicht mal ein bisschen noch zusätzlich zu dieser Lebenslauf-Info, wer du bist.
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Speaker
Ja, also ich bin seit vielen Jahren Psychotherapeut, bin zertifizierter Achtsamkeitslehrer für Mindfulness Based Stress Reduction, also Stressreduktion und eben auch Kampfsporttrainer und versuche eine gute Balance zu finden, dass ich nicht zu viel Zeit mit dem Sport verbringe, sondern für den Rest meiner Tätigkeiten auch noch Zeit finde.
00:01:49
Speaker
Also im Endeffekt ist es schon so ein bisschen die Hobby zum Beruf oder zum zweiten Standbein-Geschichte bei dir, weil früher hast du ja nur in Anführungsstrichen trainiert, warst du Teilnehmender und irgendwann hast du auch begonnen Stunden zu geben. Und Mitte 23 habt ihr dann auch einen eigenen Verein gegründet,
Community-Aufbau nach Schließung der Shinergy Base
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Speaker
Kampfkunstkörper.
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Speaker
Ganz genau, es hat schon Ende 22 damit begonnen, dass da Ronny Kokos, der Entwickler von Shinergy, der diese Shinergy-Base geleitet hat, der dann leider pleite ging, der hat mich da schon immer wieder gefragt gehabt, ob ich für ihn einspringen kann in den Stunden und was ich gerne gemacht habe, das war natürlich auch eine Ehre für mich. Ich habe mir gedacht, okay, das traut er mir zu, sehr fein, ja so. Und dann habe ich mir gedacht, okay, Rampensauer, ein bisschen habe ich ja doch in mir, ja, probiere ich es einfach.
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Speaker
und war dann schon gespannt, wie das ankommt, und den anderen Mit-Trainierenden, wie die das aufnehmen. Nach dem Motto, respektiere mich die überhaupt da vorne, oder gibts dann nur mehr Geblödel oder was auch immer. Aber ich muss sagen, die waren auch dann froh, die waren dann sehr wertschätzend und freundlich und haben sich gleich gefreut, dass ich das auch mache. Und dadurch hat es mir auch Freude gemacht und da bin ich immer wieder gerne vertreten.
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Speaker
Als dann die Pleite kam für die Shinergy Base, habe ich gesagt, das geht für mich nach einem ersten Schock. Da war ja nicht nur ich geschockt, sondern viele andere auch. Okay, im Schock verharren geht nicht. Also ich spüre zwar schon die Machtsamkeit ein bisschen, greife ich schon etwas vor. Also einfach wahrnehmen, was ist. Der Schock war da. Aber möglichst kurz drinnen verweilen. Das heißt, was kann ich als nächstes tun? Also gleich in die Handlungsfähigkeit wieder kommen.
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Speaker
und hab gesagt, ok, ich möchte die Community erhalten, ich möchte selber weiter trainieren, genau auf diese Art und Weise. Also, pack zu, mach was draus, tu's einfach, ja. Und hab dann einfach die Leute sozusagen angeschrieben und wer mitmachen will, etc., haben dann im Freien begonnen zu trainieren, im alten HKH, ja, bei allen möglichen Temperaturen dann, ja, so. Und ja, das war, muss ich sagen, ist von allen eigentlich sehr, sehr begeistert aufgenommen worden, ja, so.
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Speaker
Ja, total. Vielleicht für den Kontext. Genau, wir haben zusammen Shinergy gemacht. Shinergy ist eine Mischung aus Take On Do, Kickboxen und auch sonst noch ein paar Einflüssen aus anderen Kampfsportarten. Ich habe mir nur angewöhnt, Kickboxen zu sagen, weil bei den Turnieren, wenn wir mitgemacht haben, waren wir immer in der Kickbox-Kategorie. Das ist dem am artverwandtesten, sage ich jetzt mal, genau deswegen. Aber wir waren zusammen im Shinergy.
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Speaker
Und leider in der Energiekrise ist der Verein den explodierenden Preisen zum Opfer gefallen. Miet- und Energiekrise kann man ja so offen sagen. Und für mich war es auch ein totaler Schock. Es war ein sehr familiäres Umfeld.
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Speaker
zugewandtes und wohlwollendes Umfeld, was man sich jetzt nicht unbedingt automatisch von jedem Kampfsportverein erwartet. Wenn man sich jetzt so ein Bild machen möchte, das war das Gegenteil von
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Speaker
irgendwie blutigen Käfigen oder irgendwelchen schimmeligen Kellern oder so, sondern es war wirklich sehr schön. Man konnte auch Yoga machen, Kraftsport allgemein. Für mich war es auch so, als dann die Meldung kam, wir müssen zusperren, wir sind pleite, als wäre einfach ein
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Speaker
großer Fixpunkt in meinem Leben. Einfach plötzlich weg, so der Boden unter den Füßen weggerissen. Das war mein Ausgleich. Ich habe dort viele Freunde gefunden und ich war total dankbar und und happy, als dann eben von dir unter anderem noch mit einer anderen Trainerin von dort, Marijke.
Verbindung von Kampfkunst und Achtsamkeit im Berufsleben
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Speaker
An dieser Stelle, liebe Grüße. Gute Kämpferin, erfahrene Trainerin.
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Speaker
Ja, genau. Die Initiative kam, hey, wir wollen diesen Spirit weiterleben lassen. Wir wollen das in irgendeiner Form genossenschaftlich oder zum Selbstzweck aufrechterhalten, weil das so besonders war.
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Speaker
Und daraus ist aber jetzt ein veritabler, waschechter Kampfsportverein geworden. Das ist sehr, sehr cool finde. Erzähl mal, was bringt dir meditieren, weil du bist ja auch Achtsamkeitslehrer, MBSR und Kampfsport für dich als Selbstständiger. Als Psychotherapeut ist man ja selbstständig und du warst davor auch Heilmasseur und warst eigentlich die meiste Zeit deines Lebens selbstständig, wenn ich mich richtig erinnere.
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Speaker
Also was der Kampfsport mir da bringt für meine Selbstständigkeit, wenn ich es richtig verstanden habe. Ja, genau. Ich würde mal sagen, es bringt mir natürlich, um das ein bisschen zu unterteilen, auf zwei Ebenen was, auf einer rein körperlichen Ebene, ganz einfach, ich sage jetzt einmal, gute Blutwerte, elastische, starke Muskeln, Vitalität, Dinge dieser Art. Das spüre ich einfach. Es ist einfach ein geiles Körpergefühl, ist das eine.
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Speaker
Das andere auf der psychischen Ebene bringt es mir ein immer wieder im Jetzt-Ankommen. Das, was ich eigentlich in den MBSR-Achtsamkeitskursen unterrichte, was ich auch in der Meditation versuche zu finden und zu verfolgen, ist dieses ganz im Jetzt-Ankommen als Gegenpart zum Vergangenen und zum Zukünftigen, wenn man das jetzt vergessen
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Speaker
Wir beschäftigen uns einen großen Teil des Tages mit der Vergangenheit. Das heißt, was habe ich falsch gemacht? Wie war das gerade vorher so? Oder mit der Zukunft, wie könnte es sein? Und im schlimmsten Fall sorgend in die Zukunft schauen. Und ein gewisses Gegenmittel, weil das bringt ja alles auch emotionale und auch körperliche Anspannungen mit sich. Kommen wir dann später vielleicht noch ein bisschen genauer hin.
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Speaker
Da brauche ich auch ein Gegenpart, ein Gegenmittel. Und ihm hier und jetzt anzukommen, hat etwas extrem Entspannendes, Erdendes und Heilsames auf vielerlei Ebenen. Und deswegen gehört das zu meinem Leben dazu. Meditation.
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Speaker
Und Kampfsport, und ich würde sogar sagen, Kampfsport kann auch Meditation in Bewegung sein. Ja, kann ich genauso unterschreiben. Für mich war es auch im Idealfall, das ist bei Gott nicht immer passiert, aber ein meditativer Zustand, in dem ich mich
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Speaker
unter Ausschluss der Außenwelt nur hier und jetzt befinde und bewege und verhalte und es gibt nur mich und manchmal mein Gegenüber beim Sparring oder beim Wettkampf und alles andere ist auf gut Deutsch gesagt, scheißegal, es ist nicht vorhanden und das ist so ein angenehmes Gefühl, weil ich bin auch ein starker Kopfmensch
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Speaker
und habe sehr bin bin sehr eifriger mensch und und diszipliniert und habe schmiede ständig pläne und bin in der vergangenheit inzwischen nicht mehr so viel aber aber schon sehr stark in der zukunft und sehr viel in diesem und das wird und dann vielleicht das und dies und das müssen wir noch und so und das ist aber total anstrengend das ist total belastend und und verbraucht ironischerweise
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Speaker
Wesentlich mehr Energie merke ich am Ende eines Tages, wenn ich so einen Tag im Büro verbracht habe und Pläne geschmiedet habe und Angebote geschrieben habe und Gagen verhandelt habe und was auch immer, bin ich wesentlich erschöpfter, als wenn ich anderthalb, zwei Stunden im Training gewesen bin und körperlich eigentlich
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Speaker
Ich habe alles gegeben. Es ist alles klitschnass. Auf dem Papier müsste ich eigentlich fertiger sein. Aber ich fühle mich so frisch und so leicht. Es war für mich immer der perfekte Start in den Tag. Morgens aufstehen, frühstücken, ein Kind in die Schule bringen und dann ins Training.
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Speaker
und dann so um elf, halb zwölf anfangen zu arbeiten, aber man hat dann schon, also ich hab dann schon irgendwie den Referenzrahmen, den Vergleichswert für alles, was mir sonst an dem Tag begegnen wird, gesetzt und im Vergleich dazu, was ich heute schon gemacht hab und wie gut sich das anfühlt,
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Speaker
Konnte mir gar nicht so wirklich. Das ist jetzt nur meine ganz subjektive Empfindung gewesen. Wie geht es dir damit?
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Speaker
Ja, also ich würde mal so sagen, ist eine philosophische Frage, aber es gibt so diese Idee, dass das echte Leben, also das lebendige Leben sozusagen, nur im Jetzt stattfindet. Weil in der Vergangenheit kann es nicht stattfinden, weil das ist ja schon vorbei und in der Zukunft das ist noch nicht da. Das heißt, es findet ja immer im Jetzt statt, das Leben, das gefühlte, vitale, lebendige, fühlbare Leben.
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Speaker
So gesehen ist vielleicht unser Leben eine Kette von Jetztmomenten. Und wenn ich immer woanders bin als im Jetzt, also im Vergangenen oder im Zukunftigen, dann bin ich eigentlich nie da und verpasse gewissermaßen meine Lebendigkeit. Und das heißt, alles, was dazu dinglich ist, im Jetzt anzukommen, lässt mich ankommen bei mir und in meiner Lebendigkeit. Und das Gute ist, in der Meditation kann ich das natürlich üben und übe das auch die ganze Zeit.
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Speaker
Aber im Kampfsport wirst du gewissermaßen schon auch ein bisschen, also vor allem im Sparring, merkst du sofort, wenn du nicht im Hirn jetzt bist, wenn du wieder neben dir stehst oder gerade irgendwas reflektierst, was vorher war. Du spürst das, wenn du an die Einkaufsliste denkst, weil dann hast du nämlich eine gefangen.
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Speaker
Ganz genau. Das geht ganz schnell. Das ist eine sehr, sehr natürliche Form des Achtsamkeitstrainings, möchte ich mal so sagen, bei allen anderen Effekten, die das auch hat. Und diese Lebendigkeit spürt man dann nach dem Training. Das kriegt man von vielen Mit-Trainerinnen immer wieder rückgemeldet in verschiedensten Formulierungsformen. Also ich fühle mich lebendig aus vorher. Eigentlich sollte ich müder sein, bin es aber nicht. Oder vielleicht muskulär
Angst und Konfliktbewältigung durch Kampfkunst
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Speaker
ein bisschen ermüdet.
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Speaker
Aber psychisch eher, sozusagen lebendiger, wacher. Es geht mir besser als vorher. Vorher war ich so versunken in einem Thema, das ist jetzt ganz weit weg. Plötzlich habe ich Abstand bekommen zu etwas, um etwas auch neu betrachten zu können. Dinge dieser Art und das ist schon faszinierend.
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Speaker
Ja, danke, dass du das ergänzt, weil ich will jetzt auch nicht irgendwie behaupten, das ist natürlich körperlich wahnsinnig anstrengend und die Knochen und die Muskeln oder manchmal die Bänder sind dann schon schwer und zäh. Aber trotzdem fühlt man sich, als würde man
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Speaker
gleiten, als wäre das so leichtfüßig im weitesten Sinne. Und ich glaube, ich bin jetzt auch kein Neurowissenschaftler, aber ich habe mal gelesen, dass das Gehirn ja allein, dass das Gehirn schon 20 Prozent unseres gesamten Energiebedarfs
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Speaker
verbraucht und dann haben wir noch nicht gegrübelt und dann haben wir noch nicht irgendwelche komplexen Handlungen gemacht, die das Gehirn steuert. Verdauung braucht auch extrem viel. Verdauung braucht auch sehr viel, genau, also mit vollem Magen grübeln ist das Schlimmste.
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Speaker
Genau, aber das spricht dafür, dass es sich eben leicht anfühlt, weil das, was so stark belastend ist und was einen ja auch wirklich runterzieht, weil man hat ja auch nicht immer eine Lösung, eine Möglichkeit, das zu klären, daran was zu ändern, sondern man ist ihm dann ausgeliefert, oft gerade als Selbstständiger, hängt dann da auch so viel dran.
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Speaker
im eigenen Kopf und dann wird es fast schon so obsessiv irgendwie oder oder zumindest nicht mehr leicht, um es mal neutral zu formulieren.
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Speaker
Mir persönlich hat es auch wahnsinnig viel geholfen, weil ich früher ein sehr starker Konfliktvermeider war. Also ich habe wirklich nie Streiten gelernt. Wir haben uns eh auch schon privat darüber unterhalten und habe Kampfsport fast therapeutisch angefangen, um mich bewusst außerhalb meiner Komfortzone zu begeben und zu sagen, so heute stelle ich mich
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Speaker
Also einerseits setze ich mich mit mir und meinem Körper auseinander und brauche einfach diesen körperlichen Ausgleich zu einer Kopfarbeit, zu einem viel sitzen, viel stehen, wenig bewegen, wenig sprechen und so. Aber wirklich bewusst in eine Konfliktsituation zu gehen, unter klaren Regeln und
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Speaker
sich dem auszusetzen und zu schauen, was passiert. Mir hat das unheimlich viel für die Selbstständigkeit gebracht, können wir gerne nachher noch, aber wie geht es dir damit? Was sagst du dazu? Du hast vorher sowas gesagt wie bluttriefende Kampfsportkeller oder sowas in der Richtung. Versus das, was wir da erleben in unseren Kontexten, also in unserem Verein bei Shinergy, was wir dort erlebt haben und erleben, der Menschenschlag, der dort
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Speaker
der angezogen wird offenbar von dem. Wo ist denn da der Unterschied? Warum fühlt sich das dort so gut an, dieses Miteinander? Und ich würde mal so sagen, zu dem, was wir bis jetzt schon gesprochen haben, die Vorteile des Kampfsportes auf körperlicher Ebene, auf psychischer Ebene, auch Selbstbewusstsein zu tanken etc. Das ist vielleicht eh was Allgemeines, was in vielen Kampfsportarten zutrifft, vielleicht auch in anderen Sportarten generell.
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Speaker
Aber was so speziell ist, ist, dass man sich seinen Ängsten zum Beispiel stellen kann, auch dem Gefühl Niederlagen zu erleiden oder zu scheitern mit was. Ich kann mich dort so stellen, während ich in Wertschätzung bin von mir selbst und anderen, in Wahrnehmung von mir selbst und den anderen.
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Speaker
Das heißt, wir verneigen uns ja, wie du weißt, immer voreinander vor dem Training oder auch vor jeder Übungssequenz, sozusagen, bevor wir zum nächsten Menschen weitergehen, mit dem wir dann weiterüben. Wir verneigen uns auch. Und solange wir das bewusst machen, da versuchen wir Trainer und Trainerinnen auch darauf zu achten, dass das so bleibt, solange wir das bewusst machen, ist das ein Ich-seh-dich, ich sehe da ist ein Mensch und kein Sand-Sack mit Beinen, sozusagen.
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Speaker
Und deine Grenzen sind mir auch wichtig. Und wenn ich mich darauf verlassen kann, dass der andere schon auch auf meine Grenzen schaut, dann brauche ich keine Angst haben.
00:16:58
Speaker
umgehen. Und bemerke, was ist eine Grundangst, ist natürlich so was ganz, was Uriges auch, wenn eine Gefahr auf mich zukommt, im Falle des Kampfsports vielleicht ein Fuß oder eine Faust sozusagen, dass ich vielleicht meine Augen schütze, indem ich blinzle, indem ich mich wegdrehe etc., aber dann sehe ich ja nicht, was da weiter passiert. Und das ist die falsche Reaktion. Also wie kann ich... Das schlimmste eigentlich ist, das schlimmste, was wir machen, genau.
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Speaker
Und das kennt, glaube ich, jeder und jede von uns, dass es am Anfang so ist, wenn man anfängt damit, dass man wegzogt, wegschaut, sich wegdreht. Und da ist vielleicht auch ein bisschen eine Analogie in Richtung der Selbstständigkeit, also wie kann ich inmitten der Anstrengung oder der Gefahr oder des Stresses
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Speaker
Trotzdem ganz da bleiben, halbwegs entspannt bleiben, trotzdem hinschauen, nicht vermeiden. Das ist ein Konfliktvermeider früher gewesen. Das heißt, ich kann jetzt sagen, okay, das ist der Konflikt, da passiert es jetzt gerade, und was ist zu tun? Ganz einfach. Und das immer wieder und immer wieder und immer wieder.
00:18:09
Speaker
gesamtorganismischen Art im Kampfsport, würde ich sagen, also im machinistischen speziell, während da eben freundliche Leute sind, die mich nicht vernichten wollen. Es ist sehr spielerisch, finde ich. Also wenn das ein zugewandtes Klima ist, und ich möchte das jetzt nicht für unseren Kampfsportverein irgendwie alleine gepachtet wissen, es gibt natürlich viele, aber grundsätzlich, wenn es in einem Kampfsportverein ein zugewandtes Klima ist, ein spielerisches, ein Miteinander,
00:18:36
Speaker
wo im Idealfall das Ego bitte draußen an der Tür bleibt, dann ist es ein Übungsplatz am Ende des Tages. Die Konflikte sind ja auch jedes Mal neu. Es ist ja nie derselbe Bewegungsablauf, so wie es auch in der Selbstständigkeit, im Arbeitsalltag nie dieselbe
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Speaker
Problematik ist, dieselben Rahmenbedingungen, es ist immer irgendwas anderes und man muss sich immer flexibel auf die Situation neu einstellen. Mit wem verhandle ich, wer steht da mir gegenüber, was will der von mir, wie dringend ist es, wie dringend ist es dem, dass das umgesetzt wird oder so, wie dringend ist es mir, dass ich Geld verdiene, kann ich es mir gerade leisten, auch was abzulehnen und so weiter, das sind ganz
00:19:29
Speaker
starke, beeinflussende Faktoren, die die Spielregeln fast schon verändern. Und ich finde dafür ist es so eine schöne Metapher hinzugehen und sich ein, zwei, drei Mal die Woche mit unterschiedlichen Menschen, man trainiert ja auch nicht immer mit demselben, sonst irgendwann kennt man sich sehr gut und ich weiß schon der Tom, der hat immer den einen
00:19:51
Speaker
die eine Finte und dann macht er die gedrehte Rückforst oder so. Und dann weiß ich schon, dann kann ich mich darauf einstellen und entsprechend reagieren. Aber dieses Spiel von Aktion, Reaktion und zwar so unmittelbar, kenne ich eigentlich aus keinem anderen Sport. Ich habe viele andere Sport gemacht, das ist sicher dann, ich weiß nicht, im Teamsportarten hast du andere Vorteile, im Basketball oder so.
00:20:19
Speaker
Wo es eben mehr noch um Kommunikation geht und um Selbstloses sich in den Dienst der Sache stellen und so. Da muss das Ego auch draußen bleiben.
00:20:32
Speaker
Es ist so unmittelbar und man kriegt so ein gerades, ehrliches Feedback. Es gibt kein Feedback, was so gerade und ehrlich ist wie eine Faust im Gesicht oder ein Fuß oder so.
00:20:49
Speaker
Also das Thema Ego möchte ich noch kurz einmal aufgreifen. Was ich ja auch von unserem früheren Lehrer und Freund Ronny Cockertz gut lernen durfte, ist ja auch sein unhierarchischer Zugang. Das ist vielleicht auch was Spezielles, was nicht in jedem Kampfsportverein so ist, dass einfach die Lehrer oder Trainer
00:21:10
Speaker
sich jetzt nicht als höherstehend stilisieren in irgendeiner Form, auch nicht empfinden, sondern ich merke das jetzt selber, wie schön das ist. Ich kann sowohl mittrainierender sein, wenn die Mareike oder Ali Reza oder eben andere Trainer sozusagen vorne stehen, dann bin ich einfach ganz mittrainierender und das fühlt sich genauso gut an und ich wäre auch von den anderen nicht als der Trainer
00:21:37
Speaker
der jetzt nur mittrainiert wahrgenommen und ich bin ein Teil der mittrainierenden und dann auch wieder in der anderen Rolle und das geht wahrscheinlich deswegen so gut, weil eben das das Ego eben draußen gelassen wird. Sich auch auf eine gute Art und Weise bescheiden zu halten kann dort auch mittrainiert werden. Das kann manches Mal vielleicht auch für
00:22:02
Speaker
Firmenkontexte oder sowas, wo es flache Hierarchien gibt und sowas. Hilfreich sein. Was kann ich daraus lernen? Was kann ich da mitnehmen? Das finde ich spannend. Ich weiß nicht, hast du wahrscheinlich mehr Erfahrung als ich eben in Firmenkonstrukten mit vielen Mitarbeitern, die sich eben eigentlich unterstellt sind. Aber wie verhält sich dann der Geschäftsführer, wenn plötzlich der Junior-Marketing-Assistent
00:22:32
Speaker
in den Training. Was wird denn da alles getriggert? Aber was ich dich eigentlich tatsächlich fragen wollte, weil du es angesprochen hast, was hat denn sich für dich verändert seit du, du hast ja als Trainierender angefangen und als Konsument, sage ich jetzt mal im weitesten Sinne auch aus den genannten Gründen.
Verantwortung als Kampfkunsttrainer
00:22:52
Speaker
Was hat sich noch für dich verändert in der in der lehrenden Position, auch in der Verantwortung, so einen Verein am Laufen zu halten?
00:23:01
Speaker
Also ein offenes Geheimnis, das ich jetzt hier nochmals zum besten geben möchte, ist ja, dass man dadurch, dass man lehrt, am besten lernt. Ich bereite die Stunden natürlich immer gut vor, tauche dann in die Materie ganz tief ein, möchte sie sich dann auch halbwegs gut vorzeigen können, übe das dann auch nochmal extra im Privaten, also ich beschäftige mich noch viel mehr mit Kampfsport und den Hintergründen, den Philosophien.
00:23:31
Speaker
als je zuvor als Mit-Trainer, wo man mehr im Konsumieren ist. Das ist ein wichtiger Punkt, dass ich für mich deutlich dazugelernt habe, seit ich Trainer bin. Das ist mein großer Bonus davon, das gebe ich hier offen zu.
00:23:50
Speaker
Natürlich auch die Verantwortung zu haben für andere und immer in Kontakt zu bleiben mit den Menschen. Einfach auch zu sehen, wenn jemand wegkippt, dissociiert in irgendeiner Form zum Beispiel, nicht mehr ganz da ist. Was war das? Braucht die Person jetzt was? Gibt es Körperpositionen, die vielleicht irgendwas berühren, was in eine unangenehme Situation bringt?
00:24:14
Speaker
Hat jemand Schmerzen? Wie gehe ich damit um? Gibt es eine Übung, die jemanden überfordert? Wie passe ich das an andere an, sodass die auch mittrainieren können und auch die Fortgeschrittenen nicht gelangweilt sind? Also einfach da wirklich mit der Gruppe so organisch in Kontakt zu sein, das ist auch etwas sehr Spannendes, eine ganz interessante Erfahrung eigentlich auch.
00:24:37
Speaker
Ja, ich finde es da besonders wertvoll, ehrlich gesagt, dass du einen psychotherapeutischen Background hast, sage ich jetzt mal, auch wenn es dein Hauptberuf ist oder dein erstes Standbein, wie auch immer, weil eben nicht jeder Kampfsporttrainer automatisch auch das Werkzeug hat,
00:24:58
Speaker
solche Dynamik zu erkennen, wo es eine Grenzüberschreitung gab, wo sich jemand vielleicht nicht traut zu sagen, dass es ihm oder ihr gerade zu viel ist, zu fest ist, zu intensiv oder dass jemand vielleicht eigentlich gerne lieber eine Pause machen würde jetzt, aber sich aufgrund der Gruppendynamik nicht
00:25:20
Speaker
traut, weil sie oder er den Rhythmus nicht unterbrechen will oder so. Und da habe ich bei einigen anderen Kampfsportvereinen auch trainiert, wo es jetzt überhaupt nicht schlecht war. Aber das war für mich ein extra Bonus und ein Fakt, den ich sehr wertgeschätzt habe. Ich glaube, die Leute, die auch den beruflichen Hintergrund kennen bei mir,
00:25:46
Speaker
trauen sie sich auch eher, mich auch nach der Stunde einfach anzusprechen und sagen, boah, da ist etwas hochgekommen oder so. Oder eben, jetzt geht es mir besser, weil normalerweise geht es mir so und so schlecht. Ich erfahre dann von Leuten oft Hintergründe, die man vielleicht zu uns nicht erfahren würde.
00:26:04
Speaker
Ja, das ist spannend. Stehe ich mir aber auch ehrlich gesagt schwer vor, das dann zu trennen und nicht dann noch die private Therapiestunde hinten dran zu hängen als Training, weil irgendwo endet ja dann auch die Verantwortung in diesem Sportkontext. Es ist total wichtig, dass es die Möglichkeit gibt,
00:26:23
Speaker
irgendwie danach, was man im Idealfall eben entweder mit einem besten Freund, einer besten Freundin, einem Therapeuten oder einer vertrauten Partnerin, Partner oder so macht, dass es da instant sozusagen auch da wieder unmittelbar die Möglichkeit gibt kurz zu reflektieren oder kurz das zu verbalisieren und dadurch irgendwie klar zu bekommen.
Ethik in Therapie und Kampfkunst
00:26:49
Speaker
Fällt dir das schwer?
00:26:50
Speaker
Eigentlich nicht. Da hilft mir sehr meine psychotherapeutische Berufsetik, die ja auch vorgeschrieben ist, auch gesetzlich manifestiert ist, wo es zu keinen Verstrickungen kommen darf zwischen den Feldern. Das heißt, ich darf mit niemandem, mit dem ich trainiere, regelmäßig mit der Person auch Psychotherapie machen. Das klappt nicht. Und Psychotherapie ist ja etwas Prozesshaftes. Das heißt, man sieht sich in einem regelmäßigen Abstand und arbeitet an was.
00:27:20
Speaker
Dadurch gibt es in mir eine Klarheit. Wenn jemand mich aus dem Kampfsportkontext von Mittrainierenden auf etwas anspricht, ich leide unter Depressionen, Angststörungen, was auch immer, dann ist automatisch das nicht einmal in irgendeiner Weise offen, das Fenster in mir, aha, dann werden wir psychotherapeutisch da rangehen. Trotzdem weiß ich aber vielleicht manchmal so kleine Interventionen oder eben in Bezug auf das Training ein paar Adaptierungen, die da gut tun können.
00:27:47
Speaker
Und allein das ausgesprochen zu haben, um das gut aufbewahrt zu wissen bei jemand anderem, tut ja oft schon gut für die Leute. Ja, das stimmt. So geht es mir auch. Wie ich schon gesagt habe, ich habe nie gelernt zu streiten. Ich habe immer alles in mich reingefressen, immer alles mit mir alleine ausgemacht. Ich war relativ unglücklich, habe mich relativ viel
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Speaker
zugemacht, kann man durchaus sagen, in meiner Jugend und im jungen, erwachsenen Alter. Und als ich begonnen habe, darüber zu reden, Gott sei Dank haben mir Menschen diese Möglichkeit gegeben, dieses Vertrauensverhältnis, habe ich gemerkt, es braucht es eigentlich gar nicht mehr. Und dann
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Speaker
hat das gesündere Umgang, das Verbalisieren, das Verschleiern schleichend sukzessive abgelöst und da war dann plötzlich gar kein Bedarf mehr da. Und was ich eben gemerkt habe, dass allein das Aussprechen ohne eine Lösung zu haben, ohne sich dazu verhalten zu haben oder so,
00:29:01
Speaker
es schon viel leichter machen. Es ist dann da draußen, ich bin nicht mehr allein damit und habe das Gefühl, es ist bewältigbar im weitesten Sinne.
00:29:12
Speaker
Und du beschreibst da gerade den Seinszustand, würde ich mal sagen, der mit sozialer Verbundenheit oder mit dem Gefühl von sozialer Verbundenheit auch zu tun hat, mit dem Gefühl von Sicherheit vielleicht, sich selbst wahrnehmen und spüren, sich nicht verstecken zu müssen, da sein zu dürfen. Also mit all dem würde ich diesen Seinszustand verbinden.
00:29:34
Speaker
und der ist klar abzugrenzen zu anderen Seinszuständen. Nämlich zum Beispiel angesichts von Bedrohungen oder Gefahren, die jetzt körperlich sein können oder rein auf psychischer Ebene.
Stressbewältigung durch Kampfkunst
00:29:51
Speaker
Wenn das Gehirn etwas als bedrohlich einschätzt, reagiert es nun mal auf klassische Art und Weise.
00:29:58
Speaker
dass es eine Möglichkeit sucht, dagegen anzukämpfen, gegen die Problematik, sich abzugrenzen, zu schützen. Eine Aktivierung braucht es dafür, um diese Aggression, auch eine gesunde Aggression, um sagen zu können, nein, stopp, mag ich nicht, der braucht eine klare, wache, gesunde Aggression.
00:30:22
Speaker
Das ist die eine Möglichkeit, ich kann auch vermeiden, dass er auch aktiviert sein, um dann vermeiden zu können. Das wäre dann die Fluchtreaktion, also Kampf oder Flucht kennt man am ersten als Kurzform.
00:30:38
Speaker
Und dann gibt es natürlich noch, wenn das alles nicht klappt, ich kann nicht aus, ich kann nicht weg, ich kann scheinbar nichts mehr tun, ich bin ausgeliefert, wenn ich das wahrnehme, ich kann weder davon noch kann ich dagegen ankämpfen oder mich abgrenzen, wenn das alles nicht mehr geht, dann gibt es nur noch die letzte Möglichkeit, mich zu betäuben, damit es nicht mehr so weh tut. Kampfsport oder in einer Beziehungskrise, wenn jemand etwas zu mir sagt, was mich total verletzt,
00:31:04
Speaker
Als letzte Möglichkeit gibt es diese Selbstbetäubung, dieser Todstellreflex oder Freeze-Modus genannt. Und die Frage ist immer, wie kann ich in den ersten Zustand zurückkommen? Das Gefühl der Sicherheit, der Sozialverbundenheit, das ich kann was tun, ich bin nicht ausgeliefert. Und das ist nun mal für Selbständige wichtig und gut und für Kampfsportlerinnen und Kampfsportler genauso.
00:31:34
Speaker
Ja, total. Ich kann das genauso nachfühlen und unterschreiben. Das war bei mir auch ganz lange so. Ich war ein typischer Freeze-Mensch. Schotten dicht, alles zu, mich kann nichts verletzen, weder auf der körperlichen noch auf der psychischen Ebene. Aber dadurch war ich halt auch nicht mehr in der Lage, Gefühle zu empfinden. Also es ist dann alles
00:31:57
Speaker
tot. Und das verbraucht auch unfassbar viel Energie, diesen Schutzschild aufrechtzuerhalten und diese Mauer, es ist eine Mauer im Endeffekt. Und am Anfang nährt man die noch mit Trotz oder so, habe ich es zumindest gemacht, ich will jetzt nicht für andere sprechen, dass man so aus Trotz noch irgendwie die Kraft schöpft und aus Wut und Verbitterung und Ohnmachtsgefühlen und so.
00:32:24
Speaker
Aber irgendwann, früher oder später, geht einem die Luft aus. Und dann bricht das alles so über einen hinein. Das bräuchte sich nämlich nicht der Erste, der dir das erzählt. Aber da hat mir wirklich, wie gesagt,
00:32:43
Speaker
habe ich mich bewusst dafür entschieden, Kampfsport als Konfrontationstherapie zu beginnen, weil es mich immer schon interessiert hat, weil ich es immer schon bewundert habe. Das Körperbewusstsein, die Kontrolle, der Umgang mit sich und dem anderen, das war etwas, das ist auch so, wie ich zum Beispiel Breakdancen wahnsinnig bewundere.
00:33:11
Speaker
Wir haben jetzt gerade die Olympiade gehabt und ich fange dann fast an zu heulen, wenn ich die sehe. Wie schön das ist, wie die im Hier und Jetzt sind und instinktiv auf die Musik, mit der Musik interagieren, tanzen miteinander, ohne sich zu berühren, doch auch konkurrieren und sich aber so respektvoll aneinander messen und zeigen, was sie können, wo sie sind, woran sie gearbeitet haben.
00:33:43
Speaker
Die sind sicher in dem Moment ganz in einem Flow-Zustand, also ganz verbunden mit dem, was jetzt da ist. Sie müssen nicht anderswo sein, sie müssen auf nichts außen achten, sondern sind eins mit dem, was sie tun. Das ist einfach ein genialer Zustand. Ich finde es so, so schön, auch wenn es manchmal so ein bisschen Hip-Hop-Proloh-mäßig ist, dass man sich dann so
00:34:04
Speaker
oder irgendwie Gesten macht, die vielleicht herabwürdigend sind oder so, aber am Anfang und am Ende umarmt man sich und gibt sich die Hand und ist respektvoll zueinander. Es ist wie ein Ring der Seifer, da stehen dann oft Leute drum herum und feuern an oder so.
00:34:25
Speaker
Und beide Menschen gehen diese Beziehung ein für diese paar Minuten, wie auch immer. Und geben sich die unmittelbarste Form von Feedback, die man sich nur geben kann. Und so ist es eben auch beim Kampfsport. Ich weiß nicht, wie ich es anders gelernt habe. Natürlich auch mit Gesprächstherapie habe ich auch lange gemacht.
00:34:48
Speaker
Um das in den Körper zu kriegen, hat mir Kampfsport so viel geholfen, zu merken, zack, okay, aber es passiert nichts. Ich bin immer noch am Leben. Es ist ein Handschuh dazwischen, es gibt klare Regeln. Wenn ich Stopp sage, heißt das Stopp. Wenn man kann sich vorher ausmachen, macht man null Kontakt, ganz leichten Kontakt. Da passiert dann langsam, bröckelt dann diese Mauer.
00:35:13
Speaker
Es wird auch ein Konzept, das man zu einer Sache hat. Wenn ich geschlagen getroffen werde, tut es weh zum Beispiel. Ein Konzept wird dann auch überschrieben durch die Realerfahrung. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich muss sagen, ich war auch erstaunt nach meinen ersten Sparring-Einheiten, wie wenig weh das tut eigentlich.
00:35:35
Speaker
Also dass das eigentlich halb so schlimm ist, wie man es sich vorstellt. Und reale Erfahrungen, die haben einfach immer eine positive Auswirkung, weil ich dann wegkommen kann von den Ängsten, die ich zu einer Sache habe. Angst habe ich immer vor etwas. Wenn ich dann mitten in einer Situation bin, bin ich schon im drauf reagieren und im Machen und im Tun. Man braucht dann nicht mehr in so einem Konzept festhängen davon.
00:36:02
Speaker
Total, ja. Also es ist auch oft eine absurde Angst. Also ich hatte zum Beispiel ganz lange Angst vor meiner eigenen Kraft. Weil ich wohl, ich kann mich nicht erinnern, aber ich kann es mir nicht anders erklären, dass ich irgendwie mal als Kind oder im Kindergarten oder in der Grundschule mal mich gebrügelt habe oder so und dann mit dem anderen wohl richtig wehgetan habe. Aber ich bin, das ist jetzt nur eine Vermutung, aber aufgewachsen bin ich mit dem,
00:36:27
Speaker
Ich habe nie irgendwie zurückgeschlagen aus Angst, dass ich dem anderen ernsthaft was tun könnte. Das kann man dann nicht mehr rückgängig machen, das würde ich dann mein Leben lang bereuen. Aber in dieser Trainingssituation habe ich gemerkt,
00:36:43
Speaker
ich habe viel kraft ich bin stark wenn ich das will und gerade wenn ich auch dann die technik dazu lerne dass man die energie richtig einsetzt und so weiter aber ich kann es auch kontrollieren ich kann das dosieren das ist nicht ich bin dem nicht auf gedei und verderb ausgeliefert bin dann verfallen dann in einen berserker raus und
00:37:04
Speaker
Irgendwie man wieder aufwacht, da raus ist alles um einen rum. Keiner steht mehr an, es ist abgeholzt. Aber das muss man halt erleben. Und alles andere sind theoretische Szenarien, die einem im Kopf aber unabänderlich feststehen und feststecken. Und diese neuronalen Verbindungen müssen erstmal irgendwie überschrieben werden. Das geht halt nicht von heute auf morgen.
00:37:34
Speaker
Also diese emotionale Selbstregulationsfähigkeit, das ist eines der Dinge, die wir sowohl mit der Meditation als auch mit der Psychotherapie vor, dass die Frauen haben, was wir erreichen wollen, was wir ausbauen wollen. Emotionale Selbstregulation auf eine heilsame Art und Weise, das heißt, nicht Gefühle zu unterdrücken oder sie eben berserkerhaft ungefiltert auszudrücken, sondern sie so zu regulieren, dass sie Platz haben.
00:38:02
Speaker
Aber trotzdem in einer Dosis, die zuträglich ist für die Situation, für mich selber, für andere, die einfach passend ist, adäquat. Verhältnismäßig. Verhältnismäßig ist. Ganz genau. Und das lernen wir im Kampfsport sozusagen implizit.
Emotionale Selbstregulation durch Kampfkunst
00:38:16
Speaker
Die ganze Zeit lernen wir das, uns zu regulieren. Und Trainerinnen und Trainer sind auch dafür da, da einzuschreiten. Zwar schnell und gleich und sofort. Und das im Ansatz schon zu bemerken, wenn jemand das Ego eben zu sehr
00:38:28
Speaker
den anderen nicht mehr wahrnimmt, sondern nur darauf aus ist, sich selbst zu zeigen in seiner besten Form oder was auch immer. Da gibt's ja von Viktor Frankl so einen Satz, der so sinngemäß lautet, zwischen Reiz und Reaktion, gibt's einen Raum,
00:38:44
Speaker
Und in diesem Raum liegt die Macht, meine Reaktion zu wählen. Da liegt auch unsere Freiheit, unsere Entfaltungsmöglichkeit und so. Ich würde das noch ein bisschen ergänzen, es gibt so eine Erstreaktion. Das heißt, das sind alte Muster, die von wo auch immer herkommen, so lange gelernte alte Muster vielleicht.
00:39:06
Speaker
Und diese alte Reaktion taucht auf. Das kann im Kampfsport zum Beispiel sein, dass wenn mich jemand trifft, dass ich vielleicht wütend werde in dem Moment. Aber dann die Möglichkeit zu haben, nochmal zurückzugehen in diesen Raum hinein zwischen Reize und Reaktion, ihn ein bisschen aufzumachen und zu sagen, wie möchte ich jetzt weiter reagieren oder damit umgehen.
00:39:28
Speaker
Und das funktioniert. Das kann ich als eigene Erfahrung sagen. Dass du eine Erstreaktion hast und wenn du das geübt hast, bewusst eine Reaktion zu wählen, bei der ich dann letztendlich bleiben möchte zu dieser Sache.
00:39:43
Speaker
dann lernst du dich einfach selbst zu regulieren, so ist das. Ich habe da kurz weiter erzählen aus meinem privaten Leben, also vor einigen Jahren eine wilde Situation gehabt, da ist ein Autor an mir so vorbei gerast, dass ich wirklich gerade noch mit einem Sprung auf den Gesteig das Weite suchen konnte und habe im Reflex die erste Reaktion so gemacht hinter dem Herd.
00:40:11
Speaker
Der 3er BMW hat gebremst. Der Kofferraum sich hinten aufgestellt hat in dem Moment. Die haben zurückgeschoben. Da saßen drei junge Männer drin. Zwei davon sind ausgestiegen. Einer kam von vorne auf mich zu. Dann war die nächste Erstreaktion in mir so ein Herz. Herzfrequenz erhöht sich. Da sind wir schon bei der Stressreaktion. Herzfrequenz erhöht sich. Muskeln werden angespannt. Der Körper macht mich kampf- oder fluchtfähig.
00:40:39
Speaker
Erste Entscheidung renne ich davon, stelle ich mich. Das geht alles in Sekunden oder Sekundenbruchteilen vielleicht. Und dann fand ich mich auch schon dort so stehend in einer Kampfstellung, so wie wir es gut gelernt haben, stabil stehend.
00:40:55
Speaker
Und den Anschauern, der auf mich zukommt und gleichzeitig wahrnimmt, wie der andere von hinten kommt, das war so ein Buddy, die Rückendeckung für ihn, nicht für mich sozusagen. Und in dieser Situation dann sich so hinzustellen, dass ich nicht aggressiv wirke und mehr vom selben sozusagen, noch Mitterzeuge von Aggression und Gewalt.
00:41:20
Speaker
sondern deeskalierend eher zu wirken, die Hände unten offen zu halten, weil wir es auch so gelernt haben in gewissen Situationen, das war dann plötzlich da.
Kampfkunst in realen Situationen
00:41:29
Speaker
Und dann habe ich ihn, Gott sei Dank, von einer limbischen Ebene des Gehirns, wo er nur im fast animalischen Reagieren und am Vernichten wollen war, mit bebenden Kau-Muskeln und so weiter. Der hat nur darauf gewartet, das heißt, das hat er nur gebraucht.
00:41:46
Speaker
habe ich es dann wirklich geschafft, ihn in kurzer Zeit auf eine eher kognitive Ebene zu bringen. Und er hat richtig gemerkt, wie das Stockwerk gewechselt wird im Gehirn. Und ich habe dann sowas gesagt zu ihm wie, warte kurz, ich fühle mich gerade total bedroht und ich glaube jetzt entscheidet sich wirklich, wie es in unserem Leben
00:42:07
Speaker
weitergeht. Es können Verletzungen entstehen, es kann ganz arg ausgehen. Ich bin bereit, aber lass uns kurz drüber nachdenken. Und das hat ihn natürlich dann ins Nachdenken gebracht. Was ich mit der Geschichte sagen will, ist auch Spiegelneuronen helfen uns, uns auch sozusagen auch anstecken zu lassen, auch vom Guten, von der Friedlichkeit, von der Entspanntheit eines anderen. Und das lernen wir auch immer wieder, nicht in unseren
00:42:33
Speaker
Übungen im Kampfsport, dass wir, wenn wir entspannt sind, den anderen dazu einladen, auch entspannt zu sein. Das kann man dann fieserweise auch nützen im Sparring. Wenn ich eine entspannte Ausstrahlung habe und der andere lässt die Deckung sinken, weil er das Gefühl hat, es ist ähnlich Schlimmes im Raum, dann kann man das Moment auch nützen, sogar bewusst erzeugen.
00:42:54
Speaker
Aber in der normalen Übungssituation ist es einfach so, dass wir uns gegenseitig vermitteln, alles safe, alles friedlich, du kannst in Ruhe üben und kannst mir vertrauen. Also ich bin verbunden mit dir. Ja, das finde ich eine total schöne Geschichte, weil sie auch zeigt eben, dass es ist ein totaler Genkalenderspruch, aber es ist so, kämpfen zu können bedeutet nicht mehr kämpfen zu müssen.
00:43:20
Speaker
Nur weil du dieses Training hast und diese Erfahrung und diese Routine und hast du die Möglichkeit dich so zu verhalten, hast du die Möglichkeit handlungsfähig zu bleiben, wirkst du auch so in der Körperstellung, in der Haltung, wie du die Hände, wie du die Füße bewegst und stehst und was du ausstrahlst.
00:43:40
Speaker
dass du so aus dieser Nummer rauskommen kannst. Wenn du nämlich das nicht hast, dann bist du entweder ein Opfer, das ist ja dann auch so ein raubtierhafter Instinkt der Dominanz und das Kontrollieren und das Status irgendwie Zeigens und Beweisens und so oder aber du verfällst in Panik und
00:44:06
Speaker
Angriff ist die beste Verteidigung, wild schwingend und chaotisch. Und das führt dann meistens zu großen Unglück, großen Verletzungen. Einfach, dass die Situation blöder ausgeht, als sie ausgehen kann.
00:44:26
Speaker
Eines meiner Lieblingsbilder, und da weiß ich jetzt von wegen Quellenangabe, sorry, da weiß ich nicht, ist es von mir oder jemand anderem, keine Ahnung, aber da gibt es so dieses Bild, das mag ich wahnsinnig gern, verwende es auch immer wieder in Achtsamkeitskursen oder in anderen Kontexten, egal, nämlich das Windstillezentrum inmitten von Wirbelstürmen.
00:44:48
Speaker
Wenn du das schon mal gesehen hast, da hat es früher Dokus gegeben, wo Drohnen hineingeschickt wurden in den Wirbelsturm. Das Auge des Zyklons. Dieses Bild kennt man schon, dass da Windstil drin ist. Und so habe ich das in dieser Situation mit diesen drei Typen erlebt, dass da in mir was ganz Windstil war. Und das war, glaube ich, das entscheidende Element. Dieses Windstilelement inmitten dieser
00:45:18
Speaker
Potenziellen Gefahr, dieses Hochweilen von Emotionen und Körperreaktionen, mittendrin ist was Ruhiges, was Gelassenes. Und das immer wieder zu finden, auch im Sparring zum Beispiel. Wenn wir sparen und merken, da schaukelt sich was hoch. Du kennst das genauso wie ich und wahrscheinlich alle, die ernsthaft sparen immer wieder.
00:45:43
Speaker
dass sozusagen einer anfängt, ein bisschen schneller oder härter zu schlagen, gewollt oder ungewollt oder aus dem Stress raus, was auch immer, und man dann plötzlich auch anders antwortet, auch schneller oder härter, und dann irgendwann einmal bumm bumm bumm. Und was ist dann das Beste? Einfach, wenn beide einfach die Arme kurz hängen lassen, sich ausschütteln,
00:46:05
Speaker
Lass uns mal chillen, kurz mal reden miteinander und neu zu starten, das ganze Ding. Um dort wieder hinzukommen. Aber das macht uns auch handlungsfähiger. Aus dieser Ruhe heraus auch dann explosiv starten zu können. Sonst verbrenne ich die ganze Energie schon mit den angespannten Muskeln im Vorfeld, bevor ich mich verteidige oder angreife.
00:46:33
Speaker
Ja, ja, total. Es kann sich sehr schnell hochschaukeln, weil wir sind alle nur Menschen und wir haben auch, wenn wir uns vornehmen, das Ego vor der Tür zu lassen, haben wir trotzdem ein Ego. Und es kann nun mal passieren, wenn ich mich jemandem überlegen fühle, weil ich weiß nicht, ich viel länger trainiere als er oder sie und der oder die erwischt mich dann auf den falschen Fuß, dass ich mir jetzt denke, Moment mal. Und das
00:46:59
Speaker
Das kann passieren und man hat halt nicht immer die Ruhe und im Sparring die Übersicht zu sagen, danke, dass du mir gezeigt hast, dass ich da meine Deckung hab hängen lassen, danke für den Hinweis, sondern okay.
00:47:16
Speaker
Let's go! Und das kann wie eine Helix wirklich sehr schnell sich Aktion, Reaktion hochschaukeln. Aber lass uns das vielleicht nochmal ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.
Selbstständigkeit und Kampfkunst
00:47:29
Speaker
Jetzt haben wir sehr viel über Kampfsport geredet, über Philosophie dahinter und so weiter. Was bringt dir das in der Selbstständigkeit, in deinem Arbeitsalltag?
00:47:41
Speaker
Zum erfolgreich, selbstständig bleiben gehört ja auch dazu, gesund zu bleiben. Das heißt, ich muss arbeitsfähig bleiben, leistungsfähig bleiben und gesund bleiben. Weil wir alle wissen, wenn ein Selbstständiger, eine Selbständige krank wird, ausfällt,
00:48:02
Speaker
ist da selten jemand da, der sagt, ja, kein Problem, ich arbeite für dich weiter. Vor allem gerade bei Einzelunternehmerinnen. Total. Genau. Und wenn ich jetzt meine Gesundheit fördere, liegt es schon auf der Hand, dass ich dann natürlich tendenziell weniger krank bin. Weil ich länger gesund bin oder durchgehender. Also ich muss sagen, ich glaube, ich bin ein bisschen bei einem Schnupfen von den letzten drei Jahren, kann ich mich nicht erinnern, krank gewesen zu sein, Gott sei Dank.
00:48:31
Speaker
Ich weiß nicht, ob das jetzt nur im Kampfsport liegt. Es liegt auch an Faktoren wie gesunde Ernährung, wenn da kommen schon noch andere Säulen der Gesundheit dazu. Aber da bringt es mir was als Selbstständiger auf der Gesundheitsebene. Aber wenn wir erst vom rein körperlichen Weg gehen, von der körperlichen Gesundheit, auch diese mentale Belastbarkeit, meditieren,
00:48:53
Speaker
Kampfsport, also das im Hier und Jetzt sein durch den Kampfsport, mit Niederlagen umgehen lernen durch Kampfsport, mit schnell wieder aufstehen lernen, mit all diesen Dingen, mit dem Selbstbewusstsein, das aus diesen Ecken rauskommt, mit dem Hier und Jetzt sein, mit der Stressregulationsfähigkeit, die sich da entwickelt.
00:49:14
Speaker
mache ich natürlich Zähneputzen für die Psyche die ganze Zeit. Das heißt, das ist eine Routine, die die ganze Zeit passiert. Das ist nicht nur so im Urlaub, dass ich mich dann erhole von einem Jahr. Die eine Woche Yoga-Retreat und dann aber wieder 70 Stunden.
00:49:33
Speaker
hart ins Burnout arbeiten. Nichts gegen Yoga, Entschuldigung. Nein, das ist super. Das war jetzt nur ein Beispiel. Was dazu kommt noch ist, dass die Selbstständigkeit natürlich auch eine Klarheit braucht, dass du einfach wach und klar sein musst, gewissermaßen
00:49:56
Speaker
mit einem Schalter, den du umlegst. Auch als Trainer bemerke ich das, wenn ich auch schlecht drauf bin. Jetzt beginnt die Stunde, jetzt bin ich ganz da und jetzt möchte ich auch funktionieren, möglichst gut. Und was braucht es dafür, als Selbstständiger oder als Trainer, damit ich wirklich Tag für Tag wirklich in meiner bestmöglichen Form bin, um auch meine Performance hinzubekommen.
00:50:23
Speaker
Und das ist eigentlich, wenn ich jetzt davon der Stressreduktionsseite schaue, Stressreaktionen, also Reaktionen auf den Stress, den man als Selbstständiger immer wieder hat durch finanzielle Bedrohlichkeiten. Kann ich mir das so und so leisten? Was ist, wenn ich krank werde? Wie läuft da mein Laden weiter? Meine Miete läuft weiter, etc., meine Fixkosten. Wie gehe ich mit dem, ja,
00:50:53
Speaker
Käufer oder Geschäftspartner oder Kunden um, der vielleicht mir nicht zulegt, der mich vielleicht angehen wird, der sich beschweren wird bei mir. Wie gehe ich mit dem so um, dass ich bei mir bleibe, mich nicht anstecken lasse davon, von schlechter Laune oder von Aggression auch da. Wie kann ich konstant mein gutes Mit-mir-sein beibehalten?
00:51:19
Speaker
Wie kann ich am Abend abschalten und dann auch dadurch guten Schlaf finden, der mich wieder regeneriert für den nächsten Tag? Also wie geht das? Das geschieht meines Erachtens nicht von selbst. Es ist selten, dass jemand das einfach mitbringt und das ganze Leben so durchziehen kann, sondern das ist etwas,
00:51:38
Speaker
finde ich üben sollten und einfach aktiv was tun müssen und zwar jeden tag vielleicht sogar oder mehrmals die woche daran zu arbeiten den stress zu regulieren und das mache ich also stress regulieren heißt die stress reaktionen auch zu bemerken
00:51:56
Speaker
Und dahingehend auch zu bemerken, wenn die Stressreaktionen auch wieder nachlassen. Stressreaktionen im Sinne dieses Kampf- oder Fluchtreflexes zum Beispiel können sein, dass der Blutdruck hochgeht. Neben dem Blutdruck, dass die Herzfrequenz höher ist.
00:52:12
Speaker
dass die Muskulatur angespannt ist und man bemerkt es dann auch in Form von Verspannungen beispielsweise. Ich kann Magenbeschwerden bekommen, ich kann Verdauungsbeschwerden bekommen, es kann sich Probleme mit der Libido einstellen. Warum passiert denn das so? Weil wenn wir unter Stress sind, bereitet uns das Gehirn körperlich darauf vor, kämpfen oder flüchten zu können, wie wir schon gesagt haben.
00:52:37
Speaker
Und dann wird alle Energie dorthin geschickt. Das heißt, alles, was dienlich ist im Kämpfen oder Flüchten, eben Muskeln, eine hohe Blutdurchflussrate durch die Muskeln, damit die einsatzfähig sind, sprich Herzfrequenz hoch, Blutdruck hoch, Anspannung hoch, Verteidigungs… Alles, was nicht unbedingt nötig ist, weg? Wird weg, genau. Sexualtrieb?
00:53:00
Speaker
Ich brauche nicht um mich verteidigen zu können oder um flüchten zu können. Ich brauche auch nicht die Magenschleimdrüse, die meinen Magen von innen mit schützendem Schleim gegen die eigene Säure schützend auskleidet. Das brauche ich alles nicht. Wenn das Stress länger aufrecht bleibt, dann bleibt das auch so. Dann bleibt der Blutdruck hoch. Die Herzfrequenz bleibt vielleicht hoch, die Muskeln bleiben angespannt.
00:53:22
Speaker
Die Magenwand ist ungeschützt und ich entwickle dann eine Gastritis zum Beispiel. Das heißt, auch Krankheiten können sich entwickeln, die dann meine Selbstständigkeit bedrohen, ganz einfach. Also dahingehend, ich muss wirklich sagen, seit vielen Jahren habe ich einen relativ konstanten, wie soll ich sagen, einen Seinszustand, der mein Selbstständiges Sein möglich macht.
00:53:49
Speaker
Ja, mir sind jetzt sehr viele Sachen dazu eingefallen, was du gesagt hast. Ich hoffe, ich kann mich an alles erinnern, aber was ich dem noch hinzufügen möchte, ist aus meiner persönlichen Erfahrung, ist die Flexibilität im Kopf mit unvorhergesehenen Situationen, Hindernissen, Konflikten umzugehen. Das bringt mir
00:54:09
Speaker
so so viel jeden tag es gibt ja auch solche und solche selbständigkeiten aber die meisten kreativen selbstständigen die meisten künstlerinnen wachen ja morgens auf und sind quasi arbeitslos müssen einmal schauen wo der nächste auftrag herkommt und oder oder haben die
00:54:26
Speaker
Wenig haben diese Prostige oder diese Luxussituation, dass sie sagen können, ich bin feste Stimme von und dort Station Voice und habe irgendwie meine so und so viele. Die Schäfchen sind im Trockenen und alles was zusätzlich kommt, super nice, sondern es ist ja irgendwie, fühlt es sich zumindest so an,
00:54:46
Speaker
jeden Tag wie ein Kampf. Und da habe ich so eine Gelassenheit durch den Kampfsport entwickelt, weil die Relation eine andere ist. Du konfrontierst dich mit einem ganz anderen, unmittelbareren Level und dadurch vergleicht dein Gehirn die Problemsituation, vor die du jetzt gestellt bist in deinem Arbeitsleben, damit. Und das ist kein bewusster Prozess, sondern nur
00:55:13
Speaker
Die Entscheidung ist, wie viel verwende ich jetzt darauf, in Panik zu verfallen oder auch nicht. Genau. Und das ist für mich eine Riesenhilfe. Und dann das zweite, was mir auch eingefallen ist, ist, wie ich unter Druck mich verhalte.
Umgang mit Druck und Misserfolg
00:55:31
Speaker
Weil im Kampfsport ist man immer wieder stark unter Druck und man muss handlungsfähig bleiben und man muss sonst eben
00:55:41
Speaker
erstarrt man oder flüchtet oder eskaliert völlig. Keines davon ist gut oder willkommen, weder im Kampfsport noch im beruflichen. Und auch da wieder die Gelassenheit und die Handlungsfähigkeit zu behalten in einer Drucksituation. Der will jetzt und der will, dass das jetzt und zu seinen Konditionen und so, weil sonst.
00:56:10
Speaker
Ganz versucht, so allgemein wie möglich zu formulieren. Und dann auch diese Ruhe zu haben, zu sagen, okay, ich nehme das zur Kenntnis, aber ich steige nicht auf diese Ebene ein, wovon wir vorher gesprochen haben, diese Helix, die sich so hochschraubt, weil dann verlierst du in der Regel. Weil dein Verhandlungspartner ist normalerweise, vertritt er eine Firma, einen Konzern,
00:56:35
Speaker
eine größere Entität, und du bist halt der kleine popelige EPU, die davon abhängt, ob von diesem Auftrag jetzt die Miete gezahlt werden kann, ob man in den Urlaub fahren kann, ob man eben ruhig und entspannt den restlichen Monat verbringen kann oder eben nicht.
00:56:53
Speaker
Und da eben nicht mit diesem existenziellen Bedrohungsdenken ranzugehen, sondern mit einer spielerischen Gelassenheit. Und aus diesem Ring einen Schritt rauszutreten, zu sagen, cool.
00:57:11
Speaker
Gerne, aber oder das und das sind meine Konditionen und ich auch mit allem, was ich habe, was ich ausstrahle, wie ich etwas sage, vermittel ich dir. You can't touch me. Das ist Gold wert für mich im beruflichen Alltag.
00:57:32
Speaker
Also der John Kybert Zinn, der diesen MBSR-Achtsamkeitskurs entwickelt hat, der zitiert immer wieder gerne diesen Satz, du kannst die Wellen nicht aufhalten oder verändern, aber du kannst lernen zu surfen. Also das heißt, wie kann ich, egal ob ich jetzt gerade keinen Auftrag habe,
00:57:55
Speaker
und deswegen in die Angst kommen würde oder in Panik verfallen würde oder gerade unter Druck stehe. Ich habe gerade einen Auftrag, aber Druck ist dabei. Wie kann ich da handlungsfähig bleiben? Das ist die erste Frage. Wie kann ich trotzdem handlungsfähig bleiben? Wenn ich keinen Auftrag habe, wie kann ich weiter
00:58:12
Speaker
auf eine gute Art Akquise betreiben und nicht so vor der Tür stehen und damit schon meinen eigenen Preis drücken, wahrscheinlich, sondern wie kann ich auf eine gute Art und Weise handlungsfähig bleiben und was ist dafür hilfreich und was ist dafür nicht hilfreich und diese
00:58:32
Speaker
Angstreaktion, also diese Stressreaktion ist in den meisten Fällen nicht hilfreich, um handlungsfähig zu bleiben. Angst ist kein guter Berater. Ganz genau, ganz genau. Das heißt, ich kann eigentlich mich in der Zeit zwischen zwei Aufträgen entspannen, kann das nützen, um aufzutanken, kann für mich selber sorgen und kann trotzdem weiter tun. Also auf der Tunebene kann ich
00:58:54
Speaker
umso besser sogar tun, wenn ich mich entspanne und mich gut ausschlafe, etc. Aber im Urkasten zu sitzen und zu bibbern, bis der nächste Auftrag kommt, das ist mir am schlechtesten beraten, wie du sagst. Da ist wirklich dann Platz für die Panikattacke, da ist Platz für die depressive Verstimmung oder so. Aber wie gesagt, das ist alles nur aus meiner persönlichen Erfahrung, aber es ist fast egal, was man macht, solange man was macht.
00:59:24
Speaker
Also es muss ja nicht unbedingt immer Klinkenputzen sein, weil wie du sagst, dann kommst du fast schon aus dieser Bittstellerposition, aus sehr niedrigem Status, ich will was von euch, könnt ihr nicht vielleicht bitte. Und die Menschen denen man dann begegnet, die machen ja auch den ganzen Tag nichts anderes als
00:59:44
Speaker
zu verhandeln. Meistens sind es Produzenten oder so, deren Aufgabe es ist, Projekte möglichst professionell, aber auch möglichst kosteneffizient über die Bühne zu bringen. Und das ist, wie wenn du dich in den Finger geschnitten hast und schwimmen gehst und der Heil, der riecht das. Das ist einfach... Du hast dich verraten.
01:00:08
Speaker
Du hast deine Karten alle offen hingelegt und das wird gegen dich verwendet werden. Nicht aus bösem Willen. Ich finde es auch wichtig, dass man das lernt, nicht persönlich zu nehmen. Da hilft mir das auch. Du bist halt manchmal besser als ich. Du hast heute den besseren Tag. Vielleicht machst du es auch viel länger, machst den ganzen Tag nichts anderes als verhandeln oder Kampfsport.
01:00:31
Speaker
Fair enough. Aber sobald ich beginne, das auf mich persönlich zu beziehen und zu sagen, du wolltest mir ordentlich eine einschenken oder mich möglichst drücken und dampen und so, dann wird es ungut, nämlich für mich. Und dann kommt das Magengeschwür irgendwann und dann kommt das Unglücklichsein mit der Situation. Und eben, du bist im Handeln, du bist im Tun, in der Selbstermächtigung und im
01:01:03
Speaker
Ich scheue mich vor solchen Worten, aber ein Gamechanger. Im Kampfsport hast du ja im Normalfall, also gerade im Sparring, hast du ja nicht die Zeit,
01:01:16
Speaker
viel zu lange bei Fehlern, die du gerade gemacht hast, festzuhängen, weder gedanklich noch irgendwie was nachzukorrigieren, wenn du nach einer getreten Rückfaust, die du vorher erwähnt hast, mit verdrehten Beinen dastehst, statt mit einer stabilen, guten Kampfstellung, wie es eigentlich sein sollte.
01:01:35
Speaker
Dann kannst du nicht sagen, Arme hängen lassen und sagen, ach, schau, wie ich jetzt da stehe, oh mein Gott. So ein Scheiß. Ich bin auch noch der Trainer, das sehen mich alle dabei. Keine Ahnung, ich hab keine Zeit dafür. Wenn der andere es richtig macht, dann macht er einfach theoretisch weiter. Der muss jetzt nicht warten, bis ich meine Selbstreflexion zu Ende gebe.
01:01:58
Speaker
sondern ich muss einfach schauen, dass ich möglichst schnell wieder hochkomme, wenn ich gestürzt bin. Ich muss schauen, dass ich möglichst schnell wieder in eine gute Körperposition komme und das nächste besser mache. Ich habe keine Zeit zu lange zu sitzen in Selbstgeiselung oder Dinge in dieser Art. Mitleid. Mitleid, Selbstmitleid oder sowas.
01:02:21
Speaker
Oder auch im Schmerz sozusagen. Ich meine, wenn man jetzt im Ring stehen würde und es tut dir was weh und du stellst dich, während die Runde noch läuft, dienst und macht, ah, hmmm, und hoffst auf das Mitgefühl des anderen, bist du schlecht beraten. Das heißt wahrzunehmen, aha, der Schmerz ist da und what's next sozusagen. Wie verhalte ich mich jetzt mit dem Schmerz? Wie verhalte ich mich? Wie atme ich vielleicht damit? Und auch das ruhige Weiteratmen.
01:02:50
Speaker
Das Augenkontakt halten steht ja auch dafür, dass einfach etwas die ganze Zeit konstant bleibt und das ist eben für mich dieses winstige Zentrum im Wirbelsturm. Da bleibt irgendwas konstant, auch wenn es noch so will, zugeht rundum. Das ist in der Selbstständigkeit Niederlagen. Wie stelle ich schnell wieder auf? Bin ich schnell wieder aus dem Freeze raus oder aus dem Selbstmitleid oder sowas?
01:03:18
Speaker
Aus dem Leid. Auch wie gehe ich mit der Schöpfung um. Genau. Also in der Wettkampfsituation, weil du das gesagt hast, das ist einfach eine andere Anspannung. Das ist eine andere Energie, das ist eine andere Kraft, als du die 99 Prozent der Zeit im Training darauf hingearbeitet hast. Und als ich das erste Mal einen Wettkampf gemacht habe, kannst du aber wissen, dass ich nach einer Minute
01:03:39
Speaker
im Arsch war. Also du denkst dir so, du hast aber doch die Kondition darauf hintrainiert, dass du zwei oder sogar drei Runden irgendwie gehen kannst oder so. Aber es ist alles weg. Und dann ist die Frage, wie gehe ich damit um? Eben gebe ich mich dem geschlagen, ergebe ich mich dem, versuche ich trotzdem irgendwie mitzugestalten. Und ich glaube, das ist total wichtig. Das ist dann der Unterschied,
01:04:05
Speaker
oder kann einen Unterschied machen, ich will es jetzt nicht zu, keine Heilsversprechen hier und so, zwischen jemand schlittert in den Burnout, weil er sich dem geschlagen gibt metaphorisch, oder jemand lernt damit umzugehen und noch das Nötigste zu machen, um jetzt durch diese Stressphase, bis die Glocke läutet oder der Stress im Arbeitsbereich vorbei ist,
01:04:34
Speaker
durchzukommen, damit umzugehen und dann sich zu erholen und neu anzufangen. Zwei der wichtigsten Dinge, die ich in früheren Sparring-Zeiten mal von Reike gehört habe, in Bezug auf das Sparring, wenn man erschöpft ist, weil ich habe mich wiedergefunden mit ihr sparent und dann, keine Ahnung, war noch
01:04:57
Speaker
30 Sekunden offen von dieser dreiminütigen Runde, sagen wir. Ich weiß nicht mehr, ob es eine zweiminütige oder dreiminütige Runde war, aber es waren noch einige Sekunden offen und eigentlich war ich schon... Also da ging nichts mehr. Ich war wirklich am Ende meiner Leistungsfähigkeit, meiner körperlichen und dann war wirklich meine Deckung nach unten sinken, Kraft sparen, keine Muskeln mehr unnötig einsetzen.
01:05:19
Speaker
Und sie hat das natürlich bravourös genützt und nachher hat man das reflektiert. Und sie sagt, hey, wenn du merkst, du kannst nicht mehr, halt einfach die bestmögliche Deckung aufrecht, die du kannst und erhol dich in dieser Deckung, bis du wieder kannst. Das ist immer noch besser als irgendwas mit den Händen zu tun und du bist dann nur mehr das Opfer in der Situation. Das passt zu dem, was du gesagt hast, glaube ich, ganz gut.
01:05:43
Speaker
Vielleicht noch, weil wir jetzt sehr stark über Kampfsport gesprochen haben, wie ist das für dich im Vergleich zu anderen Sportarten? Will er jetzt nicht hier propagieren, dass Kampfsport das einzig wahre ist und nichts als die Wahrheit und alles andere ist irgendwie doof oder nur halb so gut? Wie siehst du das im Vergleich zu Teamsportarten, zu anderen?
01:06:04
Speaker
Also wenn ich da von mir persönlich ausgehe, ich habe schon vieles ausprobiert. Ich habe Klettersteig klettern betrieben, ich habe Mountainbiken eine Zeit lang sehr intensiv gemacht, inlineskaten, laufen, verschiedene Kampfsportarten auch ausprobiert.
01:06:22
Speaker
Und habe natürlich auch durch meine Selbstständigkeit ein bisschen auf die Zeitökonomie schauen müssen. Das heißt, wie schaffe ich es, in möglichst kurzer Zeit möglichst vieles abzudecken, was mir wichtig ist. Was ist mir wichtig? Ich möchte beweglich bleiben, also geschmeidig beweglich bleiben. Ich möchte kräftig bleiben. Ich möchte mein Herz kreisen.
01:06:44
Speaker
System trainieren und ich möchte Meditation machen, regelmäßig so. Und wenn du das alles einzeln magst, weiß man schon, das geht sich bei einem Selbstständigen normalerweise schwer aus, irgendwo das rein zu pressen, jeden Tag, jede Woche, so in der Richtung.
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Speaker
Dinge wie Klettersteig klettern, da ist auch vieles von dem drinnen, was wir heute gesprochen haben. Das Ganze im Hier und Jetzt sein wäre ein Fehler und du merkst das auch gleich als Beispiel, wo du auch kräftig beweglich wirst oder bleibst. Da steckt vieles drin, aber die Anfahrtszeit, das Equipment, das alles herzurichten, das Hingehen zum Klettersteig, da ist teilweise ein Tag weg, ein halber Tag bis Tag, mindestens Einsatz und da bist du dann meistens nur in einem Win-Naden.
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Speaker
Klettersteig. Genau, es ist ja eine Tour, da kannst du dann über das Wochenende von mir aus in die Hochalpen fahren. Aber das kann man nicht mal eine Stunde zwischendurch machen. Ähnlich Mountainbiken, das ist auch sehr aufwendig. Für mich war es aufwendig, wenn man das Radl ins Auto oder aufs Dach oder wohin
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Speaker
fahren, damit man nicht immer nur auf der Donauinsel entlangfährt und so weiter. Also Zeitaufwand etc. und Output dann auch, das war für mich schon wichtig, dass ich das möglichst zusammenfasse und deswegen Kampfsport, das für mich alles abdeckt, nehme ich sogar den meditativen Anteil und das kann ich als
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Speaker
wage ich zu behaupten, einschätzen zu können als Meditationslehrer, als Achtsamkeitsmeditationslehrer. Es gibt ja viele Meditationsformen, aber ich bin halt ein Experte für Achtsamkeitsmeditation und das finde ich einfach implizit, zumindest beim Shinerji wieder, wo du wirklich auch immer wieder wahrnimmst, was passiert jetzt gerade,
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Speaker
und dann schaust, was ist der nächste heilsame Schritt. Dass du ganz bewusst im Hier und Jetzt bist, das wird auch mit einer kleinen Meditation am Anfang schon eingeleitet. Wir versuchen auch immer wieder als Trainerinnen und Trainer den Bezug zum Training herzustellen. Wir meditieren es nicht nur am Anfang und der Rest ist was anderes,
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Speaker
Diese Präsenz, die wir jetzt gerade finden, das Zuruhekommen dessen, was vorher war und später sein wird, das Ganze jetzt räumlich und zeitlich ankommen, dieses ganz Wachsein, nehme ich mit in alle Übungen, so gut ich kann. Und dieses das Instrument zu stimmen, bevor du sozusagen Musik machst.
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Speaker
Das ist natürlich für Selbstständige auch Gold wert. Das, was du mit der Meditation tust oder mit dem Kampfsport zu lernen, dein Instrument zu stimmen, bevor du deine Tagesperformance damit loslegst oder am Ende, um dann wegzukommen von dem Getriebe, dem Inneren.
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Speaker
Ja, im Endeffekt sind ja Meditation und Kampfsport für mich fast wie zwei Seiten derselben Medaille, der im Hier und Jetzt sein. Und jetzt haben wir sehr viel über die eine Seite gesprochen, über den Kampfsport, weil der uns ja auch sehr stark verbindet. Aber erzähl vielleicht noch ein bisschen über die Vorteile und was du als Selbstständiger
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Speaker
aus der Meditation ziehen kannst oder was du als Achtsamkeitslehrer vielleicht anderen, du machst das ja auch für Firmen oder so, anderen Arbeitenden im weitesten Sinne näher bringst und wie sich das dann in ihrem Arbeitsalltag verhält. Also vereinfacht gesagt würde ich sagen, man lernt gut inne zu halten. Inne zu halten heißt, etwas zur Ruhe kommen zu lassen.
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Speaker
dann in ein ganz klares Betrachten können zu kommen und daraus einen nächsten heilsamen Schritt zu kreieren.
Rolle der Meditation im modernen Leben
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Speaker
Dieser Vorgang ist für mich Meditation, zu schauen, was geschieht gerade wirklich. Und das geht aber nur, wenn ich innehalte, wenn ich wirklich sozusagen mir das Tempo, das mir teilweise von außen aufs Auge gedrückt wird, dass ich das rausnehme und sage, Moment, stopp,
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Speaker
Das kann ich auch in einem Gespräch tun, wenn ich mich überrollt fühle von etwas. Sondern auf dem Motto so, jetzt müssen wir eine Entscheidung finden, sagt der andere vielleicht. Und dass ich dann vielleicht sage, da muss ich noch eine Nacht drüber schlafen oder das muss ich noch ein bisschen nachspüren. Ich denke drüber nach. Um Space zu gewinnen. Um dann auch bei mir landen zu können, innehalten zu können und wirklich eine gute Entscheidung treffen zu können. Und diese Fähigkeit, sich nicht
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Speaker
mitreißen zu lassen vom Strom dessen, was da so kommt von außen. Das ist Meditation für mich. Ich glaube, das ist auch unfassbar wichtig in der Zeit, in der wir leben als private Menschen, egal ob und wie wir arbeiten.
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Speaker
totale Reizüberflutung. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass ein Steinzeitmensch in seinem gesamten Leben so viele Reize aufgenommen hat, wie wir heute an einem Tag. Und wir sind leider noch nicht so lange auf dieser schönen Erde, als dass wir uns evolutionsbiologisch dem hätten anpassen können, diese Menge an Reize zu verarbeiten.
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Speaker
Und ich glaube, da ist Meditation ein großer Schlüssel, einfach nicht in der totalen Überforderung zu leben der ganze Zeit. Dass die Soziative, von dem wir vorher kurz gesprochen haben,
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Speaker
Also die Fähigkeit ist ja auch eine Fähigkeit des Gehirns, was auszufiltern oder auszublenden. Weil wenn wir gerade in so einer Großstadt besonders, aber auch durch die Anforderungen der Selbstständigkeit, diese Reizüberflutung, die du gerade angesprochen hast, wenn das alles zugleich und dauernd auf uns einwirkt, sind wir einfach überfordert. Das heißt, wir müssen, also wieder später das eine oder andere
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Speaker
Filtern, ausblenden, etc. Dafür ist es ja auch gut. Nur die Frage ist, was wird gefiltert, was wird ausgeblendet. Vielleicht ist das aber für mein Leben ganz wichtig, was da wegfällt. Dass ich dann nur mehr im Arbeiten bin und nur mehr ans Arbeiten denke und dass meine Welt wird. Und da muss man sich schon überlegen, will ich das so, ist es wirklich auch dem Arbeitsprozess und meiner Selbstständigkeit förderlich, wenn ich so unterwegs bin? Oder braucht es gerade die anderen Einflüsse,
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Speaker
die ich auch leben möchte, um die Selbstständigkeit zu nähern oder das Selbstständigsein-Können zu nähern. Ja, das ist ein total schöner Gedanke. Ich kann es nur unterschreiben, auch wenn ich so ehrlich sein muss, zu sagen, dass ich in der Meditation bei Weitem nicht so diszipliniert bin wie im Sport.
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Speaker
Aber das liegt auch daran, dass wir eben die Art von Sport betreiben, die das auch immer mit abdeckt. Wie du sagst, man kommt erst mal an und sitzt fünf Minuten. Dann steht man noch mal fünf Minuten in Ruhe und bewusst in diesem Raum und lässt alles, was bis jetzt gewesen war, draußen. Und da habe ich dann schon eben meine Entschleunigung und mein bewusst Ankommen im Hier und Jetzt.
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Speaker
Und dadurch, dass mein Leben sonst sehr stressig ist, was ich mir selber ausgesucht habe und wo ich auch stolz darauf bin, dass ich mir das so erarbeitet habe, so erfolgreich zu sein und Familie zu haben und Ehrenämter und dies und das, da ist dann tatsächlich, wenn ich die Entscheidung treffen muss, sitze ich jetzt eine halbe Stunde
01:14:29
Speaker
oder gehe ich eine oder anderthalb Stunden ins Training und habe noch mehr Mehrwert körperlich, sozial, psychisch und so. Dann habe ich mich in neun von zehn Fällen bisher immer fürs Training entschieden. Und deshalb fällt tatsächlich die Meditation bei mir persönlich ein bisschen hinten runter. Aber das heißt nicht, dass ich sie schmälern möchte oder mindern möchte, sondern ich nehme das jetzt auch nochmal als Anlass, dass das tatsächlich einfach bewusst
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Speaker
noch mal mir anzuschauen, wo ist da vielleicht Platz. Wenn ich mit dem Hund gehe, muss ich mir dann den Podcast anhören. Ja, ich muss mir den Podcast anhören, weil Micra, der Deep Talk ist extrem gut.
01:15:18
Speaker
Also muss ich dann noch in der Straßenbahn auf dem Weg zur Aufnahme noch Social Media obsessen und checken und mich verhalten oder kann ich einfach sitzen und aus dem Fenster schauen und den Regentropfen dabei zuschauen, wie sie ans Fenster passen. Und das ist auch Meditation.
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Speaker
Formale Meditation, das heißt am Sitzkissen sitzen zum Beispiel, oder G-Meditation formale, soll ja eigentlich mich nur trainieren dafür, dass ich im Alltag achtsam sein kann, gelassen sein kann, diese Dinge.
01:15:57
Speaker
Theoretisch, rein theoretisch, wenn ich beim Duschen nur dusche, beim Essen nur esse, das heißt wirklich ganz da bin und nicht meine Mails checke beim Futtern oder beim Duschen schon dran denke, was ich als nächstes tue und dann vergessen habe, habe ich den linken Arm eigentlich eingeseift oder nicht, dann bin ich wieder nie da. Wenn ich aber einchecken kann bei allem, was ich tue.
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Speaker
ganz lebendig im Hier und Jetzt bräuchte ich die formale Meditation theoretisch nicht, aber so funktioniert es nicht. Das formale Meditieren hält das Achtsamsein-Können im Alltag einfach aufrecht. Man bleibt dran. Als ich mal ein paar Jahre keinen Kramsport gemacht habe, habe ich täglich meditiert, wirklich täglich, mindestens eine halbe Stunde, meistens auch länger.
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Speaker
Ich habe auch im Wald viele Stunden meditiert. Manchmal ganze Nächte durch und solche Dinge gemacht. Sehr exzessiv, könnte man fast sagen. Und seit ich den Kampfsport seit sieben Jahren wieder aufgegriffen habe, lässt auch meine formale Meditationspraxis vom Zeitaufwand her nach. Ist auch bei mir so. Ich meditiere weniger als früher, weil ich trotzdem
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Speaker
für meinen Bedarf, meine Achtsamkeit im Alltag gut genug erlebe. Und dafür danke ich dem Kampfsport, weil das kommt eben sehr viel aus dieser Ecke bei mir. Es ist am Ende dann doch auch nur Training. Es ist nicht Ziel des Spiels zu meditieren, sondern es ist eine Übung, um die 23,5 anderen Stunden des Tages besser durchleben zu gehen.
01:17:39
Speaker
Cool. Ich glaube, das ist ein schönes Schlusswort. Oder möchtest du noch was dazu sagen? Du vielleicht, weil sonst klingt es so. Also ich habe jetzt die Weisheit rausgehauen und jetzt können wir Schluss machen. Das letzte Wort hast immer noch du. Das habe ich so oder so. Verdammt.
01:17:58
Speaker
Na, also eigentlich nur zusammenfassend vielleicht noch ein Satz. Also, gesamtorganismisch sich gesund zu halten, also sprich auf körperlicher und auf psychischer Ebene, hält mich in der Lage, selbstständig sein zu können, gut selbstständig sein zu können und lebensfreudig bleiben zu können. Genau. Und ich glaube, darum ging es heute vielleicht auch aus meiner Sicht.
01:18:24
Speaker
Ja, das ist doch ein schönes Schlusswort, das stimmt. Tom, ich danke dir, dass du da warst, dass du so offen und ehrlich erzählt hast und wir uns so schön ausgetauscht haben. Ich danke euch, dass ihr drangeblieben seid, dass ihr zugehört habt, wenn euch die Folge gefallen hat.
Abschluss und Aufruf zur Interaktion mit den Zuhörern
01:18:42
Speaker
Ihr kennt das Prozedere, lasst ein Like da, bewertet die Folge, bewertet den Podcast und teilt es mit euren Freundinnen, euren Freunden.
01:18:51
Speaker
Nachrichten wie immer an deeptalk.mic-rider.com. Und mir war es ein innerer Waldspaziergang. Danke dir, Tom. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Danke. Freut mich. Und an euch. Bis zum nächsten Mal. Ciao.