Einführung in 3D-Rekonstruktionen
00:00:07
Speaker
Artistocast, der Podcast zur digitalen Kunstgeschichte.
00:00:16
Speaker
3D-Rekonstruktionen begegnen uns in der Kunstgeschichte an ganz unterschiedlichen Stellen.
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Speaker
Mal sieht man sie in der Vermittlung von historischen Bauentwicklungen, mal als immersive Kamerafahrten durch einen ursprünglichen Zustand von Architekturen oder Platzanlagen.
00:00:31
Speaker
In den seltensten Fällen wissen wir, wie diese 3D-Rekonstruktionen entstanden sind.
00:00:36
Speaker
Was macht wissenschaftliche 3D-Rekonstruktionen eigentlich aus?
00:00:40
Speaker
Wie sieht es mit der Nachvollziehbarkeit von Thesen oder Unsicherheiten aus?
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Speaker
Kann ich einer Visualisierung vertrauen, wenn sie aufgehübscht wurde?
Dr. Heike Messemers Forschung
00:00:56
Speaker
Ich habe mir Dr. Heike Messemer eingeladen.
00:00:59
Speaker
Sie ist Wissenschaftlerin am Center for Open Digital Innovation and Participation an der TU Dresden.
00:01:05
Speaker
In ihrer 2020 erschienenen Doktorarbeit über digitale 3D-Modelle historischer Architektur hat sie sich mit der Entwicklung, den Potenzialen und vor allem der Analyse dieser Modelle aus kunsthistorischer Sicht auseinandergesetzt.
00:01:18
Speaker
Eine Analyse dieses neuen Bildmediums.
00:01:21
Speaker
Liebe Frau Messimmer, es freut mich sehr, dass Sie mir bei dem Thema als Spezialistin zur Seite stehen.
00:01:27
Speaker
Im Titel Ihrer Dissertation nennen Sie die digitalen 3D-Modelle auch Bildmedien.
00:01:32
Speaker
Aber fangen wir mal von vorne an.
00:01:34
Speaker
Sagt man denn besser Rekonstruktion, Visualisierung oder Modell?
00:01:39
Speaker
Vielen Dank, Dankeschön.
00:01:40
Speaker
Ich freue mich auch, dass ich hier sein kann.
00:01:42
Speaker
Und ja, ich stehe Ihnen gerne zur Seite.
00:01:44
Speaker
Bei dem Thema ist es auch wichtig mit der Frage zu den Begrifflichkeiten am Anfang.
00:01:48
Speaker
Ja, ich habe den Begriff 3D-Rekonstruktion verwendet, weil mir wichtig ist, dass man diesen Aspekt der Wiederherstellung eines vielleicht verlorenen Zustandes oder eines nie gebauten Zustandes einer Architektur damit gut abdecken kann.
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Speaker
Auch vor allem jetzt im Vergleich zu maschinell erstellten 3D-Modellen, die jetzt zum Beispiel mit Laserscans oder fotogrammetrisch entstanden sind, weil es ja noch Architektur ist, die noch existiert.
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Speaker
Das ist anders wie jetzt bei der verlorenen Architektur.
00:02:15
Speaker
Und 3D-Modell zu dem Begriff, das bedeutet eher so eine Repräsentation des Objekts.
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Speaker
Also gibt es im Prinzip diese unterschiedlichen Bereiche, die alle zusammenfallen, wenn wir irgendwie an 3D-Architektur, irgendwas im Digitalen denken.
00:02:30
Speaker
Das eine ist die 3D-Rekonstruktion von Dingen, die verloren sind.
00:02:35
Speaker
Also da muss man dann in Computerprogrammen ganz mühsam Wände hochziehen, Fenster einbauen.
00:02:43
Speaker
Also im Prinzip wie mit Ton, mit Holzplättchen, mit Material, halt dann aber digital zusammen.
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Speaker
die Architektur nachbauen, aufgrund von Plänen wahrscheinlich?
Unterschiede zwischen Rekonstruktionen und Visualisierungen
00:02:54
Speaker
Genau, man hat dann historische Quellen, nimmt man sich dann zu Rate, also eben zum Beispiel Pläne, Aufrisse, Texte, Fotografien, wenn da noch aus der Zeit etwas da ist, auch weitere Quellen aus Schriftquellen, so aus historischen Büchern im Archiv.
00:03:10
Speaker
Man hat da dann verschiedenste Möglichkeiten, sich Informationen über das Bauwerk zusammenzutragen und dann kann man das dann wirklich mühsam, das stimmt, zusammenbauen im digitalen Raum dann.
00:03:22
Speaker
Und das andere ist, man hat dann ein Eingangsportal und scannt das dann ab mit gewissen, wie heißt es, 3D-Lasern oder so ähnlich.
00:03:29
Speaker
Genau, da hat man dann bestimmte Geräte, die man da aufstellen kann vor dem Gebäude, um die dann aufzunehmen.
00:03:34
Speaker
Dann bekommt man noch Punktwolken, also riesen Datenmengen überhaupt, die man auch erstmal bewältigen muss oder auch bei Fotogrammetrie, die ganzen Fotografien, die dann…
00:03:40
Speaker
Von einem Objekt, ob es jetzt ein kleines Objekt ist, da ist es vielleicht einfacher, wenn man dann drumherum fotografieren kann, einfacher, als wenn es jetzt ein großes Bauwerk ist.
00:03:48
Speaker
Aber man kann da natürlich auch mit der Drohne ein Video aufnehmen quasi.
00:03:53
Speaker
Und das dann zu einem 3D-Modell machen?
00:03:57
Speaker
Und in Ihrer Forschung, haben Sie sich da auf eine Sache spezialisiert oder haben Sie sich einen Überblick über das ganze Feld verschafft?
00:04:04
Speaker
Also ich muss natürlich auch mal einen Überblick verschaffen, was so generell in dem Feld passiert, aber mein Fokus liegt wirklich sehr auf der 3D-Rekonstruktion, also auf den Bauwerken, die zu rekonstruieren, händisch aufgrund von Quellen am Computer.
00:04:17
Speaker
Wenn ich mir überlege, wann begegne ich solchen 3D-Modellen, dann fällt mir immer zuerst irgendwie so eine Kirche ein, da gibt es dann so eine Informationssäule, so sah die Kirche im 11.
00:04:29
Speaker
Jahrhundert aus, im 14.
00:04:31
Speaker
Jahrhundert, so sieht sie heute aus, meistens noch irgendwie Kriegsschäden, die dann wieder rückgebaut wurden.
00:04:36
Speaker
Also das ist mein Einstieg in dieses Thema.
00:04:39
Speaker
Ich habe aber keine Ahnung, wie sowas passiert und irgendwie gibt es das auch noch nicht so lange, oder ist es
00:04:46
Speaker
Wie neu ist denn diese Technik oder seit wann wird das eigentlich 
Geschichte der 3D-Rekonstruktionen
00:04:49
Speaker
Eigentlich ist die schon älter.
00:04:51
Speaker
Also Mitte der 80er Jahre hat man angefangen, im wissenschaftlichen Bereich Gebäude, die nicht mehr existieren, 3D zu rekonstruieren.
00:05:00
Speaker
Es wird schon etwas älter, aber es ist einfach nicht so im Bewusstsein, das stimmt, oder auch nicht so präsent im Museum, sage ich mal.
00:05:06
Speaker
Da gibt es nicht so viele Anwendungen, dass man das auch sehen könnte.
00:05:09
Speaker
Obwohl witzigerweise in den 80er Jahren vor allem es darum ging,
00:05:14
Speaker
diese 3D-Rekonstruktion dann in einem Publikum zu präsentieren, sei es jetzt in der TV-Dokumentation oder auch im Museum zum Beispiel in Ausstellungen.
00:05:22
Speaker
Also da wurden die explizit dafür gemacht und jetzt gar nicht so unter wissenschaftlichen Fragestellungen, dass man jetzt wissen wollte, wie hat sich das jetzt im Laufe der Zeit gewandelt?
00:05:30
Speaker
Es war jetzt gar nicht so im Fokus, sondern wirklich eher so, dass man möchte jetzt diesen vergangenen Zustand einfach visuell darstellen und dann im Publikum zeigen.
00:05:40
Speaker
Das war wirklich schon so Mitte dann 1980er Jahre, 1984 so ungefähr, sind so die ersten, die ich jetzt so gefunden habe, vor allem in Großbritannien im Bereich der Archäologie.
00:05:48
Speaker
Da war schon eine große Technikaffinität da, wobei die sich dann, die Archäologen, nicht selber das angeeignet haben, sondern die mussten dann wirklich zu Experten gehen, Computerspezialisten, die das dann für sie teilweise mit Großrechnern umgesetzt haben, weil selber hatte man natürlich in der Zeit noch gar nicht so eine Rechenpower und überhaupt das Wissen, wie man damit umgeht mit Programmen.
00:06:10
Speaker
Ja, ich kann mir vorstellen, dass bei 3D-Visualisierungen, Sie sagen ja selbst, unglaubliche Rechenpower ist vonnöten, aber man braucht ja auch die Bildschirme, man braucht ja auch die Farben an den Bildschirmen.
00:06:21
Speaker
Das heißt, die Geschichte der 3D-Rekonstruktion hängt auch ganz eng zusammen mit der Geschichte der Computertechnologie und Technikgeschichte da selbst.
00:06:33
Speaker
Wenn Sie sagen, es fängt schon in den 80ern an, gab es da gewisse wichtige computertechnische Entwicklungsschritte, die für die 3D-Restruktionen notwendig waren, damit sie überhaupt möglich sind?
Technologische Entwicklungen und Zugänglichkeit
00:06:45
Speaker
Also das eine ist natürlich der Bildschirm und was kam dann?
00:06:48
Speaker
Genau, ja, das ist sehr spannend, also auch die Interaktion mit dem Bildschirm.
00:06:52
Speaker
Es gab ja schon sehr früh, 1963, ein Sketchpad, also ein User Interface, wo der Ivan Edward Sutherland in den USA dran gearbeitet hat und hat mit der Tastatur und mittels eines Lichtstifts, eines Light Pen, konnte er auf dem Computerbildschirm etwas zeichnen.
00:07:28
Speaker
auch im künstlerischen Bereich, die dann mit, wenn sie an die Technik kamen, auch dann da mit grafischen Zeichnungen am Computer experimentiert haben.
00:07:36
Speaker
Das ist auch ganz spannend.
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Speaker
Oder natürlich sonst war da der Bereich der Flugzeugindustrie oder generell Industrie, Militär sehr stark, die natürlich das Geld hatten, die Computerprogramme und so weiter, um da Konstruktionen vorzunehmen, vor allem im Flugzeugbau zum Beispiel.
00:07:51
Speaker
Und dann schwappte das so langsam über zur Architektur, die dann auch in den, beginnend in den
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Speaker
70er Jahren auch dann CAD-Programme in die Architekturbüros geholt haben.
00:08:01
Speaker
Also konnten sich nur große Architekturbüros leisten, weil da braucht man auch einen Experten, der das dann gemanagt hat, dieses Programm.
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Speaker
Das musste gewartet werden.
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Speaker
Das waren Riesenrechen und Zeitaufwände und Geldaufwand.
00:08:14
Speaker
um das umsetzen zu können, aber genau, das waren so die Anführungen, als in den 1980er Jahren dann die Preise für PCs auch erschwinglicher wurden, überhaupt PCs aufkamen, dann hat sich das ein bisschen verändert und wurde breiter zugänglich einfach.
3D-Rekonstruktionen in der Wissenschaft
00:08:30
Speaker
Sie haben ja vorhin gesagt, am Anfang wurden diese 3D-Modelle, diese Rekonstruktionen vor allem gemacht, um der breiten Öffentlichkeit zu zeigen, wie etwas ausschaut.
00:08:40
Speaker
Eine Anlage, ein Gebäude, eine Architektur, die vielleicht heute nicht mehr so erhalten ist.
00:08:45
Speaker
Das heißt, der erste Beweggrund war die Vermittlung.
00:08:50
Speaker
Hat es sich bei den anderen Großprojekten, die in dem Bereich dann gelegen sind,
00:08:55
Speaker
auch immer um die Vermittlung gehandelt.
00:08:57
Speaker
Wann kam so der Punkt, wo man gemerkt hat, ach so, wenn wir das jetzt eh schon machen, dann könnten wir doch auch einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn aus den Modellen ziehen.
00:09:07
Speaker
Genau, hat auch mehr, also hat er natürlich gemerkt, das ist ja das Spannende, wenn man eine 3D-Rekonstruktion macht und dann sich auf Quellen bezieht und dann stellt man sich auf einmal Fragen, die man vorher gar nicht hatte und das kommt natürlich immer bei solchen Projekten auf, dass man da Unsicherheiten hat oder auf einmal muss man sich über den Fußboden Gedanken machen, der, wenn man einen Text drüber geschrieben hätte, nicht so relevant gewesen wäre, auf einmal muss man den halt physisch digital darstellen.
00:09:31
Speaker
Und genau, sowas kam dann auf natürlich und das ist dann immer deutlicher geworden in den 90er Jahren, wo man dann auch mit anderen Ideen rangegangen ist oder eben vermehrt nicht mehr existierende Bauwerke, wie zum Beispiel Synagogen waren wichtige Projekte, die in den 90er Jahren gestartet haben, die darzustellen, wie das Stadtbild ausgesehen hat, als die eben noch standen.
00:10:00
Speaker
Das waren zum Beispiel so wichtig.
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Speaker
Man muss sich Gedanken über Dinge machen, die man bei einer schriftlichen Publikation nie gemacht hätte, sagt Heike Messmer.
Prozess der 3D-Modellierung
00:10:15
Speaker
Was sind das für Dinge?
00:10:17
Speaker
Bei einer 3D-Modellierung, also einem manuellen Aufbauen von Architekturen, Räumen, Plätzen mittels eines Computerprogramms, muss man sich zunächst Gedanken machen über die Modellierung selbst.
00:10:30
Speaker
Dient das digitale 3D-Modell, das am Ende rauskommen soll, als Forschungswerkzeug?
00:10:36
Speaker
Sollen anhand der Rekonstruktion gängige Forschungsmeinungen validiert oder alternative Thesen untersucht werden?
00:10:43
Speaker
Diese Vorüberlegungen sind auch wichtig, um das passende Programm und die Datenformate auszuwählen.
00:10:50
Speaker
Da hat man dann die Qual der Wahl, es gibt über 30 Programme.
00:10:54
Speaker
Dann geht es mit den Fragen weiter.
00:10:56
Speaker
Nach welcher Vorlage wird modelliert?
00:10:58
Speaker
Nimmt man Pläne oder kann man an realen Orten etwas abmessen?
00:11:03
Speaker
Es geht bis in kleinste Details.
00:11:05
Speaker
Kennt man das Bogenmaß der Fenster?
00:11:06
Speaker
Wie weit schauen die Fenstersinsel raus?
00:11:10
Speaker
Aber wie geht man da vor?
00:11:12
Speaker
Frieda Leipold und Jan-Erik Lutterroth beschreiben in einem Aufsatz, Schloss Weikersheim in 3D, dass sie reverse chronologisch vorgegangen sind.
00:11:21
Speaker
Man hat sich zuerst die modernste Bauaufnahme hergenommen und die
00:11:26
Speaker
Diese, die war teilweise schon für den Computer aufbereitet, hat Grundrisse, Schnitte, Achsen des Bauwerks geboten.
00:11:34
Speaker
Das war die Grundlage für die 3D-Rekonstruktion.
00:11:37
Speaker
Von diesem Ist-Zustand sind sie dann nach und nach in die Geschichte eingetaucht.
00:11:42
Speaker
Das Rohmodell stellte die Basis für weiterführende Rekonstruktionsüberlegungen dar.
00:11:49
Speaker
Das methodische Vorgehen bei 3D-Rekonstruktion ist dann aber nicht immer gleich und hängt stark von den gegebenen Informationen ab, dem aktuellen Zustand oder auch der Quellenlage.
00:12:00
Speaker
Und natürlich davon, was man mit dem Modell machen möchte.
00:12:03
Speaker
Nach viel Gehirnschmalz und einer Menge Arbeit, wenn man dann mal angefangen hat zu rekonstruieren und zu bauen, steht das Gerüst, das sogenannte Mesh vor Augen, die Kanten und Punkte in einem dreidimensionalen virtuellen Raum.
00:12:17
Speaker
Kommen Wände dazu, sind sie meistens in Grautönen gehalten, denn bei wissenschaftlichen Modellen wird oft auf eine Textur verzichtet.
00:12:25
Speaker
Das kann viele Gründe haben.
00:12:28
Speaker
Durch ein Weglassen von Textur und Materialität kann das 3D-Modell schneller vom Computer errechnet werden.
00:12:34
Speaker
Man kann sich diese Texturen wie im Raum gekrümmte Bilder vorstellen, die sich dann auf das Modell anpassen.
00:12:40
Speaker
Und wenn man möglichst viele Details haben möchte, müssen diese Texturen dann auch sehr hochauflösend sein.
00:12:46
Speaker
Das kostet Rechenleistung.
00:12:48
Speaker
Gerade bei browserbasierten Fioren wird die Textur dann oft heruntergerechnet, damit die Visualisierungen flüssiger laufen.
00:12:55
Speaker
Damit man schön zoomen kann, damit man es drehen kann oder dass man sich ohne Ruckeln durch die Räume klicken kann.
Rolle der Texturen in 3D-Modellen
00:13:02
Speaker
Davon wird einem nämlich sonst schlecht.
00:13:04
Speaker
Noch dazu kann man in einem grauen Modell auch viel einfacher durch farbliche Akzentuierungen, Thesen oder Vermutungen sichtbar machen.
00:13:13
Speaker
Man fügt Texturen dann aber hinzu, wenn die Modelle für unterschiedliche Vermittlungsszenarien, wie zum Beispiel die Besucherführung oder das Erklären der Baugeschichte hergenommen wird.
00:13:24
Speaker
Man möchte das ein bisschen visuell aufbereiten, schöner machen, zugänglicher machen.
00:13:30
Speaker
Da muss man aber vorsichtig sein.
00:13:32
Speaker
Denn schnell läuft man Gefahr, etwas als gesichert abzubilden, was vielleicht nur eine ästhetische Vermutung ist.
00:13:39
Speaker
Wie sieht zum Beispiel der Fußboden aus?
00:13:41
Speaker
Man weiß, es ist ein Holzfußboden, klar.
00:13:44
Speaker
Aber wie war das Parkett verlegt?
00:13:45
Speaker
Dielen, Fischgrät, Schachbrett?
00:13:49
Speaker
Wie war die Wandfarbe?
00:13:50
Speaker
Gibt es Tapeten, Textilwandbehänge?
00:13:53
Speaker
Weiß man denn immer so genau, was in diesen Räumen drin war und wie sie angestrichen waren?
00:14:00
Speaker
Die Antwort lautet meistens nein und daher lässt man das auch oft weg.
00:14:05
Speaker
Die Materialität ist aber dann wichtig, wenn man ein 3D-Modell für die Simulation von beispielsweise Tönen verwenden möchte.
00:14:13
Speaker
Es gibt Programme, sogenannte Engines, die im digitalen Raum alle physikalischen Gesetze berücksichtigen.
00:14:20
Speaker
Die verwendet man auch bei der Spieleentwicklung.
00:14:23
Speaker
Textile Wandbehänge reagieren anders auf Schall als verspiegelte Flächen und Gleiches gilt auch für die Simulation von Lichtführungen.
00:14:31
Speaker
So sind interdisziplinäre Forschungen an den 3D-Modellen möglich.
00:14:35
Speaker
Die Bandbreite reicht von der Dokumentation historischer Bauten über Rekonstruktion verlorener Ausstattungen bis hin zum Anschauungsmaterial oder Testung von Forschungshypothesen mittels Simulationen.
00:14:50
Speaker
Gute wissenschaftliche Modelle können dann auch für die Lichtwissenschaft oder die Akustikforschung interessant sein.
00:14:56
Speaker
Und da haben wir den Bereich der Augmentierung in der Vermittlung noch nicht angeschnitten.
Erlebnisse durch 3D-Rekonstruktionen
00:15:06
Speaker
Ich habe am Anfang meines Studiums mal so eine, ich glaube, ZDF-Dokumentation gesehen.
00:15:12
Speaker
Da ging es um mittelalterliche Bauwerke.
00:15:14
Speaker
So eine Überblicksreihe war das damals.
00:15:16
Speaker
Und da ging es um Cluny.
00:15:18
Speaker
Und ich war erst das Semester vorher auf Exkursion in Frankreich und war da schon von den Resten, die von Cluny noch stehen, ziemlich beeindruckt.
00:15:26
Speaker
Man hat ja dann auch so Marker auf dem Feld.
00:15:28
Speaker
Bis dahin ging wahrscheinlich der Chor.
00:15:31
Speaker
Und dann eben dieses Rudiment, das da noch steht.
00:15:34
Speaker
Und die haben mir dann schon so imaginiert, das muss eine Riesenkirche gewesen sein.
00:15:38
Speaker
Und dann mit dieser Kamerafahrt durch das Bauwerk war ich selbst als Kunsthistorikerin, die ja schon vor Ort war, wirklich extrem beeindruckt von diesen Ausmaßen.
00:15:48
Speaker
Gibt es denn bei diesen Visualisierungsmethoden auch so eine Grenze, wo man sagt, ja, bis dahin ist das in Ordnung, bis dahin kann man das noch aufhübschen, um eben diese immersive Erlebniswelt visuell zu rekonstruieren?
00:16:05
Speaker
Oder gibt es dann auch Grenzen, wo man sagt, na ja, alles, was darüber hinausgeht, ist Videospielfantasie?
00:16:11
Speaker
Ja, es ist natürlich ein schmaler Grat, den man da begeht und man muss immer überlegen, für welchen Kontext man so eine 3D-Visualisierung erstellt.
00:16:18
Speaker
Und Cluny ist natürlich ein tolles Beispiel, das war wirklich eines der ersten im deutschsprachigen Raum, dass da so eine riesige, komplexe Kirche 3D-rekonstruiert hat.
00:16:27
Speaker
Das waren ganz viele Arbeitsschritte, die notwendig waren damals.
00:16:30
Speaker
Und ja, dann beeindruckenderweise eben diesen Raum gezeigt, auch diesen Größenverhältnis finde ich so spannend, dass da auch dieser Mönch da steht und man sich das vorstellen kann, wie groß die Kirche wirklich ist.
00:16:42
Speaker
Solche ästhetischen Architekturmodelle werden in den Medien auch für die Vermittlung eingesetzt.
00:16:47
Speaker
Kann man dann trotzdem einen Forschungsdiskurs da ablesen oder kann man sie auch für die Forschung benutzen?
Wissenschaftliche Genauigkeit vs. Präsentation
00:16:54
Speaker
Auf jeden Fall, aber man würde wahrscheinlich schon ein anderes Modell nach außen geben, als das man jetzt selber benutzt, sage ich mal, weil das man selber jetzt am Computer hat als Wissenschaftlerin, da hat man natürlich ganz viele Daten dranhängen, Verknüpfungen und so weiter, die ganzen Informationen.
00:17:09
Speaker
Und um den Betrachter, Betrachterin im Museum oder in Filmen jetzt nicht zu überfordern, würde man das natürlich in der Weise präsentieren, dass man sich auf ein Thema fokussiert und das dann in den Mittelpunkt stellt und da natürlich auch da Informationen anreichert und zeigt, auch Unsicherheiten darstellt.
00:17:24
Speaker
Das ist ganz wichtig, dass man da sagt, wo man jetzt nicht so gesicherte Quellenlage vorliegen hatte.
00:17:31
Speaker
dass man das kommuniziert.
00:17:32
Speaker
Aber da würde man sich dann vielleicht auf etwas Bestimmtes konzentrieren, um das auch dem Betrachter, Betrachterin da gut rüberzubringen.
00:17:40
Speaker
Das heißt, für so ein Projekt ist es eigentlich immer ganz gut, wenn man von wissenschaftlichem Standard ausgeht, weil Reduktion, also die Informationstiefe zu reduzieren, ist dann immer möglich.
00:17:50
Speaker
Genau, das Reduzieren ist immer möglich und das ist bestimmt auch ein gewann Gewinn, weil man eben sich dann auf etwas fokussiert.
00:17:55
Speaker
Also es muss jetzt kein negativer Aspekt sein.
3D-Rekonstruktionen in Deutschland
00:18:00
Speaker
Was glauben Sie, wieso diese Rekonstruktion von Architektur gerade in einem Land wie Deutschland, das auch sehr viele Kriegsschäden hatte oder auch eben durch die Geschichte, Sie haben die Synagogen angesprochen, auch mutwillige Zerstörung in Bauwerken hatte, warum wird es dann trotzdem so wenig gemacht?
00:18:17
Speaker
Also mir erschließt jetzt irgendwie komplett, es ist super, man braucht es.
00:18:21
Speaker
Man kann sonst auch oft nicht Raumzusammenhänge richtig gut verstehen, wenn man nicht durch
00:18:27
Speaker
ein Gebäude laufen kann virtuell.
00:18:30
Speaker
Warum wird das so wenig gemacht?
00:18:32
Speaker
Warum meinen Sie wenig oder im Vergleich zu anderen Ländern, dass da mehr passieren würde?
00:18:37
Speaker
Ich habe da nicht so den Überblick.
00:18:39
Speaker
Aber gefühlt denke ich mir jedes Mal, wenn ich vor einer Ruine stehe, denke ich mir, warum gibt es denn jetzt hier nicht eine Informationstafel mit der Rekonstruktion?
00:18:48
Speaker
Ah, ja, das ist was anderes.
00:18:49
Speaker
Genau, das stimmt.
00:18:50
Speaker
Also ich glaube, es gibt wahnsinnig viele Arbeiten über 3D-Rekonstruktion.
00:18:54
Speaker
Auch in der Vergangenheit, in den letzten Jahrzehnten ist da sehr viel passiert im deutschsprachigen Raum oder in Deutschland.
00:18:59
Speaker
Aber es ist vielleicht nicht unbedingt jetzt so in der Öffentlichkeit angekommen oder jetzt präsentiert worden oder natürlich sowas wie eine TV-Dokumentation damals über Cluny.
00:19:08
Speaker
Aber ja, das glaube ich fehlt vor allem auch in Museen oder vor Ort eben, dass man vor einem historischen Bauwerk steht, dass man da auch irgendeine Interaktion haben kann oder sei es, kommt da ein QR-Code präsentiert und dann kann man online selber auf dem Handy sich etwas anschauen dazu, dass dann 3D-Modell erscheint, dass man bewegen kann oder ein Video oder so in der Richtung.
00:19:28
Speaker
Und das ist tatsächlich etwas, wo noch Nachholbedarf ist, glaube ich, da sind andere Länder schon weiter voran, würde ich mal denken.
00:19:35
Speaker
Oder kann ich mir vorstellen zumindest.
00:19:38
Speaker
dass wir da noch ein bisschen hinterherarbeiten müssen oder darauf Wert legen sollten, dass das auch passiert, dass man sich das vor Ort vor allem auch, so auch als Überlagerung zum Beispiel, wenn man an Augmented Reality denkt, dass man sich dann am Handy einen Bauzustand anschauen kann, der in der Realität nicht mehr da ist, wenn man den Bildschirm über die Ruine hält und dann sieht man auf einmal, wie die früher ausgesehen hat, als es noch keine Ruine war.
00:20:02
Speaker
Ja, sowas wäre total spannend.
00:20:04
Speaker
Also auch für die Vermittlung.
00:20:05
Speaker
Sonst kann man sich oft ja auch gar nicht vorstellen, wie Plätze vorher ausgeschaut haben oder eben konkrete Bauwerke.
00:20:13
Speaker
Kommen wir mal von der Vermittlung wieder zurück auf die wissenschaftliche Perspektive.
Umgang mit Unsicherheiten in Modellen
00:20:18
Speaker
Bei der Rekonstruktion von nicht mehr vorhandenem ist ja auch oft das Problem, dass man darauf angewiesen ist, was das Quellenmaterial noch hergibt.
00:20:27
Speaker
Wie schafft man es denn bei so einer, oder wie wurde es bisher gemacht bei den 3D-Modellen, die Sie kennen, auch Thesen nachzuvollziehen?
00:20:39
Speaker
Manchmal muss man ja auch Hypothesen bilden, um überhaupt wieder in eine Dachform zu kommen oder in Fensterform oder Sie haben auch schon
00:20:47
Speaker
den Boden angesprochen.
00:20:50
Speaker
Wie geht man mit diesen Unsicherheiten dann um?
00:20:52
Speaker
Entscheidet man dann einfach oder gibt man Wahlmöglichkeiten?
00:20:55
Speaker
Wie wurde das denn bisher gemacht?
00:20:57
Speaker
Da gibt es verschiedene Strategien und ich finde es auch sehr spannend, zum Beispiel ein Projekt, das entstand Ende der 90er Jahre und zwar unter Leitung von Bernard Frischer in den USA.
00:21:08
Speaker
Da ging es darum, also es war im Rahmen des von Rome Reborn, so einem ganz großen angelegten Projekt, das sich eben der
00:21:15
Speaker
3D-Rekonstruktion von Rom gewidmet hat und da wurde unter anderem die Basilica Santa Maria Maggiore in Rom 3D rekonstruiert 1998 bis 2000 und da hat sich ein Scientific Committee gebildet.
00:21:26
Speaker
Das heißt, es war so eine Gruppe von WissenschaftlerInnen international von verschiedensten Institutionen, die sich dann zusammengetan haben und gemeinsam ihre Forschung zusammengetragen haben.
00:21:36
Speaker
Die haben dann auch diskutiert und sich dann auf verschiedene Varianten geeinigt oder diskutiert eben, ob jetzt der Eingang
00:21:43
Speaker
mit Arkaden war oder gerade Durchgänge oder wie die Absis gestaltet war.
00:21:48
Speaker
Und das ist halt spannend, weil die auch als gemeinsames Autorenteam quasi auftritt, dass die verantwortlich sind für das wissenschaftliche Endergebnis, das dann auch präsentiert wurde.
00:21:59
Speaker
Das ist jetzt schon was Besonderes, das kommt jetzt nicht bei jedem 3D-Rekonstruktionsprojekt vor.
00:22:03
Speaker
Man weiß da oft gar nicht, wer war jetzt der Ersteller, wer, der Erstellerin, wer ist dafür verantwortlich eigentlich, auch für die wissenschaftliche Aussagekraft zum Beispiel.
00:22:14
Speaker
Und das ist zum Beispiel eine Strategie gewesen.
00:22:16
Speaker
Oder natürlich auch, gibt es von visueller Seite her andere Strategien, dass man jetzt sagt, man hat eben verschiedene Arten von
00:22:23
Speaker
Quellen lag, also gesicherte und ungesichere, dass man das dann farblich markiert.
00:22:28
Speaker
Da gibt es tolle Strategien von Fabrizio Apollonia von der Universität Bologna in seinem Team, die dann da Farbskala entwickelt haben, wo dann zum Beispiel
00:22:39
Speaker
Das Violette bedeutet, man hat jetzt gar keine sichere Quellenlage und Grün ist dann aber sehr gesichert.
00:22:43
Speaker
Dazwischen gibt es halt einen fließenden Übergang beziehungsweise natürlich eindeutige Farbstartierungen.
00:22:48
Speaker
Aber dann kann man sehr schön ablesen, welche Bauteile jetzt da gesicherter dargestellt sind, wo eher Hypothesen liegen und so zum Beispiel.
00:22:56
Speaker
Das ist spannend, weil da sieht man ja auf den ersten Blick, worüber man sich keine Gedanken mehr machen muss und wo man dann nochmal ansetzen kann mit einer Forschung.
00:23:06
Speaker
Den ersten Punkt fand ich ganz spannend.
Dokumentation und Anerkennung in 3D-Projekten
00:23:08
Speaker
Ich habe eigentlich immer gedacht, dass es so einen Austausch dann im Fach gibt, wie so ein wissenschaftliches Expertenteam.
00:23:15
Speaker
Und wenn ich mir aber richtig überlege, wenn ich genau nachdenke, dann stimmt es.
00:23:18
Speaker
Man weiß oft nicht, wer dann eigentlich diese Rekonstruktion gemacht hat.
00:23:22
Speaker
Mir ist klar, dass dann eine Informatikerin dabei gewesen sein muss, um entweder in den Programmen dann diese Aufbauten zu machen.
00:23:34
Speaker
Aber oft fehlt eine Autorschaft.
00:23:35
Speaker
Da steht irgendwie ein großer Projekttitel drüber und gefördert von und man weiß gar nicht genau, wer das ist.
00:23:41
Speaker
Das heißt, wir müssen vielleicht auch eher zu dem Punkt kommen, diese Architekturmodelle, diese Rekonstruktionen als Publikationen zu verstehen.
00:23:50
Speaker
Gerade wenn es ein großes AutorInnen-Team ist, man in einem Diskurs zu einem Ergebnis kommt, zu einer These, Hypothese und das Ganze dann im Modell präsentiert, dann ist es ja wie eine Publikation von einem Forschungsprojekt.
00:24:05
Speaker
Eben das Wichtigste, dass man weiß, wer dahinter steckte, also welche Expertisen dahinter sind.
00:24:10
Speaker
Also viele kommen ja aus der Architektur, die sind ja total fit, was so Programme betrifft und so weiter und natürlich das architektonische Wissen, also das ist so, die da wahnsinnig viele 3D-Rekonstruktionen erarbeiten.
00:24:22
Speaker
Also in Vorbereitung unseres Gesprächs wollte ich mir welche von diesen großen Projekten nochmal anschauen, diese großen 3D-Modelle wie Cluny, auch Rome Reborn hatte ich dann nochmal gesucht.
Bewahrung und Archivierung von 3D-Modellen
00:24:33
Speaker
Da konnte ich nicht die 3D-Modelle finden.
00:24:35
Speaker
Ich habe Videos gefunden von schönen Kamerafahrten durch die Modelle.
00:24:40
Speaker
Wissen Sie, wie langlebig solche Projekte sind oder eben diese 3D-Modelle, die die Ergebnisse von langjährigen Projekten sind?
00:24:48
Speaker
Genau, das muss man unterscheiden.
00:24:49
Speaker
Also einmal, dass die 3D-Rohdaten meistens ja gar nicht in die Öffentlichkeit kommen.
00:24:54
Speaker
Das ist ja der große Schatz, den man so hat, den man hütet, weil das eben natürlich ein Riesenaufwand ist, die 3D-Projekte da überhaupt durchzuführen und dann wird das nicht so unbedingt rausgegeben.
00:25:04
Speaker
Es ist einmal auch problematisch, weil dadurch die Langlebigkeit ja nicht so gegeben ist.
00:25:09
Speaker
Also man kann nicht mehr darauf zugreifen, man kann jetzt
00:25:12
Speaker
auch nicht auf den 3D-Modellen aufbauen, die verändern, weil eine neue Forschung hinzugekommen ist oder sowas zum Beispiel.
00:25:20
Speaker
Und das andere ist natürlich auch, dass die Informationen, die jetzt zu einem Projekt da sind, dass man die mühsam zusammenklauben muss.
00:25:26
Speaker
Es gibt keinen Ort,
00:25:27
Speaker
an dem die jetzt alle gemeinsam zusammengehalten worden werden oder halten werden, dass man auch genau weiß, wer war jetzt hier der Ersteller, was ist da passiert, mit welcher Technologie haben die gearbeitet, welche Forschungsfragen lagen dahinter, welche Quellen und so weiter.
00:25:41
Speaker
Und das ist gar nicht so abgelegt.
00:25:42
Speaker
Also es fehlen auch dann oft Publikationen, die das dann unterstützen würden.
00:25:46
Speaker
Das wäre so der erste Weg, sag ich mal, das Wissen zu sichern.
00:25:49
Speaker
Aber auch das ist dann schwierig.
00:25:50
Speaker
Das habe ich in meiner Doktorarbeit gemerkt, als ich da eben recherchiert habe für die 3D-Projekte, gerade die
00:25:56
Speaker
die jetzt schon länger her sind, 80er, 90er Jahren und so weiter, die dann überhaupt zu finden, Sachen dazu finden, allein schon Videos dazu zu finden, war dann schwierig.
00:26:04
Speaker
Dann war es immer ganz gut, die Menschen zu finden, die dafür verantwortlich waren, die ich dann gesprochen habe.
00:26:10
Speaker
Dann auch in deren Privatarchive durfte.
00:26:12
Speaker
Das war wirklich beeindruckend.
00:26:14
Speaker
Zum Beispiel war ich nämlich bei Norbert Queen, der in den 90er Jahren mit seinem Kollegen, also er ist selber Mathematiker, und seinem Kollegen, dem Kunstdrücker, gotische Gewölbe rekonstruiert hat, mit damals dem größten Parallelrechner Deutschlands, der in Heidelberg stand.
00:26:30
Speaker
Und ja, und der hat mir dann seine Beta-Bänder gegeben, die ich dann auf CDs habe überspielen lassen.
00:26:37
Speaker
Und ja, jetzt denkt man sich, heute hat kein Computer mehr ein CD-Laufwerk.
00:26:41
Speaker
Also man sieht, innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich auch schon wieder so viel an Technik verändert.
00:26:45
Speaker
Und das ist ein anderes Problem, dass die Technik natürlich ein großer...
00:26:50
Speaker
ja, große, ja, vor Probleme stellt, weil man gucken muss, dass man die Dateien abspielbar hält, dass die lesbar sind.
00:27:00
Speaker
Und da ist wichtig, dass man die theoretisch immer wieder in neue Formate überführt, aber wer kuratiert denn seine eigenen Dateien so, dass man die so
00:27:09
Speaker
Also man bräuchte quasi Archive, wie zum Beispiel Bibliotheken, die bieten sich ja an, die sind ja hoffentlich sehr langlebig, die dann auch nicht nur Bücher beheimaten, sondern auch so digitale Daten hosten dann sozusagen.
00:27:23
Speaker
Und das ist wichtig, dass die dann auch immer aktuell gehalten werden, dass man da zugreifen kann und verwenden kann.
00:27:37
Speaker
Damit die Forscherinnen und Forscher der Zukunft nicht den gleichen Rechercheaufwand wie Heike Messemer haben, kümmert man sich im Rahmen von NFDI4Culture auch um die Publikation von 3D-Daten.
Standardisierung und Langzeitzugang
00:27:50
Speaker
Dabei geht es nicht nur um die Sicherung der Rohdaten, sondern auch um die Möglichkeit, 3D-Modelle zugänglich und langfristig anschaubar zu machen.
00:27:59
Speaker
Da ist es eigentlich egal, ob man jetzt eine 3D-Rekonstruktion, eine gebaute, von unglaublich großen Architekturen hat oder Platzanlagen oder ein gescanntes kleines Objekt.
00:28:11
Speaker
Die technischen Voraussetzungen sind fast die gleichen.
00:28:16
Speaker
Die Dokumentation und das Abspeichern von 3D-Rekonstruktionen oder generell von 3D-Daten ist möglich.
00:28:23
Speaker
Die Datenrepositorien gibt es und gab es schon lange, allerdings haben 3D-Daten in ihrer Beschaffenheit und andere Herausforderungen.
00:28:31
Speaker
Man möchte ja nicht nur die Rohdaten haben, sondern auch das 3D-Modell, das aus den Rohdaten gemacht wurde.
00:28:37
Speaker
Das möchte man anschauen.
00:28:39
Speaker
Und am besten noch, die damit verknüpften Informationen zur Verfügung haben.
00:28:44
Speaker
Sorgfältig mit Metadaten versehen sollen die Daten da natürlich auch noch sein, damit man auch alles nachvollziehen kann.
00:28:50
Speaker
Das wird so kaum gemacht.
00:28:52
Speaker
Es gab bislang auch keine Standards dafür.
00:28:55
Speaker
Man musste sich selbst ein Konzept überlegen und im schlimmsten Fall auch den Viewer für das 3D-Modell erstellen oder pflegen.
00:29:03
Speaker
Noch dazu gab es auch lange von Seiten der Drittmittelgeber keinen Publikationszwang von Rohdaten oder 3D-Modellen selbst.
Herausforderungen bei der Veröffentlichung von Modellen
00:29:11
Speaker
Aber wo sind denn jetzt nun die ganzen 3D-Rekonstruktionen aus der Kunstgeschichte?
00:29:16
Speaker
Die meisten, auch digitalisierte Objekte oder nur Fassadenteile, lassen sich auf Sketchfab finden.
00:29:23
Speaker
Dabei handelt es sich um eine 2012 gegründete Firma, die eine Plattform zur Veröffentlichung und Bereitstellung von 3D-Modellen ist.
00:29:31
Speaker
Wird auch sehr gerne benutzt von 3D-Designerinnen, die hier auch ihre Modelle zum Verkauf anbieten, sodass die Plattform gerade im Sektor der Spieleentwicklung oder für Visual Effects sehr beliebt ist.
00:29:43
Speaker
Mittlerweile findet man hier auch einige kunsthistorische Objekte oder Platzanlagen, die sowohl von Institutionen, Museen, Forschungsprojekten als auch Einzelpersonen dort eingepflegt wurden.
00:29:56
Speaker
Oft fehlen bei den Modellen jedoch die notwendige Information, um ihre Korrektheit oder Aussagekraft beurteilen zu können.
00:30:03
Speaker
Man erfährt auch nichts oder nur selten etwas über die Technik, wie diese Modelle gemacht wurden.
00:30:09
Speaker
Kurzum, man ist weit weg von einer guten wissenschaftlichen Praxis.
00:30:14
Speaker
Darüber hinaus hat man es hier mit einem kommerziellen Dienstleister zu tun, was andere Herausforderungen oder auch Probleme mit sich bringt, wenn es um Veröffentlichungsrechte geht, Nachnutzungsszenarien, aber auch Langlebigkeit.
00:30:29
Speaker
Aber warum haben wir in der Kunstgeschichte generell so wenig veröffentlichte 3D-Daten?
00:30:35
Speaker
Die Gründe hier sind vielschichtig und, wenn mir der Wortwitz erlaubt ist, mehr als dreidimensional.
00:30:43
Speaker
Wie bei der Publikation von anderen Datenformaten auch, möchte man im Projekt sicherstellen, dass die Daten sauber und mit ordentlichen Metadaten versehen sind, dass die Dokumentation verständlich ist und so weiter.
00:30:55
Speaker
Dafür bräuchte es oft nach Abschluss eine Art Schlussredaktion für die Digitalprojekte.
00:31:02
Speaker
Die sind entweder bei der Antragstellung nicht eingeplant gewesen oder man opfert die eingeplante Zeit der Schlussredaktion für die Veröffentlichung der Daten zugunsten der Fertigstellung des Projekts, wenn man mit dem Zeitplan ein bisschen durcheinander gekommen ist.
00:31:17
Speaker
Gegen Ende der Projektlaufzeit können einem auch die MitarbeiterInnen wegbrechen, die aufgrund von Befristungszeiten sich schon auf neue Projekte beworben haben.
00:31:26
Speaker
Das Wissen und manchmal auch die Daten ziehen mit ihnen mit.
00:31:31
Speaker
Auch die Hoffnung auf ein darauf aufbauendes Anschlussprojekt hindert einige daran, die Daten zu publizieren.
00:31:37
Speaker
Man könnte ja noch was draus machen.
00:31:39
Speaker
Und hin und wieder sitzt eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler auf diesem großen Haufen Daten wie der Trache auf dem Gold und behütet den Schatz.
00:31:51
Speaker
Ich habe auch schon von Projekten gehört, die ihre 3D-Rekonstruktion nicht publizieren konnten, weil die Software so schnell veraltet gewesen ist, dass es auf keinem Gerät mehr gelaufen ist.
00:32:02
Speaker
Das Dateiformat konnte dann auch nicht mehr umgewandelt werden.
00:32:05
Speaker
Die Arbeit war für die Katz.
00:32:08
Speaker
Oder Projekte, die mit kommerziellen Agenturen zusammengearbeitet haben, aber kein Budget für die Umwandlung der Formate, für die Nachnutzung zum Beispiel einem 3D-Viewer mitgedacht haben.
00:32:19
Speaker
Das hätte nämlich dann nochmal extra gekostet.
00:32:22
Speaker
Dass es so wenig publizierte 3D-Rekonstruktionen gibt, hängt auch mit einem fehlenden Zwang der Geldgeber zusammen.
00:32:30
Speaker
Von Seiten der Drittmittelgeber gab es lange keine Publikationspflicht von 3D-Daten und Modellen.
00:32:35
Speaker
Die deutsche Forschungsgemeinschaft hatte keine Richtlinien in ihren Praxisregeln vermerkt.
00:32:41
Speaker
Erst in der neuen Fassung von 2022 werden sie immerhin mitgedacht und die Formate sowie Ablageregeln als Empfehlungen formuliert.
00:32:52
Speaker
Im Rahmen von NFDI for Culture und genauer in der Task Area 1, Digitalisierung, hat man sich dem angenommen.
00:32:59
Speaker
In den vergangenen Jahren wurde mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten ausgelotet, wie man sich diesen großen Datenmengen annehmen kann.
00:33:08
Speaker
Da geht es nicht nur um die Standardisierung dieser Veröffentlichung, dabei geht es auch um die Langzeitarchivierung.
00:33:14
Speaker
Es wurden auch Nachnutzungsszenarien der Daten getestet in Barcamps und Hackathons, die über die Forschung hinausgehen.
00:33:21
Speaker
Im Repositorium Radar4Culture kann man schon jetzt die Rohdaten ablegen und mit Metadaten versehen.
00:33:28
Speaker
Diese müssen dann so formuliert sein, dass man sie auch 10, 20 oder in 100 Jahren weiß, wie die Daten erhoben wurden, wer sie gemacht hat, wie die Dateiformate sind.
00:33:39
Speaker
Und mit welchem Programm diese geöffnet werden können und weiterverarbeitet werden können.
00:33:45
Speaker
Und im Notfall muss man dann eben auch das Programm mit abspeichern.
00:33:49
Speaker
Technisch gibt es da also Lösungen und das auch schon seit mehreren Jahren.
00:33:55
Speaker
Noch in diesem Jahr wird im Rahmen von NFT4Culture auch die Plattform Semantic Compact veröffentlicht.
00:34:02
Speaker
Das ist eine Kombination zwischen Fior und semantischer Datenbank.
00:34:08
Speaker
Also man kann das Modell sich anschauen und kommt gleich weiter zu den dahinterliegenden Informationen.
00:34:14
Speaker
Es passiert also einiges auf diesem Feld.
00:34:18
Speaker
Dass es so wenige gut publizierte und dokumentierte 3D-Rekonstruktionen in der Kunstgeschichte gibt, liegt aber auch an uns selbst.
00:34:27
Speaker
Wir fordern das zu wenig ein.
00:34:29
Speaker
Und ganz ehrlich, es fehlt uns auch an Fähigkeiten, damit umzugehen.
Multidisziplinäre Expertise in Projekten
00:34:39
Speaker
Sie haben ja mit ganz vielen Personen gesprochen, die in diesen großen Projekten waren oder auch Meilensteine gesetzt haben im Bereich der 3D-Rekonstruktion in den letzten 30 Jahren.
00:34:49
Speaker
Was sind die Kompetenzen, die diese Leute hatten?
00:34:51
Speaker
Sind das alles Kunsthistorikerinnen oder Kunsthistoriker?
00:34:55
Speaker
Eher nicht, das ist das Spannende.
00:34:56
Speaker
Es sind wenige KunststorikerInnen eigentlich, es sind viele Architekten, Architektinnen dabei und auch aus dem Bereich Archäologie.
00:35:03
Speaker
Und das ist auch Spannende, dass das mir aufgefallen ist, dass wirklich eher aus diesen Bereichen viele Projekte kamen und kommen und dass die Kunstgeschichte dann auch gar nicht so stark vertreten ist, wie man es sich wohl vorstellen könnte.
00:35:16
Speaker
Weil eben aus kunsthistorischer Perspektive gibt es ja unzählige,
00:35:21
Speaker
interessante Bauwerke, angefangen von Kirchen, die natürlich immer so als erstes in den Sinn kommen, aber natürlich gibt es auch ganz viele andere Bauwerke oder generell Stadtbild.
00:35:29
Speaker
Es ist sehr hochspannend, das zu darzustellen, zu rekonstruieren, wie vergangene Ansichten ausgesehen haben.
00:35:36
Speaker
Haben Sie dann selbst ein Lieblingsprojekt?
00:35:38
Speaker
Boah, es gibt so viele.
00:35:39
Speaker
Ich habe jetzt auch beim Vorbereiten auf das Gespräch überlegt, es gibt so spannende Projekte.
00:35:46
Speaker
Also eins meiner Lieblingsprojekte wurde gleich diese gotischen Gewölbe, weil ich das so toll fand, dass ich das Archiv sehen durfte.
00:35:52
Speaker
Da hat mir alle Bilder gezeigt, die im Ausdruck gehabt von den
00:35:57
Speaker
und diese Videobänder, das sind alles in einem Schrank drin.
00:36:01
Speaker
Das hat mich fasziniert, dass dieses einfach bewahrt wurde.
00:36:03
Speaker
Ich habe jetzt eine Riesenkiste bekommen mit diesen ganzen Materialien und eigentlich wäre es toll, wenn man die nochmal zeigen könnte.
00:36:09
Speaker
Also so schade, dass die jetzt irgendwo in der Kiste eben liegen und man die gar nicht sieht.
00:36:13
Speaker
Also das bräuchte eigentlich da jetzt so eine
00:36:18
Speaker
Und haben Sie ein Projekt, wo Sie sagen, aus wissenschaftlicher Perspektive, auch was die Nachvollziehbarkeit von Thesen angeht oder auch wie kommuniziert wurde, ist es besonders vorbildlich oder hat jedes dieser Projekte immer so ein Aber…
00:36:33
Speaker
Ich glaube so, ja, genau, weil so ein total perfektes, ideales 3D-Modell oder 3D-Projekt, glaube ich, kann es gar nicht so geben, weil das wäre wahrscheinlich enorm 
Forschungs- und Bildungswert von 3D-Rekonstruktionen
00:36:43
Speaker
Es gibt so Punkte, die man beachten sollte eben, dass man auf Unsicherheiten achtete Hypothesen darstellt und das auch entsprechend vermittelt, in welcher Form auch immer, aber dass man das dann weiß als BetrachterInnen.
00:36:56
Speaker
Oder dass eben klar ist, wer das überhaupt erstellt hat, mit welchen Technologien, welche Fragen zugrunde lagen und so weiter und dass es zugänglich bleibt und ist.
00:37:07
Speaker
Ja, und da gibt es so viele Aspekte, dass die in keinem Projekt zu 100 Prozent alle immer so abgedeckt werden können, wahrscheinlich.
00:37:16
Speaker
Jetzt sind diese 3D-Modelle enorm aufwendig.
00:37:19
Speaker
Und ich werde jetzt mal ein bisschen polemisch.
00:37:21
Speaker
Neben der Arbeitsleistung von unzähligen Menschen, man muss da auch immer im Team arbeiten, sind sie auch sehr rechenaufwendig.
00:37:28
Speaker
Also jetzt unabhängig von diesen ganzen Ressourcen, die es bindet, oder nein, nicht unabhängig, wegen dieser Ressourcen, die es bindet, lohnt sich denn der ganze Aufwand?
00:37:36
Speaker
Also sind Forschungsfragen wirklich mittels dieser Visualisierungsmethode beantwortbar?
00:37:45
Speaker
Jetzt die polemische Frage, rekonstruieren wir Dinge, die wir eigentlich nicht brauchen?
00:37:52
Speaker
Das denke ich auf keinen Fall.
00:37:53
Speaker
Also es ist auf jeden Fall auch schon der Rekonstruktionsprozess, wie ich schon mal erwähnt hatte, der wichtig ist, weil man in dieser Arbeit einfach so viele Fragen auf einmal sich selber stellt, an das Modell stellt, an das Projekt stellt, die man vorher gar nichts auf dem Schirm hatte.
00:38:09
Speaker
Und das ist das, was es ausmacht, dass man da einfach weiterkommt in der Forschung und das auf jeden Fall einen Mehrwert inhaltlicherweise bringt, also wissenschaftlicherweise.
00:38:17
Speaker
Und dann natürlich sowieso auch für die Welt nach außen, weil man dann etwas präsentieren kann, etwas zeigen kann und dann auch die Begeisterung auch für sein Thema wecken kann.
00:38:27
Speaker
Ich glaube auch gerade jetzt, wo wahnsinnig viel Digitales und jeder junge Mensch wächst hier mit wahnsinnig vielen digitalen Medien auf und Bildern, dass das total wichtig ist, dass das auch...
00:38:39
Speaker
die Forschung da in diesem Bereich sich präsentieren kann und dass man da sensibilisiert, wie man eben so auch Bilder lesen muss.
00:38:47
Speaker
Man muss seine Sensibilität entwickeln.
00:38:49
Speaker
Also ich denke auch mal, gerade wenn man jetzt an so Museumspräsentationen denkt oder Filme, die sind ja wahnsinnig fotorealistisch.
00:38:56
Speaker
dann auch sogar die Personen rumlaufen, die da potenziell in dieser Stadt oder Ort gelebt haben, in diesen hysterischen Kostümen.
00:39:04
Speaker
Und da muss man sehr stark aufpassen, eine hohe Medienkompetenz entwickeln, das auch bei den jungen Menschen schon, denen das beibringen, damit sie das auch interpretieren können und merken, das ist nicht alles so, wie es ausschaut.
00:39:15
Speaker
Das ist eine These, das ist eine Möglichkeit, aber es ist nicht hundertprozentig genauso, wie es in diesem Modell, in dieser 3D-Rekonstruktion auf diesem Video ausschaut.
00:39:25
Speaker
Und das ist wichtig, auch wenn man jetzt denkt, man stellt jetzt die Hypothesen in diesen Farbskalen dar zum Beispiel, dann muss man das auch erst mal lesen können oder in Graustufen.
00:39:39
Speaker
Das muss man erst mal verstehen als Betrachterin und da, glaube ich, müssen wir uns langsam rantasten, dass das Publikum auch das dann lesen und verstehen lernt, dass man da so eine Bildsprache findet, dass sie das auch verstehen können.
00:39:51
Speaker
Ich habe mal bei einer Präsentation eine virtuelle Reise über Palmyra erlebt.
00:39:59
Speaker
Und zwar wurde Ubisoft im Auftrag des Smithsonian damit betraut, den Suck von Aleppo und auch die Tempelanlagen von Palmyra zu scannen und im Stil
00:40:13
Speaker
im Stil dieser Assassins- oder Videospielästhetik aufzubereiten.
00:40:18
Speaker
Das heißt, man hat dann so eine VR-Brille auf, hat Kopfhörer auf und läuft dann durch diese Tempelanlagen.
00:40:24
Speaker
Das war unglaublich immersiv, denn man hat dann auch Personen gehört auf dem Markt, also wie so Stimmen aus der Geschichte.
00:40:30
Speaker
Da ist eine Katze durchgelaufen, Vögel fliegen am Himmel, wunderschöner Sonnenuntergang in der Tempelanlage.
00:40:39
Speaker
Da ist man wirklich verleitet, alles zu glauben, was man dann da sieht.
00:40:43
Speaker
Auf der anderen Seite war es auch hochemotional, denn diese Rekonstruktionen sind 2016, 2018 aufgenommen worden und als ich die gesehen habe, das war glaube ich ein halbes Jahr, nachdem Pamira dann zerstört war durch ISIS, das hat einen emotional ganz schön erwischt, sage ich mal so.
00:41:05
Speaker
Und diese Kraft, die haben solche Rekonstruktionen auch.
00:41:09
Speaker
Man weiß ja nicht, ob das, was jetzt da ist und was man dann virtuell rekonstruieren kann, dann auch immer noch da sein wird.
Simulation von Klang und visuellen Effekten
00:41:17
Speaker
Und jetzt war das bei Ubisoft, waren das Scans, also eine andere Art und Weise.
00:41:21
Speaker
Da wurde nicht aufgebaut, sondern es wurde mit Drohnen, wurden die alten historischen Anlagen gescannt und dann zu der Computerspielästhetik visuell umgesetzt.
00:41:33
Speaker
Was man jetzt wissenschaftlich daraus ablesen kann, weiß ich auch nicht so genau.
00:41:38
Speaker
Aber es ist ja spannend, weil so ein Raum, so eine Atmosphäre geschaffen wird.
00:41:40
Speaker
Also ich kenne das auch zum Beispiel von Synagogenrekonstruktionen, dass dann da auch die Lampe leuchtet oder eine Kerze brennt und dieses Flackern und so kann man auch simulieren im Digitalen.
00:41:49
Speaker
Das ist total spannend, weil dann der Raum auch anders wirkt oder man hört dann die Gesänge und die Musik, die da gespielt wurde.
00:41:55
Speaker
Und es gibt ja auch dann so eine Stimmung wieder, die da drin war.
00:41:58
Speaker
Das fand ich auch total interessant.
00:41:59
Speaker
Es gibt so ein aktuelles Forschungsprojekt, der ist Musikwissenschaftler, beschäftigt sich mit der Rekonstruktion von historischen Orgeln im historischen Raum.
00:42:07
Speaker
Also der schaut, wie der Klang dann war und das ist ja auch interessant, ne?
00:42:11
Speaker
Also das ist ein ganz neuer Aspekt von einer auch 3D-Raumrekonstruktion, dass man da den Klang testet, ja.
00:42:20
Speaker
Diese 3D-Räume funktionieren ja auch aufgrund von physikalischen Gesetzmäßigkeiten.
00:42:26
Speaker
Funktioniert das dann auch bei der Musik?
00:42:28
Speaker
Also kann man dann auch wirklich so eine Echo im Raum erzeugen?
00:42:32
Speaker
Also wie ich ihn verstanden habe, kann man da wahnsinnig viel machen.
00:42:35
Speaker
Also mit dem Klang ist hochaufwendig, weil man ganz viel beachten muss.
00:42:38
Speaker
Die Materialien, eben diese Reflektionen, Echo, Personen, Stoffe und so weiter.
00:42:45
Speaker
Man muss sich da mit ganz vielen auch physikalischen Fragestellungen auseinandersetzen.
00:42:48
Speaker
Deswegen machen das so wenig Menschen, weil das halt so kompliziert 
Ästhetische Herausforderungen bei 3D-Modellen
00:42:51
Speaker
Und man da auch sehr viele Fehler machen kann, weil man auf so viel achten muss.
00:42:55
Speaker
Das ist dann sehr schwierig, das hundertprozentig hinzukriegen wahrscheinlich.
00:43:01
Speaker
Und manchmal sehen die Sachen dann auch nicht so gut aus.
00:43:03
Speaker
Ich habe mit Studierenden mal im Blender, also einem von diesen 3D-Programmen rum experimentiert.
00:43:08
Speaker
Und in dem Moment, in dem es dann um was Vergoldetes ging und in sakralen Räumen ist echt viel vergoldet, sieht das nicht mehr gut aus.
00:43:16
Speaker
Also dann guckt man drauf und will es eigentlich gleich wieder wegmachen.
00:43:20
Speaker
Weil Reflexion auch noch schwer ist für den Computer zu berechnen.
00:43:23
Speaker
Oder auch Stofflichkeiten wie...
00:43:28
Speaker
wie Stofffranseln oder dann auch so eine Bewegung von Stoff im Wind.
00:43:31
Speaker
Das ist wirklich eine Herausforderung in solchen Modellen.
00:43:35
Speaker
Und um das auch zu umgehen, wäre es natürlich besser, vielleicht das auch dann wegzulassen, um halt da auch diese Visualität, dass man die nicht so durchbricht, also dass man da nicht jetzt diese Unzulänglichkeiten der Technik sieht.
00:43:48
Speaker
Das ist ja dann auch eben ästhetisch gesehen nicht so ansprechend.
00:43:51
Speaker
Wenn man das in einem 3D-Modell hat, dann würde ich es auch lieber weglassen und dann eher reduziert da und sich wirklich auf die Formen konzentrieren und jetzt nicht so diese...
00:43:59
Speaker
kleinen Details, die jetzt auch, ja gut, kann auch mal wichtig sein, dass man so Fransen sieht an bestimmten Stellen, aber so im Prinzip ist es, glaube ich, besser, dass man das einfach aufs Wesentliche reduziert oder sich konzentriert.
Entwicklung der 3D-Modell-Ästhetik
00:44:10
Speaker
Das war ja furchtbar.
00:44:11
Speaker
Man hat so viel Arbeit reingesteckt und dann sagen alle, das sieht ganz fürchterlich aus.
00:44:15
Speaker
Dabei ist es ein hervorragendes 3D-Modell geworden, aber jeder konzentriert sich auf die schlechten Fransen.
00:44:21
Speaker
Ja, um Gottes Willen.
00:44:23
Speaker
Ich habe auch gesehen, weil, als ich mich dann mit meiner Doktorbette beschäftigt hatte und
00:44:26
Speaker
Da gibt es 3D-Projekte, die in den 90er Jahren entstanden sind und heute und haben teilweise eine ähnliche Ästhetik.
00:44:32
Speaker
Also auch je nachdem, welche Fragestellung man einfach hat, kann es dann sein, dass da Ähnlichkeiten sind, die aber auch technisch begründet hätten sein können.
00:44:41
Speaker
Also in den 90er Jahren hat man halt begrenzte Möglichkeiten gehabt, was die Farben und die eben Visualität da anbelangt.
00:44:47
Speaker
Und man kann es ja auch jetzt heutzutage so ähnlich wieder aussehen lassen.
00:44:50
Speaker
Ja, und trotzdem entscheidet man sich, das nicht zu machen, aufgrund des Modellcharakters vielleicht auch.
00:44:55
Speaker
Man ist sehr viel auf diese Fotorealität fokussiert, weil man auch die Möglichkeiten hat.
00:45:02
Speaker
Dann schöpft man die eher aus, als dass man es reduziert.
00:45:06
Speaker
Vielleicht ist es auch ins Analoge übertragbar.
00:45:08
Speaker
Da unterscheidet man ja auch zwischen wissenschaftlichen Modellen, die auch meist sehr reduziert sind oder eben nicht bunt.
00:45:15
Speaker
Und das andere ist halt ein Diorama oder ein Modellbau, also im klassischen Zugmilieu.
Dokumentation für Forschungskontinuität
00:45:27
Speaker
Was hat Sie denn am meisten geärgert bei Ihrer Doktorarbeit?
00:45:32
Speaker
Am meisten geärgert, dass man wirklich sehr graben musste, um an Informationen zu kommen, dass man überhaupt irgendwelche Abbildungen sehen konnte von 3D-Modellen, Videos bekommen hat.
00:45:43
Speaker
Wenn man dann Personen gefunden hat, die waren dann meistens sehr offen, dass man sich dafür interessiert, vor allem, wenn es um vergangene, also länger vergangene Projekte ging, weil sich da sonst keiner für interessiert.
00:45:54
Speaker
Das war sehr schön.
00:45:55
Speaker
Da kam man schnell zu Ergebnissen.
00:45:58
Speaker
Aber es ist einfach anstrengend.
00:45:59
Speaker
Also es bräuchte eigentlich
00:46:02
Speaker
Ja, einen Rahmen, in dem man eben so 3D-Projekte, 3D-Modelle finden kann, damit man sich auch eben darauf beziehen kann, auf frühere Arbeiten.
00:46:12
Speaker
Das ist das, was mich auch sehr verwundert hat, dass man, wenn man ein 3D-Modellprojekt startet heutzutage, dass man gar nicht so schaut, wer hat denn eigentlich vorher über dieses Objekt, über diese Architektur schon einmal im Digitalen gearbeitet, also in digitaler Rekonstruktion gemacht.
00:46:32
Speaker
um sich die anzuschauen und zu gucken, welche Forschungsfragen wurden damals gestellt, welche Quellenlage war da, was habe ich heute und so einen Vergleich ziehen und das fehlt.
00:46:42
Speaker
Das ist mir noch ein Rätsel, warum das nicht so ist, weil in jedem anderen wissenschaftlichen Bereich überlegt man sich ja, wenn man die nächste Arbeit über Thomas Mann schreibt, was wurde denn vorher über ihn geschrieben und wo habe ich noch eine Lücke, dass ich auch noch was über ihn schreiben kann.
00:46:55
Speaker
Und das passiert im Bereich der 3D-Rekonstruktion meines Eindrucks nach nicht so stark und
00:47:01
Speaker
Das liegt wohl eben auch daran, dass man so stark graben muss, um so vergangene Projekte zu finden.
00:47:05
Speaker
Oder man denkt vielleicht auch, dass es vielleicht noch gar nichts gab, weil das ist noch erst 30 Jahre her, dass Technologie ins Leben gerufen wurde.
00:47:14
Speaker
Vielen Dank auf jeden Fall für den Einblick und den Überblick in das Feld.
00:47:17
Speaker
Mir war gar nicht bewusst, wie lange es diese 3D-Rekonstruktion schon gibt.
00:47:22
Speaker
Und ich glaube, ich muss jetzt meine Augen offener halten für dieses Feld.
00:47:26
Speaker
Vielleicht habe ich da einfach auch noch nicht so genau drauf geachtet.
00:47:30
Speaker
Das freut mich ja sehr, dass da Interesse geweckt werden konnte und eben auch, dass man Blick in die Vergangenheit wirft und auch mit den ganzen Vorläufern und technischen Rahmenbedingungen, dass überhaupt Radierikonstruktionen entstanden sind und entstehen konnten.
00:47:47
Speaker
Ich hoffe, dass es da bald eine Möglichkeit gibt, auch vergangene Projekte noch sichtbarer zu machen, dass man die besser erkennen und wahrnehmen kann.
00:48:03
Speaker
Nun habe ich mit Heike Messener hauptsächlich über große Architekturen und das Rekonstruieren und die 3D-Modelle gesprochen.
00:48:11
Speaker
Hier lohnt sich für die Kunstgeschichte ein Blick in Nachbardisziplinen, die solche Verfahren schon zur gängigen Praxis gemacht haben.
00:48:19
Speaker
In der Archäologie, Architekturforschung, der historischen Bauforschung und im Denkmalschutz sind 3D-Modelle längst etabliert.
00:48:28
Speaker
Da fragt man sich nicht mehr nach dem wissenschaftlichen Mehrwert und selbstredend werden die Kompetenzen in den Curricula der Studiengänge vermittelt.
00:48:37
Speaker
3D-Rekonstruktionen sind genauso wie datengetriebene 3D-Modelle, denen Scans zugrunde liegen, als Forschungswerkzeuge anerkannt.
00:48:45
Speaker
Aufgrund der notwendigen Spezialfähigkeiten zum Erstellen und Interpretieren sind sie jedoch noch nicht in der Breite angekommen.
00:48:53
Speaker
Die Arbeitsgruppe Digitale 3D-Rekonstruktionen formulierte in einem Memorandum die Herausforderungen im Kontext eben dieser 3D-Rekonstruktionen.
00:49:04
Speaker
Dabei geht es neben vielen anderen Punkten auch um die Etablierung der virtuellen Modelle und der visuellen Ergebnisse als Gegenstände eines wissenschaftlichen Diskurses.
00:49:16
Speaker
Dazu gibt es schon einiges an Forschungsliteratur.
00:49:19
Speaker
Im begleitenden Blogbeitrag, den ich in den Shownotes verlinke, habe ich Literaturempfehlungen dazu zusammengeschrieben, sowie eine Linkliste für die Hilfeseiten von NFDI for Culture.
00:49:30
Speaker
Da muss also niemand alleine durch.
00:49:33
Speaker
Viele dieser aktuellen Herausforderungen gelten nicht nur für 3D-Rekonstruktionen, auch wenn ich in dieser Folge den Fokus darauf gelegt habe.
00:49:41
Speaker
Wir haben kaum über 3D-Modelle von Objekten gesprochen, den sogenannten digitalen Zwillingen.
00:49:48
Speaker
Diese sind nicht modelliert, sondern mittels anderer technischer Verfahren wie Scannern erstellt worden.
00:49:54
Speaker
Über die Welt der Digital Twins, ihren Einsatz in der Forschung und welchen Beitrag sie zum Erhalt des kulturellen Erbes leisten können, müssen wir auch noch sprechen.
00:50:04
Speaker
Genauso über diese technischen Verfahren wie dem Scannen oder der Fotogrammetrie.
00:50:09
Speaker
Aber das ist eine andere Folge.
00:50:24
Speaker
Diese Folge wurde von Jacqueline Klusig-Eckert produziert im Auftrag des Arbeitskreises Digitale Kunstgeschichte.
00:50:30
Speaker
Unterstützt wird sie dabei von der Redaktion der Arbeitskreismitglieder Peter Bell, Lisa Diekmann, Peggy Große, Waltraud von Pippich und Holger Siemann.
00:50:39
Speaker
Finanziert wird AdHistocast, der Podcast zur digitalen Kunstgeschichte von NFDI for Culture, dem Konsortium in der nationalen Forschungsdateninfrastruktur, das sich mit Forschungsdaten zu materiellen und immateriellen Kulturgütern befasst.
00:50:54
Speaker
Unterstützt wird AdHistocast durch den Deutschen Verband für Kunstgeschichte.
00:51:00
Speaker
Du hast noch eine Frage oder Anregungen?
00:51:02
Speaker
Kontaktiere uns einfach unter podcast.digitale-kunstgeschichte.de