Become a Creator today!Start creating today - Share your story with the world!
Start for free
00:00:00
00:00:01
Folge 19: Verstrickt – digitale Netzwerkforschung in der Kunstgeschichte image

Folge 19: Verstrickt – digitale Netzwerkforschung in der Kunstgeschichte

S1 E19 · #arthistoCast – der Podcast zur Digitalen Kunstgeschichte
Avatar
142 Plays25 days ago

In dieser Folge spricht Jacqueline Klusik-Eckert mit Torsten Veit über historische Netzwerkforschung als Methode für die Kunstgeschichte. Dabei steht neben seiner eigenen Forschung auch die Frage im Raum, mit welchen digitalen Werkzeugen man sich hochkomplexen historischen Zusammenhängen nähern kann. Neben Programmen für die Anreicherung der Daten gehört dabei auch ein tieferes Verständnis für Datenvisualisierungen und Statistiken.

Um komplexe Beziehungsgeflechte zu erforschen und zu verstehen, braucht es neben diesen digitalen Hilfsmitteln noch ein großes Verständnis von historischen Zusammenhängen und Sozialgeschichte. Torsten betont die Bedeutung der Netzwerkforschung, nicht nur als Methode zur Datenorganisation, sondern auch als einen Weg, um historische und kunsthistorische Zusammenhänge neu zu interpretieren. Dabei wird deutlich, dass Netzwerkanalysen weit über die reine Betrachtung sozialer Beziehungen hinausgehen, indem sie auch Objekte und Kunstwerke als zentrale Knotenpunkte innerhalb eines Netzwerkes behandeln können.

Die Diskussion bietet auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Limitationen und Herausforderungen der Netzwerkforschung, wie der Umgang mit lückenhaften historischen Daten und die Notwendigkeit, Netzwerkvisualisierungen sorgfältig zu interpretieren. Thorsten teilt seine Erfahrungen mit der praktischen Anwendung von Netzwerkanalyse-Tools wie Gephi und die Relevanz dieser Methoden für die kunsthistorische Forschung. Es zeigt sich in dem Gespräch deutlich, dass ein fundiertes Kontextwissen notwendig bleiben wird, um die Visualisierungen und Netze zu interpretieren.

Torsten Veit M.A. ist Wissenschaftlicher Koordinator und Datenmanager des Herrenhauszentrum des Ostseeraums am Caspar-David-Friedrich-Institut, Universität Greifswald und Akademischer Mitarbeiter der Data Literacy an der FH Potsdam.

Begleitmaterial zu den Folgen findest du auf der Homepage unter https://www.arthistoricum.net/themen/podcasts/arthistocast.

Alle Folgen des Podcasts werden bei heidICON mit Metadaten und persistentem Identifier gespeichert. Die Folgen haben die Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0 und können heruntergeladen werden. Du findest sie unter https://doi.org/10.11588/heidicon/1738702

Bei Fragen, Anregungen, Kritik und gerne auch Lob kannst du uns gerne per Mail kontaktieren unter podcast@digitale-kunstgeschichte.de

Recommended
Transcript

Einführung in ArtistoCast

00:00:06
Speaker
ArtistoCast, der Podcast zur digitalen Kunstgeschichte.
00:00:16
Speaker
Niemand lebt im Vakuum. Man ist immer Tochter, Sohn, Vater, Mutter, Onkel oder Tante von anderen Personen, die wiederum Tochter, Sohn, Vater, Mutter, naja, ihr wisst, wie es weitergeht. Dann hat man ja noch Freunde, andere Verwandte, Schwäger, Großeltern, Arbeitskolleginnen, Mentorinnen, andere Personen, die einen stark prägen oder einstellen. Da ist die Verwirrung schon vorprogrammiert, selbst wenn es in einer Generation passiert. Über mehrere wollen wir gar nicht nachdenken.

Kulturelle Daten online stellen

00:00:46
Speaker
Bereits erforschte Kulturdaten werden von Institutionen bereits jetzt aufbereitet und im Netz online gestellt. Dann kommen wieder große Wissensnetzwerke, der KnowledgeCraft und fast Daten, die eben so aufbereitet online gestellt werden, zusammen, dass man irgendwie Beziehungen ablesen kann. Das alles ist nachzuhören in der neunten Folge von ArtHistorCast.
00:01:10
Speaker
Hier geht es nun um etwas anderes. Also was macht man nun, wenn man diese Beziehungen nicht so sauber vorliegen hat? Wenn es darum geht, das zu erforschen, was man noch nicht weiß.

Netzwerkanalyse in der Kunstgeschichte

00:01:20
Speaker
Eine Methode, wie man Personen, Raum und Objektbeziehungen erforschbar machen kann, ist die Netzwerkanalyse oder Netzwerkforschung. Im methodischen Kartendeck der Kunstgeschichte ist die historische Netzwerkforschung vielleicht nicht die bekannteste, aber sicherlich eine, die man für Fragestellungen einsetzen kann,
00:01:40
Speaker
in denen es eben um Beziehungssysteme geht.

Unterschiede in der Netzwerkanalyse

00:01:43
Speaker
In der heutigen Folge geht es um unterschiedliche Perspektiven auf die Erforschung von Netzwerken. Wir gehen der Frage nach, was der Unterschied zwischen einer sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse und historischer Netzwerkforschung ist und wo man diese Methode gut anwenden kann.

Thorsten Veit über historische Forschung

00:01:58
Speaker
Ich spreche darüber mit Thorsten Veit, wissenschaftlicher Koordinator und Datenmanager des Herrenhauszentrums des Ostseeraums am Caspar David Friedrich-Institut, also der Kunstgeschichte der Universitätskreiswald und akademischer Mitarbeiter der Data Literacy an der FH Potsdam.
00:02:23
Speaker
Hi Thorsten. Du hast ja in deiner Dissertation mit der Methode der Netzwerkforschung gearbeitet, mit der Netzwerkanalyse. Du bist eingearbeitet in diesem großen Komplex. Was ist eigentlich so eine Netzwerkforschung und was macht man

Herausforderungen bei digitaler Forschung

00:02:36
Speaker
da? Und was macht man da vor allem im Digitalen anders als vorher?
00:02:41
Speaker
Ich habe ja in meiner DISS die Wesopronostokateure untersucht und habe versucht nachzuweisen, in welchen Beziehungsverhältnissen sie stehen auf ihrem Weg in den Ostseeraum. Und zum ersten war Netzwerkanalyse für mich relevant, um eigentlich Ordnung in die ganzen Daten zu bekommen, um einen Überblick über die Dorfstruktur zu bekommen.
00:03:04
Speaker
Mit fortlaufender Dauer habe ich allerdings festgestellt, dass man tatsächlich keine Netzwerkanalyse im sozialwissenschaftlichen Sinne durchführt, sondern dass man sich tatsächlich in der historischen Netzwerkforschung und ich würde sogar noch weitergehen, tatsächlich in dem Spezialbereich der kunsthistorischen Netzwerkforschung bewegt. Das ist in dem Sinne der Fall.
00:03:30
Speaker
dass wir im Gegensatz zur klassischen Netzwerkanalyse historische Daten benutzen, die Löcher haben, die keine Face-to-Face Rückkopplung erlauben und die tatsächlich bedürfen, dass man nicht nur Netzwerke zusammenstellt, sondern dass man auch eine thematische Quellenkritik durchführt.

Kunstwerke als Netzwerkknoten

00:03:51
Speaker
In der Kunstgeschichte ist es halt, dass unsere Knoten nicht nur Personen sind, sondern dass die Knoten auch Kunstwerke und Objekte sein können.
00:04:00
Speaker
Da wurde jetzt schon manchmal versucht, die Acteur-Netzwerk-Theorie oder andere drauf zu pressen, um das Objekt irgendwie handelbar zu machen. Ich bin da kein großer Fan von. Aber trotz allem sehe ich halt großes Potenzial, dass diese Art der Erforschung von Zusammenhängen, von Relationen, ein tieferes Verständnis von Sinn zusammenhängt.
00:04:27
Speaker
innerhalb einer Gemeinschaft bringen kann. Jetzt gehen wir doch mal einen Schritt zurück, weil du so tief schon ins Thema eingestiegen bist. Also wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, korrigiere mich bitte, wenn man so eine sozialwissenschaftliche Netzwerkforschung macht, dann geht man davon aus, dass man alles kennt, oder wie?

Vergleich historischer und zeitgenössischer Daten

00:04:45
Speaker
Nein, aber die Datengrundlage ist häufig eine andere und ist häufig eine zeitgenössische. Also man hat es häufig mit Interviews zu tun, mit Befragungen, Fragebögen und wertet diese aus und hat in dem Sinne, kein Wissen über alles, aber man hat eine relativ lückenlose Datenbasis.
00:05:03
Speaker
Aufgrund dieser lückenlosen Datenbasis kann man dann natürlich auch quantitative Auswertungen und Berechnungen durchführen und kann eben in einer ganz anderen Dichte auswerten. Und deshalb ist es auch in den historischen Wissenschaften, hat sich auch durchgesetzt, dass man nicht mehr von Netzwerkanalyse spricht, sondern von Netzwerkforschung, weil man im Endeffekt immer mit einem gewissen Bias rechnen muss.
00:05:31
Speaker
und deshalb die Herangehensweise, die Methodik, also auch, dass man Berechnungen durchführt, sich doch in gewissem Maße unterscheidet.
00:05:39
Speaker
Also ich frage mich auch, was man da eigentlich untersuchen kann. Also wenn ich so ein Netzwerk aufbaue, sage ich ja irgendwie Person A und Person B und irgendwie eine Beziehung zwischendrin. Also ist es immer nur die Analyse von Personen und wie sie zueinander in Beziehungen stehen? Dann natürlich mehr Personen, mehr Beziehungen und immer komplexer. Oder kann ich auch andere Sachen in Beziehungen setzen? Also war das ja gerade schon die Aktant-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour angerissen?
00:06:04
Speaker
könnte ich dann auch sagen, irgendwie ich setze Kunstwerke in Beziehungen oder Orte.
00:06:11
Speaker
grundlegend könnte man das machen.

Breitere Anwendungen der Forschung

00:06:13
Speaker
Sie ist natürlich sehr gut, um soziale und gesellschaftliche Zusammenhänge darzustellen. Was halt häufig, und das ist auch eine Sache, die meine Forschung tangiert, häufig der Fall ist, dass man halt, angelehnt an die soziale Netzwerkanalyse, gewisse kleinste Einheiten setzt. Und die sind da häufig die Person und die Gesellschaft und die sind konstituiert.
00:06:35
Speaker
und die werden vorausgesetzt. Jetzt kann man das aufdröseln und kann zum Beispiel auch sagen, ich versetze die Person durch ein Kunstwerk, aber auch das wäre dann die auszugehende Einheit. Ich gehe in meiner Arbeit noch einen Schritt weiter runter und splitte im Endeffekt sogar die Person oder auch das Objekt auf und sage, dass Personen und Objekte im Endeffekt Resultate sind, in die Relationen hineinlaufen.
00:07:04
Speaker
Und man somit angelehnt an Harrison White oder Patchett sagen kann, dass Personen lediglich aus Beziehungen resultieren. Und dann bekommt diese Beziehung, auch das ist wieder ein Unterschied zur Sozialwissenschaftlicher Hangehensweise, wo die Beziehung, die jeweilige Beziehung konstituiert ist, allein durch ihre Existenz.
00:07:26
Speaker
Und in der historischen Netzwerkforschung und auch bei White ist es erst der Fall, wenn es eine Geschichte über diese Beziehung gibt, wenn sie eine gewisse Sinnhaftigkeit hat. Und dieses Aufladen der Netzwerkforschung mit Sinn, mit Kontext, das macht es eigentlich so spannend für uns, was im Endeffekt dann die Knoten sind.
00:07:48
Speaker
Das kann man sich für sich selbst definieren, weil wenn man ein Kunstwerk an die Knoten setzt, dann hat man im Endeffekt, dass das Kunstwerk gewisse Einflüsse wie Materialien oder irgendwelche anderen Sachen quasi klassert und es ist im Endeffekt das Kunstwerk ist dann auf einer höheren Ebene, wo Sachen zusammen gelaufen sind.
00:08:08
Speaker
Das heißt, die historische Netzwerkforschung ist dann gut, wenn man ja, für welche Fragestellung ist sie denn dann besonders gut? Wo sie besonders häufig benutzt wird, ist halt, wenn man versucht, Zusammenhänge innerhalb einer
00:08:28
Speaker
sozialen abgegrenzten Einheit nachzuspüren. Ich denke da eine sehr frühe Arbeit war von Martin Düring, die Zusammenhänge von jüdischen Netzwerken während der NS-Diktatur und andere, wo man einfach nachspüren möchte, wie hängen Dinge

Provenienzforschung mit Netzwerkanalyse

00:08:46
Speaker
zusammen. Also im Endeffekt auch in gewisser Weise innerhalb der Provenienzforschung betreibt man eine
00:08:51
Speaker
Vielleicht jetzt nicht per se ausgesprochene Netzwerkforschung, aber immer wenn Entitäten auf einem gewissen Art und Weise zusammenhängen, wenn es quasi eine relational basierende Verbindung gibt, dann kann ich immer da reingehen und kann das machen. Es ist nur immer die Frage, auf welchem Niveau bekomme ich das Ganze dann ausgewertet.
00:09:17
Speaker
Das heißt, man kann das besonders gut einsetzen in so einem Punkt, wo man sagt, ich habe eine überschaubare Menge. Also du hattest das jetzt mit den Vesoprona-Stokateuren gemacht. Ich kenne auch ein Beispiel, da hat man die Tapisseriezentren in Brüssel und in Antwerpen untersucht. Was ich mir jetzt so frage ist, ab wann setzt man diese Methode im Forschungsprozess ein? Also fange ich an mit, ja, ich sehe hier so 20 oder von wie viel Stokateuren sprechen wir?
00:09:42
Speaker
Wir sprechen bei mir aktuell von 189 Personen, davon sind auch nicht alle Stukateure, das sind manche lediglich Trauzeugen und Trauzeuginnen und verschiedene andere Beziehungsformen. Aber im Endeffekt wird es immer interessant, wenn ich eine Menge habe, die ein gewisses stärkerer Form der Vernetzung hat. Also sprich, wenn ich nur drei Menschen habe, kann ich das auch

Geo-Referenzierung und Visualisierung

00:10:11
Speaker
machen.
00:10:12
Speaker
Aber es hätte auch jeder auf den ersten Blick gesehen, dass die wohl was miteinander zu tun haben. Aber je mehr es wird und bei mir ist es der Fall, dass es tatsächlich, ich habe ja zwei Formen der Netzwerkuntersuchung gemacht. Zum einen habe ich erstmal komplett abstrakt durch einen Algorithmus die Leute relationiert. Man hat da
00:10:34
Speaker
kleine Verbindungen zwischen Familien oder was ist der Kitt in einer Gesellschaft, eines Dorfes und dann wurde es tatsächlich erst richtig spannend, als ich die Personen georeferenziert, das spricht die Netzwerkforschung in den realen Raum auf eine Karte geplottet habe, weil dann hat man wieder diese Beziehungskomponente nochmal auf eine ganz anders gesteigerte Art und Weise gehabt.
00:10:55
Speaker
Und wir haben heutzutage zurzeit viel mit ego-zentrierten Netzwerken zu tun. Also wir haben eine Person und es wird das darum liegende Beziehungsgeflecht nachgestellt.
00:11:07
Speaker
Albrecht Dürer und sein Umfeld. Genau. Und im Endeffekt müsste man jetzt herangehen und die verschiedenen Sachen, die schon erforscht wurden, übereinander legen und müsste anfangen, Gesamtnetzwerge, also das komplette Dorf Vesopron oder das komplette Nürnberg oder die kompletten Voralberger, du siehst, ich bin gern bei Handwerkern unterwegs.
00:11:26
Speaker
und gucken, wo kommen die raus. Es ist mir nicht aufgefallen, bestimmt nicht nur mir alleine, aber dass zu einer gewissen Zeit sowohl Vorarlberger als auch Tiroler als auch Vesobrunner ins osteuropäischen Raum bis nach Russland gehen und auch zur selben Zeit, also wer war wann wo zur selben Zeit und was hatten die zu Hause miteinander zu tun. Und dann kommt man auch in eine Sphäre, die Reihen vom Lesen der einzelnen Bücher
00:11:55
Speaker
nicht mehr zu einem Zusammenhang im Kopf führt und dann brauche ich ein Mittel, um es mir zu visualisieren, um es mir darzustellen, um es mir vorstellbar zu machen. Dafür kommt man mit dieser Netzwerkforschung, also wenn man sie erstmal visualisiert und wenn man dann anfängt diese Netze auszuwerten, dann kommt man in die Richtung, dass man wirklich auch neue Zusammenhänge begründet.

Skalierung der Netzwerkanalyse

00:12:17
Speaker
Also praktisch immer dann, wenn man sagt, okay, Lehrer-Schüler-Verhältnis kriege ich noch hin. Lehrer, 20 Schüler, vier verheiratet, drei weggezogen, dann nächste in eine andere Werkstatt und dann auch noch Orte gewechselt. Also wenn man es dann irgendwie kognitiv auch nicht mal so gut schafft, mal sich 190 Personen und ihre Beziehungen zu fassen. Wie würdest du das einschätzen, eine Netzwerk-Analyse, historische Netzwerkforschung?
00:12:42
Speaker
Ich versuche, den richtigen Begriff zu wählen. Dann im Einsatz, ist das nur hilfreich, um jetzt noch mehr Personen in Beziehungen zu setzen, also die Personenanzahl zu skalieren, oder siehst du das dann im Forschungsprozess auch an anderen Stellen als wirklich effektiv?
00:12:59
Speaker
Ich glaube, dass es durch die Netzwerkforschung möglich ist, die kunsthistorische Einzelforschung in dem Sinne zu unterstützen, dass man durch diese Herangehensweise eine Art flächendeckende Einordnung der einzelnen Persönlichkeiten und Kunstwerke schafft und somit diese Ausreißer, die häufig unter Geniekult und andere Superlative gepackt wurde, die ortet man ein und relationiert sie zu anderen
00:13:29
Speaker
Ereignissen und bekommt eigentlich, wenn man es flächendeckend durchführen würde, wenn man es jetzt sagen mit den Methodiken und mit den Möglichkeiten, die wir jetzt haben, viele Daten zu bearbeiten und einzuordnen, dann glaube ich, kommt man in eine Kunstgeschichte, die nicht mehr nur irgendwo eine große Persönlichkeit hat, sondern dass das alles miteinander zusammenhängt und ein großer Teppich von Ereignissen ist. Und deshalb sind halt auch sowohl Einzeluntersuchungen
00:13:58
Speaker
als auch kleine egozentrierte Untersuchungen, wie auch so sehr große und fast überbordende Untersuchungen, wie sie zum Beispiel maximelle Schicht gemacht hat, wichtig, die immer zum Verhältnis zueinander stehen. Und je nachdem, was ich mir anschaue, muss ich mir halt meine Ideen und meine Daten und meine wichtigen Aspekte rausziehen.

Interpretation von Netzwerkvisualisierungen

00:14:27
Speaker
und sie für mich interpretieren und das ist ja immer das Wichtige, dass wir nicht sagen, jetzt haben wir ein Netzwerk und alles ist schön und gut, sondern dass wir immer das Netzwerk betrachten, es gezielt filtern und dann damit umgehen, was wir sehen.
00:14:42
Speaker
Wie fängt man da an? Also bei dir, wenn ich mich noch richtig erinnern kann, war so die, diese erstmal rein kunsthistorische Beobachtung. Wir haben hier so eine Stukateur, eine Menge an Stukatoren in Südbayern, die da irgendwie arbeiten und auf einmal sind die alle im Ostseeraum oder in Osteuropa unterwegs. Und dann, wie fängt man dann an? Also ist ja nicht so, dass da jemand schon einen Datensatz vorbereitet hat und du kannst den einfach in irgendeine Maschine schmeißen.
00:15:07
Speaker
Der Ausgangspunkt war schlichtweg das Lexikon der Vesopronostokateure, in den aufgeführt wird, welcher Handwerker
00:15:16
Speaker
Es waren geboren, hat wen geheiratet, hat wo gewohnt, hatte welche Kinder und hat welche Arbeiten gemacht. Und das habe ich dann nach und nach extrahiert oder habe es mir erst mal durchgelesen und habe festgestellt, Moment, warum haben denn die beiden jetzt dieselbe Mutter und warum ist da der Trauzeuge der Vater von dem? Wie es im Dörfer in Bayern halt ist. Ja, es wurde aber sehr schnell klar, dass das Weglassen der Frauen aus dem Dorf
00:15:42
Speaker
unzuträglich war für die Forschung, weil die im Endeffekt den ganzen Kit dieser Gemeinschaft ausmachen. Und wenn man sie ausblendet, hat man viele einzelne Künstler, die aber scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Wenn man tief reingeht, merkt man, okay, ach so, ja. Und habe mir dann immer mehr solche, ich will sie nicht statistische Quellen, aber sehr
00:16:06
Speaker
geordnete Häusergeschichten und Pharmatrikel und so genommen und habe immer weiter Informationen extrahiert und habe die zueinander in Beziehung gesetzt und habe so einzelne Personen rekonstruiert, manche Familien neu dazugebaut, die eigentlich mit einer anderen vermischt waren und so entstand nach und nach, entstand so ein kleiner Kosmos für sich selbst.
00:16:30
Speaker
Da habe ich erst mal gemerkt, wenn ich jetzt 189 Personen habe. Ich glaube, Weso Brunner Stokateure über die ganze Zeit gibt es glaube ich um die 600, hat Hugo schnell gesagt. Also da wäre noch ein bisschen Arbeit zu tun, aber es wirft einfach ein komplett neues Licht. Es ist am Anfang sehr viel Extraktionsarbeit.
00:16:55
Speaker
Extraktionsarbeit klingt sehr wissenschaftlich. Du meinst doch Abschreiben, oder? Na ja, man muss halt, man muss halt die Daten, also es ist, Abschreiben hat ja noch in einer gewissen Weise etwas geistig Wertvolles. Wohingegen Extraktion, also Lexika nach Geburtsdatenscan, das ermüdet schon sehr. Genauso 800 Orte zu Georeferenzieren ist
00:17:23
Speaker
ist wissenschaftlich nicht sehr anspruchsvoll und ermüdet sehr schnell. Deshalb ist Extraktion, glaube ich, wirklich der richtige Terminus. Und das macht man halt die ganze Zeit. Und am Anfang muss ich auch sagen, ist das Verhältnis von Aufwand, den man betreibt und dessen, was man sieht, noch sehr, ist ein sehr großes Missverhältnis. Aber wenn man einmal seine Datenlage hat, dann fängt es an Spaß zu machen. Und dann taucht man sehr tief ein in diesen Datensatz.
00:17:53
Speaker
und merkt, okay, wenn ich den Filter drauf lege oder wenn ich den Algorithmus drüber laufen lasse, dann sieht

Werkzeuge für die Visualisierung

00:17:58
Speaker
es so aus. Wenn ich das drüber laufen lasse, dann sieht es so aus. Hat das irgendein Bewandtnis? Und das ist schon. Aber der Aufwand am Anfang schreckt bestimmt auch den ein oder anderen Wissenschaftler ab, aber er ist es wert.
00:18:12
Speaker
Jetzt musst du aber auch sagen, was bei dir die Momente waren, wo es dich ausgezahlt hat. Also man hat dann praktisch diese Datentabellen, also man packt das ja dann aus Lexikon, gedruckt im Lexikon-Text in strukturierte Daten und die kommen dann wohin? Also ich habe sehr häufig mit Gephi gearbeitet und man muss auch dazu sagen, dass während meiner Diss sich ja die Landschaft der Anwendungen und Software
00:18:38
Speaker
was sie verändert hat. Also selbst Gephi hat ja eine Transformation durchgemacht, die ist nur gut zu heiß und freut mich, dass man jetzt da in der Art und Weise arbeiten kann. Das war ja am Anfang etwas schwieriger. Und zum anderen hat es sich halt ausgezahlt, diese ganzen Tätigkeitsorte einfach mal in QGIS, also in ein Geoinformationssystem, reinzuschmeißen.
00:19:01
Speaker
und zu gucken, wie war die Ausbreitung, wie war die Verbreitung zwischen 1600 und 1800. Wenn man dann halt sich verschiedene Zeitschnitte, die Karten extrahiert und dann Gift draus macht, dann hat man plötzlich eine animierte Verbreitungsvisualisierung.
00:19:20
Speaker
die einen auch Aufschluss gibt. Gut, jetzt sind wir mit dem Geoinformationssystem schon wieder in einer anderen Region, aber trotz allem ist es das, was man bekommt. Man bekommt eine Visualisierung und wenn man dann auf einer Tagung so einen Vortrag hält, ist man in der Lage sein Zuhörern
00:19:39
Speaker
ein Bild zu geben. Eine Vorstellung von dem, was man da die ganze Zeit redet. Weil du kannst dir vorstellen, wenn man 189 Personen hat, und ich kann die tatsächlich alle auswendig, und das minutiös im Vortrag macht, dass ein der ein oder andere Zuhörer ab einer gewissen Zeit abhanden kommen könnte. Das wäre ein perfektes Ding für wetten das, dass es das nicht mehr gibt.
00:20:01
Speaker
Und da ist so ein Bild immer, seine Visualisierung hat dann immer noch so ein, gucken Sie, das meine ich. Genau, also Netzwerkforschung, da ist die Visualisierung ein ganz großer Teil.

Netzwerkvisualisierung verstehen

00:20:11
Speaker
Also wenn man das dann visualisiert, dann hat man, vielleicht für alle, die es nicht kennen, Entitäten als Punkte, also ob Personen oder Orte oder sowas und dann Linien zwischendrin, die Beziehungen bedeuten.
00:20:22
Speaker
Und wenn man da jetzt nicht so drin steckt und man bekommt die an einem Vortrag gezeigt, finde ich es zum Beispiel immer unglaublich schwierig, die auch zu lesen. Also was heißen denn jetzt eigentlich diese Abstände? Was bedeuten denn diese Linien? Was bedeuten diese Punkte? Gibt es denn gute und schlechte Netzwerkvisualisierungen?
00:20:43
Speaker
Ich weiß nicht, ob ich sie gut und schlecht benennen würde. Es ist halt immer, was möchte ich zeigen? Und wenn ich beispielsweise denke an diese Twitter-Netzwerke und ich aber diese Communitys einfärbe, dann habe ich immer, auch wenn das ziemlich dicht ist und ich nicht weiß, wer jeder Einzelne ist, habe ich eine Idee, wo ist viel los, wo ist wenig los, wo es vielleicht sind nur zwei, wo ist eine abgegrenzte Einheit.
00:21:12
Speaker
Und wenn man aber so ein spezialisiertes Thema hat, wo man wirklich drinsteckt, dann ist das Zeigen des grossen, dichten Netzwerkes. Für mich immer nur am Anfang zu sagen, hier, so sieht das im Komplexen aus. Ich gehe da aber sehr schnell raus und gehe in die Spezifika, dass ich meine Familie zeige oder zeige hier, da ist eine Anomalie oder da ist irgendwas, das passt nicht.
00:21:34
Speaker
oder da ist eine Verbindung, die ist so aus der Literatur gar nicht so direkt erkennbar und dass sie so dicht ist. Und so kommt man halt wirklich über den kleinen homöopathischen Dosen das Netzwerk zu verordnen, bringt halt, dass es nachvollziehbar wird.
00:21:54
Speaker
Wenn ich aber eine andere Art des Folgens brauche, dann reicht es vielleicht, wenn ich es nur zeige, gewisse Farblichkeiten und dann aber auch weitergehe. Also gut und schlecht. Es ist eher schlecht, wenn ich von Spezifiker rede und einen Herbol bringe, ja. Also das Verhältnis der Visualisierung zum Erzählten. Jetzt hat für mich manchmal so ein bisschen was mit Überwältigungstaktik zu tun. Also als ob man irgendwas möglichst Komplexes zeigt, um die Leute vor den Kopf zu stoßen.
00:22:22
Speaker
Ja, aber da kommt ja dann meistens argumentativ nicht viel hinterher und dann weißt du, sollte bloß dem Begeistern dienen. Okay, meiner Meinung nach ist das auch legitim. Je nachdem, was das Ziel ist. Vielleicht soll man ja auch erst von dem Kopf gestoßen werden, dass man zuhört und aufwacht und von seinem Handy wegguckt.
00:22:45
Speaker
Es gibt ja auch ganz viele unterschiedliche Formen und auch Datenmengen, die dann manchmal in so eine Visualisierung reinpacken. Mir kommen die anderen 200 Menschen bei dir schon sehr viel vor, aber es gibt ja auch Datenvisualisierung bzw. Netzwerkforschung, die mit viel größeren Datenmengen arbeitet. Also du hast ja Maximilian Schich auch schon gesagt, der arbeitet im Bereich der Kulturanalyse, also große Datenmengen, die er da verarbeitet.
00:23:09
Speaker
Das ist ja dann auch eine ganz andere Skalierung. Ist es dann auch Überwältigungstaktik oder kann man aus denen auch was lernen? Ja, ich würde das tatsächlich in dem Sinne nicht als Überwältigungstaktik, weil es darum ja ging bei der Einvisualisierung der Geburts- und Sterbeorte, um einfach auch die Dynamik der Kunstwelt in einem gewissen abgegrenzten Zeitraum mal zu visualisieren, um auch zu zeigen, dass man halt auch die Bewegungen
00:23:38
Speaker
in dem Netzwerk dynamisch darstellen kann in einer Bewegung. Das sind halt alles auch so Sachen, die während der letzten paar Jahre aufpoppten, dass man halt, sei es in Node.goat oder sei es in anderen Visualisierungen plötzlich auch die Fähigkeit hatte zu sagen, er ging von da nach da und dann strömte da so ein Lichtkegel durch die Kante.
00:24:04
Speaker
Und das ist halt eine andere Herangehensweise, weil wenn ich ein komplettes Buch, Künstlerlexikon auswerte und da Daten zu Geburts- und Sterbeort, dann möchte ich die Komplexität der Kunstwelt darstellen. Dann möchte ich nicht sagen und der ist von da nach da. Da geht es nicht um den Einzelnen, sondern es geht um alles. Das ist immer eine Frage.
00:24:23
Speaker
Wie viele Leute braucht es, um das überhaupt herzustellen, diese Datengrundlage? Und wo ist der, wem soll der Output etwas nützen? Also ein einzelner Forscher wird das nie machen können. Aber es ist halt für eine einzelne Forschungsfrage auch gar nicht relevant. Es ging ja da, glaube ich, auch um zu zeigen, wie sich Kunstzentren in den letzten 500 Jahren oder 600 Jahren entwickelt haben. Und ich hatte mir das angeguckt und hab dann halt irgendwie nur mit dem Schulter gezuckt und so, ja, offensichtlich. Irgendwie so Florenz,
00:24:52
Speaker
in der Zeit der Renaissance oder dann irgendwie New York in den 1970ern. Also wenn man Kunstgeschichte studiert hat, dann ist das irgendwie so, ja und? Ja, ja. Hat mich nicht begeistert, aber ich hab's dann meinem Mann gezeigt und der war total baff, weil ihm das nicht klar war. Also wahrscheinlich auch, was ist die Zielgruppe?
00:25:08
Speaker
da haben wir jetzt ein was, was halt bestätigt hat, dass die anderen bestätigt haben. Aber es gab auch schon anderes, wo halt eine statistische oder eine Netzwerkeanalyse oder eine Auswertung das Gegenteil bewiesen hat und gesagt hat, nein, das war eben nicht so. Und das sind immer, das sind die spannenden Fragen und natürlich wird man eine Visualisierung, die eine gängige Meinung belegt.
00:25:30
Speaker
erst mal eher schön wahrnehmen. Trotz allem ist sie wichtig, weil sie in der Form der Komplexität noch nicht unternommen wurden.
00:25:40
Speaker
Das ist die Machbarkeit, ja. Genau. Sie sind noch nicht unternommen worden und deshalb ist sie ein sehr schlagendes Argument pro, die Zentren waren da, da und da. Trotz allem hätte die Menge der Daten halt auch ein Gegenteil beweisen können und dann hätten vielleicht viele gestaunt und hätten gesagt, aha, aha. Und deshalb ist jede zusätzliche Visualisierung eine gute Visualisierung und eine wichtige und man muss sie halt bloß einordnen.
00:26:06
Speaker
Kann man denn eine Netzwerkvisualisierung auch als Argument und Beweis alleine stehen lassen? Also sind die so bildimmanent?
00:26:15
Speaker
Ich hoffe, dass die Möglichkeit oder die Herangehensweise oder das Verständnis, dass eine Visualisierung nicht nur Beleg eines Erkenntnisprozesses ist, sondern innerhalb des Erkenntnisprozesses dafür sorgt, dass man seine Forschungsfrage anpasst, die verändert oder verstärkt, dass das immer mehr Einzug hält. Also die Visualisierung als eigenständige Erkenntnisgenerierung, weil wir dann
00:26:45
Speaker
dahin kommen zu sagen, meine Forschungsfrage, die ich am Anfang gestellt habe, war zwar richtig, aber sie modifiziert sich aufgrund von der Visualisierung großer Datenmengen.
00:26:57
Speaker
vielleicht auch mittelgroßer Datenmengen. Aber man hat dann plötzlich einen Umschwank in seiner Erkenntnis und man muss es zulassen, dass der Forscher dann sagt, okay, hier muss ich modifizieren. Und das auf Grundlage einer Visualisierung. Das ist dann auch wirklich so eine Methode, die man an mehreren Stellen des Forschungsprozesses wieder einsetzen muss.
00:27:20
Speaker
weil es ja an jedem weiteren Schritt auch immer was ändern kann. Und dann wahrscheinlich auch, wenn man da was Neues findet, eine neue Datenmenge, die mit rein nimmt, ändert sich wahrscheinlich dann auch Gewichtungen, oder?

Dynamik und Interpretation bei neuen Daten

00:27:31
Speaker
Definitiv. Also ich würde sowieso sagen, dass wenn man mit diesen egozentrierten Netzwerken vorgeht, sollte man sowieso nicht absolut sagen, dass es so und so ist, sondern immer sich darauf verlassen, dass es eine Tendenz ist, dass es eine Richtung ist, die gehen kann, aber dass jede neue Person, die dazukommt oder wegfällt, das ganze Gefüge in sich verändert. Und wenn ich dann halt irgendwelche Algorithmen die Nähe ferner
00:27:58
Speaker
berechnen nehme, dann werde ich da immer Veränderungen bekommen. Also es ist immer in Relation zur Gesamtmenge, die man aber vielleicht nicht kennt, zu sehen. Also da immer leicht vorsichtig und dann immer darauf bedacht sein, dass wenn etwas Neues kommt, kann sich das alles ändern und dann muss ich es wieder interpretieren. Aber das ist auch wieder was, was es spannend macht, weil man halt nicht sagen kann, so jetzt ist es abgeforscht und jetzt ist es zu Ende, sondern es kann immer wieder einen Umschwung geben.
00:28:26
Speaker
Jetzt möchte ich nochmal auf Gephi eingehen, die Anwendungen, die du benutzt hast. Gephi entwickelt sich relativ schnell, ist auch quasi zum Industriestandard für Netzwerkanalysen, glaube ich, geworden bei den Digital Humanities oder generell in den historischen Geisteswissenschaften. Wie funktioniert das also? Ich habe meine aufbereiteten Daten als Tabellenform, die schiebe ich dann rein und sage dem Programm,
00:28:53
Speaker
Schau, diese Spalte hier, das sind meine Personen. Und das sind die anderen Personen, mit denen die in Beziehung stehen. Und dann muss man was machen, unterschiedliche Beziehungskategorien vergeben.
00:29:05
Speaker
Also grundlegend ist es so, dass du zwei verschiedene Tables hast. Du hast einmal den sogenannten Knoten, die Knotentabelle, in der definierst du deine Person mit einer laufenden Nummer, mit dem Name, mit allem, was du dazu brauchst, Geburtsdatum, Wohnort, wie es beliebt. Und dann gibt es eine Kantentabelle, die du eintragen musst und da gibt es sogenannte
00:29:28
Speaker
zwei Zwangsfelder sind source and target. Und das sind die beiden Knoten, die in Beziehung stehen, die kannst du noch als gerichtet oder ungerichtet definieren und kannst dir natürlich Attribute geben, um sie später dann zu filtern. Und dann lädst du diese beiden Tabellen hinein und kannst dann
00:29:54
Speaker
im sogenannten Datenlabor das auch noch weiter verändern, also das ist weiter anpassbar und dann gibt es halt die Visualisierungsebene und dort wirst du dann deinen Algorithmus aus, also Force Atlas 2 oder du gehst auf CraftWiz, das ist so ein Plugin, was du benutzen kannst oder eben auch ein Geolayout, wenn du Koordinaten hast.
00:30:16
Speaker
Und dann kommt man da in die Ausprobier-Ebene. Und dann gibt es halt die Frage, wie exportierst du es wieder? Mittlerweile kann man es sogar mit Sigma.js als eine eigenständige Website exportieren. Man kann es aber auch als KML exportieren, dass man es dann in ein Geo-Informationssystem wirft. Und so hat man sowohl ziemlich umfangreiche Import-Möglichkeiten,
00:30:44
Speaker
Man hat eine große Varianz an Algorithmen und Visualisierungschematar und auch die Exportseite wird immer besser und immer umfangreicher und man bekommt es in die verschiedenen Formate hineingegeben.
00:30:59
Speaker
Und diese ganzen Darstellungsmodi, also diese unterschiedlichen Algorithmen, also die mathematischen Modelle, die dahinterstecken, wie viel muss man davon verstehen, um dann das auch interpretieren zu können? Weil ich Studierende schon erlebt, die mit dem Tool gearbeitet haben, die haben halt so lange rumgeklickt in den unterschiedlichen Varianten, bis eine Darstellungsart gefunden wurde, die ihren eigenen Erwartungen am meisten entsprochen hat. Also die haben halt geguckt, wie viel kann ich rumklicken, bis ich mit meiner Aussage bestätigt werde.
00:31:28
Speaker
Okay, dafür kann ja dann der Algorithmus nichts, wenn man seine Argumentationsschiene anpassen möchte. Ich habe mir verschiedene Paper zu den Algorithmen durchgelesen und ich bin ganz ehrlich, an gewissen Punkten fehlt dann auch bei mir das Verständnis für gewisse Formulen und Berechnungen.
00:31:49
Speaker
Was ich festgestellt habe, weil man hat ja zum einen die Algorithmen, die man benutzt und zum anderen hat man noch die statistischen Auswert, Koeffizienten und Maße. Und ich habe davon relativ wenig verwendet, weil ich einfach gesagt habe, ja, ich kann zwar hier auf den Knopf drücken und dann bekomme ich einen Wert und ich bekomme auch einen Report dazu, der mir sagt, das und das sind die Kenngrößen, aber wenn ich eh einen relativ
00:32:17
Speaker
also ein nicht komplettes Netzwerk habe, nutzen die mir diese ganzen Berechnungen ja auch nur in ihrer relativen Wertigkeit etwas. Da habe ich sie weggelassen und ich habe im Endeffekt lediglich zwei Algorithmen angewendet, weil für viele dann wieder die Datentiefe gefehlt hat, um sie wirklich gut anzuwenden und dann muss, glaube ich,
00:32:38
Speaker
auch da wieder sich bewusst sein, was möchte ich aussagen, was bringt mich weiter. Und da sind zum Beispiel die Abstracts, die bei Gephi auch in den Reports mit verlinkt sind, von denen, von den Papers sind dann schon aufschlussgebend zu sagen, okay, dieser Algorithmus berechnet das und das und versucht, das und das weiter darzustellen. Also einfach rumklicken, bitte nicht. Bitte nicht, nein.
00:33:04
Speaker
Wie bist denn du mit Fehlstellen umgegangen? Also gerade historische Daten, wir kennen es, Überlieferungslücken.

Umgang mit fehlenden Daten

00:33:10
Speaker
Man weiß, dass es da jemanden mal gegeben hat, man weiß aber nicht, wie der heißt oder wann der geboren wurde oder gestorben ist. Wie bist du damit umgegangen? Hast du dich einfach weggelassen oder gibt es Anonymos 1, 2, 3, 4, 5?
00:33:22
Speaker
Es gibt bei mir tatsächlich zwei anonyme Ehefrauen, die ich brauchte, um zwei Struktur einzuordnen. Ansonsten sind das halt genau die Anschlusspunkte, wo es dann in so einem Gesamtnetzwerk weitergehen würde. Die Sache ist, dass diese Personen meist vor 1630 waren und da war mein Untersuchungshorizont nicht.
00:33:47
Speaker
In dem Sinne. Das andere ist, dass ich das in meiner Arbeit dann immer auch kommuniziere, dass es an der Stelle zum Beispiel gibt es eine große Fehlstelle in Hochzeiten am Anfang des 18. Jahrhunderts und das wird dann immer kommuniziert, dass da die Fehlstelle ist. Und aus dem Grund, es zwar fünf mögliche Varianten gibt, wann eine Hochzeit hätte stattfinden können, es aber keine verifizierten Daten dafür gibt, aber
00:34:14
Speaker
die und die und die Argumente dafür sprechen. Also auch da sehr mit Wahrscheinlichkeiten umgegangen. Es ist, glaube ich, auch nochmal wichtig zu sagen, dass deine Forschungsarbeit natürlich nicht nur das Erstellen von lustigen Visualisierungen ist, sondern vor allem das Interpretieren. Also dann was sagt mir eigentlich diese Informationsgrundlage und was sind die historischen Kontexte, warum und wieso und deswegen dies und das. Also die kunsthistorische Kür setzt sich ja dann auf diese Arbeit obendrauf.
00:34:40
Speaker
Jetzt komme ich zu meiner letzten Frage oder fast letzten Frage. Wo hast du das alles gelernt? Also hat man bei dir im Studium Netzwerkanalyse, historische Netzwerkforschung als Methode eingeführt und du bist dann irgendwie die ganze Zeit wieder in dein Studium so gegangen, ah, welches Thema kann ich nehmen, um diese Methode auszuprobieren, weil ich mich mit Stunden und Aberstunden Datenextraktion quälen möchte? Wie bist du auf diese Methode gekommen? Also ich habe es im Studium nicht gelernt. Ich bin
00:35:11
Speaker
tatsächlich in sämtlichen Sachen, die ich digital beherrsche oder angegangen habe, autodidakt. Ich habe irgendwann angefangen, wie gesagt, sind mir diese Ungereimtheiten in den Lexika aufgefallen und dann habe ich mir überlegt, es muss doch eine Möglichkeit geben, das in irgendeiner Weise softwaregetrieben zu untersuchen.
00:35:32
Speaker
und bin da auch teilweise an meine Grenzen gestoßen. Meine erste Idee war das mit der Diffusionstheorie von Rogers auszuwerten und Normalverteilungen zu berechnen. Das hat nicht wirklich gut funktioniert, aber ich mag dieses
00:35:48
Speaker
dieses Kreisen um ein Problem und dann verschiedene Lösungsansätze auszuprobieren und dann irgendwann einen richtigen zu finden und sagen, mit dem kann ich das Problem und die Lösung am besten beschreiben. Und so halte ich es eigentlich auch bis heute, das ist immer erstmal das Problem.
00:36:05
Speaker
feststelle und dann lösungsorientiert mich in die Weiten des World Wide Web begegne, um mir ein Lösungstool zu suchen, was mich in meinem Forschungsprozess unterstützen kann. Also gelernt hat mir das niemand.
00:36:19
Speaker
Aber jetzt, Thorsten, du hast in deiner Forschungsarbeit jetzt so viel herausgefunden und diesen ganzen Komplex dieser Wesobronner Personen, Stokateure und die Frauen dazu, also wahrscheinlich ungewollt noch einen Gender-Forschungsansatz mit reingenommen, analysiert.
00:36:36
Speaker
Würdest du das nochmal machen? Also jetzt nach den Jahren der Forschung und des langen Quälens von Informationsextraktion bis hin zu allen Sackgassen, die man geht, im Einarbeiten in diese sehr komplexe Methode, würdest du es nochmal machen?
00:36:52
Speaker
mit meinem Wissen von jetzt und vor allem mit den Möglichkeiten von jetzt definitiv. Aber ich würde es anders machen. Ich würde definitiv einige Sachen anders machen. Zum Beispiel würde ich keine Orte mehr händisch referenzieren. Ich würde mir mein Lieblingstool OpenRefine nehmen und würde das binnen weniger Tage referenziert haben und nicht vier Monate. Aktuell hat man ja viel mehr Tools zur Verfügung, die aufproppen und man kann es in verschiedenen
00:37:22
Speaker
Tools einspielen. Vielleicht würde ich auch es schneller schaffen, das komplette Dorf aufzunehmen. Also ja, ich würde das definitiv wieder machen, weil es auch unfassbar viel Spaß gemacht hat, aber mit ein some teeny weeny Modifications.

Veröffentlichung und Teilen von Daten

00:37:39
Speaker
Ich bedanke dich auf jeden Fall für dieses Stuck-A-Statement für die Methode Netzwerkforschung. Bin gespannt, welche in den nächsten Jahren noch aufploppen und hoffe, dass alle dann auch ihre Daten publizieren, weil wenn jeder auf seinem eigenen Netzwerkhaufen sitzt, dann kommen wir mit KnowledgeCraft nicht weiter.
00:37:55
Speaker
Dafür gibt es schöne Orte wie Senodo. Ich werde definitiv meine Tabellen dahin legen. Andererseits werden meine Daten aktuell in Factgrid eingespielt. Ich bin ein großer Fan von Wikibase.
00:38:14
Speaker
um dann Visualisierung und vor allen Dingen Zugänglichkeit zu generieren und die Möglichkeit, dass andere weiter forschen, weil das ist eigentlich wichtig, dass andere die Daten nehmen, zu modifizieren, weitergehen, die Netzwerke wieder erweitern, anreichern und vielleicht auch, ich hoffe es nicht, die ein oder andere Erkenntnis, die ich da getroffen habe, auch relativieren.
00:38:44
Speaker
So ist das mit der Forschung. Man sitzt Jahre an einem Thema mit vollem Bewusstsein, dass eine nachfolgende Forscherinnengeneration etwas finden wird, was man übersehen hat oder aufbauend auf den angelegten Daten andere Schlüsse ziehen wird.
00:38:59
Speaker
Auf den Schultern von Riesen, das ist schon immer eine der obersten Devisen der Wissenschaft gewesen.

Über ArtistoCast Produktion

00:39:05
Speaker
Letztendlich sind wir als WissenschaftlerInnen auch nichts anderes als ein Knoten im großen Personennetzwerk Kunstgeschichte. Man kann aber auch erst mal kleiner anfangen. Die Tools- und Beispielprojekte, die Thorsten genannt hat, findet ihr auch im Blogbeitrag auf ArtHistoricum.net. Hier findest du einen leichten Einstieg.
00:39:23
Speaker
Die Potenziale dieser Methode für die Kunstgeschichte sind noch lange nicht ausgeschöpft. Also ran an die Bücher und schaltet die Tutorials.
00:39:41
Speaker
Diese Folge von ArtistoCast, der Podcast für digitale Kunstgeschichte, wurde von Jacqueline Klusik-Eckardt produziert im Auftrag des Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte. Unterstützt wird sie durch die Redaktion der Arbeitskreismitglieder Peter Bell, Lisa Diekmann, Peggy Große, Waltraud von Pippich und Holger Simon.
00:40:03
Speaker
Finanziert wird der Podcast von NFDI for Culture, dem Konsortium für Forschungsdateninfrastrukturen, das sich mit materiellen und immateriellen Kulturgütern beschäftigt. Unterstützt wird ArtistoCast zudem vom Deutschen Verband für Kunstgeschichte und vom Verband DHD, Digital Humanities im deutschsprachigen Raum.
00:40:23
Speaker
Hat dir diese Folge gefallen? Dann abonniere Arthistocast, um keine Episode mehr zu verpassen. Hinterlasse uns eine Bewertung und teile den Podcast mit Freunden und KollegInnen, die sich für digitale Kunstgeschichte begeistern oder noch begeistern lassen. Du hast eine Frage, Feedback und Anregung?
00:40:41
Speaker
Schreib mir auf Social Media oder per Mail an podcast-digitale-kunstgeschichte.de. Ich freue mich von dir zu hören. Danke fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge von ArtistoCast.