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Folge 18: Provenienzforschung und das Digitale

S1 E18 · #arthistoCast – der Podcast zur Digitalen Kunstgeschichte
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In dieser Folge spricht Jacqueline Klusik-Eckert mit Meike Hopp über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen der Provenienzforschung. Im Fokus stehen dabei digitale Hilfsmittel wie Datenbanken, die es ermöglichen, komplexe Objekt- und Personenbiographien besser sichtbar zu machen und Wissenssilos aufzubrechen.

Während Datenbanken wie das Art Loss Register und die Lost Art Datenbank seit Jahren zur Verfügung stehen, haben sich die Methoden und Werkzeuge zur Erforschung der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern rasant weiterentwickelt. Die zunehmende Öffnung von Sammlungsinstitutionen hilft dabei. Dennoch gibt es erhebliche Herausforderungen bei der Standardisierung, dem Zugang zu Daten und der internationalen Zusammenarbeit. Und dabei ist das Öffnen der Silos nur ein Aspekt des ganzen. Provenienzforschung ist nämlich viel mehr als nur genug Quellen zusammenzutragen. Datenauswertung im großen Stil verlangt Kompetenzen, die noch lange nicht zum Ausbildungskanon der Kunstgeschichte gehören.

Ein besonderer Fokus liegt daneben auf der Notwendigkeit, Forschungsdaten und Quellen so aufzubereiten und zu präsentieren, dass sie nicht nur für Forschende, sondern auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind. Dabei betont Meike Hopp die Bedeutung der Provenienzforschung, die über die reine Restitution von Kunstwerken hinausgeht. Es geht vermehrt um Teilhabe und Ermächtigung. Betroffenen Familien und Gemeinschaften erhalten erst durch optimal aufbereitete Daten – Stichwort Mehrsprachigkeit – und Interfaces die Möglichkeit, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten.

Trotz signifikanter Fortschritte in der Provenienzforschung bangt der Forschungsbereich noch immer um eine nachhaltige Etablierung in der kunsthistorischen Ausbildungslandschaft.

Prof. Dr. Meike Hopp, Juniorprofessorin für Digitale Provenienzforschung an der TU Berlin sowie Vorsitzendes des Arbeitskreis Provenienzforschung.

Begleitmaterial zu den Folgen findest du auf der Homepage unter https://www.arthistoricum.net/themen/podcasts/arthistocast.

Alle Folgen des Podcasts werden bei heidICON mit Metadaten und persistentem Identifier gespeichert. Die Folgen haben die Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0 und können heruntergeladen werden. Du findest sie unter https://doi.org/10.11588/heidicon/1738702.

Bei Fragen, Anregungen, Kritik und gerne auch Lob kannst du uns gerne per Mail kontaktieren unter podcast@digitale-kunstgeschichte.de.

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Transcript

Einführung in ArtistoCast

00:00:07
Speaker
ArtistoCast, der Podcast zur digitalen Kunstgeschichte.

Warum ist Digitalisierung in der Kunstgeschichte wichtig?

00:00:20
Speaker
Warum betreiben wir überhaupt den Aufwand mit der Digitalisierung? In mühsamen Gesprächen einigen wir uns auf Datenstandards, entwickeln eigene Ontologien und stellen unsere Informationen, die Daten, idealerweise mit offenen Lizenzen ins Netz. Und dann? Wofür machen wir uns eigentlich den ganzen Aufwand?

Nutzen der Provenienzforschung

00:00:41
Speaker
Provenienzforschung wird dann oft als Beispiel genannt, wenn es um die Nachnutzung von Kulturdaten geht. Das Auflösen von Wissenstilos ermöglicht es, komplexere Objektbiografien sichtbar zu machen. So zumindest die Theorie. Der Mehrwert liegt auf der Hand, oder?

Datenbanken und Herausforderungen in der Provenienzforschung

00:00:59
Speaker
Datenbanken wie das Art-Lost-Register oder Lost-Art-Datenbank stehen seit Jahrzehnten zur Verfügung. Die digitalen Methoden und Werkzeuge zur Erforschung der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern haben sich weiterentwickelt. Dennoch bestehen erhebliche Herausforderungen in der Recherche. Und das ist nicht nur in Bezug auf Standardisierung, Datenzugang und internationaler Zusammenarbeit zu sehen. Das Öffnen der Silos ist nämlich nur ein Aspekt des Ganzen.
00:01:28
Speaker
Provenienzforschung bedeutet weit mehr, als nur ausreichend Quellen zusammenzutragen. Großflächige Datenauswertung erfordert Kompetenzen, die noch lange nicht Teil des Ausbildungskanons der Kunstgeschichte sind. Wie steht es also nun um die Provenienzforschung, die digitale Provenienzforschung? Inwieweit profitiert sie tatsächlich von den digitalen Neuerungen in der Forschungslandschaft oder mit den Infrastrukturen?

Maike Hopps Expertise in digitaler Provenienzforschung

00:01:55
Speaker
Darüber und über noch einiges mehr spreche ich mit der Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin Maike Hopp. Sie hat über den Kunsthandel der NS-Zeit promoviert, ist seit 2019 Junior-Professorin für Digitale Provenienzforschung an der TU Berlin und Vorsitzende des Arbeitskreis Provenienzforschung.

Transformation der Provenienzmethoden in 30 Jahren

00:02:23
Speaker
Hallo Meike, schön, dass du da bist. Ich habe mal nachgeschaut, das Art-Lost-Register wurde bereits 1991 gegründet, die Lost-Art-Datenbank existiert seit 2000. Wie haben sich denn nun die Provenienzrecherchen oder generell die Provenienzforschung in den letzten 30 Jahren verändert? Welche Meilensteine waren für dich denn jetzt besonders wichtig und prägend?
00:02:44
Speaker
Zum einen muss man sagen, dass die Provenienzforschung sehr stark geprägt wurde von jeglicher Form von medialen Skandalen. Also der Entwicklung der Provenienzforschung, auch wenn man so will Meilensteinen oder auch den Schüben.
00:03:02
Speaker
Es ging eigentlich immer irgendwie eine Debatte um die Restitution eines Kunstwerkes voraus oder eben dann 2013 der sogenannte Schwabinger Kunstfund, also der bestand aus dem Nachlass des Kunsthändlers Hildebrandt Gurlitt, der bei seinem Sohn in Schwabingen entdeckt wurde und dort von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnimmt wurde.
00:03:27
Speaker
All das waren immer Ereignisse, die dann zu einem Schub für die Provenienzforschung geführt haben, zu einem Aufstieg oder Aufstocken der Mittel, die für die Provenienzforschungsprojekte zur Verfügung stehen.

Einfluss von Skandalen auf Provenienzprojekte

00:03:44
Speaker
Letztlich hat der Gurlitz-Skandal dann auch dazu geführt, dass die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg und die Arbeitsstelle Provenienzforschung zum Deutschen Zentrum Kulturgutverluste zusammengelegt wurden. Und das ging auch mit einer erheblichen Aufstockung der über das Zentrum abzurufenden Fördermittel für Provenienzprojekte einher, sodass auch da diese Meilensteine, wenn man so will, eigentlich immer
00:04:10
Speaker
provoziert wurden von vorausgehenden Skandalen oder Entwicklungen. Also es ist mir auch aufgefallen, hat das was damit zu tun, dass sich Institutionen selbst vor so einem Skandal schützen wollten, indem man merkt, okay, jetzt müssen wir vielleicht doch mal in die eigene Sammlung schauen? Oder hat das wirklich zu einem Umdenken geführt?
00:04:31
Speaker
Ich denke, es hat wirklich zu einem Umdenken geführt. Wenn man sich die Entwicklung der Provenienzforschung anschaut, und ich bin ja selbst inzwischen seit 15 Jahren dabei, dann gab es doch immer wieder so bestimmte Umbrüche. Zum Beispiel, als ich angefangen habe, in dem Bereich zu forschen, ging man noch davon aus, dass man irgendwie den Verfolgungszeitpunkt, also ich forsche ja selbst zu NS-Verfolgungsbedingte, entzogenen Kulturgut in der Regel,
00:04:59
Speaker
Und da ging man noch davon aus, dass man eben diese Verfolgung erst mit den Nürnberger Gesetzen 1935 ansetzt. Und heute ist man auf dem Stand, dass man die Verfolgung natürlich mit der Machtübernahme 1933 ansetzt und sogar auch die Zeiträume davor inzwischen kritisch betrachtet, weil ja doch der
00:05:22
Speaker
macht Übernahme durch die Nationalsozialisten auch sehr starke antisemitische Bewegungen schon vorausgegangen sind.

Verantwortung der Museen in der Provenienzforschung

00:05:28
Speaker
Und das sind so doch merkbare Umbrüche in der Wahrnehmung und im Denken. Und ich sehe das oder beobachte das auch in den Museen, dass man diese
00:05:40
Speaker
Form der Forschung, die anfangs immer als sehr lästig empfunden wurde. Das muss man jetzt also auch noch machen. Und dabei sind natürlich die Museen auch vielfach personell nicht gut ausgestattet, sodass das noch eine Zusatzaufgabe wurde. Dass sich da schon auch das Denken gewandelt hat und viele Häuser inzwischen das heute sehr selbstverständlich machen und auch als ihre eigene Verantwortung wahrnehmen.
00:06:05
Speaker
Welche Rolle spielen denn gerade diese Datenbanken, also wie Artloss oder Lost Art Datenbank, sind die einfach nur ein Mittel zum Zweck oder sind die auch Teil dieses Entwicklungsprozesses?
00:06:19
Speaker
Auch sie sind Teil des Entwicklungsprozesses, wobei man sagen muss, das Atlas Register ist eine kommerzielle Datenbank, die auch nicht öffentlich einsehbar ist. Also das ist etwas oder ein Tool, das wir für die Forschung als solches gar nicht wirklich benutzen können, sondern das ist eher ein Angebot für den Kunsthandel, sich im Vorfeld vor Optionen eben abzusichern, dass Objekte eben durch diese Überprüfung durch das Atlas Register tatsächlich dann auch
00:06:49
Speaker
guten Gewissens versteigert werden können. Lost Art ist eine Datenbank, die bereits 2000 gegründet wurde, damals ursprünglich noch um die Kulturgutverluste der Museen zu dokumentieren und die dann sich eben sukzessive weiterentwickelt hat und heute jetzt tatsächlich auch weltweit denke ich die einzige wirklich nicht kommerziell betriebene und wirklich voll transparente Datenbank ist, um eben
00:07:19
Speaker
sowohl die Verluste als auch eben Funde zu melden. Es gibt ja auch viele Objekte, die in den Museen sind, die mit starken Verdachtsmomenten behaftet sind, was ihre Herkunft angeht, also zum Beispiel irgendwie in den 40er Jahren im deutschen Kunsthandel erworben.
00:07:36
Speaker
So dass man eben sagen kann, es gibt begründeten Verdacht, dass hier ein Entzugskontext vorliegt, aber wir können es eben nicht belegen. Also auch das kann gemeldet werden. Auch solche Objekte können gemeldet werden, damit dann eben potentielle Eigentümer, Eigentümerinnen diese Objekte auch auffinden können. Und insofern ist es wirklich tatsächlich ein zentrales Instrument. Für die Forschung ist es aber meistens
00:08:05
Speaker
nur sozusagen ein Ausgangspunkt. Also da fangen wir gerade erst an bei Elostart zu schauen, ist ein Objekt dort gemeldet? Ja oder nein, aber wenn das nicht gemeldet ist, heißt das natürlich noch lange nichts, denn von vielen Objekten ist ja gar nicht bekannt, wo sie herkommen oder wie ihre Objektbiografie ist.

Rolle digitaler Archive und Tools

00:08:24
Speaker
Das heißt, für uns sind auch ganz andere, sowohl Datenbanken als auch digitale Angebote,
00:08:30
Speaker
unheimlich wichtig. Zum Beispiel gibt es einen Bestand im Bundesarchiv Koblenz, den Bestand der Treuhandverwaltung von Kurt Tugut, die in der Nachkriegszeit die Kunstwerke verwaltet hat, die von den Alliierten eben zusammengetragen wurden.
00:08:47
Speaker
Und dieser Bestand ist Gott sei Dank inzwischen digitalisiert. Das war auch ein Meilenstein, wenn man so will, für die Provenienzforschung. Davor haben wir den immer alle einzeln konsultieren müssen, sind immer alle nach Koblenz gefahren. Inzwischen ist er digital verfügbar. Es gibt andere Angebote, die unglaublich wertvoll sind für uns. Zum Beispiel hat die Universitätsbibliothek Heidelberg ja das Portal German Sales.
00:09:11
Speaker
auf dem digitalisierte Auktionskataloge aus dem deutschsprachigen Raum zwischen inzwischen 1900 und 1945 zur Verfügung stehen, die eine wirklich essenzielle Quelle für die Provenienzforschung sind, wenn es um Zwangsverkäufe, Zwangsversteigerungen geht.
00:09:32
Speaker
Da eben auch abzurufen über Heidelberg beziehungsweise Art, Historik und Net sind die digitalisierten Kunstzeitschriften, die für uns natürlich auch essentiell sind, wenn wir wissen wollen, sind Objekte irgendwo ausgestellt worden in der NS-Zeit oder auch davor.
00:09:49
Speaker
Und es gibt weitere wichtige Kunsthandelsdatenbanken, die wir konsultieren inzwischen, beziehungsweise Kunsthandelsnachlässe, die digitalisiert wurden über das ZI in München zum Beispiel oder aber auch über das TADIC, das einige Kunsthändler in den Nachlässen verwaltet, die wirklich von großer Wichtigkeit für die Forschung sind.
00:10:19
Speaker
Neben den digitalisierten Sachen hast du jetzt auch viele Datenbanken genannt. In was für einem Zustand sind die Datenbanken? Also sprechen wir hier von relationalen Datenbanken, in denen einfach irgendwo Karteikarten mal abgetippt wurden oder haben wir hier schon eine Metadaten-Anreichung? Also wie sind die beschaffen? Oder ist das wahrscheinlich auch sehr unterschiedlich, oder?
00:10:43
Speaker
Es ist sehr unterschiedlich. Also wenn wir von Datenbanken für die Provenienzforschung sprechen, dann haben wir natürlich verschiedene Ebenen. Da ist zum einen mal die Frage, wie sind die Objekte überhaupt erfasst und erschlossen? Also wenn wir jetzt von Museen ausgehen oder auch anderen bestandshaltenden Einrichtungen, dann ist da erstmal die Frage, wie sieht denn dort die Erschließung wirklich der Objekte aus, sowohl intern als auch online?
00:11:12
Speaker
Das ist sehr, sehr unterschiedlich, da die Häuser mit ganz unterschiedlichen Systemen arbeiten zum Teil. Manche Museen, gerade kleinere Einrichtungen, haben überhaupt keine Museumsdatenbank. Die arbeiten tatsächlich mit Excel oder anderen.
00:11:30
Speaker
Tools, um ihre Objekte zu erschließen und erfassen und wir haben das Problem, dass in vielen dieser Datenbanken die Objekte bisher leider sehr unzureichend erschlossen sind. Das heißt, die Objekte selbst sind zwar erfasst in den jeweiligen Datenbanken auch intern,
00:11:47
Speaker
Aber die Metadaten dazu, also wann kam das Objekt ans Haus, wie, sind vielfach nicht erschlossen. Das melden uns sehr, sehr viele Kolleginnen immer wieder zurück, dass sie sagen, wir würden ja gerne schneller vorankommen und effizienter vorankommen, aber es hapert oft schon daran. Und es gibt eben auch nur wenige Sammlungen, zumindest in Deutschland, die ihre Sammlungen
00:12:12
Speaker
tatsächlich vollständig online gestellt haben mit den dazugehörigen Metadaten, sodass wir also schon auf der Objektebene das Problem haben, dass wir vielfach gar nicht an die wichtigen Informationen rankommen, wo ist das Objekt heute oder welche Objekte befinden sich heute in den Museen, die zwischen 33 und 45 zum Beispiel angekauft wurden.

Standards und Effektivität von Datenbanken

00:12:32
Speaker
Und dann gibt es natürlich die Datenbanken, die dann wirklich die für uns essentiellen Quellen erschließen. Da muss man vorsichtig sein, von Datenbanken zu sprechen. Es gibt viele digitale Angebote, das trifft es eigentlich eher, also digitalisierte Quellen.
00:12:49
Speaker
teilweise dann eben OCR lesbar. Und es gibt dann vereinzelt auch wirklich Datenbanken, wie zum Beispiel die Datenbank zum Central Collecting Point in München. Da handelt es sich tatsächlich um das, was du gesagt hast, also transkribierte Karteikarten, teilweise auch leider fehlerhaft transkribierte Karteikarten, sodass wir hier eine sehr starre
00:13:17
Speaker
Datenbanklösungen haben, die tatsächlich wenig flexibel auf Anfragen reagieren kann. Es gibt aber eben auch jüngere Beispiele. Es ist natürlich auch eine Entwicklung. Das darf man natürlich auch nicht vergessen. Die CCP-Datenbank ist bereits sehr alt. Jüngere Beispiele wie zum Beispiel die Böhler-Datenbank im Zentralen Institut für Kunstgeschichte in München, also der Firmennachlass von Julius Böhler, also der Kunsthandlung Julius Böhler.
00:13:46
Speaker
Das ist ein Link-Open-Data-System, das dieser Datenbank zugrunde liegt und da sind auch transkribierte Karteikarten eben abrufbar, aber sie sind eben auch verknüpft mit den Abbildungen, mit den Fotografien, sie sind anreicherbar, sie sind verknüpft mit Normdaten etc. Also es ist auch da eben gar nicht so zu pauschalisieren, sondern tatsächlich auch eine Entwicklung.
00:14:15
Speaker
Und trotz der ganzen Heterogenität der, ich nenne es mal, analog bis digital digitalisierter Quellenlage, welche Werkzeuge sind für dich dann heute unverzichtbar, wenn du Provenienzforschung betreibst? Also welche digitalen Werkzeuge, ja.
00:14:34
Speaker
Das ist gar nicht so einfach zu sagen, weil das hängt so ein bisschen vom Fall ab.

KI und Bildidentifikation in der Provenienzforschung

00:14:40
Speaker
Also habe ich ein Objekt und suche ich die Geschichte zu einem Objekt oder habe ich zum Beispiel eine Dokumentation einer Beschlagnahme und ich suche jetzt die entsprechenden Objekte dazu. Das heißt, als ich hier genau andersherum vor als ein Forscher, eine Forscherin im Museum vorgehen würde,
00:14:59
Speaker
Je nachdem muss man unterschiedliche Wege der Recherche beschreiten und je nachdem wird man dann natürlich versuchen, herauszufinden, taucht dieses Objekt irgendwo auf. Das heißt also, tatsächlich digitalisierte Ausstellungskataloge, digitalisierte Auktionskataloge, wie sie auf Heidelberg zur Verfügung stehen, sind wirklich essenziell für die Recherchen.
00:15:22
Speaker
Und man kann auch sagen, dass natürlich die Entwicklung jetzt gerade im Bereich der Texterkennung, Textverarbeitung auch natürlich mit Large Language Models und KI uns da sehr, sehr viel weiter bringt. Also da sehe ich auch sehr großes Potenzial, dass wir in Zukunft viel größere Datenmengen verarbeiten können, viel größere Textmengen verarbeiten können. Und das natürlich auch
00:15:48
Speaker
dazu führen kann, dass man leichter und schneller und effizienter nach Objekten recherchieren kann. Auf der anderen Seite haben wir das Problem, dass gerade in der Dokumentation von Beschlagnahmen in der NS-Zeit oder aber auch selbst im Kunsthandel die Beschreibungen der Objekte oft sehr vage sind. Das heißt, wir können die Objekte meist gar nicht so einfach identifizieren. Das kann man sich sehr schön vorstellen, wenn man
00:16:18
Speaker
zum Beispiel eine Landschaft anonym, 19. Jahrhundert, mit Bäumen und Kühen rechts hat, im Auktionskatalog, ist das natürlich sehr, sehr schwierig, jetzt danach sich auf die Suche zu begeben, wo taucht dieses Gemälde nochmal auf.
00:16:35
Speaker
Und da sind für uns natürlich auch noch Methoden der Bilderkennung unglaublich wichtig. Das heißt, setzt natürlich voraus, dass wir historische Abbildungen haben, aber auch das sind natürlich Recherchenmöglichkeiten oder Möglichkeiten, Tools, um die Provenienzforschung effizienter zu gestalten, dass man eben nicht nur über textuelle Recherchen vorgehen kann, sondern eben auch über Bildsuche und
00:17:04
Speaker
Was noch eine sehr, sehr wichtige Quellengattung für uns ist, sind Wiedergutmachungs- und Entschädigungsakten der Nachkriegszeit. Auch da gibt es im Moment ein sehr, also auf lange Zeit angelegtes, sehr wichtiges Projekt am FITZ in Karlsruhe, das die Wiedergutmachungsakten digitalisiert und perspektivisch auch mit KI auswerten wird. Und da sind wir natürlich sehr gespannt darauf, was sich aus diesem Projekt ergibt.
00:17:34
Speaker
Jetzt hatte mich mit der Recherche auch schon gewundert, dass die Sachen mittlerweile ja schon länger auch digitalisiert vorliegen. Und ich hab mir dann gesagt, wenn da so viele Provenienzforscherinnen und Forscher da draußen fast täglich auf diese Kataloge zugreifen, warum macht man sich nicht einmal gemeinsam den Aufwand, so einen Corpus zu erstellen? Dann könnte man ja viel schneller Corpus-Analysen machen und über Name-Entity-Recognition die Namen raussammeln oder so und Netzwerke bilden. Aber wahrscheinlich ist das das nächste Forschungsprojekt, das man angehen muss.
00:18:04
Speaker
Ja, das ist natürlich ein riesiges Forschungsprojekt, weil auch die Quellen, die wir für die Forschung benutzen, natürlich nahezu endlos sind. Wir sprechen jetzt gerade im Moment vorwiegend über den Kunstbereich, aber natürlich sind auch andere Objektgattungen betroffen.

Herausforderungen in verschiedenen Kategorien und Regionen

00:18:22
Speaker
Und das geht von Archäologiker, Ethnologiker über wissenschaftliche Sammlungen, also naturwissenschaftliche Sammlungen, technische Sammlungen. Und wenn man all diese Objektgattungen
00:18:38
Speaker
mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen natürlich irgendwie recherchieren will in einem großen Korpus, dann muss der schon gewaltig sein. Und das Zusammentragen dieser Quellen ist vielfach gar nicht so leicht. Also bei Heidelberg, das war ja eben auch so ein ähnlicher Anstoß, diese Auktionskataloge mal zu bündeln auf einer Plattform, sodass man sie auch wirklich
00:19:03
Speaker
übergreifend durchsuchen kann. Da sind auch vorwiegend Versteigerungskataloge, die Kunstwerke betreffen. Es fehlen aber Versteigerungskataloge, die andere Objekte betreffen. Also tatsächlich spezielle Versteigerungen von zum Beispiel technischem Kulturgut oder aber auch
00:19:25
Speaker
Versteigerung von Archäologiker, also auch da ist vieles noch erstmal überhaupt zusammenzusuchen und zu recherchieren. Und das ist die große Herausforderung, dass wir eben eigentlich auf so viel Quellenmaterial angewiesen sind, dass wir auch teilweise immer noch zusammensuchen müssen, weil mit jeder neuen Kategorie, die wir aufmachen, kommen natürlich wieder neue relevante Quellen auch hinzu.
00:19:50
Speaker
Das heißt, eines der großen Hürden, die im Moment da stehen, sind die vielen unterschiedlichen Silos. Die Datencontainer in unterschiedlichen Formatierungen und so weiter und so fort. Würdest du dann
00:20:08
Speaker
trotzdem eine Unterscheidung machen zwischen dem methodischen Herangehen, was eine Provenienzforschung in klassischer Weise und der digitalen Provenienzforschung betrifft? Oder ist es mittlerweile so in das Forschungsfeld übergegangen, dass es auch niemanden mehr gibt, der ohne diese technischen Hilfsmittel dieses digitalisiertere Material arbeitet?
00:20:31
Speaker
Ja, das würde ich sagen. Also so eine Trennung zwischen einer klassischen Provenienzforschung und einer digitalen Provenienzforschung habe ich auch so nie gesehen. Das ist so ein bisschen einfach der Denomination meiner Professur geschuldet, dass ich jetzt so diese tatsächlich diese digitale Provenienzforschung eben
00:20:50
Speaker
in meinem Fachgebiet so fixiert habe, aber die klassische Provenienzforschung, wenn es sie denn überhaupt gibt, kann heute gar nicht mehr ohne digitale Tools arbeiten. Alleine natürlich, dass wir bei jeder Recherche erst mal diese ganzen Datenbanken, die schon existieren, konsultieren, ist natürlich auch schon eine Herangehensweise.
00:21:13
Speaker
digitalen Methodik und insofern will ich diese Trennung gar nicht so sehen. Es ist aber so, dass tatsächlich
00:21:26
Speaker
großer Nachholbedarf ist, wenn es darum geht, wie können wir eben digitale Methoden noch besser einsetzen oder wo können wir uns auch schlicht für Digitalisierung und mehr Transparenz der Daten einsetzen.

Transparenz und Datenfreigabe in der Provenienzforschung

00:21:39
Speaker
Da gibt es, glaube ich, sehr viele Möglichkeiten und da ist vieles nach oben noch offen.
00:21:46
Speaker
Wir haben Anfang des Jahres eine Veranstaltung gemeinsam mit Wikimedia gemacht und sind auch inzwischen vielfach, also Kolleginnen von mir und ich, vielfach auch zu dem Punkt gekommen, dass wir zum Beispiel gerade in dem Bereich von Personendaten, die für die Provenienzforschung sehr, sehr relevant sind, nicht weiterkommen, wenn wir diese immer nur wieder in unsere Silos packen.
00:22:15
Speaker
Das heißt, Sammler, Namen von Sammlerinnen, historischen Sammlerinnen-Persönlichkeiten oder aber auch Händlerinnen. Da gibt es sehr, sehr viele noch kaum identifizierte oder nicht identifizierende Akteurinnen, die sowohl als Händlerin, Vermittlerin eine Rolle spielten oder eben aber die Betroffenen waren von der Verfolgung und deren Sammlung entzogen wurde.
00:22:43
Speaker
die bei uns aufpoppen in den unterschiedlichsten Quellen als Nachnamen, die wir weder verorten können noch weiter zuordnen können. Und ich habe schon eine große Hoffnung, dass wenn wir diese Namen irgendwo transparent bündeln, dass wir dann eben
00:23:00
Speaker
schneller zum Ziel kommen, diese Personen auch zu identifizieren, denn sie tauchen ja immer wieder in unterschiedlichen Kontexten auf. Ein Händler, eine Händlerin hat natürlich nicht nur mit einem Objekt gehandelt und an ein Museum verkauft, sondern in der Regel an mehrere. Das heißt, also jemand kann vielleicht bei den Recherchen schon mal auf den Namen gestoßen sein oder diese Personen schon identifiziert haben.
00:23:23
Speaker
die anderen Forscherinnen wissen es aber nicht, weil das in der eigenen Museumsdatenbank oder in der eigenen Dokumentation, Recherchedokumentation nur hinterlegt ist. Und eben zum Beispiel gerade in diesem Bereich diese Namen auch für die Data zu sammeln und zu sagen, hier taucht eine Person auf, ist nicht weiter zu identifizieren, ist aber mit diesem Objekt in Zusammenhang zu bringen oder mit dieser Quelle in Zusammenhang zu bringen.
00:23:49
Speaker
birgt natürlich das Potenzial, dass wir weltweit dazu Informationen sammeln können und Personen identifizieren können. Und dasselbe geht natürlich genauso gut auch für die Objekte selbst. Also man hofft hier auch so auf das Zusammenlegen von Daten jetzt über das Format Wiki-Data.
00:24:12
Speaker
Mir ist aber auch aufgefallen, dass es in den einschlägigen Repositorien, also gerade Datenrepositorien, kaum Provenienz-Forschungsdaten gibt. Eigentlich jedes Projekt hat ja irgendwie eine Projektbegleitende. Wenn es gut läuft, Datenbank.
00:24:29
Speaker
nicht so gut läuft eine Excel-Tabelle, aber irgendwas hat ja so ein Projekt immer zum Auflisten, zum Sortieren und spätestens in museumsinterne Datenbanken kommen diese Informationen ja mit rein. Was ist denn im Moment noch die Hürde im Fach, das wirklich nicht als Forschungsdaten ordentlich zu publizieren, um so ein Matching möglich zu machen, um so eine Vernetzung und Zusammenlegen von Daten möglich zu machen?
00:24:58
Speaker
Also zum einen würde ich sagen, es sind die bereits angesprochenen praktischen Hürden. Das heißt also, dass tatsächlich auch der Erschließungsstandsliefer noch nicht so weit ist, dass viele Häuser davor zurückschrecken, eben diese Daten auszuspielen, als Forschungsdaten herauszugeben, weil zum Beispiel die Metadaten zu den Objekten nicht oder nur sporadisch oder vereinzelt erfasst sind.
00:25:25
Speaker
Gleichzeitig gibt es aber natürlich auch Häuser, die das auch sehr vorbildlich machen. Also man darf das auch da nicht tatsächlich pauschalisieren. Aber ich denke eben gerade diese Frage ist für viele Museen einfach auch noch eine sehr sehr unangenehme, weil das natürlich auch damit zu tun hat, dass man jahrzehntelang eigentlich die eigene
00:25:47
Speaker
Objekt und Datenpflege bis zu einem gewissen Grad auch vernachlässigt hat und diese Dokumentationen einfach sehr dürftig sind heute. Das andere ist die Frage oder beziehungsweise
00:26:03
Speaker
Ein Grund, der auch immer wieder genannt wird, das sind Archiv- und Datenschutzrechtliche Bedenken, gerade wenn es um die Namen von Personen geht. Aber auch hier sehe ich tatsächlich die Problematik nicht so dramatisch, denn es gibt durchaus auch Kompromisslösungen, die man dort angehen kann. Daten bis 45 sollten definitiv veröffentlicht werden, auch Personen und
00:26:30
Speaker
und auch Personendaten. Denn letztlich, wenn man mal von der Perspektive der heute Anspruchsberechtigten ausgeht, dann werden die natürlich nie zum Ziel kommen, wenn die Namen ihrer Vorfahren nicht irgendwo auch als Vorbesitzer zentral irgendwo gelistet sind oder vielleicht auch nicht mal nur zentral. Es muss nicht zentral sein, aber überhaupt
00:26:56
Speaker
transparent gelistet sind in Datenbanken, dann ist natürlich eine Recherche von vornherein überhaupt gar nicht möglich. Das heißt eigentlich, wir verwalten ein Wissen in diesen Projekten und an den jeweiligen Museen und Einrichtungen.
00:27:13
Speaker
das wirklich essentiell ist, um Anspruchsberechtigte zu ihrem Recht auch zu bringen.

Methodologien und praktische Anwendungen

00:27:20
Speaker
Und es gibt gute Gründe und auch gute Argumente, warum eben Daten, die bis 1945 entstanden sind, auch tatsächlich transparent
00:27:34
Speaker
veröffentlicht werden können sollten. Auch die Datenschutz-Grundverordnung gibt dafür eigentlich einen recht plausiblen Ausnahmegrund. Ja, und man könnte es in Archiven ja auch mit einer schrittweise Veröffentlichung machen. Also in dem Moment, in dem man halt sagt, man hat Forschungsinteresse, kann ja man ja auch eine Möglichkeit geben, den Zugang zu geben. Es muss ja nicht immer alles frei frei offen sein. Die Forschung hat ja dann auch zum Glück gewisse Sonderrechte.
00:28:03
Speaker
Wie kann ich mir dann so einen Forschungsalltag vorstellen? Also hast du dann irgendwie selbst bei dir, also wenn wir nochmal auf die Methoden zurückkommen, einfach eine kleine Privatbilddatenbank und suchst dann mit unterschiedlichen, keine Ahnung, Computerwissenverfahren nach den zwei Kühen und dem Baum links im Bild oder geht man wirklich immer wieder von Null auf die Datenbanken los?
00:28:32
Speaker
Tatsächlich ist die Praxis, denke ich, der meisten Forschenden tatsächlich jedes Mal von Null wieder auf, die Datenbanden loszugehen. Das hängt damit zusammen, dass die meisten in diesem Bereich Tätigen tatsächlich an den Häusern selbst Provenienzforschung machen. Das heißt also immer von einem
00:28:52
Speaker
physisch vorhandenen Objektbestand ausgehen und rückwärts recherchieren. Und da gibt es natürlich Möglichkeiten zu priorisieren oder auch mal Objektgruppen zu bündeln, um das effizienter zu gestalten. Aber vielfach müssen sie tatsächlich von Einzelfällen auch ausgehen und haben eben nur sehr wenige Anhaltspunkte zum Erwerb dieses Objektes und müssen dann eben versuchen, weiter
00:29:18
Speaker
nach hinten zurück zu recherchieren in die Geschichte des Objektes. Und das ist eine sehr mühselige und kleinteilige Arbeit mitunter. Und meine Aufgabe jetzt gerade auf dieser Profession an dem Fachgebiet sehe ich eher darin, die Methoden und die Tools zu entwickeln, um diese Forschung zu erleichtern. Aber eben auch, und das habe ich gemerkt, also gerade in den letzten zwei Jahren war meine Aufgabe auch vielfach nur sehr politisch, wenn man so will.
00:29:47
Speaker
tatsächlich immer wieder auch diese Digitalisierung zu fordern, Mindeststandards zu fordern, mit denen eben diese Provenienzdaten auch wirklich in die Datenbanken einfließen, sodass man tatsächlich, selbst wenn man wie in anderen Bereichen auch nicht dazukommen wird, übergreifende und für alle Objektdatungen gültige Standards zu etablieren, man aber zumindest sagt, also die Daten, die zum Zugang eines Objektes in ein Museum
00:30:17
Speaker
vorhanden sind, die müssen nach Mindeststandards erfasst werden, damit das auch nicht so ist, dass jeder Forschende oder jede Forschende wieder von vorne anfangen muss. Und wie sieht für dich dieser Mindeststandard aus bzw. was wäre das Optimale, um die Arbeit zu erleichtern?
00:30:36
Speaker
Es ist gar nicht so, auch da gar nicht so einfach zu sagen, was die optimale Lösung ist. Es hängt natürlich sehr davon ab, mit welchen Systemen die Museen auch arbeiten. Zum Beispiel in den gängigen Datenbanken wie Museum Plus gibt es meistens eben auch tatsächlich Provenienzmodule, in die man dann die Daten auch wirklich über kontrollierte Vokabulare zum Teil eintragen kann, sodass man also eben
00:31:03
Speaker
ein bisschen vereinheitlichte Daten hat zu Ankäufen von Objekten, zu Schenkungen etc. Es gibt aber natürlich auch
00:31:19
Speaker
Das hatte ich ja auch schon erwähnt an vielen Museen. Entweder gar keine Museumsdatenbanken oder Datenbanken, die da nicht so detaillierte Dateneingaben zulassen.
00:31:36
Speaker
Da kann man das natürlich genauso gut auch in Freitextfeldern erfassen. Wichtig ist aber zum Beispiel, wenn ein Museum ein Objekt auf einer Option erworben hat, dass dann auch die Angaben zur Option, wann hat sie stattgefunden, wo hat sie stattgefunden, erfasst werden. Dass das irgendwie zumindest nach halbwegs einheitlichen Kriterien gemacht wird, sodass man tatsächlich am Ende auch sehen kann, auf den ersten Blick sehen kann,
00:32:04
Speaker
Wann kamen die Objekte ins Haus, sodass auch genau diese Priorisierung und Bündelung von Forschungsvorhaben auch einfacher möglich ist.
00:32:15
Speaker
Bei meiner Recherche bin ich natürlich auch auf die Datenbank Provenienzforschung des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste draufgegangen. Ich habe mir die mal angeguckt und bin dann an dieser Red Flag Names Liste hängen geblieben. Das ist ja, wenn ich das richtig verstehe, einfach eine Liste von Namen von Personen aus der Geschichte, die verbunden sind mit
00:32:38
Speaker
Enteignung, Kulturgutverlust, die irgendwie in diesem ganzen Kosmos eine Rolle spielen, bei denen man einfach aufhorchen muss, wenn die in der eigenen Forschung einem über den Weg laufen. Ganz egal, ob man nun im Museum forscht oder ob man so über Kunstwerke oder Kunst forscht.
00:32:55
Speaker
Und ich war mich dann sozusagen sehr, sehr gefreut sogar. Also da sind die Personen drinnen mit den GND-Normdaten, mit Wikidata. Die Orte sind ordentlich mit Geonames und dem Getty Thesaurus auf Geographical Names verbunden. Also ja, also check, check. Das heißt, es ist offen zugänglich. Es ist mit Metadaten, mit Normdaten sogar angereichert, die auch so der Industriestandard, sage ich mal, in Anführungszeichen im Kulturbereich sind.
00:33:22
Speaker
Und dann wollte ich mir die Metadaten runterladen und die Netzwerke herunterladen und es ging nicht. Also das heißt, in dem Moment, in dem ich wirklich auch digital forschen möchte, also wenn ich selbst mir eine Kraft-Datenbank aufbaue, eine Netzwerkanalyse machen möchte, vielleicht mit meinen eigenen recherchierten Daten verknüpfen möchte, ist das wieder nicht möglich. Ist das jetzt nur im öffentlichen Zugang oder wenn ich einen Pro-Ausweis habe, darf ich das? Oder weißt du, was der Grund ist, warum man den einen Schritt jetzt nicht geht?
00:33:49
Speaker
Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, in dem Fall. Schade. Sorry. Das ist immer so, wo ich mich dann so ärgere, so denke ich mir so, ja, check, check, das machen sie gut, super, freue mich und dann kommt so das letzte, das Tüpfelchen auf dem I, das I ist schon da von fair und interoperable.
00:34:09
Speaker
Aber dann fehlt der Punkt, also dann fehlt der eine Link, der eine Zugang zur API, die eine Möglichkeit vielleicht ist, sich als JSON-Datei runterzuladen, um schon richtig Daten zu haben, mit denen man auch komputationell arbeiten kann. Es ist so schade, weil der Weg schon gegangen ist, also es ist ja schon alles da.
00:34:28
Speaker
Ja, das verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht. Da hatte ich neulich auch mit einer Kollegin schon darüber gesprochen, die mit Daten arbeitet und die dann wirklich ans DZK geschrieben hat und dann eben sich die Daten rausspielen lassen hat, warum das nicht automatisch irgendwie mit so angedacht wurde und eingestellt wurde.
00:34:53
Speaker
Keine Ahnung. Vielleicht wird es ja der nächste Meilenstein sein. Wie siehst du denn international die

Internationale Zusammenarbeit und Sprachbarrieren

00:35:01
Speaker
Zusammenarbeit? Und auch bei digitaler Provenienzforschung bist du spezialisiert auf den Bereich der NS-Zeit und der Restitution in dem Zusammenhang. Viel Medienbohai gab es ja auch und auch zu Recht über Kulturgutverlust in deutsch-kolonialer Zeit.
00:35:19
Speaker
Also wie muss man denn auch international zusammenarbeiten, weil viele Sachen sind ja auch nicht nur auf Deutschland beschränkt oder auf historisch Deutschland, sondern auch Werke wandern, Sachen werden verschleppt, kommen woanders wieder hoch.
00:35:35
Speaker
Wir haben mittlerweile ja auch viel längere Zeiträume, die wir beobachten müssen in dem Bereich. Also arbeitet man dann auch relativ eng international zusammen oder nutzt jedes Land wieder so seine eigenen kleinen... Viele Silos macht ein Bauernhof, macht seine eigenen kleinen Hülsen.
00:35:59
Speaker
Also alleine durch die deutsche Besatzung haben wir natürlich dieses Phänomen der Verschleppung von Objekten auch über die Ländergrenzen hinweg, die europäischen Ländergrenzen vor allen Dingen hinweg und müssten in diesem Bereich sehr viel stärker zusammenarbeiten, sehr viel enger miteinander kooperieren.
00:36:20
Speaker
Aber ein Problem ist, dass wir gerade, wenn wir in diesem Bereich forschen, also in den S-Bereich forschen, dann haben wir das Problem, dass die meisten Quellen, Archivalgeschenquellen natürlich hier liegen.
00:36:36
Speaker
oder aber eben ausschließlich auf Deutsch sind. Und das hat dazu geführt, dass auch die digitalen Angebote, also die Datenbanken, die digitalen Repositorien natürlich auch in der Regel auf Deutsch sind. Also die meisten Plattformen tatsächlich sind rein deutsche Angebote. Das bedeutet, dass natürlich schon international wir ein Problem haben,
00:37:02
Speaker
weil sprachliche Hürden bestehen. Das heißt, Forschende in Frankreich oder in anderen Ländern einfach gezwungen sind, mit diesen Quellenangeboten zu arbeiten.
00:37:15
Speaker
ist auch so, dass die Fördersituation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist. Deutschland hat die Provenienzforschung mit relativ vielen Mitteln ausgestattet. Das ist natürlich auch unserer besonderen historischen Verantwortung geschuldet.

Zusammenarbeit mit Herkunftsgemeinschaften

00:37:30
Speaker
In anderen Ländern gibt es teilweise noch gar keine Fördertöpfe oder sehr viel geringere Fördertöpfe. Das heißt, auch da wird erstmal natürlich die Bestandsüberprüfung vorgezogen.
00:37:41
Speaker
um zu schauen, welche Objekte tatsächlich
00:37:47
Speaker
mit einer sehr verdächtigen Provenienz oder sehr verdächtigen Herkunftsgeschichte in den Häusern, um diese natürlich schnellstmöglich zu restituieren. Und auch da kommen erst Projekte, die mehr in den Bereich der Grundlagenforschung gehen und damit auch wirklich Quellenmaterial zur Verfügung stellen, kommen auch erst so langsam auf. Das heißt, auch da
00:38:12
Speaker
muss man sehr aufpassen, dass nicht wieder neue Silos entstehen, also dass wir nicht europaweite Silos haben, sondern da also besser zusammenarbeiten. Aber wie gesagt, es ist auch unterschiedlichen Förderstrukturen und der unterschiedlichen Gemichtung auch der Bedeutung der Provenienzforschung in den einzelnen Ländern geschuldet und selbst in den deutschsprachigen Ländern
00:38:35
Speaker
Da gäbe es unglaublich viel Potenzial für mehr Zusammenarbeit. Und ich hoffe, dass das in Zukunft auch wächst. Gerade die Schweiz hat jetzt durch die Bürlesammlung, den auch wieder natürlich ein Skandal, um die Bürlesammlung ja auch gerade einige Entwicklungen vor sich in diesem Bereich, sodass ich hoffe, dass wir da vor allen Dingen auch enger zusammenarbeiten von Anfang an. Was den
00:39:01
Speaker
Bereich der Kunstwerke oder der Kulturgüter aus kolonialen Kontexten angeht, ist natürlich die internationale Zusammenarbeit vor allen Dingen mit den Herkunftsgesellschaften essentiell. Da stoßen wir aber immer wieder vor andere Probleme. Da sind vor allen Dingen gerade im Bereich der Digitalisierung
00:39:24
Speaker
ist es ähnlich gelagert wie auch im Forschungsbereich zu Ende des Verfolgungsbedingtes in der Kultur, dass auch da natürlich die Quellen jeweils von den Kolonialherrschern
00:39:39
Speaker
verfasst wurden und natürlich dann eben auch in diesem Fall dann wiederum überwiegend deutsche Quellen sind. Also in dem Bereich ist auch die Übersetzung ebenso wichtig. Transkription, Übersetzung und Textverarbeitung, um eben
00:39:55
Speaker
da auch wirklich die Herkunftsgesellschaften partizipieren zu lassen und diese Quellen auch wirklich transparent zur Verfügung zu stellen. Das ist eigentlich überhaupt, glaube ich, so ein Kernknackpunkt, den wir uns in Zukunft annehmen müssen.
00:40:12
Speaker
Übersetzungsarbeit. Also das meint jetzt nicht immer nur die reinsprachliche Übersetzung, sondern auch wirklich das Öffnen, auch wirklich das Teilhaben lassen, das partizipieren lassen an dem, was wir forschen, indem wir also wirklich auch nicht nur Daten einfach digitalisieren und transparent auf irgendeine Plattform stellen, sondern tatsächlich auch
00:40:36
Speaker
Angebote machen, die das auch erklären, was sind das für Quellen, was finde ich in diesen Quellen, die das auch wirklich weitervermitteln.

Kulturelle Perspektiven und Dateninterpretation

00:40:43
Speaker
Also das gilt genauso für den NS-Bereich wie auch für Kulturgut aus kolonialen Kontexten. Ich hatte vor Jahren mal mit einem Informatiker eine Diskussion, da ging es um C-Doc.
00:40:57
Speaker
Wir sind irgendwie nicht zu dem richtigen Punkt gekommen, weil ich auch nicht spezialisiert in dem Bereich bin, also gerade was koloniale Ressortitionen angeht. Wir haben uns die Frage gestellt, ob
00:41:09
Speaker
die Standards, auf die wir uns irgendwann einigen und die Ontologien, Standardvokabulare, auf die wir uns einigen, überhaupt das abbilden, was andere dann auch suchen würden, wenn sie aus anderen Kulturkreisen kommen. Also er hatte dann irgendwann so ein Beispiel, man sollte für ein Museum eine, was war das, Mittelamerika,
00:41:31
Speaker
Indigenes Kultur-Kunst-Objekt wurde in einer deutschen Sammlung als Kunstwerk betrachtet, dort aber als religiöser Gegenstand. Wenn man im C-Doc-Kosmos denkt, was für eine Entität sucht man dann aus? Dann wurde eben ganz sauber aus europäischer, deutscher Perspektive das als Kunstwerk einkategoriert.
00:41:53
Speaker
mit dem Partner-Forschungsinstitut dann eben in Mexiko, da ist erst klar geworden, dass sie dieses Objekt nicht mehr gefunden haben in der Datenbank, weil die nach was ganz anderem gesucht haben. Jetzt ist das zufällig sichtbar geworden, weil man halt eng zusammengearbeitet hat in einem Forschungsprojekt und dann irgendwie durch Zufall auf diesen
00:42:14
Speaker
auf dieses Misunderstanding-Problem gekommen ist. Haben wir solche Probleme öfter? Sind unsere mühsam sich erarbeiteten Einigungen auf jetzt zum Beispiel C-Doc, CRM,
00:42:30
Speaker
ein Problem, wenn es um internationale Zusammenarbeit und Restitution geht im Zuge von Kulturverlust oder auch einfach nur um Partizipation. Also wenn eine andere Entität vergeben wird für ein Objekt, muss man ja auch anfangen, viel mehr in Ambevalenzen zu denken oder viel mehr in Mehrdeutigkeiten.
00:42:51
Speaker
Ja, auf jeden Fall. Also das ist auch etwas, was man in Zukunft noch sehr, sehr viel stärker beachten muss. Deshalb sprechen wir auch eher von Mindeststandards, die überhaupt die Erschließung von Objektdaten, von Metadaten beinhaltet, aber eben nicht von generellen Standards, die wir eben gerade für solche unterschiedlichen Objektgruppen, Objektgattungen nicht etablieren können, weil eben
00:43:18
Speaker
zu enge Standards oder zu starre Konzepte dann eben genau solche Missverständnisse beinhalten können. Also auch das Verständnis, dass jede Ontologie, die wir bauen, jede Entität, die wir festlegen, natürlich auch etwas ist, was wir aus unserem Wissen heraus machen. Als Nachkriegsgesellschaften, als tatsächlich Forschende, die eine besondere Verantwortung tragen gegenüber
00:43:48
Speaker
Anspruchsberechtigten gegenüber Herkunftsgesellschaften und gleichzeitig aber dennoch ein unglaubliches Hoheitswissen haben, weil wir eben den Zugang zu den Quellen haben, weil wir teilweise den Zugang zu diesen Objekten haben und das wirklich auch abstrahieren müssen und sagen müssen, alles was wir jetzt hier festlegen, hat unmittelbare Auswirkungen darauf.
00:44:10
Speaker
wie das Objekt von außen gelesen wird, wie die Daten von außen gelesen werden. Und die sind nicht ohne Bias. Das bekommen wir gar nicht hin.

Bildung und Ausbildung in der Provenienzforschung

00:44:22
Speaker
Genau weil wir eben aus unserem kulturellen Kontext heraus Objekte anders definieren als das,
00:44:32
Speaker
in dem damaligen historischen Kontext oder in der Herkunftsgesellschaft eben der Fall gewesen wäre. Und das haben wir in allen Bereichen auch immer wieder. Es gibt zum Beispiel auch den Problemfall, wie gehen wir um mit
00:44:50
Speaker
sensiblen Fotografien, aber natürlich auch mit kritischen Betrifflichkeiten in Datenbanken. Das betrifft den Bereich der Provenienzforschung zu Kolonial- und Kulturgut natürlich extrem, weil wir hier auch sprachliche
00:45:09
Speaker
Sensibilisierung brauchen, um eben auch zu sagen, nicht nur bei der Beschreibung eines Objektes, sondern auch bei der Beschreibung des tatsächlichen Entzugskontextes. Also der Beschreibung auch von Gewalt, von Brutalität, von Herrschaft. Das ist natürlich etwas, wo wir sehr, sehr sensibel auch in Datenbanken mit umgehen müssen. Und das haben wir im NS-Bereich auch, wenn wir zum Beispiel
00:45:36
Speaker
Die Tatsache, dass in einem historischen Auktionskatalog Vorbesitzer als nicht-arisch gekennzeichnet wurden. Wie überträgt man das in eine Datenbank, ohne diesen Begriff zu transportieren? Und dieses Gedankengut und Wissen nachzumodellieren, weil in dem Moment, in dem es natürlich modelliert wird, wird es was faktisches.
00:45:58
Speaker
Genau. Das ist eine große Herausforderung für die Datenmodellierung. Um zu diesem Punkt zu kommen, dass man wissend diese Daten modelliert, dass man sensibel mit den dann gelernten Standards und Ontologien vorgeht, das ist das eine. Aber wie kommt man zu dem Wissen eigentlich? Wenn ich zurückdenke an meine Ausbildungszeit, also mein Kunstgeschichtsstudium, da habe ich Provenienz,
00:46:28
Speaker
Ich glaube, kein einziges Mal gehört. Ich bin erst nach meinem Studium darauf aufmerksam geworden, als ich dann am Germanischen Nationalmuseum gearbeitet habe, im Forschungsprojekt, und wir dann eben auf Provenienzrecherche geschickt wurden zu den einzelnen Objekten, und ich so, ja, okay, was
00:46:46
Speaker
Was ist das eigentlich? Was muss ich da machen? Was muss ich als Bedenken? Und auf einmal taucht man dann ein in ein Forschungsfeld, das so groß ist und so viel Spezialistenwissen verlangt. Wie kann man sich das erwerben? Also muss man immer ins kalte Wasser springen oder ist das mittlerweile schon Teil also ich habe ja auch schon lange, dass ich studiert habe ist es mittlerweile schon Teil der kunsthistorischen Ausbildung, ist ein Aspekt, der mitgedacht wird?
00:47:12
Speaker
Also beging es genauso, dass ich das im Studium als Begriff nie gehört habe und tatsächlich ja selbst auch nur sehr zufällig dann in diesem Bereich landete. Ich würde sagen, es ist immer noch zu wenig Teil der sowohl kunsthistorischen Ausbildung als auch akademischen Ausbildung generell. Also wenn wir jetzt gerade auch mit den archäologischen oder ethnologischen
00:47:39
Speaker
Disziplinen anschauen. Auch da ist es als solches nicht wirklich verankert.
00:47:46
Speaker
Also wie erwirbt man sich das Wissen? Was ich mache in meiner Lehre ist so eine Kombination, um ehrlich zu sein. Also zwischen wirklich Grundlagen der Provenienzforschung und damit meine ich eher wirklich inhaltliche, theoretische Grundlagen. Also wirklich wie gingen diese Entzugsvorgänge voran? Das ist natürlich essentiell, um
00:48:10
Speaker
Man muss die Mechanismen verstehen, man muss auch die Besatzungen verstehen, man muss dieses Hintergrundwissen haben, um eben diese Entzugsvorgänge auch einordnen zu können, zu verstehen, was ist ein Zwangsverkauf und wie recherchiere ich danach und was ist eine Beschlagnahme, wo finde ich da zu quälen. Das sind essentielle Grundlagen, die ich versuche, in der Lehre beizubringen.
00:48:34
Speaker
Gleichzeitig habe ich aber auch Digital Humanities Anteile, in denen wir dann wirklich mit kleineren Datensets, die eben über ein Semester auch verarbeitbar sind, dann wirklich versuchen, digitale Methoden
00:48:50
Speaker
auszuprobieren. Das ist meistens innerhalb der Lehre eher ein Experimentieren damit und ein Ausprobieren, als dann tatsächlich ein Entwickeln oder Modellieren. Aber diese beiden Anteile verknüpfig. Und natürlich ist das immer verwoben auch mit kulturhistorischen Basics. Und das ist etwas, was man natürlich eigentlich sehr leicht in die Lehre integrieren könnte und was man natürlich auch viel breiter noch ausbauen und anbieten könnte.
00:49:21
Speaker
Also so eine gewisse Data Literacy für die Studierenden kombiniert eben mit kunsthistorischen Methoden oder Methoden der Provenienzforschung lässt sich eigentlich sehr, sehr gut beibringen, weil man das sehr, sehr gut auch die Inhalte transportieren kann.
00:49:37
Speaker
Wir schauen in den Seminaren sehr oft in die verschiedenen Methoden der Visualisierung von historischen Daten. Das ist für die Studierenden immer das Tollste, wenn man am Ende irgendwas visualisiert. Ich stehe denen manchmal etwas skeptisch gegenüber, aber es ist natürlich auch wichtig, um dieses Wissen wiederum zu vermitteln. Und alles, was anschaulich wird, was begreifbar wird,
00:50:04
Speaker
ist tatsächlich auch für die Vermittlung der Wichtigkeit und der Bedeutung unserer Arbeit auch sehr wichtig nach außen. Das sieht man an Ausstellungen, die Provenienzforschung thematisieren oder aber auch in Gesprächen mit Journalistinnen merkt man das.
00:50:21
Speaker
dass also alles, was irgendwie über Zahlen abbildbar ist, das irgendwie visualisierbar ist, nicht nur als Bild, sondern eben über Statistiken etc., dass das leichter zu begreifen ist, als wenn man vor diesem großen, nicht bezifferbaren Entzug von kulturellen Objekten, Einrichtungsgegenständen in historischen Kontexten steht, die man gar nicht richtig fassen kann.
00:50:52
Speaker
Aber jetzt so, dass man irgendwie einen Masterstudiengang Providenzforschung belegen kann, also als Aufbau oder Spezialisierung, gibt es sowas schon? Es gab, ab 2016 wurden in Deutschland vier Juniorprofessuren eingeführt, in Hamburg, Bonn, München und Berlin. Die letzte ist meine.
00:51:18
Speaker
Bedauerlicherweise hat man damals bei allen vier Juniorprofessuren auf einen Tenure verzichtet. Das heißt, alle vier Juniorprofessuren sind befristet, was zur Folge hat, dass zwei davon im Moment gar nicht mehr besetzt sind, auch nicht mehr nachgesetzt werden und tatsächlich im Moment nur die Juniorprofessur in Bonn und meine in Berlin
00:51:42
Speaker
noch existieren von diesen vier Junior-Professuren. Im Bonn tatsächlich gibt es aber auch noch eine weitere Professur für moderne und Provenienzforschung, also Kunst der Moderne und Provenienzforschung, sowie eine Professur der Provenienzforschung, die im juristischen Bereich verankert ist. Und da gibt es tatsächlich einen Masterstudiengang Provenienzforschung.
00:52:09
Speaker
Den digitalen Schwerpunkt gibt es im Moment nur in Berlin und in Lüneburg an der Leuphana. Und grundsätzlich gibt es natürlich noch sehr, sehr viel mehr Lehrangebote, auch an anderen Universitäten. Die FU Berlin zum Beispiel macht auch schon oder bietet seit längerem auch
00:52:27
Speaker
schon Seminare in diesem Bereich an, also mit der Forschungsstelle in Art und Kunst, sodass man grundsätzlich Basics schon inzwischen vermehrt bekommen kann. Auch an anderen Universitäten gibt es zunehmend
00:52:47
Speaker
Verankerungen der Provenienzforschung und der Lehre. Aber tatsächlich ist es noch zu wenig. Also es ist auch in diesem Bereich noch ausbaufähig und es sollte auch viel nachhaltiger gedacht werden. Es ist ja eine ganz schöne Diskrepanz zwischen der Herausforderung und der Aufgabe, was man alles da noch machen muss in dem Bereich und erforschen und beforschen muss.
00:53:11
Speaker
Jeder, der objektorientiert arbeitet und forscht, weiß, wie wenig Wissen es über diese Objekte gibt, gerade wenn sie in Depots liegen oder wenn man mit Privatsammlerinnen und Sammlern zusammenarbeitet. Also es ist einfach eine große Diskrepanz zwischen dem, was noch zu tun ist und den Leuten, die das dann eben mal können sollen. Joa, mal schauen. Neben diesem
00:53:36
Speaker
eher düsteren Blick in die Zukunft. Das ist doch mal vielleicht ein hoffnungsvolleren Blick in die Zukunft werfen. Wie sieht denn für dich in der Zukunft die digitale Provenienzforschung aus? Also, welche Entwicklung, Innovationen wünschst du dir in den nächsten fünf Jahren oder zehn Jahren?

Zukunft der KI in der Provenienzforschung

00:53:55
Speaker
Es kann auch wirklich Wunschvorstellungen sein, die dir das Leben erleichtern würden. Also, was soll jetzt passieren? Vielleicht schicken wir diesen Wunsch dann gleich an nf.de for culture.
00:54:09
Speaker
Also es gibt mehrere Wünsche natürlich, die ich habe für die Zukunft. Es gibt auch sehr realistische Vorstellungen, die sich jetzt auch schon abzeichnen, dass wir natürlich im Bereich vor allen Dingen der Texterkennung durch KI wirklich
00:54:28
Speaker
Quantensprung werden machen können, der ganze Bereich Textverarbeitung, Textauswertung, was wir auch schon angesprochen haben, dass man eben Dokumente poolt und bündelt und darauf natürlich mitnehmt Entity Recognition oder anderen.
00:54:44
Speaker
Methoden versuchen kann, eben schneller wirklich riesen Mengen an textuellen Daten auszuwerten. Das Gleiche kann man, glaube ich, auch absehen für den Bereich der Bilderkennung, dass auch dort natürlich in Zukunft noch sehr, sehr viel mehr möglich sein wird. Wir alle kennen die Google-Bild-Suche, das nutzt vielleicht auch
00:55:09
Speaker
ein oder andere. Aber das ist natürlich gerade im Bereich der historischen Bildquellen bis jetzt eher unbefriedigend gewesen, was man dort für Resultate bekommen hat. Und da gibt es natürlich aber auch Projekte, die sich jetzt dieser Frage der automatisierten Bilderkennung von historischen Bildquellen eben übertragen aufs heutige Bild
00:55:35
Speaker
Pools oder Bilddatenbanken annehmen und da sicherlich auch
00:55:40
Speaker
in den nächsten Jahren sich wirklich einiges entwickeln wird, was uns bei den Recherchen massiv helfen wird. Sodass auch in der Hoffnung, dass auch entsprechende Schnittstellen programmiert werden, auch vielleicht diese Objekte oder aber eben auch Personennamen irgendwann auch besser zueinander finden, als das jetzt der Fall ist, indem wir noch viel in diesen Einzelsidios arbeiten.
00:56:11
Speaker
Ich stelle mir gerade so eine Anwendung vor, gerade wenn man sagt KI fürs Information Retrieval, ich stelle mir gerade so eine Anwendung vor, indem man einfach nur so ein Suchbild hat, da kann man eben so ein Bild reinschieben und sagen, ich habe hier so ein altes schwarz-weiß Bild auf dem Aktionskatalog und in dem multimodalen Modell
00:56:32
Speaker
wird mir dann automatisch alles angezeigt, was dort auf diesem Bild gesehen wird, also zwei Kühe links, ein Baum rechts, sieht irgendwie niederländisch aus und zack, zack, zack. Und gleichzeitig habe ich, schiebe ich die Metadaten hinterher, wurde gekauft dort und hier und da kommt auf der anderen Seite ein großer Netzwerkaß mit Sachen, wo das auch auftaucht oder Werke, die da vielleicht auch mit verbunden sind.
00:56:57
Speaker
Also ein multimodaler Knowledgecraft wäre doch wunderschön. Tatsächlich haben wir im Arbeitskreis Provenienzforschung ein Projekt mit angestoßen, das auch in den vergangenen Jahren gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut und der Koordinierungsstelle für Provenienzforschung
00:57:19
Speaker
in Nordrhein-Westfalen in Freimachbarkeitsstudien gemeinsam mit dem Arbeitskreis realisiert wurde zu eben genau dieser Frage, wie wir mit den Bildquellen aus historischen Auktionskatalogen umgehen. Wir haben damals auch sehr unkompliziert von der Ubi Heidelberg über Maria Erfinger die
00:57:42
Speaker
Bildseiten aus den Katalogen zur Verfügung gestellt bekommen. Das Fraunhofer-Institut hat tatsächlich verschiedene Techniken angewendet, um eben diese historischen Bildquellen einerseits zu segmentieren, aber andererseits auch so zu überarbeiten, dass sie auch
00:57:58
Speaker
Systeme erkennen, ob es sich um ein zweidimensionales oder dreidimensionales Objekt handelt und eben das dann in verschiedenen Schritten immer wieder mit Bildpools von Museen wie dem Metropolitan Museum zum Beispiel abgeglichen, um eben zu schauen, wie die Ähnlichkeitssuche funktioniert, wenn man eben eine sehr moderne Aufnahme hat von einem Objekt in Farbe und daneben eine gerasterte Schwarz-Weiß-Aufnahme, das ist nicht immer so einfach.
00:58:27
Speaker
Aber da sind wir auch dran, eben dieses Projekt weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Ich habe trotzdem noch einen Wunsch und der hängt eben damit zusammen, was ich schon im Kontext Übersetzungen und wirklich Partizipation angesprochen habe und dass wir wirklich zu neuen Plattformen

Öffentlicher Zugang zu Provenienzforschung

00:58:49
Speaker
kommen. Also dass wir diese Silos nicht nur überwinden, sondern dass wir wirklich mit Plattformen arbeiten, die
00:58:56
Speaker
mehr oder weniger auch selbsterklärend sind und eben nicht diese Missverständnisse reproduzieren, die wir vielfach eben in diese Datenbanken oder in diese digitalen Angebote unbewusst mit einbauen. Also zum Beispiel ist natürlich die Meldung auf Lost Art keine Garantie.
00:59:20
Speaker
Es können auch Objekte, von denen wir eben noch nicht wissen, nicht auf Lost Art gemeldet sein. Aber viele verstehen das Angebot so, dass was nicht auf Lost Art ist, wird auch nicht vermisst. Und sich eben im Kopf zu behalten, dass wir diese Angebote immer auch kommunizieren müssen, dass sie immer auch irgendwie einer Erklärung bedürfen, was ist hier
00:59:46
Speaker
abrufbar und was nicht gerade Datenbanken, die bestimmte historische Quellen widerspielen können. Natürlich nur das Wiedergeben, was in der historischen Quelle vorhanden ist. Auch zu kommunizieren ist das historische Quellenmaterial überhaupt vollständig ja, nein. Und was kann dann dementsprechend die Datenbank überhaupt leisten und was kann sie eben auch nicht leisten?
01:00:10
Speaker
Und dass wir das lernen, auch besser zu kommunizieren und wirklich transparenter nach außen zu kommunizieren und eben hinkommen zu neuen Plattformen, die eben wirklich international abrufbar sind, die die Daten wirklich international transparent machen.
01:00:30
Speaker
denn bisher ist Provenienzforschung so ein bisschen wirklich für die Forschung entstanden und das hat natürlich mit der langen Genese und Entwicklungen und man musste überhaupt erst mal Methoden etablieren zu tun und das ist auch nachvollziehbar und verständlich, aber wir sollten eigentlich davon wegkommen und sagen Provenienzforschung sollte nicht nur für Forschende entwickelt werden, sondern wirklich einem
01:00:56
Speaker
ein Informationsangebot für die Allgemeinheit sein und das muss eben auch international gedacht werden und nicht eben nur in Ländergrenzen und eben nicht nur in Institutionen sich widerspiegeln, sondern wirklich eben
01:01:13
Speaker
einfach so weit nach außen zu tragen sein, dass das wirklich auch diejenigen, die die Adressatinnen sind, also an missbruchsberechtigte Herkunftsländer wirklich auch die Möglichkeit haben, ihr Wissen einzubringen einerseits, aber natürlich auch von unserem Wissen wiederum zu partizipieren und zu profitieren.
01:01:35
Speaker
Dann sind wir dann wieder bei einer großen Hürde, neben der Hürde für die WissenschaftlerInnen, in diesen unterschiedlichen, sehr heterogenen Gemengenlage an Quellen zu arbeiten und dann die Hürde auf der anderen Seite für alle anderen, die eben nicht wissenschaftlich vorgebildet sind und dieses Spezialistinnenwissen haben. Dazu gehören natürlich auch Kolleginnen und Kollegen, die in der Provenienz-Reforschung erst einsteigen.
01:02:00
Speaker
den Zugang zu diesem Wissen zu ermöglichen. Das eine ist technisch gemachtes Silo und das andere ist konstruiertes wissenschaftliches Silo. Das ist sehr schön. Konstruiertes wissenschaftliches Silo gefällt mir sehr gut.
01:02:17
Speaker
Ja, es ist tatsächlich so, dass wir diese Diskrepanz natürlich haben und wir werden auch wahrscheinlich diese Hürden nie ganz überwinden können, denn Wissenschaft ist ja nun mal auch eben genau darauf begründet, dass sie eben diese vielen, vielen
01:02:38
Speaker
Facetten untersuchen kann und verstehen kann und auch erläutern, auch nachvollziehen, auch erklären kann. Und dieses Spezialwissen, was Provenienzforschende mit unterbrauchen, um eben über historische Steuerunterlagen oder was auch immer Eigentumsverhältnisse zurückwerten zu rekonstruieren. Und so, das kann man natürlich nicht
01:03:08
Speaker
ohne Weiteres nach außen transportieren. Aber dennoch denke ich, dass gerade zum Beispiel im Umgang mit Namen, gerade im Umgang mit Objektdaten doch einiges möglich ist, was man durchaus so auch abbilden und darstellen kann, dass nicht nur Forschende davon profitieren und dass wir ein bisschen davon wegkommen.
01:03:30
Speaker
dass auch Anspruchsberechtigte dann in der Situation sind, dass sie im Prinzip dem vertrauen müssen, was ihnen Forschende an Einrichtungen mitteilen und gar nicht irgendwie die Möglichkeit haben, selbst nachzuvollziehen, woher diese Erkenntnisse kommen oder auch selbst eigenmächtig zu recherchieren,
01:03:53
Speaker
Man muss ja auch davon ausgehen, dass vielleicht einige Familien das gar nicht so gerne möchten, dass jemand in Deutschland so viel über die Familienhistorie weiß, die selbst der eigenen Familie nicht bekannt ist. Die Provenienzforschung, insbesondere die Recherche, hat stark von der offenen digitalen Bereitstellung von Quellenmaterial profitiert.

Strukturierte Bildung und multilinguale Datenbanken

01:04:23
Speaker
mehrwissenschaftliche Editionen des kunsthistorischen Quellenmaterials, also eine tiefere inhaltliche Erfassung der Quellen als nur das Scannen aus CRN bereitstellen, würde weiterhelfen. Aber darüber sprechen wir in der nächsten Folge. Dass Provenienzforschung notwendig ist, steht außer Frage.
01:04:42
Speaker
Umso erstaunlicher ist es, dass wir aktuell eine Diskrepanz in der Verstetigung der aufgebauten Strukturen erleben. Viele Juniorprofessuren in der Provenienzforschung haben keinen Teenager-Track und werden daher nicht verlängert. Der Forschungsbedarf steht im Widerspruch zu den Ausbildungsmöglichkeiten.
01:05:01
Speaker
Als Grundlagenforschung einer an Kulturgütern orientierten Kunstgeschichts- und Geschichtsforschung ist sie nicht mehr wegzudenken. Dennoch gibt es noch einige Hürden, die genommen werden müssen. Die Heterogenität der digitalen Quellenlage ist dabei nur ein Aspekt.
01:05:16
Speaker
Ein weiterer Aspekt umfasst die internationale Zugänglichkeit durch Mehrsprachigkeit und die Vernetzung der Datenbanken, die es jetzt schon gibt. Das scheint der nächste und logische Schritt zu sein. Doch dabei geht es nicht nur um eine Erleichterung der Recherche für uns Forscherinnen und Forscher. Michael Hobb hat betont, dass die Öffnung und Zugänglichmachung von Archivwissen auch unter dem Aspekt der Teilhabe betrachtet werden muss.
01:05:44
Speaker
Erst dann werden betroffene Familien, Nachfahren und betroffene Gemeinschaften befähigt, Zugang zu diesem Wissen und zur Dokumentation zu erhalten. Es geht also bei der Provenienzforschung nicht nur um Restitutionen. Es geht um nichts Geringeres als die Selbstbestimmung Betroffener über Daten.
01:06:15
Speaker
Diese Folge von ArtistoCast, der Podcast für

ArtistoCast Produktionsteam

01:06:18
Speaker
digitale Kunstgeschichte, wurde von Jacqueline Klusik-Eckardt produziert im Auftrag des Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte. Unterstützt wird sie durch die Redaktion der Arbeitskreismitglieder Peter Bell, Lisa Diekmann, Peggy Große, Waltraud von Pippich und Holger Simon.
01:06:37
Speaker
Finanziert wird der Podcast von NFDI for Culture, dem Konsortium für Forschungsdateninfrastrukturen, das sich mit materiellen und immateriellen Kulturgütern beschäftigt. Unterstützt wird ArtistoCast zudem vom Deutschen Verband für Kunstgeschichte und vom Verband DHD, Digital Humanities im deutschsprachigen Raum.
01:06:57
Speaker
Hat dir diese Folge gefallen? Dann abonniere ArtistoCast, um keine Episode mehr zu verpassen. Hinterlasse uns eine Bewertung und teile den Podcast mit Freunden und KollegInnen, die sich für digitale Kunstgeschichte begeistern oder noch begeistern lassen. Du hast eine Frage, Feedback und Anregung?
01:07:15
Speaker
Schreib mir auf Social Media oder per Mail an podcast-digitale-kunstgeschichte.de. Ich freue mich von dir zu hören. Danke fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge von ArtistoCast.