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Folge 14: Wissend visualisiert – Wissens- und Datenvisualisierungen in der Kunstgeschichte

S1 E14 · #arthistoCast – der Podcast zur Digitalen Kunstgeschichte
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192 Plays3 months ago

In dieser Folge spricht Jacqueline Klusik-Eckert mit Dr. Linda Freyberg über die Herausforderungen und Potenziale der Wissens- und Datenvisualisierung in der Kunstgeschichte. 

Obwohl die Beschreibung und Interpretation visueller Systeme zentrale Elemente der Kunstgeschichte sind, fällt es vielen schwer, mit digitalen Visualisierungen umzugehen. Dazu gehört neben dem Interpretieren der Grafiken auch das Verwenden von Wissensvisualisierungen, um komplexes historisches Wissen wie zum Beispiel Objektbiographien darzustellen. Warum verwenden Kunsthistoriker diese Formen der Informationsübermittlung so selten? Fehlt das nötige Wissen oder die richtige Terminologie?

Dr. Freyberg erklärt, dass Visualisierungen unterschiedliche Funktionen erfüllen können: explorativ zur Analyse oder interpretativ zur Erklärung. Dabei stellt sich die Frage, was eine effektive und gute Visualisierung ausmacht und ob der Kunstgeschichte eine neue Diagrammatik fehlt, um die Waage zwischen Komplexitätsreduktion und Wissensrepräsentation zu halten. Im Gespräch wird deutlich, dass viele unterschiedliche Expert*innen für die Erstellung von Visualisierungen notwendig sind, da heterogenes, spezifisches Fachwissen benötigt wird: Konzeption, technischer Aufbau und Nutzeroberfläche liegen am besten in der Hand eines interdisziplinär aufgestellten Teams. Viele Visualisierungen sind datengetrieben und darüber hinaus spezifisch für einzelne Projekte konzipiert, was eine Generalisierung mancher Anwendungen nicht möglich macht.

Dabei sind Datenvisualisierungen ein mächtiges Kommunikationsmittel, um komplexe Sachverhalte verständlich zu machen. Sie ermöglichen es, Strukturen aufzuzeigen und große Datenmengen zugänglich zu machen. Obwohl diese Fähigkeiten oft als Zukunftskompetenzen gepriesen werden, gehören sie noch nicht zum Repertoire der Kunstgeschichte. Dr. Linda Freyberg zeigt dabei eindrucksvoll, wie Kunsthistoriker*innen zur Entwicklung und Interpretation von Visualisierungen beitragen können und warum man ein tiefes Domänenwissen braucht, um gute Wissensvisualisierungen zu schaffen.

Dr. Linda Freyberg ist Wissenschaftlerin am DIPF Leibnitz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Abteilung Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung. In ihrer Dissertation „Ikonizität der Information“ hat sie sich mit dem epistemischen Potenzial von Bildlichkeit und den unterschiedlichen Ausdrucksformen von Visualisierungen beschäftigt.

Begleitmaterial zu den Folgen findest du auf der Homepage unter https://www.arthistoricum.net/themen/podcasts/arthistocast

Alle Folgen des Podcasts werden bei heidICON mit Metadaten und persistentem Identifier gespeichert. Die Folgen haben die Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0 und können heruntergeladen werden. Du findest sie unter

https://doi.org/10.11588/heidicon/1738702

Bei Fragen, Anregungen, Kritik und gerne auch Lob kannst du gerne per Mail an uns schicken unter

[email protected]

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Transcript

Herausforderungen bei der Nutzung von Datenvisualisierungen in der Kunstgeschichte

00:00:07
Speaker
ArtistoCast, der Podcast zur digitalen Kunstgeschichte. Man könnte doch meinen, dass man in einem Fach wie der Kunstgeschichte sich bestens mit Visualisierungen auskennt.
00:00:23
Speaker
Bilder sind doch unser Ding. Aber wir tun uns irgendwie schwer mit Informationsvisualisierungen und konkreter mit Datenvisualisierungen. Warum ist das so? Fehlt uns das richtige Wissen, um unser Wissen gut visualisieren zu können?
00:00:40
Speaker
Haben wir nicht die richtige Terminologie parat, um das Gesehene zu verbalisieren? Warum verwenden wir sie selbst eigentlich so wenig? Wie gelingt es in einer Welt von Scatterblots, Diagrammen und interaktiven User-Interfaces, komplexes historisches Wissen und Objektbiografien sichtbar zu machen? Das sind ganz schön viele Fragen.
00:01:02
Speaker
Die Problemstellung bei der Datenvisualisierung und den unterschiedlichen Verständnissen von Visualisierungen in der Kunstgeschichte ergibt sich aus den unterschiedlichen Facetten und Interpretationen, was Visualisierungen sind, für was sie da sind und so weiter.

Dr. Linda Freiberg über Visualisierungen in der Kunstgeschichte

00:01:16
Speaker
Diese Vielfalt führt zu Fragen darüber, wer Visualisierungen eigentlich erstellt, wie deren Potenzial optimal genutzt werden kann und welche technischen sowie konzeptuellen Kenntnisse eigentlich dafür notwendig sind.
00:01:28
Speaker
Ich spreche heute mit Dr. Linda Freiberg. Sie ist Wissenschaftlerin am Dipf, dem Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und dort in der Abteilung Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung. In ihrer Dessertation Ikonizität der Information hat sie sich mit dem epistemischen Potenzial von Bildlichkeit und den unterschiedlichen Ausdrucksformen von Visualisierungen beschäftigt.
00:01:59
Speaker
Hallo Linda, schön, dass du da bist. Hallo, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr. Sag mal, fangen wir doch mal ganz von vorne an. Was für unterschiedliche Arten von Visualisierungen gibt es eigentlich? Ja, also zunächst einmal ist mir ganz wichtig zu sagen, dass Visualisierungen ja auch Bilder sind und auch, wie andere visuelle Ausdrucksformen, ein sehr breites Spektrum haben.
00:02:23
Speaker
Wenn man das so ein bisschen historisch angeht, könnte man sagen, es startete so mit Kartenvisualisierungen, dann natürlich mit dem Aufkommen der Statistik im 18. Jahrhundert. Sehr stark diese Balkendiagramme, sehr im Bereich Naturwissenschaft angesiedelt eher. Und heute wächst das Bildspektrum quasi täglich, würde ich sagen, und geht auch viel mehr noch in die Richtung Narration, Exploration, Interaktivität.

Wert und Strukturierung von Informationen durch Visualisierungen

00:02:51
Speaker
dynamische Visualisierung, wenn man heute so ein statisches Bild produziert, ist das ja schon gar nicht mehr zeitgemäß. Also das Bildspektrum ist wirklich sehr groß und hängt natürlich mit der Anwendung in der Wissenschaft, also mit der Forschungsfrage letztlich zusammen, was man transportieren möchte, welche Informationen.
00:03:09
Speaker
Und du hast dich an deiner Doktorarbeit eben genau mit dieser Bildlichkeit von diesen Informationsvisualisierungen auseinandergesetzt. Also was für eine Bildsprache benutzt wird, um etwas auszudrücken oder wo setzt das an? Was sind so die Funktionalitäten?
00:03:25
Speaker
Genau, also das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil die Informationsvisualisierung wirklich rein darauf abzielt, Informationen einen Mehrwert, einen Neuigkeitswert zu erzeugen, neues Wissen zu generieren vielleicht sogar. Und es gibt ganz viele andere Funktionen der Visualisierung, die vielleicht auch in den früheren Phasen des Forschungsprozesses ansetzen würden. Also wenn man sich überlegt,
00:03:53
Speaker
Man fängt an, Material zu sammeln, dann macht man ein Wissensorganisationssystem, das heißt, man bildet Kategorien, nutzt hierarchische Modelle und das ist, wenn man einen sehr breiten Begriff der Bildlichkeit anlegt, ja auch schon eine Verräumlichung, eine Strukturierung des Denkens und da setzt eigentlich schon Visualisierung in einer weitergefassten Auffassung an.
00:04:15
Speaker
Und dann geht das eben weiter. Man strukturiert erst mal sein Denken, veräumlicht das, setzt Schwerpunkte. Man kann auch den gedanklichen Prozess einer Forschungsfrage oder eines Forschungsprojektes durchaus visualisieren. Da kennen wir ja alle das viel zitierte Beispiel von Abi Warburg, also dem Minusyne Bilderatlas, der letztlich auch so eine Dokumentation der Gedankenwelt von Warburg war. Also das könnte man jetzt vielleicht in so einem kleineren Stil auch für Forschungsprojekte denken.
00:04:44
Speaker
dass man einfach schaut, wie ist man eigentlich auf diesen Schwerpunkt letztlich gekommen. Und dann kommt man schon eher so in den Bereich
00:04:53
Speaker
wo Visualisierung eigentlich hauptsächlich eingesetzt wird, nämlich bei der Präsentation von Forschungsergebnissen. Und da wird ganz stark argumentiert eigentlich. Also man möchte bestimmte Tendenzen auch so suggerieren. Also es ist auch eine ganz starke Wirkungsmacht, die da Bilder und in dem speziellen Fall Visualisierung entfalten können, dass man eben ganz im Überblick deutlich zeigt,
00:05:15
Speaker
Ja, das ist jetzt mein Forschungsergebnis und ich möchte jetzt das auf eine eher niedrigschwellige Art vermitteln. Und das ist so der Bereich, denke ich, wo Visualisierung vor allen Dingen in der Wissenschaft eingesetzt werden. Man könnte aber auch noch ein bisschen weiter denken, wenn man dann die Ergebnisse hat in visueller Form, dann kann es auch in die Richtung geht Weiterverwendung, Annotation von
00:05:37
Speaker
auch Bildern, also von Bildquellen und Bilddetails und ich denke, das Spektrum ist auch in der Funktion und in der Anwendung sehr breit.

Warum sind Visualisierungen in kunsthistorischen Publikationen selten?

00:05:46
Speaker
Das heißt, wenn ich die Schritte jetzt nochmal mit dir durchgehe, man fängt eigentlich schon an, also in dem Moment, in dem ich an einer Forschungsidee dran bin und ich sitze da und kritzelt irgendwie so vor mich hin, eine kleine Mindmap, bin ich schon am Visualisieren? Ja.
00:06:02
Speaker
Das heißt, ich reduziere und konkretisiere meine Gedanken auf so ein kleines Bild, auf Schaubildlinien, Kreise, durchstreichen, nochmal mit dem Pfeil außen rumfahren. Genau, also wenn man einen Punkt auf eine Fläche setzt, visualisiert man im Grunde schon, weil das ja dann schon eine gewisse Ausdruckskraft hat, das kann ja schon
00:06:24
Speaker
eine Entität oder ein Statement sein, was man dann setzt, weil man den Punkt genau da auf die Fläche setzt. Also das ist ja auch dann ganz wichtig, die räumliche Einordnung und die Relation zueinander. Manche würden vielleicht sagen, gut, das fängt dann erst mit so einer Mehrdimensionalität an. Also wenn man zwei Punkte in Relation setzt oder gar mit einer Dreidimensionalität der Fläche. Aber im Grunde ist das so eine Technik,
00:06:47
Speaker
auch so das bildnerische Denken, die Strukturierung des Denkens, die eigentlich auch in der Forschung schon genutzt wird und die vielleicht gar nicht so stark erstmal in Verbindung gebracht wird mit diesen total elaborierten Datenvisualisierungen, wo alles blinkt und bunt ist und wo man weiß,
00:07:05
Speaker
Ich muss jetzt Coden lernen, um sowas auch machen zu können. Also, eigentlich visualisiert man ja auch schon, um seine Gedanken zu strukturieren und auch im Projekt miteinander zu kommunizieren. Da werden ja oft auch so Skizzen angefertigt. Wie steht das im Verhältnis zudem in Bezug auf Konzepte, aber auch in Bezug auf Arbeitspakete und sowas. Ja, ich bin immer dankbar für den Arbeitsplatz mit einem Whiteboard, um Kolleginnen und Kollegen aufzuzeichnen, was ich eigentlich meine. Ja, das ist ja auch die Standardausstattung heutzutage. Ja.
00:07:33
Speaker
Und dann hast du noch mal den Punkt stark gemacht, das Erklären und Untermauern von Forschungsergebnissen. Natürlich sitzen wir dann, wenn diese Gedankenprozesse gut laufen und wir zu Ergebnissen kommen, die Thesen irgendwie auflösen, kommen wir zu dem Punkt, an dem wir unser Forschungsmaterial auch präsentieren wollen. In der Kunstgeschichte ist es bisher, wie du es schon gesagt hast, üblich in diesen elaborierten Texten zu schreiben.
00:07:59
Speaker
Viele Texte, dann auch irgendwie Beispielabbildungen, wenn man werkorientiert gearbeitet hat. Wenn ich ehrlich bin, sehe ich aber ganz wenige Visualisierungen dann wirklich oder habe ich einfach nur falsch geguckt.
00:08:13
Speaker
Ja, ich würde sagen, das ist zutreffend. Ich meine, es ist ja auch so die Frage, wo setzt man dann auch so den Begriff der Bildlichkeit an?

Typen und Nutzen von Visualisierungen in der Kunstgeschichte

00:08:21
Speaker
Also vielleicht erstmal ausgehend von einem Quellenmaterial. Das ist natürlich so ein Sonderfall in der Kunstgeschichte, dass sehr viel und vielleicht sogar hauptsächlich mit Bildquellen gearbeitet wird. Die kann man unter Umständen auch als Visualisierung oder zumindest als Objekte oder Artefakte, die eine bestimmte kulturhistorische Verordnungen haben, einordnen und
00:08:44
Speaker
Die werden in der Kunstgeschichte im Vergleich zu anderen Geisteswissenschaften ja auch nicht bloß illustrierend eingesetzt. Das sind ja unsere Forschungsobjekte, unser Hauptforschungsgegenstand. Und das ist auch gleichzeitig das Schöne, finde ich, an der Kunstgeschichte, dass die Kunstgeschichte da methodisch sehr stark aufgestellt ist. Also wir haben ja die Kompetenz, Bilder zu interpretieren und zu lesen, wenn man so an die traditionelle Bildbeschreibung denkt und dann in die Analyse geht. Und das ist ja so ein schrittweißes Verfahren,
00:09:13
Speaker
vielleicht auch eine Kompetenz wäre, die gerade auch in den Digital Humanities für andere Wissenschaften sehr relevant sein kann, wenn es darum geht, Bilder zu lesen und zu verstehen. Diese klassischen statistischen Visualisierungen werden in der Kunstgeschichte kaum eingesetzt. Was dort eingesetzt wird viel, oder was man ja häufig sieht, sind Personennetzwerke, weil es ja oft auch um die Kontextualisierung von bestimmten Institutionen und Personen geht.
00:09:40
Speaker
welches Netzwerk hatte Albrecht Dürer, mit welchen Personen hatte er viel zu tun. Das ist ja so diese klassische Darstellung, generell auch in der historischen Forschung. Dann gibt es auch noch Kartendarstellung, würde ich sagen. Wenn man so Transfers darstellen möchte, also einerseits die Geschichte von Objekten erzählt, wo ist das Gemälde beispielsweise überall verortet gewesen oder wo sind Künstler überall gewesen, an was verorten und Künstlerinnen
00:10:06
Speaker
Also das sind schon so Dinge, die man beobachten kann, die eingesetzt werden, aber diese klassischen Balkendiagramme haben vielleicht auch nicht so eine Relevanz, weil es kaum kunsthistorische Forschung gibt, die so rein quantitativ ist. Dass man sagt, ich will jetzt mal die Relation von
00:10:23
Speaker
weiblichen und männlichen Künstlerinnen im 19.

Digitalisierung und ihr Einfluss auf Visualisierungen

00:10:26
Speaker
Jahrhundert darstellen, wo das vielleicht sogar noch eine sinnvolle Einsatzform wäre. Aber ja, da würde ich dir völlig recht geben, dass diese Form der Visualisierung, dass man die in der Kunstgeschichte kaum findet und vielleicht auch gar nicht finden muss.
00:10:43
Speaker
kann es vielleicht auch was damit zu tun haben, wie wir in der Kunstgeschichte publizieren. Weil du hast ja gesagt, dass man mit Visualisierungen auch unglaublich komplexe Sachverhalte dann am Ende eines Forschungsprozesses darstellen möchte, darstellen kann, auch Forschungsergebnisse interpretierend vielleicht untermauern möchte.
00:11:02
Speaker
dann muss man natürlich auch auf eine gewisse Darstellungsweise zurückgreifen, die vielleicht im Druck nicht funktioniert, sondern eher was Interaktives bräuchte. Also das ist, denke ich, ein ganz wichtiger Aspekt, dass auch der Output der Forschung, also die Publikationen, die am Ende herauskommen in der Kunstgeschichte, immer noch eher
00:11:25
Speaker
traditionell orientiert sind, also als Monographien angelegt, als gedruckte Bücher, obwohl da natürlich auch vieles im Umschwung ist und es ja auch viele Angebote gibt, die rein digital sind mittlerweile. Aber das ist eben auch
00:11:38
Speaker
Die Reputation spielte eine große Rolle. Damit erlangt man eben die große Reputation in der Kunstgeschichte, wenn man die große Monographie in dem entsprechenden Verlag veröffentlicht. Das ist ja auch nachvollziehbar. Aber in Bezug auf den Forschungsprozess,
00:11:57
Speaker
Es ist ja schon so, dass wir auch so ganz verschiedene Quellenarten immer mit einbeziehen. Also klar ist es generell auch sehr textlastig und es wird Text produziert. Aber im Grunde wird ja auch zu verschiedenen Medienformen auch geforscht. Also von Film über Audio, Bilder natürlich hauptsächlich. Aber daraus ergibt sich ja so eine Situation, dass wir dann, wenn das alles digitalisiert ist, was ja auch nicht immer der Fall ist, dass wir eigentlich so eine multimodale Datenlage haben.
00:12:23
Speaker
Und dafür eignet sich Visualisierung schon sehr stark, weil man das eben in einer Web-Oberfläche oder in einer digitalen Infrastruktur ja alles auf einer gleichen Ebene so sichtbar machen kann. Und wenn man die Daten gut inhaltlich erschlossen hat, also gut im Sinne von Dichte, inhaltliche Beschreibung, kann man eben auch die Relationen aufzeigen, die ja ganz relevant sind oder auch die Ereignisse, die
00:12:49
Speaker
beispielsweise Objekte durchlebt haben, dann sichtbar machen. Und ganz generell, das hattest du gerade so ein bisschen angetriggert. Ja, Visualisierung ist hauptsächlich eine Reduktion der Komplexität. Und es gibt natürlich auch gewisse Sachverhalte, wo das nicht funktionieren würde, in dem Maße die Komplexität zu reduzieren. Und ich glaube, es ist immer letztendlich so eine Gradwanderung.
00:13:18
Speaker
Und auch so eine ganz pragmatische Perspektive, die man da einnehmen muss, wie stark lässt sich das reduzieren, dass es noch den Sachverhalt adäquat repräsentiert.
00:13:29
Speaker
oder wie komplex ist die Visualisierung dann immer noch und dadurch vielleicht gar nicht so verständlich und dann eignet sich vielleicht auch gar nicht die visuelle Ausdrucksform für diesen speziellen Sachverhalt, weil das ist auch wahrscheinlich so der Punkt, wo viele Visualisierungen dann nicht als so gut empfunden werden oder im Grunde
00:13:48
Speaker
scheitern in dem Sinne, dass sie keine epistemische Funktion mehr haben, weil die dann unverständlich werden.

Komplexität und Visualisierbarkeit von Informationen

00:13:54
Speaker
Also dann hat man beispielsweise so ein Netzwerk und da sind so viele Knoten und das ist so dicht und man sieht einfach gar nichts mehr und man kann auch, weil da auch einfach kein Raum ist, nicht die ganzen Namen mehr lesen oder die Legende da hinsetzen. Also ich sage immer, ähnlich eigentlich so wie in der Kunst,
00:14:09
Speaker
Wenn man jetzt so ein ganzes Buch schreiben muss, um die Visualisierung zu erklären oder so ganz elaborierte Beschreibungen, dann ist das vielleicht auch gar nicht die richtige Präsentationsform. An diese Netzwerkvisualisierungen muss ich gerade auch denken. Also gerade bei Graf-Datenbanken, wenn man ja dann schon in der Datengrundlage diese Möglichkeit hat, Beziehungen und wirklich die komplexesten Sachen logisch abzulegen und dann
00:14:35
Speaker
sagen dann die Informatikerinnen immer, ach, und an der Ende kann man das ja auch noch schön visualisieren auf Knopfdruck. Und das klingt wie so ein Heilsversprechen. Man drückt irgendwie auf einen Knopf und dann kommt die Visualisierung dieser großen Grafdatenbank. Und bisher war das jedes Mal unendlich enttäuschend, weil man nichts mehr erkennt und nichts mehr sieht.
00:14:54
Speaker
Es funktioniert eben nicht für alle Szenarien und es ist auch im Grunde so eine Illusion, dass alles so einfach visualisierbar wäre, weil im Überblick funktioniert vieles auch eben nicht. Auch gerade in der Kunstgeschichte beschäftigt man sich ja oft auch mit dem einen Einzelfall, der eben aus der Reihe schlägt und der vielleicht dann
00:15:11
Speaker
so eine Vorreiterrolle eventuell hat. Und da interessiert einen ja eher nicht, wie jetzt zu einer bestimmten Epoche jetzt alle gemalt haben, weil es sowieso bekannt ist. Also man sucht ja eher nach den Ausreißerinnen und nach der Innovation vielleicht und nach dem Neuen.
00:15:25
Speaker
Und das findet man in so klassischen statistischen Visualisierungen eher nicht. Und das mit per Knopfdruck, das ist erstens mal nicht zutreffend. Und ich finde, das übt dann auch so einen Druck aus, dass jetzt plötzlich alle visualisieren sollen. Also das hat man ja auch ganz häufig. Es kommen ja oft kritische Nachfragen. Ja, und was ist jetzt der Mehrwert? Und funktioniert das aus? Und das ist auch oft aus so einer Haltung heraus formuliert, dass sich viele jetzt auch so genötigt fühlen, ja, jetzt muss ich auch mal visualisieren.

Werkzeuge und Prinzipien guter Datenvisualisierung

00:15:51
Speaker
Obwohl es vielleicht gar keinen Sinn macht.
00:15:53
Speaker
und auch einen wahnsinnigen Aufwand darstellen würde für Personen, die da überhaupt keine Vorkenntnis haben.
00:16:01
Speaker
Ist aber auch zu verlockend. Also wenn es so Softwarelösungen gibt, also gerade wenn wir schon bei den Netzwerken sind, denke ich da so an Gephi. Das ist ja ein Softwareprogramm, mit dem man Personennetzwerke oder Ortnetzwerke, generell Netzwerke visualisieren kann. Und da kann man dann auch unterschiedliche mathematische Vorgänge irgendwie oder Grundlagen der Visualisierung durchklicken. Ich hab's mit Studierenden schon oft probiert und da kam eigentlich immer raus, dass sie sich für diese Visualisierung entschieden haben,
00:16:30
Speaker
die zum einen ihrer These entsprochen hat. Also sie haben vielleicht auch etwas untermauert, was so in der Datenlage nicht drin gewesen ist. Und was besonders schön war. Ja, das ist natürlich verlockend. Ich meine, einerseits ist das eine sehr gute Entwicklung, dass es jetzt viele Softwarelösungen, aber auch Web-Applikationen gibt, mit denen sehr niedrigschwellig visualisiert werden kann. Also GFI hast du ja genannt.
00:16:58
Speaker
Es gibt ja auch so eine Online-Version jetzt von G4 GFISTO, wo das dann auch so ein bisschen verschlankter ist. Und letztlich kann man das ja benutzen, wenn man in der Lage ist, Daten irgendwo hochzuladen dann oder reinzuladen. Aber da fängt es dann auch schon so ein bisschen an. Habe ich überhaupt die passenden Daten? Wenn ich jetzt zum Beispiel nur ein Word-Dokument mit einer Tabelle habe, wird das so ein bisschen schwierig. Da geht es dann schon.
00:17:22
Speaker
Es ist einerseits gut, weil jetzt muss ich nicht mehr Python lernen oder Java, was ja wirklich sehr aufwendig ist, sondern ich kann jetzt auch einfach mal was ausprobieren. Ob das dann immer gute Visualisierungen sind, die dabei herauskommen oder die sinnvoll sind für den Kontext, das sind auch trotzdem Tools, in die man sich ein bisschen einarbeiten muss. Also ich denke gerade auch eher an Raw Graphs, da kann man dann auch so ganz vielen
00:17:47
Speaker
Modi der Darstellung wählen und ganz viele Modi, die kennt man auch einfach überhaupt nicht und ist dann auch direkt schon so von dem Bilderreichtum da überfordert und fragt sich, was ist denn jetzt eigentlich die richtige Visualisierungsform? Dann werden auch direkt so Datenarten abgefragt und das weiß man, also bei numerischen Daten weiß man das vielleicht schon noch, was das sind, aber dann fehlt vielleicht auch so eine
00:18:10
Speaker
Grundkenntnis, was für Datenarten gibt es eigentlich und wie kann man die Datenarten eigentlich jeweils darstellen? Weil es funktioniert ja, also jeder Modus funktioniert ja nicht für jede Datenform. Und das sind dann eher so die Hürden, die sich auftun. Was macht denn für dich eine gute Visualisierung oder gerade Datenvisualisierung aus? Ich habe es eben so ein bisschen angedeutet. Also ich finde,
00:18:35
Speaker
wenn die Komplexität auf so einen Grad reduziert wird, dass sie wirklich immer noch die ursprüngliche Botschaft, die ursprüngliche Bedeutung transportieren kann. Das ist eine wahnsinnig effektive Visualisierung. Also ich denke, das wandert auch in so einem Grad von Akkuratsein, Präzision und Effizienz. Und da tun sich natürlich noch mehrere Spannungsfelder auf.
00:19:03
Speaker
Komplexität und Reduktion der Komplexität, also zu starke Vereinfachung vielleicht auch, dann muss man sich ja auch ein bisschen über die Ästhetik Gedanken machen. Also wie dekorativ ist das? Wie setze ich Farben ein? Das sind so Fragestellungen, weil es ist im Bildlichen nicht möglich, gar nichts zu sagen.

Erwartungen an digitale Visualisierungen

00:19:22
Speaker
Also man argumentiert immer und man
00:19:25
Speaker
setzt auch manchmal Botschaften in die Welt, beispielsweise mit Farben, die man vielleicht gar nicht intendiert hat und wo sich dann die Rezipientinnen sehr darauf fixieren. Und dann redet man plötzlich nur noch über die Farben der Visualisierung. Oh Gott, das ist ja ein ganz kreiles Neongrün und es geht überhaupt nicht mehr um den Inhalt. Das wäre dann auch schlecht.
00:19:44
Speaker
wenn die dekorativen Elemente so stark im Vordergrund stehen, dass die Semantik in den Hintergrund rückt. Also die Bedeutung, die man transportieren möchte, sollte klar erkennbar sein und wenn möglich auch im Überblick, vielleicht sogar auf einen Blick,
00:20:02
Speaker
Was noch sehr zeitgemäß und schön wäre, wäre, dass nach dem Überblick dann der Blick ins Detail angeboten wird, also so eine Art Zoom-Funktion, dann Filteroptionen wären ganz schön, obwohl man da auch wieder ganz stark dann in den Bereich der visuellen Suche reinkommt. Und das würde ich schon auch so ein bisschen differenzieren, weil man da auch andere Entitäten und Dimensionen anbieten muss, als jetzt bei der Visualisierung von Forschungsergebnissen beispielsweise.
00:20:31
Speaker
Das ist gut, dass du es sagst, weil häufig höre ich dann so als Kritik von wirklich guten Datenvisualisierungen. Ja, aber man kommt ja nicht mehr in die Tiefe. Es ist ja so verflacht und genau das ist ja diese Diskrepanz, die wahrscheinlich jetzt, so wie du mir das erklärt hast, daraus entsteht, dass die Erwartungshaltung, wenn man sich gerade
00:20:53
Speaker
im Browser oder im digitalen Bild bewegt, dass die Erwartungshaltung ist, dass es skalierbar ist, dass man in die Tiefe geht, dass gleich eine Datenbank da hinten dran steht und nicht, dass es nur die gut abgewogene Reduktion der Inhalte ist. Ja, da sind wir auch wieder beim Methodischen, denke ich, dass diese Fragestellung, diese reine Überblicke,
00:21:21
Speaker
bieten, nicht so relevant sind oder selten vorkommen. Und dann denkt man auch manchmal, gut, da hätte ich jetzt auch eine Tabelle machen können. Das ist ja vielleicht nicht so relevant, in welcher visuellen Ausdrucksform das jetzt stattgefunden hat. Aber wir haben eben das Interesse dann beispielsweise zu dem Digitalisat zu gehen. Also wenn man jetzt vor allen Dingen an den Bereich der Visualisierung von Kultur
00:21:42
Speaker
gut denkt. Da ist es ja ganz wichtig, dass man dann nachher auch hochauflösendes Bild hat und dann dazu auch die Eckdaten, die man benötigt, um mit diesem Bild dann auch weiter zu arbeiten und sich dann dieses Bild in seinem direkten Kontext so anzuschauen.
00:21:58
Speaker
Also in welcher Relation steht das zu einer bestimmten anderen Person, zu einer Epoche etc. Und da wird es ja dann erst interessant, wenn man so in die Tiefe der Netzwerke blickt.

Visualisierungen als Einstiegspunkte in komplexe Daten

00:22:07
Speaker
Und ja, deshalb ist so eine Skalierbarkeit, eine Zoombarkeit und der Blick ins Detail oder wenn man so will in das viel zitierte Close Reading dann doch noch wichtig und gerade für die Kunstgeschichte hochrelevant.
00:22:20
Speaker
Ja, weil sonst sind das einfach nur bunte Pünktchen, die irgendwo im großen Nichts-Raum sind. Es ist auch was, was mir aufgefallen ist, ist irgendwie so die in den letzten Jahren diese Inflation von diesen großen Datenwolken.
00:22:35
Speaker
Also gerade wenn Visualisierungen genutzt werden, um bisher noch unerkannte oder unbekannte Daten zu explorieren, also wenn man sie nutzt als Hilfsmittel zur Analyse, zum Vorsortieren oder so, zum Beispiel mittels einem Clustering-Verfahren oder so was, kommt am Ende in einem dann auch wieder reduzierten multidimensionalen Raum, also irgendwie wieder auf drei Dimensionen reduziert,
00:23:03
Speaker
Punktwolken von Gemälden raus, diese Scatterplots, aber dann sind die Punkte ersetzt durch kleine Icons von den Gemälden. Genau, da denkt man direkt immer so an Lev Manovich, ne? Mit den Impressionisten und so, ja. Sind das gute Visualisierungen? Also mit mir fehlt dann auch manchmal so ein bisschen, naja, Koordinatensystem, Legende.
00:23:25
Speaker
Ja, ich finde, dass mit den großen Datenmengen muss man zunächst mal so ein bisschen kontextualisieren, weil Big Data gibt es eigentlich nicht in Geisteswissenschaften. Weil das sind ja so Datenmengen, die auch mit den aktuellen Softwareverfahren eigentlich nicht handlebar sind. Und so Daten haben wir eigentlich gar nicht. Aber es ist ja so ein bisschen so Metapher geworden, sag ich mal, dass jetzt alle sagen, wir haben Big Data, ja, wir haben dann relativ große Datenmengen, manchmal vor allen Dingen auch im musealen Bereich.
00:23:54
Speaker
Aber die klassischen Projekte oder wenn man ein eigenes Forschungsthema oder eine Forschungsfreiheit, ein Paper irgendwo zuschreibt, da hat man jetzt eigentlich nicht so große Datenmengen. Aber was du jetzt gerade auch angesprochen hast, mit diesen Thumbnails, die dann angeordnet werden im Raum. Es ist ja auch sehr in Zweifel gezogen worden, was jetzt die Erkenntnis ist, die man jetzt daraus ziehen könnte. Also ich erinnere mich an so ein
00:24:24
Speaker
Beispiel auch von Lef Manowitsch mit der PCA-Analyse, dass so die Haupteigenschaften der Gemälde, das waren, glaube ich, französische Impressionisten, dann so, dass sie nach diesen Haupteigenschaften im Raum angeordnet werden. Und dann sieht man vor allen Dingen, finde ich, vor allen Dingen von weitem einfach nur so einen Farbverlauf.
00:24:42
Speaker
im Grunde von hell zu dunkel. Da kann man dann so Aussagen treffen, die waren dann sehr hell generell, aber das sind ja keine Aussagen, die man jetzt tatsächlich in einem seriösen Forschungsartikel aufschreiben würde oder geschweige denn eine These daraus formulieren würde.

Experimentelle Nutzung von Visualisierungen

00:25:01
Speaker
Ich weiß nicht, also es ist für mich auch immer so ein bisschen an der Grenze zu Medienkunst und zum Credo, es gibt das Tool und ich probiere das jetzt einfach mal aus und wende das jetzt eben auch mal auf Gemälde an. Also es hat letztlich nichts mit tatsächlichen Forschungsfragen zu tun leider und das finde ich dann so als Experiment sehr spannend, aber für die Forschung tatsächlich nicht so relevant.
00:25:26
Speaker
Ich benutze sowas als Inspirationsquelle, einfach umzuschauen, wo werden aufgrund von Kategorien, die ich nicht kenne, sondern nur der Algorithmus, Haufen gebildet und dann fängt meine Neugier an und dann rätsel ich, was ist denn eigentlich, was ist der verbindende
00:25:45
Speaker
Ja. Ast zwischen diesen Werken jetzt. Und im Grunde ist es auch schön, sich etwas mal explorativ zu nähern. Das ist natürlich für den musealen Bereich ein ganz toller Einstieg in eine Sammlung. Und da gibt es ja selten den Fall, dass Besucherinnen jetzt nur so ein spezielles Thema oder Objekt suchen, sondern dass sie einfach sich durch die Sammlung klicken wollen, ein bisschen inspiriert werden möchten. Und für so Szenarien, die es teilweise sicherlich auch in der Kunstgeschichte gibt,
00:26:11
Speaker
ist das eine schöne Vermittlungsform, ja, auf jeden Fall.

Fähigkeiten und Teamarbeit für effektive Visualisierungen

00:26:16
Speaker
Dann kommen wir doch mal wieder zurück zu den kleineren Datenmengen, also das Setting, dass man ein Forschungsprojekt hat, das man erforscht hat und Visualisierungen macht.
00:26:28
Speaker
Du hattest gerade schon gesagt, man muss jetzt nicht mehr pfeifen können oder Java, JavaScript, um diese Sachen zu programmieren. Aber welche technischen Kenntnisse oder auch Kompetenzen sind erforderlich, um hochwertige, gute Forschungsvisualisierungen, Wissensvisualisierungen zu erstellen? Ja. Also ich kann ja erstmal so von einem Idealfall ausgehen.
00:26:51
Speaker
Es bedarf eines interdisziplinären Teams, wo auf jeden Fall auch Fachwissenschaftlerinnen involviert sein müssen, also Kunsthistorikerinnen, aber dann auch Datenspezialistinnen, ob das jetzt Informationswissenschaftlerinnen, Archivwissenschaftlerinnen oder Bibliothekswissenschaftlerinnen sind, ist nicht so relevant, weil dem ganzen Prozess der Visualisierung geht ja erstmal so eine ganz furchtbare Tätigkeit
00:27:18
Speaker
voran, nämlich das Daten säubern und aufräumen. Und ich finde, das mag niemand, obwohl vielleicht gibt es ja Leute, die da ein bisschen Spaß dran finden. Aber es ist schon so, dass im Normalfall hat man nicht die inhaltlich tollsten, erschlossensten Daten in der allermodernsten Datenbank.
00:27:39
Speaker
Gerade auch, wenn man in Museen denkt, in kleinere Einrichtungen. Oder auch Personen, die sich dem Thema gerade erst so nähern, die machen dann vielleicht eher so eine Excel-Liste und fangen dann an, ein bisschen strukturiert in Spalten was reinzuschreiben. Dann fällt einem so ein Jahr, es gibt ja auch so Standards und Klassifikationssysteme. Ich könnte auch mal die Icon Classnummer jetzt mal raussuchen zu dem Thema oder zu dem speziellen Objekt. Und dann vielleicht von der gemeinsamen Normdatei der Deutschen Nationalbibliothek.
00:28:06
Speaker
die ID mir raussuchen. Also da geht das schon auch los mit der Standardisierung. Und wenn man dann da schon sehr viel Zeit rein investiert, das ist ja auch eine Recherchearbeit, dass man auch guckt, in welcher Tiefe will ich die Daten jetzt eigentlich erschließen. Und da muss man wirklich, also das ist auch so ein Fass ohne Boden, das habe ich auch in Projekten selbst schon erlebt. Man kann ja letztlich von der kleinsten Schublade bis hoch ins Universum erschließen. Also wo ist das eigentlich pragmatisch anzusetzen? Wo ist dann wirklich auch so ein Interesse da?
00:28:36
Speaker
würde auch eine forschende person
00:28:39
Speaker
jetzt an meine Datenbank so eine Frage stellen, in welcher Schublade liegt jetzt eigentlich diese Druckgrafik. So ist das eine Frage, die häufig vorkommen würde. Also das sind dann immer so Leitfragen, die man sich vielleicht stellen kann, wenn es darum geht, in welcher Tiefe erschließe ich. Und dann, wenn man die Daten dann wieder ein bisschen reduziert hat und sich darauf geeinigt hat, gut, welche Entitäten wollen wir da drinnen haben? Personen, Orte, die Eigenklasse, Klassifikation.
00:29:08
Speaker
Wie visualisiere ich die jetzt? Und da kommt dann natürlich vielleicht auch sogar zwei Personen wieder ins Spiel. Ich sage, ich rede jetzt von so einem Idealfall, wo Geld nicht so eine relevante Größe ist. Da bräuchte man dann schon auch einen Informationsspezialisten, Spezialistin,
00:29:25
Speaker
Es schadet natürlich nichts, wenn man noch coden kann, auch um die Tools oder die Software, die wir eben gerät haben, dann auch sinnvoll anzuwenden. Und dann geht es natürlich noch um die Gestaltung und das Design. Also da ist es natürlich auch nicht so schlecht.
00:29:39
Speaker
Interface-Designerin dabei zu haben, die dann die Suchüberflächen der Datenbank oder die Visualisierung dann konzipiert. Beziehungsweise in der Konzeption würde ich dann auch wieder sehr stark die Fachwissensschlafterin sehen, die dann sagt, gut, welche Geschichte wollen wir eigentlich mit der Visualisierung erzählen.
00:29:57
Speaker
Dann kommt dann auch so ein narratives Element vielleicht da rein. Also wie können wir jetzt unsere Forschungsergebnisse eigentlich so verpacken, dass sie im größeren Kontext stehen, dass sie vielleicht auch verständlich sind und dass die Objekte dann auch in Relation zueinander gewisse Geschichten erzählen. Und das wäre jetzt so ein ganz aufgeblähtes interdisziplinäres Team, aber in der Realität
00:30:20
Speaker
Gibt es das selten? Ich meine, es gibt ja auch ganz viele Geistwissenschaftlerinnen, die sich das dann autodidakt selbst aneignen. Also sowohl diese Datenaufräumkompetenzen, nenne ich das jetzt mal, als auch dann
00:30:36
Speaker
die Datenvisualisierung, die dann eben angewiesen sind auf die Tools, wo es nicht so viele Vorkenntnisse erforderlich sind und so weiter. Manchmal gibt es dann vielleicht zwei Leute in einem Team, eine Person eher so ein bisschen aus der Datenwelt, die andere aus der kunsthistorischen Fachwelt. Und so schlägt man sich dann die Projektjahre durch, damit sich auch einfach erst mal diese Kompetenzen dann anzueignen. Also ja.
00:31:02
Speaker
Du hast ja jetzt schon mit mehreren Projekten Erfahrung, siehst du dann die Ergebnisse, also wenn diese Visualisierungen gerade in interdisziplinären Teams gebaut wurden, siehst du diese Ergebnisse auch gewertschätzt?
00:31:14
Speaker
Ja, das ist so eine ganz große Frage, denke ich auch. Für welche Zielgruppe macht man das und wie groß ist eigentlich der Personenkreis für die, die Ergebnisse dann letztendlich relevant sind und die sich die überhaupt angucken. Also manchmal hat man natürlich Glück und vor allen Dingen, wenn man ein bisschen in die Richtung denkt,
00:31:35
Speaker
Ich möchte jetzt nicht nur meine eigene Datenlage präsentieren, sondern will vielleicht auch so einen Workflow aufbauen, der übertragbar ist und im Idealfall einen Prototyp zur Verfügung stellen. Also es ist ja beispielsweise mit dem Vicus-Viewer des UC Lab der Fachhochschule Potsdam sehr gut gelungen, dass man eben generell für die Visualisierung von Kulturdaten einfach ein tool hat, ein offenes tool auch hat, wo man dann seine eigenen Daten reinbringt und visualisieren kann und wo dann eben auch
00:32:05
Speaker
zeitgenössische Standards, das heißt Überblicke als auch Einzelansichten, die Interaktion, dynamische Verwendung der Visualisierung gewährleistet ist. Ja, also das wäre ein Ergebnis, was übertragbar ist und was nachnutzbar ist in ganz vielen verschiedenen Kontexten. Aber der Normalfall ist ja eher, dass man dann seine eigenen, manchmal auch sehr kleinen Forschungsgebiete
00:32:32
Speaker
präsentiert und da habe ich in letzter Zeit ganz oft darüber nachgedacht, ob so geartete Forschungsprojekte eigentlich noch eine eigene Datenbank brauchen oder ob es dann nicht einfach sinnvoll ist, wo die Tendenz ja auch durchaus hingeht, dann mit großen Wissenssammlungen, die schon bestehen, wie Wikidata beispielsweise, einfach zu arbeiten.
00:32:53
Speaker
Und da kann man sich auch ganz viel ersparen von den Vorüberlegungen über Standards, weil es da auch gewisse Felder ja schon gibt. Und es gibt ja auch schon ganz viele Daten, die da angelegt sind. Ich habe das auch, das war, glaube ich, letztes Jahr auf der Internationalen Digital Humanities Konferenz in Graz habe ich auch einen Workshop besucht. Da ging es wirklich dann auch um so einen ganz kleinen Forschungsbereich. Also auch das Thema Wappen war da
00:33:20
Speaker
im Vordergrund und die haben einfach nur noch mit Wikidata gearbeitet und man hat ja da auch durchaus die Möglichkeit, ein eigenes Projekt abzugrenzen, eine ID zu vergeben. Man kann sich das ja auch jederzeit runterladen, seine eigenen Daten und in eine lokale Datenbank stellen, was man sicherlich auch tun sollte. Aber da fällt dann eben diese ganze Frage weg.
00:33:38
Speaker
Ist dieser Aufwand, den wir jetzt betreiben, um die Daten dann zur Verfügung zu stellen, für diese womöglich eher kleine Zielgruppe wirklich gerechtfertigt?

Transparenz und Dokumentation im Visualisierungsprozess

00:33:46
Speaker
Also das ist wirklich so eine ganz aktuelle Frage, die vielleicht auch für die Forschungsförderung noch mehr an Relevanz gewinnen wird.
00:33:56
Speaker
Aber auch ein großes Plädoyer für die Bereitstellung von Forschungsdaten, für strukturierte Forschungsdaten, um eben auf den Schultern von Riesen in der nächsten Stufe die Visualisierungen machen zu können. Genau. Und das ist ja auch dann ganz schön, wenn sich dann Nachnutzungsszenarien ergeben und dann andere Personen, die vielleicht
00:34:17
Speaker
eventuell versierter sind mit Visualisierungstechniken, dann aus den Daten was machen und das dann als Testballon nutzen. Also das ist großartig und es gibt natürlich auch hohe Bedenken, einerseits gegenüber Open Access, aber dann auch gegenüber der offenen Publikation von Forschungsdaten, die ich immer nur zum Teil nachvollziehen kann. Natürlich gibt es rechtliche Fragestellungen, die bei Bildern natürlich sehr relevant sind und die man nicht einfach umgehen kann.
00:34:45
Speaker
Aber wenn diese Fragestellungen geklärt sind, also dass man auch das Bildmaterial mit veröffentlichen kann, dann ist das schön, aber das ist mir auch klar, dass es nicht immer der Fall sein kann. Aber dann kann man ja zumindest die Datenstrukturen veröffentlichen und die ganze Arbeit, die auch in die Erstellung dieser Strukturen geflossen ist, Transparenz machen. Und das finde ich ohnehin auch ganz wichtig als Aspekt, gerade auch in der digitalen Kunstgeschichte oder in Digital Manities generell,
00:35:11
Speaker
auch mal eher daran zu denken, diese ganzen Workflows transparenter zu machen. Also wie bin ich jetzt eigentlich zu diesem tollen Datenergebnis gekommen, welche Schritte habe ich da gemacht und das stärker auch zu dokumentieren und aber auch transparent zu machen durch Veröffentlichungen. Also ich denke, da können alle sehr stark von profitieren und sonst sitzt man nämlich immer da und da muss sich jeder neu überlegen, wie man jetzt eine Datenmark aufbaut beispielsweise. Das wäre doch ein bisschen schade.
00:35:37
Speaker
Ja, dann kann man sich wirklich ein Beispiel an Abi Warburg nehmen, weil wir haben ja diesen Minusiner Atlas auch nur, weil er seinen Forschungsprozess visualisiert hat und veröffentlicht hat. Und wenn wir so schauen, also ganz egal ob analog oder digital, jeder von uns hat eine Bildsammlung, mit der man arbeitet, Zeichnungen, Grafiken, die man macht während des Forschungsprozesses.
00:36:01
Speaker
Und alle verheimlichen das, wie man am Ende zu dem Aufsatz und zu dem Buch gekommen ist. Also wir sind da gerade in der Kunstgeschichte nicht besonders stark drin, Forschungsprozesse zu dokumentieren oder auch offen zu legen. Ja. Jetzt wo du es sagst. Wobei man aber bei Warburg sagen muss, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob man das jetzt wirklich alles so im Detail verstehen kann, ne? Ich glaube nicht.
00:36:25
Speaker
Also ich habe auch manchmal den Eindruck, er hat es schon auch viel so für sich selber einfach gemacht oder sein direktes Umfeld, die dann da mehr Zugang zu hatten. Ich meine gewisse Dinge.
00:36:37
Speaker
Und es ist ja auch ein wahnsinniges Werk, wenn man sich das auch so räumlich überlegt und wie das dann über die Tafeln dann wandert und was innerhalb der Tafeln auch passiert und wie rätselhaft das auch zum Teil ist. Und dann macht man sich ja auch immer, wenn man davor steht, also mir ging es zumindest so, ich war sehr beeindruckt und habe mir dann überlegt, warum sind die denn jetzt so nahe aneinander, was bedeutet dann diese räumliche Anordnung letztlich. Und bei manchen Tafeln hat man ja schon Schwierigkeiten,
00:37:00
Speaker
einen Einstieg auch in das Thema zu finden, weil die Materialien dann auch plötzlich so divers sind, also dann gar nicht mehr aus einer bestimmten Zeit oder Fragestellungen heraus zu lesen sind. Ich finde das hoch faszinierend. Und es ist ja auch so, wenn jetzt der nächste Bilderatlas wäre, dann wieder oder am nächsten Tag vielleicht sogar, wäre es schon

Räumliche Anforderungen für komplexe Visualisierungen

00:37:21
Speaker
wieder ganz anders gewesen. Das ist ja auch nur eine Momentaufnahme. Muss man ja auch immer so mitdenken.
00:37:25
Speaker
Ja, in der Ausstellung, als ich in Berlin war, hab ich sie gesehen, also diese Rekonstruktion. Und ich hab vieles aber auch erst verstanden, indem ich diese ganzen Tafeln zusammen in diesem Raum, in diesem Rund gesehen hab. Und hab mir die vorgestellt, ah, jetzt in Hamburg, in der Kunsthalle, in dieser Rotunde, und dann stehen dann diese Tafeln und ich hab erst da wirklich verstanden, was da passiert, oder manches hab ich verstanden.
00:37:53
Speaker
Vielleicht bräuchten wir auch diese gigantischen Projektionsflächen, um einige von diesen Datenvisualisierungen zu verstehen. Ganz ehrlich, mir ist manchmal mein Bildschirm so ein bisschen zu klein. Ja, und ich finde da greift auch wirklich diese räumliche Erfahrung. Also ich war sehr beeindruckt davon und das wünscht sich doch eigentlich jede Kunstzeugerin so ein Laboratorium mit so riesigen Projektionsflächen, wo man durch das Denken dann plötzlich mal so einen Raum einnehmen kann. Also das ist ja schon auch eine sehr schöne und aber auch produktive oder die produktiv fördernde
00:38:22
Speaker
Produktivität fördernde Maßnahme, würde ich sagen. Da sind wir aber jetzt auch an einem Punkt angelangt, an dem man eigentlich sagen muss, dass es außerhalb jetzt von solchen Viewern wie dem Vicus Viewer, die sind übertragbar auf viele unterschiedliche Projekte, aber eigentlich ist doch dann eine Wissensvisualisierung immer originär für eine Aussage oder für ein Projekt
00:38:50
Speaker
Für eine Story hattest du es vorhin genannt, also im Bereich Storytelling, konzipiert und gemacht. Sind die dann nicht übertragbar? Also der Workflow wäre übertragbar, um dann mit den eigenen Daten was zu machen, aber die Ergebnisse müssen dann, oder wie ist deine Erfahrung, müssen die immer auf ein Projekt hin zugeschnitten werden, um auch gute Visualisierungen zu sein?
00:39:12
Speaker
Prinzipiell schon, aber es gibt natürlich auch viele inspirierende Beispiele. Also ich träume ja auch immer noch von so einer Datenbank, wo dann Visualisierungen ja auch gesammelt werden und zugänglich gemacht werden, weil es ist ja auch eine fortschreitende Entwicklung und von Tag zu Tag entstehen immer mehr Visualisierungen und man
00:39:31
Speaker
Es fällt mir zumindest sehr schwer, da auch den Überblick zu behalten. Und natürlich lässt man sich ja dann auch inspirieren und denkt auch, okay, dieser Stil gefällt mir zum Beispiel auch, oder die haben jetzt vielleicht eine ähnliche Fragestellung. Und es gibt ja gewisse Entitäten, die man sicherlich in vielen Projekten findet, und da kann man sich schon inspirieren lassen, also wie wurden jetzt da
00:39:51
Speaker
was für Karten wurden da zugrunde gelegt, wie hat man das umgesetzt formal und wie war da so die Bedeutungsebene und was auch so ein Bereich ist.

Entwicklung einer visuellen Sprache für die Geisteswissenschaften

00:40:03
Speaker
Ich denke, die Bildsprache für die Geisteswissenschaft in Bezug auf Informationsvisualisierung ist auch noch stark in der Entwicklung und wird sich auch noch weiterentwickeln.
00:40:13
Speaker
Und wir sind auch noch nicht an dem Punkt, wo man für jede Fragestellung adäquate visuelle Ausdrucksformen finden kann. Also auch dieser ganze hochdiskutierte Bereich der Unsicherheit. Da ist ja auch Joana Drucker ganz stark in diesem Diskurs drin, wie
00:40:32
Speaker
stelle ich eigentlich so Sachverhalte da, die eben uncertain sind. Und die gibt es in der Kunstgeschichte ja zuhauf. Also da passieren ja oft auch so Dinge von Zuschreibung und Abschreibung von Kunstwerken. Und es gibt ja auch gewisse Unsicherheiten in historischen Fächern generell.
00:40:49
Speaker
dass dann war jemand immer schief und hat gesehen, wir haben ein neues Dokument. Da kann man jetzt aber belegen, dass es so ist. Und dann wird ein unsicherer Sachverhalt zur Gewissheit. Aber wir gehen auch mit vielen Ungewissheiten einfach um. Und wie lässt sich das eigentlich visuell ausdrücken? Weil wenn man einen Punkt in ein Koordinatensystem setzt, so ist die Lesekonvention, wird das für
00:41:12
Speaker
ein Faktum gehalten. Da sind wir auch ein bisschen so in diesem Themenbereich, wie objektiv sind Daten eigentlich und bei Bildern ist es eigentlich generell so, dass man das ja weiß, dass es so ein interpretatives Moment gibt und bei Datenvisualisierung gibt es aber immer so diese Anna, die vielleicht auch in ihr glauben ist, so das ist jetzt hier die Wahrheit und das sind alles Fakten und das war jetzt so. Und das ist ja oft
00:41:37
Speaker
Einfach auch nicht der Fall. Und dann muss man sich überlegen, was für eine Botschaft sende ich jetzt aus? Welche Bedeutung transportiere ich jetzt, wenn ich jetzt einen Punkt dahinsetze einfach? Muss der Punkt vielleicht anders aussehen? Muss der gestrichelt womöglich sein? Muss es so ein ganz dünner Punkt sein, der dann suggeriert, das ist jetzt noch nicht so ganz, das ist einfach meine These oder die These von jemand anderem.
00:41:58
Speaker
Und es könnte aber auch dazu kommen, dass der Punkt verschwindet und sich woanders hinsetzen lassen muss. Und so Dinge sind auch sehr spannend, denke ich. Und da wird noch wahnsinnig viel passieren und ich freue mich auch auf neue Darstellungsmodi. Und dass wir auch ein bisschen wegkommen von diesen traditionellen, also traditionell eher naturwissenschaftlich, von der Statistik geprägten Darstellungsformen.
00:42:20
Speaker
weil das ist nicht unsere Bildsprache als Geisteswissenschaftlerin. Das heißt, wir müssen auf der einen Seite Personenschulen, die in der Informationsvisualisierung stark sind, aber auch Domänenwissen haben, um diese neue Bildsprache
00:42:37
Speaker
Ist es dann Diagrammatik zu entwickeln? Vielleicht. Die Diagrammatik liegt ja als diagrammatisches Denken, als sehr breit aufgefasstes, bildenderisches Denken, Verräumlichung des Denkens. Ich bin ja großer Fan von Charles Sanders Peirce.
00:42:54
Speaker
Der letzte Universalphilosoph meiner Meinung nach und der hat ja so eine ganz elaborierte Zeichentheorie und der stellt aber wirklich so das Bildliche auf Zeichenebene, das ist das ikonische Zeichen, stark in den Vordergrund und sagt so alles Schlussfolger, was ja in der Wissenschaft relevant ist, ist ohne Ausnahme diagrammatisch.
00:43:15
Speaker
Ich denke, innerhalb der Kunstgeschichte, wenn man jetzt so die Bildwissenschaft so ein bisschen als eigene, vielleicht Unterdisziplin, adressieren möchte, sind da schon viele Entwicklungen im Gange. Deshalb würde ich jetzt sagen, wir brauchen jetzt keine neue Diagrammatik. Wir beschäftigen uns ja schon mit dem digitalen Bild beispielsweise.
00:43:38
Speaker
auch in teilweise interdisziplinären Ansätzen, dass auch Medienwissenschaftliche Ansätze da mit einbezogen werden. Und es gibt ja auch Forschungen zur Wirkung von Bildern, wenn man jetzt so an Bildakt und sowas denkt.
00:43:52
Speaker
Also da ist die Kunstgeschichte auf einem sehr guten Weg und sich dann auch mit dem Phänomen der Bildlichkeit, was sich im Digitalen ja auch verändert, beschäftigt. Ich meine, das ist ja auch so ganz interessant, weil jetzt im digitalen Zeitalter, wenn man so will, sind ja Bilder hochrelevant. Also das Digitale ist visuell so.
00:44:15
Speaker
Und da gibt es aber dann gleichzeitig ganz viele verschiedene Bildformen und die Masse der Bilder nimmt auch zu. Wie werden wir jetzt dieser Entwicklung her? Und da, finde ich, kann man so gut die kunsthistorischen, methodischen vor allen Dingen Kompetenzen doch einsetzen.

Kontext und Zweck von Visualisierungen verstehen

00:44:33
Speaker
Also ich will jetzt nicht dafür plädieren, dass in jedem DH-Projekt eine Kunsthistorikerin geben muss. Warum nicht?
00:44:40
Speaker
für den Jobmarkt ganz gut, aber das ist doch die Disziplin, die sich seit Jahrhunderten mit Bildern auseinandersetzt und auch die Kompetenz an die Hand geben kann und auch vermitteln kann, wie man Bilder verstehen und lesen kann. Das betrifft sowohl die Bilderflut im Web, im Digitalen, als auch Visualisierungen.
00:45:02
Speaker
Ich weiß nicht, ob man jetzt immer so eine klassische Bildanalyse starten muss, in diesen Modus gehen muss, wenn man jetzt eine Infografik liest. Das wäre vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, aber ja. Ich finde, man muss von neu sehen lernen. Also ich finde zum Beispiel,
00:45:20
Speaker
Datenvisualisierungen, unmöglich, wenn ich nicht weiß, ist es jetzt eine automatisierte Visualisierung, die jemand mit Python gemacht hat, also eine Knopfdruckvisualisierung, oder hat sich da jemand hingesetzt mit einem interdisziplinären Team, mit einer Fachdomäne, mit einer Person, die aus der Informationsvisualisierung kommt, mit jemandem, der aus dem User Interface Graphic Design kommt, um wirklich bewusst eine Aussage zu treffen.
00:45:47
Speaker
Mir fehlt manchmal so ein bisschen der Kontext, wie die entstanden sind, um auch interpretieren zu können, oder es für mich annehmen zu können als ja, das hat jetzt für mich eine Aussage, oder es ist ein zufälliges Produkt aufgrund von einem angestoßenen Algorithmus.
00:46:04
Speaker
Ja, und da sind wir auch wieder an dem Punkt, dass es da sehr sinnvoll wäre, die zugrunde liegenden Daten mit zu veröffentlichen, damit man sich ganz selbstständig auch ein Bild davon machen kann, wie die Visualisierung entstanden ist. Idealerweise könnte man jetzt auch noch den Prozess benennen oder zumindest sagen, diese Visualisierung wurde mit Paisen erstellt oder Ähnlichem und mit dieser Bibliothek beispielsweise.
00:46:30
Speaker
Jetzt haben wir natürlich viel über Daten gesprochen, über die technischen Kompetenzen, die jemand haben muss und die gleichzeitigige Diskrepanz, dass wir als KunsthistorikerInnen eigentlich das visuelle Vermögen haben.
00:46:45
Speaker
diese Chance, die in Wissensvisualisierungen drinstecken, also komplexe Forschung verständlich zu machen, einen Zugang auch zu der absoluten Komplexität zu geben, einen Einstieg für ein Thema auch zu geben, trotzdem nicht tun. Warum ist das so? Warum braucht es uns KunsthistorikerInnen, wenn wir über Visualisierungen sprechen?
00:47:06
Speaker
Ja, also ich habe es ja schon an verschiedenen Punkten ganz stark gemacht, dass die Teile visuell etc. sind und was ich aber abschließend noch mal ganz stark machen möchte, ist eben diese methodische Kompetenz der Kunstgeschichte, die jahrhundertelange gewachsene
00:47:26
Speaker
Kompetenz in der Interpretation von Bildern. Es gibt ja so verschiedene Aspekte. Bilder selber erstellen, Visualisierungen selber erstellen. Gut, da braucht es vielleicht ein anderes Expertendom. Aber was ja für uns alle relevant ist, ist die Kulturtechnik, Bilder lesen zu können und interpretieren zu können. Und da denke ich, haben wir eine so breite aufgestellte methodische Expertise in der Kunstgeschichte,
00:47:51
Speaker
die in der Gänze nicht unbedingt vermittelt werden muss, aber doch in Teilen, dass man einfach auch sagt, es gibt eine formale Bildbeschreibung, es gibt bestimmte Konventionen, auf die man zurückgreifen kann, es gibt auch sehr gute Texte dazu, zum Beispiel von Panofsky.
00:48:09
Speaker
der das beschreibt, wie man sich vorarbeitet von der primären zur sekundären Sinnschicht und was ist eher das Formale und was betrifft eher so die Bedeutungsebene, wenngleich man das nie getrennt denken kann natürlich. Aber das sind so Fertigkeiten, wo ich die Kunstgeschichte ganz stark
00:48:26
Speaker
in den Digital Humanities vor allen Dingen auch verortet sehe und was auch eine Expertise ist, die ganz stark in wissenschaftliche oder universitäre, in die Lehre auch viel stärker einfließen könnte. Dass man dann auch einfach neben dem Ganzen, wie recherchiere ich, wie arbeite ich wissenschaftlich eher, wie lese ich eigentlich Bilder. Das ist ja auch eine Kompetenz, die vielleicht auch dazu führen kann, dass man selber
00:48:48
Speaker
Grafiken und Bilder erstellen kann am Ende. Aber zunächst einmal, wie verstehe ich die? Und ja, da würde ich schon ganz stark für plädierend auch auf diese methodischen, auf die Vielfalt, aber andererseits auf diesen fundierten Erfahrungsschatz der Kunstgeschichte stärker zurückzugreifen.
00:49:06
Speaker
Es gab ja früher diese ganzen Hilfswissenschaften, wie lese ich Wappen, wie lese ich Karten? Bräuchte es jetzt eigentlich eine kunstgeschichtsgeprägte Hilfswissenschaft für die ganzen Geisteswissenschaften? Wie lese ich Visualisierungen? Es gibt ja so Dinge, die heißen Visual Analytics oder sowas. Vielleicht eher so als Methode, dann frage ich mal, wofür braucht man sowas, wenn man die Kunstgeschichte auch schon hat? Und es ist ja auch nicht nur so eine reine
00:49:29
Speaker
Ich beschreibe jetzt mal das Bild und analysiere so ein bisschen, sondern es geht ja auch gerade um die Wirkung von Bildern. Und wie ist die kulturelle und zeitliche Verortung der Entstehungskontext dieser Bilder? Und das ist dann auch wieder, dann sind wir auch wieder bei Panofskis, bei der Ikonographie, bei der Methode, dass man auch die Rezipientinnen dann auch immer ganz stark mitdenkt und aber auch vielleicht so an die Intention denkt.
00:49:55
Speaker
bei der Entstehung. Und das kann man ja auch nicht so ausblenden. Und das ist auch bei zeitgenössischen Datenvisualisierung ja auch der Fall, dass eine gewisse Intention ja auch dahinter steht. Also was will die Datenkünstlerin uns damit sagen?
00:50:11
Speaker
Und dann kommt man natürlich auch in so einen Bereich, da kann man eigentlich mehr sagen, als in den Daten schon angelegt ist. Also einerseits ist es ja schön, wenn die Daten transparent vorhanden sind, sind sie aber meistens nicht. Und dann überlegt man sich natürlich, wie suggestiv und wie rhetorisch ist das eigentlich, diese Visualisierung.
00:50:29
Speaker
Und wie sehr spiegelt sie einfach nur das wieder, was in den Daten sowieso schon vorhanden ist. Also ist es überhaupt möglich, mehr auszudrücken, als in den Daten schon vorhanden ist? Und da würde ich auf jeden Fall sagen, ja, weil im Kontext dann eben erst das neue Wissen entsteht. Und dann sind wir dann auch wieder bei Verräumlichungen, Diagrammatik, vielleicht sogar wieder bei PERS, aber ja.
00:50:52
Speaker
Ja, weil Daten sind ja nicht Wissen, sondern nur Information. Genau. Also sie sind, vor allen Dingen, wenn die nicht kontextualisiert sind, dann sind das ja sogenannte Datensilos. Das hört sich ja immer so furchtbar an, als ob dann so Daten, Vorsicht dahin, rotten. Ich weiß, passiert zwar nichts mit denen, aber gut, vielleicht wird irgendwann die Technik veraltet sein und dass man die dann nicht mehr lesen kann, die Formate. Dann verrotten die auf eine Art wirklich.
00:51:15
Speaker
Aber es braucht ja immer den Kontext und dann werden eben Daten zur Information und ob das dann zu wissen wird, das hängt dann immer ganz stark von dem Vorwissen der Rezipientinnen im Grunde ab.
00:51:30
Speaker
Es kann ja auch sein, eine Informationsvisualisierung enthält für mich persönlich überhaupt keine Information, weil mir diese Sachverhalte, das ist sowieso mein Forschungsgebiet, das weiß ich ja schon alles. Also es ist dann im Grunde sinnlos, mir die anzugucken.

Rolle von Visualisierungen in der Kommunikationsforschung

00:51:42
Speaker
Aber es könnte auch ein Einstieg sein, um weiter zu graben im Silo. Genau.
00:51:56
Speaker
Da haben wir es wieder. Datenvisualisierungen macht man nicht um ihrer Selbstwillen. Sie sind ein Mittel der Kommunikation, um komplexe Sachverhalte einfach auf andere Art und Weise zugänglich zu machen, als es Texte könnten. Eine gute Visualisierung schafft es, mir auf einen Blick, naja, oder zwei, eine Struktur aufzuzeigen oder einen Einstieg in große Datenmengen zu geben. Sie können interpretativ, erklärend, explorativ und
00:52:25
Speaker
bei falscher Benutzung auch suggestiv oder manipulativ sein. Und je nach eigenem Kenntnisstand gewinnbringend, nützlich oder überflüssig.
00:52:37
Speaker
Kein Wunder also, dass Informationsvisualisierung ein eigenes Studienfach ist und die Fähigkeiten wie Diagrammatik mittlerweile mit neuen Trendbegriffen wie Visual Analytics auch als Zukunftskompetenzen angepriesen werden. Eine Zukunftskompetenz, die schon lange in der kunsthistorischen Ausbildung verortet sind.
00:52:58
Speaker
Ich fand es im Gespräch mit Linda Freiberg besonders spannend, wie stark sie die Rolle der Kunstgeschichte gemacht hat, wenn es um die Konzeption auf der einen und die Interpretation von Datenvisualisierungen auf der anderen Seite ging. Wir haben die Fähigkeiten, diese anderen Bildarten zu lesen, zu kontextualisieren, auszudeuten. Und wir können uns auch sehr gut bei der Entwicklung von guten Visualisierungen einbringen. Es gibt also noch viel zu tun im Bereich Wissensvisualisierungen. Gehen wir es an.
00:53:39
Speaker
Diese Folge wurde von Jacqueline Closic-Eckardt produziert im Auftrag des Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte. Unterstützt wird sie dabei von der Redaktion der Arbeitskreismitglieder Peter Bell, Lisa Diekmann, Peggy Große, Waltraud von Pippich und Holger Siemann.
00:53:54
Speaker
Finanziert wird ArtistoCast, der Podcast zur digitalen Kunstgeschichte von NFDI for Culture, dem Konsortium in der nationalen Forschungsdateninfrastruktur, das sich mit Forschungsdaten zu materiellen und immateriellen Kulturgütern befasst. Unterstützt wird ArtistoCast durch den Deutschen Verband für Kunstgeschichte. Du hast noch eine Frage oder Anregungen? Kontaktiere uns einfach unter podcast-at-digitale-kunstgeschichte.de