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Huntington kompakt: Was ist Huntington? (mit PD Dr. Patrick Weydt)

S2 E1 · Neurodegeneration kompakt
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227 Plays1 year ago

Die Huntington-Krankheit ist in der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt. Dabei ist sie eine unheilbare und tödlich verlaufende Krankheit, die Betroffene und deren Familie vor größte Herausforderungen stellt. Was ist die Huntington-Krankheit? Was sind die Ursachen? Gibt es Behandlungsmöglichkeiten? Diese und weitere Fragen beantwortet PD. Dr. Patrick Weydt (DZNE-Forscher und Leiter der Huntington-Ambulanz am UKB) in der DZNE-Inforeihe "Huntington kompakt".

Transcript

Huntington-Krankheit Bewusstsein und Grundlagen

00:00:08
Speaker
Der Mai ist Huntington Awareness-Monat. Ein Awareness-Monat für eine Krankheit, die fast niemand kennt. Dabei ist Huntington eine schwerwiegende Erkrankung, unheilbar und tödlich verlaufend, die alles im Leben der Betroffenen und deren Familien und Angehörigen verändert. Da Huntington zu den seltenen Erkrankungen zählt, findet sie in der Öffentlichkeit aber nur wenig Platz.
00:00:30
Speaker
Angesichts des Awareness-Monats wollen wir der Erkrankung mehr Öffentlichkeit verschaffen und etwas mehr darüber aufklären. Und das machen wir hier in unserer kleinen Info-Reihe mit verschiedenen Episoden. Da geht es einmal um allgemeine Infos über den aktuellen Forschungsstand, aber auch um sehr praxisnahe Themen wie die Schluckstörung oder Sozialberatung.

Interview mit Dr. Patrick Weid zur Huntington-Krankheit

00:00:51
Speaker
Heute spreche ich mit unserem Huntington-Forscher Dr. Patrick Weid. Er ist
00:00:56
Speaker
Nicht nur Huntington Forscher, sondern auch Leiter der Huntington Ambulanz am Universitätsklinikum Bonn. Vielen Dank, dass du heute da bist. Kannst du uns mal erklären, was ist denn die Huntington-Krankheit?
00:01:07
Speaker
Vielen Dank für die Einladung. Huntington-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die sehr vielschichtige Symptome macht. Sie führt zu Bewegungsstörungen. Das ist das bekannteste Symptom, aber mindestens genauso schwerwiegend sind psychiatrische Veränderungen und ein Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit.
00:01:29
Speaker
dem zugrunde liegt, wie bei allen neurodegenerativen Erkrankungen, der Niedergang von Gehirnzellen. Und das ist, bei der Handlingzimmkrankheit ist das eine besondere oder hauptsächlich eine Region, das ist die, die für die Bewegungssteuerung und auch für die Störung der Emotionen zuständige Basalgang wären. Aber andere Regionen, wie zum Beispiel die Hirnrinde, werden nicht verschont und tragen auch ganz klar zum Krankheitsbild.
00:01:58
Speaker
Wie ist denn das Krankheitsbild genau? Also wie wirkt sich die Krankheit auf die Betroffenen aus? Alle Symptome der handigenden Krankheit kommen durch die Einschränkung der Gehirnfunktion. Es macht ganz stark eine Störung der Bewegungsfähigkeit. Die Leute sind überbeweglich, haben so tanzartige
00:02:18
Speaker
unkontrollierbare, oft chaotisch anmutende, zuckende Bewegungen. Aber zusätzlich zu der Bewegungsstörung, also gleichrangig eigentlich, ist ein Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit und psychiatrische Veränderung. Das heißt also Veränderung des seelischen Gleichgewichts.
00:02:38
Speaker
Das geht von Reizbarkeit über Zwangserscheinungen bis Stimmungsschwankungen, Depressionen und Wahnvorstellungen. Also das ganze Spektrum eigentlich an psychatrischen Symptomen findet sich auch bei Huntington-Patienten wieder. Was weiß man über die Ursachen?

Genetische Ursachen und Verlauf der Huntington-Krankheit

00:02:58
Speaker
Die Ursache bei der Huntingtin-Krankheit, und das unterscheidet sie von den anderen neurodegenerativen Erkrankungen, die du genannt hast, ist glasklar definiert. Das ist eine rein genetische Erkrankung. Es gibt einen Gendefekt an einer Stelle im Erbgut, und zwar in dem sogenannten Huntingtin-Gen. Und wenn die Krankheit verändert ist, dann bricht diese Erkrankung aus. Das heißt, wie ist der Verlauf?
00:03:25
Speaker
Der Verlauf der Erkrankung ist schleichend. Das hängt ein bisschen von der genauen genetischen Veränderung ab. Da gibt es verschiedene Schweregrade der genetischen Veränderung. Aber im typischen Verlauf ist es so, dass die Patienten eigentlich bis zur Mitte des Lebens, so bis 40, 50, komplett unauffällig sind.
00:03:48
Speaker
und dann allmählich psychiatrische, motorische und kognitive Symptome entwickeln. Wie gesagt, das kann Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit sein, das kann diese zuckenden Bewegungen sein, das kann Stimmungsschwankungen sein. Die Reihenfolge ist nicht genau vorgegeben. Also da variiert wirklich Patient von Patient zu Patient.
00:04:12
Speaker
Und es ist auch nicht so leicht, genau festzuklopfen, in welchem Moment die Krankheit losgegangen ist. Es ist also anders, sag ich mal, als wenn man sich einen Arm bricht oder einen Tumor sich bemerkbar macht. Es ist so, kann man sich auch sicher praktisch vorstellen, psychische Veränderungen, Stimmungsschwankungen hat jeder mal. Und bis das krankhaft wird, muss einfach eine gewisse Zeit vergehen. Darum ist es sehr schwer, genau festzulegen, wann die Krankheit ausbricht.
00:04:41
Speaker
Aber du sagst, das hat mit den Genen zu tun. Wie finde ich heraus, ob ich dieses Huntington-Gen trage?

Genetische Tests: Risiko und Bestätigung

00:04:50
Speaker
Es ist eine wichtige Besonderheit von der Familie. Dadurch, dass das so klar genetisch ist, ist es bei den meisten Familien als ein Risikofaktor bekannt. Das heißt, fast jeder handenkenden Patient hat einen Verwandten ersten Grades, einen Elternteil, der auch schon die Erkrankung hatte.
00:05:13
Speaker
Und dann ist man natürlich dafür sensibilisiert und kann sich überlegen, ob man selber testen lassen möchte, ob man diese Erbanlage trägt oder nicht. In einem nicht ganz unerheblichen Teil von Patienten, ich würde mal so 10, 20 Prozent schätzen,
00:05:34
Speaker
ist es so, dass keine richtige Verwandtschaft mit Huntington-Patienten bekannt ist. Das mag manchmal so sein, weil einfach der Kontakt zur Familie abgebrochen ist, sei es aus irgendwelchen
00:05:51
Speaker
Familienverhältnissen begründet, dass man einfach den Kontakt zu den Angehörigen verloren hat, sei es bei Adoptionsgeschichten oder wenn die Eltern im frühen Lebensalter an was anderem verstorben sind. Wenn der Vater mit 40 einem Herzinfarkt verstorben ist, dann weiß man halt nicht, ob er mit 50 die Huntington-Krankheit entwickelt hätte. Und dann geht es so,
00:06:15
Speaker
wissen um so eine Krankheit verloren. Und es gibt natürlich immer die Möglichkeit, dass so eine Mutation auch neu auftritt. Das heißt, obwohl beide Eltern die Mutationen nicht hatten, können dann die Nachkommen die Mutationen einfach durch spontane genetische Veränderungen entwickeln. Das ist aber sehr sehr selten. Gibt es auch Fälle, wo eine Generation übersprungen wird?
00:06:37
Speaker
Nein, also molekulargenetisch gesehen gibt es das nicht. Biografisch gibt es das natürlich. Also wenn der Großvater Huntington hatte und dann der Vater, wie gerade eben gesagt, mit 40 einem Herzinfarkt gestorben ist, aber die Mutation getragen hat und mit 25 ein Kind bekommen hat, dann kann das Kind
00:07:01
Speaker
natürlich immer noch die handgängigen Mutationen geerbt haben, obwohl dem Kind vielleicht gar nicht bewusst ist, dass der Vater eine neurologische Erkrankung als Veranlagung getragen hat. Wenn wir mal den Fall nehmen, die zehn Prozent, wo das unklar ist, wann würde man hellhörig werden?

Diagnosemethoden und Erbschaft der Huntington-Krankheit

00:07:21
Speaker
Also, die Harentington-Diagnose lässt sich molekulargenetisch sichern. Aber klinisch regt sich der Verdacht, wenn Patienten eine Bewegungsstörung in Kombination mit einer demenziellen Entwicklung und mit psychiatrischen Auffälligkeiten entwickeln. Also, wenn diese drei Sachen zusammenkommen, dann muss man eigentlich an die Harentington-Krankheit denken.
00:07:51
Speaker
Und dann kann man durch eine molekulargenetische Untersuchung nachweisen und zwar eindeutig, ob so eine genetische Ursache vorliegt oder nicht. Wenn die genetische Ursache nicht vorliegt, ist der Patient nicht gesund, aber er hat halt keine Huntington-Krankheit, sondern eine Huntington-artige Erkrankung. Wie ist das bei der Vererbung? Wer kriegt das?
00:08:15
Speaker
sind ganz klar, das nennen wir eine Mendelschen Erbgang oder monogenetisch, also ein einziges Gen ist dafür verantwortlich. Es wird autosomal dominant vererbt und das heißt, dass jeder Nachkomme eines Huntington Mutations Trägers, egal ob er symptomatisch oder nicht symptomatisch ist, eine 50%ige Chance hat, diese Krankheitsveranlagung geerbt zu haben.
00:08:43
Speaker
Das heißt also auch, um in dem Fall eine sichere Diagnose stellen zu können, bedarf es auch einer Testung.
00:08:49
Speaker
Genau, die Diagnosestellung, wenn ich da mal unterscheiden darf. Die Diagnosestellung ist etwas, was man neurologisch oder psychiatrisch an den Symptomen festmarkt. Die Diagnosesicherung, dass man es wirklich mit dem Namen Huntington bezeichnet, das ist was, was durch einen molekulargenetischen Test erfolgt. Wie läuft das konkret ab?
00:09:15
Speaker
Da gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Szenarien. Das eine ist der häufigere Fall, dass man einen Patienten hat, der die Symptome hat, die irgendeinen Arzt an die handgedeckte Krankheit denken lassen.
00:09:32
Speaker
Das heißt, der Patient ist bereits erkrankt und man versucht, eine Ursache für die Symptome zu bekommen. Und dann setzt man sich mit dem Patienten zusammen, sagt, dass man diesen Verdacht hat und vereinbart dann mit dem Patienten, sein Einverständnis natürlich vorausgesetzt, dass man eine Blutprobe des Patienten nimmt und in ein genetisches Labor gibt, wo dann diese molekulargenetische Untersuchung durchgeführt werden kann.
00:10:02
Speaker
Das ist eine relativ einfache Vorgehensweise. Das ist ein diagnostischer Test, über den man informiert werden muss. Das kann der Arzt nicht hinter dem Rücken von jemandem machen, aber das sind jetzt keine weiteren Beratungsschritte notwendig. Das ist vergleichbar, würde ich sagen, mit einer
00:10:25
Speaker
Untersuchungen, ob man jemand auf HIV oder sowas testet. Das ist eine schwerwiegende gesundheitliche Information, aber man kann es relativ direkt nachgucken. Komplizierter ist die Situation, wenn der Patient gar keine Symptome hat.
00:10:43
Speaker
Dann würde man auch technisch gesehen gar nicht natürlich von einem Patienten sprechen, sondern von einem Ratsuchenden.

Ethische Überlegungen und Stigmatisierung im Umgang mit Huntington

00:10:50
Speaker
Und da gibt es sozusagen nichts im Wesen des Patienten, was einen an die Handtänk-Tänk-Krankheit denken lässt. Aber im Allgemeinen ist es so, dass die einen Verwandten, einen Elternteil oder ein Geschwisterteil haben, die die Handtänk-Tänk-Krankheit schon manifestiert haben.
00:11:06
Speaker
Und jetzt aus unterschiedlichsten persönlichen Gründen, das kann Lebensplanung, das kann Berufsplanung, Familienplanung oder allgemeines Wissensbedürfnis sein, sich untersuchen lassen wollen, um rauszukriegen, ob sie diese Veranlagung tragen und das Wissen um diese Veranlagung
00:11:30
Speaker
ist sehr besonders, weil man als gesunder Mensch erfährt, dass man, wenn die Mutation sich nachweisen lässt, man sicher an dieser Erkrankung, dass diese Erkrankung sicher ausbrechen wird.
00:11:47
Speaker
In dieser besonderen Situation muss man als Arzt Rechnung tragen, indem man ein vorgegebenes und sogar gesetzlich geregeltes Beratungsangebot macht.
00:12:01
Speaker
Das heißt, man kann also nicht einfach in die Praxis laufen und sagen, mein Vater hat Huntington, bitte gucken Sie mal bei mir nach, ob ich das auch habe, sondern da ist man quasi durch den Gesetzgeber vor impulsiven Entscheidungen geschützt, denn man hat ein Recht auf Nichtwissen.
00:12:20
Speaker
Das ist den meisten Leuten nicht bewusst. Wir denken immer, man hat ein Recht, alles zu wissen, aber man hat auch ein Recht, etwas nicht zu wissen. Und das hat durchaus seinen Sinn, weil nach einer Beratung viele Patienten das oder Ratsuchende das genauer abwägen, ob sie das wissen wollen. Man kann halt, und das ist die Krux an der Sache, wenn man jemandem
00:12:47
Speaker
mal eine Information gegeben hat, das nicht wieder zurücknehmen. Und das Wissen, so eine Mutation zu tragen, kann enorm belastend sein. Es kann zum einen psychologisch belastend sein, weil es natürlich sehr die Perspektive auf alles ändert. Es hat aber auch praktische Konsequenzen, versicherungstechnisch, berufstechnisch, über die man sich
00:13:15
Speaker
klar sein muss. Es ist nicht verboten, das zu wissen, aber man darf nicht blindlings in so eine Situation geworfen werden. Wie ist deine Erfahrung? Wie viele wollen das wissen, wie viele wollen es eher nicht wissen?
00:13:28
Speaker
Es variiert sehr. Man kann so statistische Zahlen sagen. In meiner Erfahrung wollen von den Leuten, die eine Beratung machen, das sind ja die, die es schon mal nicht grundsätzlich ausschließen, wissen zu wollen, will der überwiegende Teil dann tatsächlich den Test und das Testergebnis wissen.
00:13:50
Speaker
Aber Statistik hilft einem da jetzt nicht weiter, wenn ich jetzt sage 20% oder 50% oder so, weil es wirklich hoch individuelle Entscheidungen sind und es hängt auch von der jeweiligen Lebenssituation ab. Ob man ganz jung ist, ob man kurz vorm Rentenalter steht, ob man Familienplanung abgeschlossen hat, nicht abgeschlossen hat. Auf die Berufswahl kann es eine Auswirkung haben.
00:14:12
Speaker
Und dadurch, dass es so individuell ist, kann man einfach da keine gute Antwort statistisch geben. Wir sprechen hier schon über eine sehr schwerwiegende Krankheit, die ja auch wirklich sehr belastend ist. Warum findet das Thema Handtinken trotzdem so wenig in der Gesellschaft statt?
00:14:33
Speaker
Das ist eine gute Frage, über die man spekulieren muss. Zum einen sind Abkrankheiten grundsätzlich sehr stigmatisiert. Das heißt, das ist kein Thema, mit dem man als Betroffener oder als betroffene Familie so ohne weiteres hausieren gehen möchte. Ich hatte es vorhin schon angedeutet, durchaus auch Auswirkungen, wenn bekannt wird, dass man so eine Mutation trägt.
00:15:02
Speaker
hat das Auswirkungen auf Berufswahl und Kreditwürdigkeit und alle möglichen Sachen haben. Und die andere Sache ist, dass während alle anderen Erkrankungen, die wir als neurodegenerative Erkrankungen betrachten,
00:15:23
Speaker
in erster Linie die betroffene Person betreffen und die dann für sich Entscheidungen treffen kann, ist, wenn man mit einer Huntington Diagnose an die Öffentlichkeit geht, selbst wenn man das für sich vertritt und das einem Bedürfnis ist, das bekannt zu machen, nimmt man seine Familie unfreiwillig mit. Und da kann jeder, der eine Familie hat, weiß, dass in Familien sehr unterschiedliche
00:15:51
Speaker
Ansichten über vieles, wenn nicht alles sogar besteht. Und da kann man dann sagen, wenn der Bruder oder die Schwester lieber im Hintergrund damit bleiben möchte, dann ist es nicht besonders umsichtig, sich da ins Rampenlicht zu stellen. Darum sind die Leute, die mit Huntington an die Öffentlichkeit gehen, immer sehr darauf bedacht, das sehr gut abzuwägen.
00:16:15
Speaker
Du hast gerade erwähnt Stigmatisierung. Also in dem Zuge fällt mir auch ein, dass wenn man im Internet die Huntington-Krankheit googelt, man immer sehr schnell Korea Huntington liest. Und ich weiß jetzt aus meiner Erfahrung, dass wir eigentlich lieber über die Huntington-Krankheit sprechen. Kannst du das mal kurz einordnen? Wieso? Ja, gerne. Also die Korea Huntington ist ein althergebrachter Begriff.
00:16:43
Speaker
Die Bewegungsstörung ganz in den Mittelpunkt stellt. Korea ist das griechische Wort für Tanz. Bei Huntington ist es tatsächlich so, dass sehr viele, aber nicht alle Patienten diese tanzartige Überbeweglichkeit haben.
00:16:59
Speaker
Und sogar das eine Symptom, was sich medikamentös halbwegs behandeln lässt, aber manchmal gar nicht so stark ausgeprägt ist und auch gar nicht im Alltag die Hauptprobleme macht, also das, was den sozioökonomischen und gesellschaftlichen Belastungen eigentlich mit sich bringt, sind eher die psychiatrischen und die kognitiven Veränderungen.
00:17:27
Speaker
Wenn man es Korea nennt, dann ist es für mich und viele aus der Huntington-Community zu sehr reduziert auf dieses eine Symptom. Es gibt aber viele Neurologen, die das anders sehen. Es gibt unterschiedliche Camps im Feld, die sie aber gut verstehen. Das muss man auch dazu sagen.
00:17:46
Speaker
Ja, Korea, also Tanzen, das hört sich ja schon ziemlich zynisch an. Also gerade wenn es um Stigmatisierung geht, liest man in dem Zuge ja auch, das erinnert ein bisschen an vielleicht auch betrunken sein, wenn man mit der Krankheit dann später noch läuft und so. Das ist natürlich ein bisschen... Also das ist interessant, dass du das aufbringst, weil tatsächlich ist es so, dass die Anfangssymptome der Huntington-Krankheit
00:18:12
Speaker
die motorischen Symptome, da gehört übrigens auch die verwaschende Sprache dazu, durchaus, und so eine Gangunsicherheit, durchaus an so einen angetrunkenen Zustand denken lassen. Das ist natürlich auch stigmatisiert. Ich finde jetzt den Begriff Correa jetzt gar nicht so zynisch, vielleicht bin ich zu sehr mediziner, aber das beschreibt es eigentlich ganz gut. Es reduziert es halt auf die Bewegungsstörung, was ich jetzt
00:18:38
Speaker
zu eng finde. Ja, aber wichtig zu wissen, weil ich glaube Stigmatisierung kommt auch immer aus Unwissenheit. Deswegen ist das, glaube ich, auch wichtig, dass wir hier gerade Aufklärung in dem Bereich mit unserer Info-Reihe machen wollen. Wie verbreitet ist denn die Hunting-Krankheit?
00:19:02
Speaker
Also in der westlichen Welt ist sie ziemlich gleichmäßig verbreitet. Das sind drei bis vier pro 100.000. Was die Prävalenz angeht in Deutschland, entspricht das dann so ungefähr 8.000 Handingtonpatienten.
00:19:17
Speaker
Ich muss aber auch sagen, auf jeden Huntington-Patienten kommen auch rechnerisch zwei bis drei Risikopersonen. Das heißt, dann ist man dann schon bei 30.000 Betroffenen, weil man natürlich auch sagen muss, dass Leute, die aus einer Huntington-Familie kommen und vielleicht die Mutation tragen und noch gar keine Symptome haben, auch irgendwie Huntington-betroffen sind. Von den Angehörigen mal ganz zu schweigen.
00:19:45
Speaker
Jetzt sagtest du, oder wir haben es schon häufiger erwähnt, es ist unheilbar. Gibt es wenigstens Möglichkeiten zur Behandlung?

Symptom-Management und Therapieoptionen

00:19:54
Speaker
Kann man den Status verbessern? Man kann tatsächlich die Krankheit managen. Wenn man das managen kann, kann man es gut managen oder schlecht managen. Viele der Symptome lassen sich medikamentös abmildern.
00:20:12
Speaker
Das soll aber nicht den Eindruck erwecken, dass das eine Krankheit wäre, die wir gut im Griff haben. Es ist leider immer noch eine Herausforderung, die wir nicht vollständig bewältigt kriegen.
00:20:33
Speaker
Da gibt es Medikamente und dann Physiotherapie, Ernährungsmanagement, Sozialberatung. Das sind alles enorm wichtige praktische Hilfestellungen. Logopädie ist auch sehr wichtig bei der Huntington-Krankheit, weil Schluckstörungen wirklich eine große Ursache für die Einschränkungen im Alltag sind.
00:20:55
Speaker
und viele Komplikationen verursachen. Die andere Sache, da kann ich vielleicht hier drauf eingehen, ist aber, dass dadurch, dass man die genetische Ursache so gut kennt, sich eine Therapie aufdrängt, nämlich dass man die genetische Ursache beseitigt. Das war bis vor ein paar Jahren, waren das Luftschlösser.
00:21:19
Speaker
Aber inzwischen ist es schon so, dass man durch neue molekulamik-genetische Methoden am Menschen Mutationen verändern, runter regulieren und in den Griff kriegen kann. Und da drängt es sich natürlich auf, dass man das an der Huntington-Krankheit versucht. Und das wird auch gemacht. Aber im Moment sind das noch Studien, die laufen.
00:21:47
Speaker
Man kriegt das ganz gut hin. Man kann im Gehirn die Huntington-Spiegel absenken. Aber das scheint nicht so unproblematisch zu sein, wie man sich das vorgestellt hat am Anfang. Also über Forschung wollen wir in der nächsten Episode noch mal genauer sprechen. Aber wenn ich schon mal hier den Forscher vor mir habe, auch du bist gerade dabei. Also was ist gerade auf deinem Tisch?
00:22:14
Speaker
Also am DCDE ist es so, dass wir uns natürlich sehr für innovative, auf Krankheitsmechanismen beruhende Therapieansätze interessieren. Und da waren wir schon bei der ersten Runde oder bei der letzten Runde jetzt beteiligt, wo mit Antisensoligonucleotiden das Huntington-Protein
00:22:36
Speaker
runterreguliert werden soll und man hat dann tatsächlich das hingekriegt, dass das Huntington-Protein gut runterreguliert wurde. Dann haben sich aber nicht unerhebliche Sicherheitsbedenken ergeben, im Sinne von, dass der Verlauf bei den Patienten, wo man das Huntington-Protein runterreguliert hat, sich als ungünstiger erwiesen hat.
00:22:58
Speaker
als bei den Kontrollpersonen, sodass man jetzt einen zweiten beziehungsweise einen dritten Anlauf macht und versucht mit einer veränderten Dosierung und einem veränderten
00:23:11
Speaker
Regime, wie das gegeben wird, einen sichereren Weg zu finden, um das Huntington-Protein runterzuregulieren. Und da machen wir vom DCDE auch mit. Ich bin ja sowohl am DCDE als auch in der Uniklinik und wir haben hier eine Ambulanz mit über 100 Huntington-Patienten.
00:23:30
Speaker
Und mit denen können wir sehr gut vereinbaren, ob sie sich an Forschungsprojekten beteiligen wollen. Und ich muss sagen, die Bereitschaft bei Huntington-Patienten ist erfreulich hoch. Zum einen, weil es eine sehr schwerwiegende Erkrankung ist. Und zum anderen, weil die aus eigener Erfahrung wissen, wie schwer die Erkrankung ist, weil sie fast immer einen Elternteil haben an der Erkrankung.
00:23:58
Speaker
gelitten hat und weil sie wissen, dass es für uns wichtig ist, jetzt noch möglichst viel über die Krankheit und die Therapieansätze zu erfahren, selbst wenn es ihnen selber nicht unmittelbar eine Verbesserung bringt.
00:24:15
Speaker
Die Huntington-Patienten denken automatisch in Generationen, weil das eine Krankheit ist, die einfach verschiedene Generationen ihrer Familie betrifft und die sagen sich, selbst wenn es mir nicht direkt hilft, Hauptsache es hilft meinen Kindern, Neffen, Nichten, Cousins und Cousinen.
00:24:33
Speaker
Wenn du von der Forschung sprichst, dann hört sich das sehr komplex, sehr speziell an. Ist man denn, wenn man von dem Huntington-Gen betroffen ist, beim normalen Hausarzt gut aufgehoben oder an wen wende ich mich, wenn beispielsweise in der Familie Huntington bekannt ist am besten?
00:24:52
Speaker
Also das kommt darauf an, ob man Symptome hat oder nicht. Solange man auch keine Symptome hat, kann man weiter zum normalen Hausarzt gehen, weil Huntington auch nicht vor allen anderen Gesundheitsproblemen schützt. Und dann ist es sehr gut, wenn man einen engen Anschluss an den Hausarzt hat. Dann viele Neurologen oder alle Neurologen kennen natürlich die Erkrankung, haben aber meistens nicht viele Patienten damit und damit natürlich nicht so viel Erfahrung.
00:25:17
Speaker
Insofern ist es sehr gut, wenn man sich als Huntington-Betroffener, sei es als Anlageträger, Familienmitglied oder als tatsächlich Erkrankter auch in einer Huntington-Ambulanz vorstellt, also in einem der vielleicht 10, 15 bundesweiten Huntington-Schwerpunktzentren.
00:25:38
Speaker
Wir arbeiten Hand in Hand mit den niedergelassenen Neurologen und auch mit den Hausärzten. Aber man ist da dann gut aufgehoben und wird begleitet durch einen sehr schweren Weg und muss nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern hat ein Team von Leuten, die die Probleme der erhantigten Krankheit, wie sie jetzt sind und wie sie auf einen zukommen, schon kennen und absehen können.
00:26:03
Speaker
Und dieses Team, was du gerade schon sagst, mit unterschiedlichen Ansatzpunkten, die wollen wir in weiteren Episoden auch noch teils vorstellen. Jetzt abschließend vielleicht noch mal an dich, welchen Rat kannst du den betroffenen Angehörigen geben?

Zukünftige Forschungsansätze und Unterstützungsmöglichkeiten

00:26:21
Speaker
Also ich sage immer, dass die Huntington-Krankheit die heilbarste der unheilbaren Erkrankungen ist.
00:26:30
Speaker
und dass sich in der Forschung wirklich viel tut, was großen Anlass zu berechtigter Hoffnung gibt, dass sich die Hantintenkrankheit in absehbarer Zeit viel besser managen lässt, als wir das im Moment machen.
00:26:49
Speaker
Die andere Sache ist, dass die handignden Krankheit zwar schwerwiegend ist, aber dass sich die einzelnen Symptome auch jetzt schon durch ein gutes Team, und da zählen Sozialarbeiter, Logopäden, Ärzte und Physiotherapeuten, Psychologen dazu, gut abmildern lässt.
00:27:17
Speaker
Und vielleicht noch einen Tipp, den man allen, die sich aus Huntington-Familien kommen, sehr ans Herz legen kann. Es gibt die sehr gut organisierte Deutsche Huntington-Hilfe, die ein Forum sind für den Austausch von Erfahrungen und Unterstützungen in der deutschen Huntington-Community. Die Webseite und auch die Seminare, die die anbieten, sind ganz ausgezeichnet.
00:27:45
Speaker
Vielen Dank für diese Hinweise und vielen Dank für das Gespräch, Patrick. Gern geschehen.
00:27:51
Speaker
Wenn Sie Fragen und Anmerkungen rund um das Thema Huntington haben, schreiben Sie uns gerne. Dr. Patrick Weitz ist auch auf Instagram aktiv, also gerne auch folgen dem Huntington-Doc, mit Unterstrich Huntington, Unterstrich Doc. Vielen Dank fürs Zuhören und auch gerne in unsere weiteren Folgen reinhören. Es ist viel zu diskutieren und wichtig, mehr über Huntington zu sprechen. Vielen Dank.