Einführung in Huntington-Krankheit und Schluckstörungen
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Speaker
Herzlich willkommen zu einer weiteren Episode unserer Info-Reihe zum Thema Huntington. Wie wir in der ersten Folge schon ausführlich mit Dr. Patrick Weidt besprochen haben, gibt es unterschiedliche Symptome, die im Verlaufe der Huntington-Krankheit auftreten. Eine und zwar eine durchaus schwerwiegende Symptomatik sind Schluckstörungen. Darauf wollen wir heute näher eingehen. Dafür ist Dr. Cornelius Werner zu Gast. Er ist Chefarzt für Neurologie und Geriatrie am Johanniter Klinikum in Stendal.
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Speaker
Leiter der AG Neurorehabilitation an der Uniklinik Aachen und ist sowohl Experte, wenn es um das Thema Huntington geht, als auch für das Thema Schluckstörung. Vielen Dank, dass Sie heute hier sind. Ja, sehr gerne.
Fortschritt und Auswirkungen von Schluckproblemen
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Speaker
Was passiert mit der Schluckfunktion bei Menschen mit der Huntington-Krankheit im Verlaufe der Erkrankung? Das kann man nicht in einem Satz beantworten, weil das nach allem, was wir wissen, bei jedem Patienten ein bisschen anders ist.
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Speaker
Fangen wir vielleicht mal hinten an. Die allermeisten Patienten werden das im Laufe ihrer Krankheit erleben müssen. Auch Angehörige werden das mitbekommen, dass Probleme mit dem Schlucken auftreten. Und wir sehen das eben beinahe regelmäßig am Ende der Erkrankung, in mittleren bis späten Stadien, dass Patienten zunehmend Schwierigkeiten haben, die Nahrung, die vorhin auf dem Tisch steht, dahin zu befördern, wo sie hingehört, nämlich in den Körper.
00:01:35
Speaker
Und Schluckstörungen muss man dabei relativ weit fassen. Das geht schon in unserer Auffassung damit los, eben die Hände dazu zu benutzen, das Essen zum Mund zu führen. Das ist einsichtig, dass das bei der handhinkenden Erkrankung oft dann irgendwann nicht mehr gut funktioniert. Das nächste ist dann aber auch die Verarbeitung im Mund und der Transport in die Speiseröhre. Und das ist ein bisschen kritischer Moment für den Menschen, denn die Luftröhre und die Speiseröhre liegen anatomisch ungünstig.
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Speaker
Nämlich die Luftröhre vorne und die Speiseröhre hinten. Das heißt, alles, was wir essen, muss einmal über die Luftröhre drüber gehoben werden, ohne dass es in die Luftröhre geht. Denn wenn es das tut, entstehen ungünstige Folgen wie Erstickungsanfälle, Hustenanfälle, Lungenentzündungen. Und in der Tat sind diese Lungenentzündungen eine der häufigsten Todesursachen bei der Antinknärerkrankung. Also das illustriert schon ein bisschen, dass das eine hohe Relevanz hat.
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Speaker
Und jeder, der einen Betroffenen bei sich in der Familie hat, hat vielleicht schon erlebt, wie das aussieht, wenn sich der oder die Betroffene dann arg verschluckt oder vielleicht sogar so einen Erstickungsanfall mal miterlebt. Das ist äußerst beeindruckend. Mittlerweile wissen wir aber, dass das nicht nur am Ende der Erkrankung ein großes Problem ist, sondern wahrscheinlich schon viel früher losgeht.
Schluckprobleme und Gewichtsverlust: Ursachen und Auswirkungen
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Speaker
Und da greift es jetzt, wenn ich ein bisschen ausholen darf,
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Speaker
auch in den Energiestoffwechsel des menschlichen Körpers ein. Wir essen ja, um dem Körper Energie zuzuführen. Und diese Energie braucht der Körper, um Muskeln aufzubauen, Fettreserven anzulegen, um das Gehirn zu ernähren. Schon zum Zeitpunkt der Diagnosestellung wiegen Menschen mit Huntington-Erkrankungen weniger als Kontrollen. Und dieser Trend setzt sich vor Ort. Also auch Gewichtsverlust ist ein erhebliches Problem in dieser Erkrankung. Und das ist nicht ganz genau verstanden.
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Speaker
woran das liegt. Und es ist denkbar, aber wir wissen es einfach noch nicht, dass eben Schluckstörungen auch dazu beitragen. Es gibt ein paar Arbeiten, die versuchen herauszufinden, wann geht es los? Wann merken es die Patienten selber? Ist das zu dem Zeitpunkt schon relevant oder ist es schon vorher relevant und der Patient merkt es noch gar nicht? Und könnte man was am Verlauf der Erkrankung ändern, wenn man was an der Schluckstörung täte? Aber das sind alles im Großen und Ganzen noch unbeantwortete Fragen.
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Speaker
auf die ich gleich trotzdem noch mal eingehen will. Aber erstmal, wie kommt es denn zu den Schluckstörungen? Also ist das eher aufgrund der Unkontrollierbarkeit der Bewegung oder lassen einfach die Kräfte an der Stelle nach? Das ist eine spannende Diskussion.
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Speaker
Eine naheliegende Überlegung ist ja, dass diese Überbeweglichkeit der Patienten, die wir auch in den Gliedmaßen sehen, dass wir die auch im Mundrachenraum finden. Und in der Tat haben ja viele Patienten auch, wir nennen das buko-oro-linguale Hyperkinesien. Also das ist zusammengesetzt aus buko für die Wange, oro der Mund, os oris, und lingual die Zunge.
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Speaker
Und es ist klar, wenn die in Unordnung sind und sich so viel bewegen, dass dann zumindest mal die Phase der Nahrungsvorbereitung in der Mundhöhle, die orale Vorbereitungsphase, dass die gestört sein kann. Wenn man mit dem Endoskop sich den Schluckapparat anschaut während des Schluckens mit einem kleinen Fieberendoskop, dann sieht man, dass viele Patienten auch eine Bewegungsunruhe im Schlund haben.
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Speaker
Und man beobachtet auch, dass diese Überbeweglichkeit auch dazu führt, dass unkoordiniert Nahrungsboli, Nahrungsbestandteile eben nicht dort landen, wo sie landen sollen. Jetzt ist es aber so, dass es keine strenge Korrelation gibt zwischen dem Maß an Überbeweglichkeit am Körper und dem Ausmaß der Schluckstörungen. Wir denken schon, dass auch
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Speaker
die fühlende Verarbeitung, die Verarbeitung dessen, wie schmeckt das? Hab ich das schon klein genug gekaut? Ist das schon flüssig genug? Ist es schon weich genug? Wie tief ist das schon in der Kehle? Muss ich den Schluckack schon auslösen oder muss ich noch weiter kauen? Das auch dieses Betasten und Fühlen und dieses Erkennen von Fremdkörpern im Hals, auch dass auch das gestört ist. Und das erkennen wir an zwei Dingen. Wir sehen, dass
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Speaker
Patienten mit Schluckstörungen sich verschlucken, ohne es zu merken. Also Speisematerial und Speichel geht in die Luftröhre, ohne dass gehustet wird. Also gesunder Mensch, der verschluckt sich auch mal, aber der hustet es dann aus den Luftwegen wieder raus. Das fehlt. Also irgendwas muss da mit der Sensorik nicht in Ordnung sein. Und zweite Hinweise kommen daher, dass man in Hirnbildgebungsverfahren gesehen hat, dass die Schwere der Schluckstörungen mit
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Speaker
Verlust von grauer Substanz in den Gehirn zusammenhängt an Arealen, die vor allen Dingen mit der Körperwahrnehmung und der Sensorik auch zu tun haben. Sodass wir wahrscheinlich eine sehr vielschichtige Mischung haben aus Bewegungsstörung, Störung der sensorischen Wahrnehmung, Störung der Koordination.
Ernährungsanpassungen bei Schluckstörungen
00:06:40
Speaker
Welche Rolle spielt die Ernährung bei der Prävention von Strukturung? Das ist ein wichtiger Punkt und momentan einer der wenigen, wo wir auch überhaupt angreifen können.
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Speaker
wir können pharmakologisch Überbeweglichkeit behandeln. Das erleben ja viele Patienten, dass sie Tabletten bekommen, die diese Chorea erdämpfen sollen. Und es gibt durchaus die Möglichkeit, auch Überbeweglichkeit im Schlund damit zu beeinflussen. Das hilft aber nicht jedem, im Gegenteil, bei manchem Schadens auch. Und da muss man dafür eben sorgen, dass die Nahrung, die man zu sich nimmt, angepasst ist an das, was beim Schlucken passiert. Also wenn ich mich jetzt an flüssigen, was eben sehr schnell die Kehle runterstürzt, oft verschlucke,
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Speaker
dann hilft vielleicht, wenn ich etwas Dicke halte, wenn ich so etwas Nektarartiges zu mir nehme. Wenn die Gefahr besteht, dass durch übermäßiges Stopfen oder Einatmen während des Essens und Schluckens das Stück Bratwurst die Luftröhre verstopft, dann muss ich dafür sorgen, dass keine groben Stücke in der Nahrung sind, sondern dass die Nahrung fein zerkleinert oder sogar passiert wird. Viele Patienten mit Schluckstörungen, auch mit anderen neurologischen Erkrankungen, kommen eigentlich recht gut mit breiigen Konsistenzen zurecht.
00:07:52
Speaker
Das gilt es aber im Einzelfall auszuprobieren und idealerweise eben auch endoskopisch zu überprüfen. Also nicht jeder profitiert davon, dass man jetzt alles durch den Mixer jagt. Viele brauchen es vielleicht auch gar nicht. Das ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Aber die Art und Weise, wie die Nahrung zubereitet wird, spielt da schon eine Rolle. Das Zweite ist, dass es aber wissenschaftlich deutlich schlechter untersucht, sondern mehr so Lebenserfahrung von Familien und von Therapeuten.
00:08:20
Speaker
Das stark gewürztes Essen, vor allen Dingen scharfes Essen, dabei hilft, die Wahrnehmung in der Kehle zu steigern. Also stark aromatisierte, scharf gewürzte Speisen lösen dann doch eher einen Hustenreflex aus, wenn es schief geht, als wenn es so eine milde Substanz ist. Und das letzte ist vielleicht auch, Getränke mit Kohlensäure werden auch besser wahrgenommen, auch in der Kehle besser wahrgenommen als solche, die es nicht sind.
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Speaker
Jetzt trinkt in Deutschland ohnehin beinah jeder Mineralwasser, aber in anderen Ländern, in Frankreich, in den Niederlanden, wo man viel stilles Wasser trinkt, könnte das helfen, eben Korngas mit Sprudel zu verabreichen, um die Häufigkeit von Verschlucken zu reduzieren. Ist sowas wie Dehydrierung ein Thema? Ja, unbedingt. Also Dehydratation ist eine bekannte Folge von Schluckstörungen bei vielen neurologischen Erkrankungen.
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Speaker
Ob das spezifisch für die Huntington-Erkrankung eine Rolle spielt, ist schlecht erforscht. In meiner Wahrnehmung ist es eher der Kalorienmangel. Huntington-Patienten haben aus einer Vielzahl von Gründen einen unwahrscheinlich hohen Energiebedarf. Da spielt die Chorea nur eine kleine oder nur eine teilweise Rolle. Das erklärt also nicht alles. Menschen mit einer Huntington-Erkrankung brauchen einerseits mehr Energie als Gleichalte und Gleichgroße Gesunde.
00:09:45
Speaker
haben aber gleichzeitig das Problem, dass sie diese Energie nicht in den Körper kriegen. Und das ist ein Dilemma. Das ist ein großes Dilemma. Und Flüssigkeit und Hydrierung ist ein Teilaspekt dabei. Reines Wasser, um das nur kurz zu ergänzen, ist wahrscheinlich, wenn man saubere und gesunde Zähne hat, gar nicht so schlimm. Das kann die Lunge schon ab. Aber Milch, saure Säfte, sehr zuckerhaltige Getränke, wenn die in der Lunge landen, sind natürlich ein toller Bakterien-Nährboden.
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Speaker
Also wer sich oft an Flüssigkeiten verschluckt, sollte vielleicht eher auf sogenannte neutrale Flüssigkeiten ausweichen. Also ungesüßte Tees,
Unterstützung für Familien und Einbindung von Pflegekräften
00:10:22
Speaker
Wasser. Jetzt haben Sie schon gesagt gewürzt und vielleicht Wasser mit Kohlensäure. Was sind noch vielleicht Sachen, wie Angehörige die Betroffenen bei der Bewältigung von Schluckstörungen unterstützen können?
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Speaker
Also viele Angehörige machen das oft instinktiv schon richtig. Sie sehen, was geht und was nicht geht. Also viele Patienten, die zu mir kommen, da sagen die Partner schon, also Steak machen wir schon lange nicht mehr, Hackbraten ist dann besser oder es gibt halt Pürees. Was Angehörige wissen sollten, ist in erster Linie, dass
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Speaker
sagen wir mal, vieles, was Schluckschrank angeht, nicht unbedingt schicksalhaft sein muss, sondern dass es Logopäden gibt, die das behandeln können und neben der Nahrungsanpassung auch Übungen durchführen können, die, so denken wir zumindest, teilweise auch Funktionen wiederherstellen kann. Nicht für immer, aber für eine gewisse Zeit.
00:11:24
Speaker
Der erste Schritt ist, wenn man denkt, mein Partner, mein Angehöriger hat damit ein Problem, wäre, den Hausarzt zu bitten, eine Logopädie zu verordnen. Das geschieht leider noch viel zu selten. Da geht es dann nicht ums Sprechen, um die undeutliche Aussprache. Das kann auch ein Thema sein und ist es häufig auch, sondern definitiv ums Schlucken. Da müsste man dann kurz einmal telefonieren, ob die Praxis, die man im Auge hat, auch ein bisschen mit neurologisch bedingten Schluckstörungen sich auskennt. Das ist das eine. Im Alltag
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Speaker
wäre es vor allen Dingen wichtig, wie bei einem kleinen Kind hätte ich jetzt beinahe gesagt, dafür zu sorgen, dass das Essen in einer ungestörten Atmosphäre abläuft. Also der Fernseher sollte aus sein, es sollte nicht die Zeitung daneben gelesen werden, es sollte ausreichend Zeit zum Essen sein. Menschen mit der hantigen Erkrankung brauchen länger. Man merkt das vielleicht nicht von außen, aber natürlich spüren diese Menschen, wenn sie beim Essen unter Druck gesetzt werden und wenn sie schnell fertig werden sollen und dann schieben die oft den Teller weg und sagen, ich bin satt.
00:12:23
Speaker
Obwohl es es eigentlich nicht sind. Und diese Geduld muss man dann mitbringen. Und da gibt es aber auch Tricks, dass man so Babyschalen kauft, die den Teller dauerhaft warm halten, dass dann auch nach einer Stunde das Essen noch warm ist und nicht kalt wird, dass man diese Geduld mitbringt, dass man nicht spricht während des Essens, also dass die Konzentration voll auf dem Essen ist, damit das Hirn eben die Reserven, die es hat, aufs Schlucken aufwenden kann. Also das, was wir ohne nachzudenken machen,
00:12:51
Speaker
wo sie Chips reinschaufeln, während Fußball läuft. Das geht eben nicht, wenn man ein erkranktes Gehirn hat. Ich kann mir vorstellen, dass genau die Tipps, die Sie gerade geben, ja auch einer gewissen Erfahrung zugrunde liegen. Ist man denn, wo Sie vorhin schon Hausarzt sagten, ist man beim Hausarzt mit der Huntington-Krankheit da richtig und Schluckstörungen oder wäre der Weg zur Huntington-Ambulanz da empfehlenswerter?
00:13:19
Speaker
Also wenn es sie gibt, dann würden wir natürlich immer die Huntington Ambulanz empfehlen. Und ich glaube, auch viele Hausärzte werden bereit sein, da Überweisungen auszustellen. Man muss natürlich auch der Versorgungsrealität ein bisschen ins Auge gucken und sagen, gut, wir nehmen das, was wir kriegen. Der Appell war einfach der, das ist nicht unbekannt. Also Schluckstörungen in der Neurologie im weitesten Sinne sind nichts Exotisches. Für die Huntington-Erkrankungen ist es natürlich schon noch mal ein bisschen spezieller.
00:13:48
Speaker
Aber einige der Prinzipien, die wir aus anderen Erkrankungen kennen, können wir zumindest schadlos auch auf die handhinkenden Erkrankungen übertragen. Ob das im Einzelfall den Unterschied macht, dafür wissen wir noch zu wenig aus der Wissenschaft. Das muss man ganz klar sagen. Es gibt da keine guten Studien. Aber die klinische Erfahrung zeigt schon, dass man Lebensqualität verbessern kann.
00:14:11
Speaker
auch das Gefühl der Sicherheit, keine falschen Dinge zu tun bei den Angehörigen heben kann, wenn man das auch ein bisschen professionell begleitet. Das ist das, was ich damit sagen wollte. Natürlich ist Huntington, eine seltene Erkrankung und Schluckstörung bei Huntington, ein Spezialthema eines Spezialthemas. Also da gibt es tatsächlich nicht viele Leute, die das professionell betreiben. Aber das soll nicht bedeuten, dass man nicht danach fragen darf. Das war so ein bisschen der Abheld.
Früherkennung und Intervention bei Schluckstörungen
00:14:42
Speaker
Jetzt haben Sie Eingangs schon gesagt, das muss eigentlich in Studien weiter noch erforscht werden, aber ich frage trotzdem nach. Die so erste Anzeichen, Sie haben ja schon gesagt, es gibt eine Bandbreite bei Schluckstörungen von, ich nenne es mal Lebensqualität bis hin zu Lebensgefährlichkeit. Was sind denn so erste Anzeichen, ab wann sollte man hellhörig werden? Diese Frage hat zwei Antworten. Ich fange mal mit der Antwort aus der idealen Welt an.
00:15:11
Speaker
Also in der idealen Welt, wo es Zugang für jeden zu Diagnostik und Beratung gibt, wird man im Grunde bei Diagnosestellung schon mal vorstellig werden. Bei Diagnosestellung der Erkrankung, also nicht bei jemandem, der sich prädiktiv hat testen lassen und weiß, dass er Genträger ist. Da ist es vielleicht noch nicht zwingend notwendig, wobei ich auch Patienten gesehen habe, die motorisch unauffällig waren, aber schon schluckaufällig.
00:15:38
Speaker
Spätestens beim Auftreten erster motorischer Anzeichen würde man auch Logopädie beginnen. Einfach unter der Idee, dass erstens merkt man es oft selber nicht, dass da schon Dinge schief laufen können. Das heißt, man sollte idealerweise einmal mit dem Endoskop oder mit einer anderen apparativen Diagnostik nachschauen. Und zweitens ist das die Zeit, wo man auch Reserven aufbauen kann für die schlechten Zeiten, die vielleicht noch kommen.
00:16:02
Speaker
und sich Gewohnheiten aneignet und Trainingsmethoden und körperliche und geistige Reserven, von denen man dann später zehrt. Das ist die ideale Welt. In der Welt, in der wir leben, wären die roten Fähnchen, bei denen man hellhörig werden muss, die, die auf sogenannte Aspirationsereignisse hinweisen. Also Ereignisse, wo Fremdkörper, Material, flüssig oder fest in die Luftwege gerät und da, wo es nicht hin soll. Und das wären
00:16:31
Speaker
eine gurgelige oder belegte Stimme nach dem Essen und Trinken. Jemand, der so eine sogenannte nasse Stimme nach dem Essen hat. Jemand, der sich räuspert oder auch hustet, nicht nur während, sondern auch nach dem Essen. Das kann auch noch Minuten nach dem letzten Bissen, nach dem letzten Schluck, können noch Reste in der Kehle liegen bleiben, die der Betroffenen nicht merkt, die dann erst in die falsche Röhre rutschen. Also auch räuspern und husten nach dem Essen wären, war ein Hinweis, unerklärlicher Gewichtsverlust.
00:17:00
Speaker
Unerklärliche Lungenentzündungen, das sind die roten Fahnen, die auf eine relevante Schluckstörung hinweisen würden. Dann zum Abschluss vielleicht noch einmal die Frage, was können Sie Betroffenen und Angehörigen vielleicht aus Ihrer Erfahrung heraus einfach mitgeben?
Verwendung von Ernährungssonden in fortgeschrittenen Stadien
00:17:22
Speaker
Also obwohl Sie Schluckstörungen im Dunkeln abspielen, im Inneren des Körpers, ist es nichts, wo wir tatenlos daneben stehen müssen?
00:17:29
Speaker
suchen Sie nach Partnern, die Sie da begleiten. Die Logopädinnen und Logopäden wären da Ihre natürlichen Ansprechpartner. Die Verordnung muss halt vom Arzt kommen, das ist schon so. Neurologen und HNO-Ärzte sollten sich mit Schluckstörungen auskennen. Und vielleicht noch ein letztes Wort, wenn das Schlucken so gefährlich ist, dass man es eigentlich über den Mund nicht mehr erlauben kann,
00:17:55
Speaker
Dann gibt es ja von der Medizin durchaus die technische Möglichkeit, die Nahrung auch über Ersatzwege in den Körper zu kriegen. Und das ist diese sogenannte PEG-Sonde. Also die Ernährungs-Sonde durch die Bauchdecke. Und die kommt in aller Regel bei Huntington-Erkrankten zu spät. Auch das ist natürlich schlecht untersucht. Aber wenn man es untersucht, dann findet man, dass die oft gelegt wird bei Patienten, die schon eine Demenzerkrankung haben, die kognitiv fortgeschritten erkrankt sind.
00:18:24
Speaker
und die eine Lungenentzündung haben. Also zwei Dinge, wo man sagt, okay, das ist eigentlich schon da, wo man schon drüber ist. Die PEG-Sonde wird halt viel assoziiert mit, oh Gott, oh Gott, das ist doch Sterbemedizin und verlängert nur das Leid unnötig. Das sehe ich anders. Denn wie ich eingangs gesagt habe, Huntington-Patienten brauchen Energie im Körper. Es nützt nichts, wenn die Energie auf dem Teller bleibt oder in der Trinkflasche. Sie muss in den Körper.
00:18:53
Speaker
Und wir wissen, dass ein gutes Körpergewicht auch vor schnellem Krankheitsverlauf schützen kann. Und deswegen sollte man da vielleicht lieber früher als später drüber nachdenken. Und das bedeutet ja nicht, dass man das normale Essen komplett aufgeben muss, sondern das kann ja auch dazu dienen, den basalen Kalorienbedarf zu decken und das Genussessen kann dann auch weiter über den Mund stattfinden. Aber der Zeitdruck ist weg, weil man ja schon halbwegs satt ist, bevor die anderen sich überhaupt hinsetzen. Und man ist auch sicher, weil man weiß,
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Speaker
Flüssigkeit ist genügend im Körper, Energie ist genügend im Körper und ich esse jetzt einfach, um mit meiner Familie zusammen sein zu können. Und wenn man beschließt, dass das für einen selber keinen Sinn mehr hat, dann kann man es auch wieder ziehen. Und dann ist das Thema dann auch vorbei. Das hat auch dann nichts mit Sterbehilfe oder sowas zu tun, sondern dann wird einfach eine Therapie beendet, die keinen Zweck mehr verfolgt, was auch ärztliche Pflicht ist zu tun. Also da muss niemand Angst vorhaben.
00:19:49
Speaker
Ich sage das wissend, dass viele Hausärzte da vielleicht doch ein bisschen Manschetten haben, aber da wir jetzt ja hier so ein Forum haben, wäre das mein Appell, auch keine Angst vor Sonnenernährung zu haben. Lassen Sie sich da beraten und fangen Sie es lieber früher an als später. Aber es ist eine sehr individuelle Sache, die man eben mit seinen Werten, seiner Vorstellung von Lebensqualität abgleichen muss. Das waren nochmal wirklich sehr hilfreiche und wichtige Hinweise und Tipps,
00:20:18
Speaker
Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Cornelius Werner. Sehr gerne. Vielen Dank Ihnen. Diejenigen, die sich mit Schluckstörungen befassen und die darüber mehr wissen wollen, sollten unbedingt in unsere nächste Episode mit reinhören. Dort spreche ich mit Falk Schrad. Er ist Logopäde und gibt nochmal ganz konkrete Hinweise dazu, wie die Logopädie in diesem Fall und bei Sprechstörungen behilflich sein kann.
00:20:42
Speaker
Wenn Sie Fragen und Anmerkungen rund um das Thema Huntington haben, schreiben Sie uns gerne an information.dzni.de. Wir leiten die Anfragen gerne an den jeweiligen Gast weiter oder an eine Huntington Ambulanz oder nehmen es vielleicht später noch mal in einer Episode mit auf. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge.