ALS Awareness Month und Einführung
00:00:08
Speaker
Mai ist der offizielle ALS Awareness-Monat. Ein Awareness-Monat für eine Krankheit, die in der Öffentlichkeit nur wenig Platz findet. Die ALS. Und das völlig zu unrechten. ALS ist eine unerbittliche Krankheit, die bis heute unheilbar ist. In dieser kleinen Info-Reihe wollen wir uns mit der ALS genauer beschäftigen. Wir wollen der Frage nachgehen, was ist die ALS überhaupt?
00:00:31
Speaker
Was sind Symptome? Wie ist der Verlauf? Was weiß man über die Ursachen? Und ganz realitätsnah, was folgt auf die Diagnose? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Das sind wichtige Fragen, denen wir in der ersten Episode nachgehen wollen.
00:00:47
Speaker
In den anderen Folgen geht es um begleitende Hilfe. Wie ist der Forschungsstand über die Psyche, Krankheiten, die ALS ähnlich sind und bei der ALS leider nicht ganz unwichtig über das Thema Patientenverfügung.
00:01:03
Speaker
Zuerst wollen wir aber alle grundsätzlichen Dinge zum Thema ALS klären.
Was ist ALS?
00:01:07
Speaker
Dazu sitzt Dr. Patrick Weidt neben mir. Er ist Leiter der ALS-Ambulanz des Universitätsgymnasiums und Forscher bei uns am DZNE. Dr. Weidt, vielen Dank, dass Sie hier sind. Vielen Dank, dass ich hier sein kann. Ich fange mal ganz allgemein an. Was versteht man unter ALS? ALS ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der die
00:01:32
Speaker
Nervenzellen, mit denen das Gehirn die Muskeln ansteuert, zugrunde gehen. Und dadurch verliert der Körper oder dafür verliert das Gehirn allmählich, aber unaufhaltsam die Kontrolle über die Bewegungsmöglichkeiten. ALS ist eine Abkürzung und steht für amyotropholateralsklerose.
00:01:57
Speaker
Und Amyotropholateralsklerose ist einfach ein medizinischer Begriff, der das, was ich gerade umschrieben habe, auch nochmal beschreibt. Also Amyotroph heißt verschwinden oder verschwinden der Muskeln. Und Lateralsklerose ist eine Verhärtung im Rückenmark, die sich pathologisch bei der Krankheit zeigt. Was heißt das konkret? Also was passiert im Körper der Betroffenen?
Frühsymptome und Verlauf von ALS
00:02:23
Speaker
Also für den Patienten oder für den Betroffenen, der eine ALS hat, bedeutet das, dass er langsam feststellt, dass an bestimmten Stellen die Muskulatur nicht mehr gut funktioniert. Meistens ist es entweder die Hand,
00:02:40
Speaker
eine Hand oder ein Fuß, die ein bisschen ungenauer arbeiten oder ein bisschen schwächer werden und stolpert vielleicht mal bei anderen Patienten in etwas selteneren Fällen, sind das als erstes Muskeln der Sprech- und Schluckmuskulatur betroffen. Dementsprechend sind die ersten Symptome da, dass man
00:03:02
Speaker
eine verwaschende Sprache entwickelt oder sich häufiger verschluckt oder so. Das charakteristische ist, dass der Beginn sehr allmählich ist, also dass es am Anfang sehr harmlos wirkt, die Erkrankung. Was löst denn diese Symptome überhaupt aus? Der ALS liegt immer zugrunde ein Niedergang der Motoneurone.
00:03:26
Speaker
Motoneurone sind Nervenzellen. Das ganze zentrale Nervensystem besteht aus Nervenzellen und die haben unterschiedliche Aufgaben. In bestimmten Gedächtnisstrukturen, das sind die hippokampalen Nervenzellen, die für die Gedächtnisbildung zuständig sind, dann gibt es welche, die sind für die Geschmeidigkeit der Bewegungen zuständig. Und bei der ALS sind das halt die Motoneurone, die mit denen das Gehirn die Muskulatur ansteuert.
00:03:54
Speaker
Jetzt haben Sie ja gerade schon mal gesagt, wie die Symptome sind. Wie ist denn der Verlauf der Erkrankung? Also die Krankheit macht sich immer, fast immer, an einer Stelle bemerkbar. Das heißt, es ist ein fokaler Beginn. Das heißt, es ist nicht eine allgemeine Schwäche, sondern eine Schwäche einer Hand oder eines Fußes.
00:04:17
Speaker
Und dann breitet sie sich allmählich aus, das heißt, die Schwäche wird stärker, am Anfang ist das nur eine kleine Ungeschicklichkeit. Mit der Zeit wird der ganze Arm gelähmt und es greift auf den Rest des Körpers über, das heißt,
00:04:32
Speaker
Wenn, sagen wir mal, die Krankheit in der linken Hand losgeht, dann folgt innerhalb von ein paar Monaten der linke Fuß oder der rechte Arm, also der gegenüberliegende Arm. Und irgendwann ist dann auch die Schluck- und Sprechmuskulatur mit betroffen. Was heißt betroffen? Betroffen heißt, dass Lähmungen auftreten. Alle Probleme der ALS sind Ausdruck einer Schwäche der Muskeln.
00:05:01
Speaker
Das heißt, es fängt ähnlich wie bei einer Bewegungsstörung, einer Ataxie eigentlich auf, dass man Probleme hat Bewegung auszuüben? Ja, wobei der Unterschied zur Ataxie ist, dass eine Ataxie nicht eine Schwäche macht, sondern eine Ataxie ist eine Koordinationsstörung.
00:05:24
Speaker
Steuerung des Zusammenspiels vieler Bewegungen, die der Körper gleichzeitig ausführt, wenn er zum Beispiel nach etwas greift. Bei ALS ist es ganz klar so, dass die Koordination, also das Zusammenspiel dieser verschiedenen Bewegungen, gar nicht gestört ist, sondern die Ausführung bestimmter Bewegungen, weil halt ein Muskel schwach ist, gestört ist.
Variabilität und kognitive Auswirkungen von ALS
00:05:50
Speaker
Wie kann man sich das zeitlich vorstellen? Das variiert sehr stark. Typischerweise verläuft die Krankheit vom Beginn der ersten Symptome, die man bemerkt.
00:06:07
Speaker
drei bis fünf Jahre, wenn man sich so die grobe Statistik anguckt. Aber im Einzelfall gibt es da erhebliche Abweichungen. Es gibt rasante oder fulminante Verläufe, die manchmal sogar innerhalb von Monaten ablaufen.
00:06:24
Speaker
sind aber sehr selten. Und dann gibt es Fälle, die bemerkenswert langsam verlaufen, wo die Leute also zehn Jahre und länger mit der Krankheit leben. So wie Stephen Hawking. Genau, Stephen Hawking ist tatsächlich der bekannteste ALS-Patient. Und bei dem ging die Krankheit über, ich glaube, 50 Jahre, also länger als 50 Jahre. Der hat das mit 20 bekommen und ist, glaube ich, 75 Jahre alt geworden.
00:06:53
Speaker
Das ist aber sehr ungewöhnlich. Also bekanntes Beispiel, aber eher nicht ganz passendes Beispiel für die Krankheit. Genau, also aus zweierlei Sicht nicht passend. Zum einen ist es sehr früh aufgetreten und dann ist es sehr langsam verlaufen. Wenn jetzt bei mir ich heute eine Krankheit bekommen würde, die 53 Jahre verläuft,
00:07:16
Speaker
wäre ich über 100, ohne näher auf mein Alter einzugehen. Das wäre dann nicht so schockierend. Jetzt kennt man ja die Bilder von Stephen Hawking, dass er gefestelt ist am Rollstuhl und sich auch nicht mehr verbal äußern konnte, aber sein Gehirn war ja immer noch
00:07:36
Speaker
gehörte ja zu, eines der besten auf der Welt. Wie ist das zu erklären? Es ist halt so, dass das Gehirn natürlich in verschiedenen Domänen unterteilt ist und die Denkleistungen nicht allzu stark von den motorischen Leistungen abhängig sind. Die motorischen Leistungen sind mehr oder weniger ausführendes Organ dessen, was das Gehirn
00:08:04
Speaker
aus Baldovat und bei der ALS ist halt so, dass die Übertragung von dem, was das Gehirn an Bewegungsmustern entwirft, auf die Muskulatur gestört ist, aber nicht die eigentliche Denkleistung ist, typischerweise nicht gestört. Man muss da aber
00:08:25
Speaker
immer wie immer in der Medizin solche pauschalen Aussagen mit Vorsicht genießen, denn es gibt durchaus Formen von kognitiven Störungen, also Denkstörungen oder demenziellen Entwicklungen, die bei der ALS gehäuft auftreten. Also es ist nicht zwangsläufig so, dass wenn man eine ALS hat, dass man dann immun ist gegen eine demenzielle Entwicklung.
00:08:51
Speaker
Wie ist das denn? Ich überlege jetzt gerade, jetzt bestes Beispiel, Stephen Hawking. Dann sitzt er im Rollstuhl bei einem Querschnittsgelähmten, der kann ja seine Beine auch nicht mehr fühlen, nicht nur bewegen. Wie ist das bei ALS? Kann man also fühlt? Ja, das Charakteristische bei der ALS ist, dass wirklich isoliert das motorische System betroffen ist und das
00:09:18
Speaker
Das sind sozusagen das System, das Informationen vom Gehirn an den Körper leitet. Die andere Richtung, also die Eindrücke, die vom Körper ans Gehirn geleitet werden, werden durch das sensible oder das sensorische Nervensystem übertragen und das ist bei der ALS ausgespart.
00:09:42
Speaker
Das heißt, man ist als Betroffener so ein bisschen gefangen im eigenen Körper. Ja. So wie Sie es jetzt gerade beschreiben und die Bilder, die man von Stephen Hawking kennt, das ist ja sehr schwerwiegend, sehr unerbittlich.
Öffentliches Bewusstsein und Prävalenz von ALS
00:09:59
Speaker
Warum ist die ALS trotzdem so unbekannt in der Gesellschaft?
00:10:05
Speaker
Also das ist nicht in jeder Gesellschaft gleich. In Amerika zum Beispiel hat die Krankheit ein sehr
00:10:15
Speaker
hohen, hohes Profil, hohen Stellenwert an der Öffentlichkeit. Hier haben wir selber mal so einen Eindruck davon gekriegt, wie sich so ein Stellenwert ändern kann. Wenn man sich noch an die Ice Bucket Challenge erinnert, dann wurde die Krankheit ja zumindest vorübergehend in die Öffentlichkeit gebracht. Eine sichere Erklärung habe ich dafür nicht, aber ich könnte mir denken, dass die Schwere des Verlaufs der Erkrankung
00:10:45
Speaker
Es dazu führt, dass die Patienten gar nicht die Kraft haben, im eigenen Krankheitsverlauf auch noch, sag ich mal, sich um Öffentlichkeitsarbeit zu kümmern. Und das andere ist so, dass die Hinterbliebenen und die Verwandten
00:11:08
Speaker
so erschöpft sind, dass sie auch nicht jetzt noch mehr in die Öffentlichkeitsarbeit investieren. Das ändert sich aber. Also wir haben durchaus einzelne Patienten oder Organisationen und Angehörige, die sich sehr dafür einsetzen, dass die Krankheit mehr beachtet wird.
00:11:35
Speaker
Nun haben Sie ja jeden Tag quasi mit Patienten zu tun als Leiter der ALS-Ambulanz. Wie selten ist die Krankheit denn?
00:11:45
Speaker
So eine Häufigkeit von einer Krankheit kann man immer auf unterschiedliche Art ausdrücken, je nachdem, was man sich genau vergegenwärtigen will. Das Lebenszeitrisiko an der Krankheit oder die Krankheit zu bekommen oder zu entwickeln ist 1 zu 350 oder 1 zu 400 ungefähr.
00:12:07
Speaker
Das heißt also, aus einer Gruppe von 400 Leuten in der Schule oder so, wenn man die ihr Leben lang verfolgt, wird dann einer eine ALS entwickeln. Die andere Sache ist, dass jetzt zum jetzigen Zeitpunkt leben in Deutschland etwa 8.000 Patienten, bei denen eine ALS diagnostiziert wurde.
00:12:37
Speaker
8.000 hört sich ja erstmal nicht ganz so viel an, jetzt im Vergleich von 1,6 Millionen Demenz-Erkrankten. Aber dann im Prinzip, weil eine Demenz über 20 Jahre zu haben, ist quasi okay. Also zum Beispiel, man kann es mit der Multiplan-Chlorose vergleichen, ALS,
00:12:58
Speaker
und Multiple Sclerose haben ungefähr die gleiche Häufigkeit, mit der sie auftreten, aber es gibt zu jedem gegebenen Zeitpunkt mehr MS-Patienten, weil die einfach länger leben.
00:13:12
Speaker
Jetzt haben Sie gesagt, man merkt das beispielsweise in der Hand oder im Fuß. Es gibt eine Stelle, wo das Ganze losgeht. Ab wann sollte man denn aufmerksam werden?
Diagnose und Symptombehandlung bei ALS
00:13:25
Speaker
Was ist ein Indiz, wann man zum Arzt gehen sollte? Was sind Anzeichen?
00:13:30
Speaker
Also eine Schwäche, eine schmerzlose Schwäche, die über Wochen zunimmt. Das ist ein guter Grund, sich beim niedergelassenen Neurologen vorzustellen.
00:13:46
Speaker
Und der kann hoffentlich meistens gegebenenfalls schnell Entwarnung geben oder veranlassen, dass weitere Untersuchungen gemacht werden. Zum Beispiel Nervenleitgeschwindigkeit und elektrische Muskelaktivität und bestimmte Blut- und Nervenwasseruntersuchungen.
00:14:10
Speaker
Okay, aber wenn Sie jetzt feststellen, dass jemand ALS hat, was bringt mir die Diagnose, wenn die Krankheit unheilbar ist? Also das ist eigentlich sehr wichtig, dass man Klarheit hat, weil die Patienten merken ja, dass etwas nicht stimmt. Es ist ja nicht so, dass wenn man die Diagnose ALS jemandem mitteilt, dass das ein beschwerdefreier Mensch ist, sondern der hat
00:14:37
Speaker
Beschwerden, die ihn meistens sogar sehr beunruhigen. Und selbst wenn man eine sehr unangenehme Diagnose wie ALS mitteilt, wirkt diese Gewissheit oft
00:14:55
Speaker
entlastend auf die Patienten. Und zum anderen ist es auch so, dass es natürlich nicht so ist, dass man die Krankheit nur, weil man sie nicht heilen kann, nicht behandeln kann. Es ist sogar so, dass man alle Symptome der ALS managen kann. Und wenn man etwas managen kann, dann kann man es gut managen oder man kann es schlecht managen.
00:15:19
Speaker
Mal ganz konkret, also was passiert denn nach der Diagnose? Also der erste Schritt nach der Diagnosesicherung ist die Diagnosemitteilung. Das heißt, man muss mit dem Patienten mit Fingerspitzengefühl und einfühlsam die Situation besprechen.
00:15:41
Speaker
und darlegen, warum man zu dieser schwerwiegenden Diagnose von großer Tragweite gekommen ist, damit der Patient mit an Bord ist und versteht, warum man sich da jetzt so festlegt.
00:15:57
Speaker
geht es darum, die aktuellen Beschwerden, aber auch die Beschwerden, die aufgrund des Fortschreitens der Erkrankung kommen werden, aufzufangen. Also bei der ALS unterteilen wir die Probleme eigentlich in vier Domänen. Da gibt es die Kommunikation, also der Sprechapparat kann eingeschränkt sein, dann die Mobilität, also Laufen, Bewegung der Arme,
00:16:25
Speaker
kann eingeschränkt sein, dann die Ernährung, das Schlucken, die Nahrungsaufnahme und die Atmung können eingeschränkt sein. Das tritt nicht in der Reihenfolge, in der ich es gerade aufgezählt habe, auf, aber alle diese Bereiche sind früher oder später betroffen.
00:16:44
Speaker
für alle Bereiche, obwohl man sie nicht aufhalten kann und obwohl man nicht grundsätzlich was an dem Fall auf der Erkrankung ändern kann, kann man mit Hilfsmitteln enorme Erleichterung schaffen. Was sind diese Hilfsmittel?
Unterstützende Technologien und Lebensqualität
00:17:00
Speaker
Das einleuchtendste Beispiel ist bei der Mobilität die Versorgung mit Orthesen, also mit Fußstützen oder mit Rollstuhl und ähnlichen
00:17:14
Speaker
Unterstützungssysteme, Umfeldsteuerungen, dass man Computer bedienen kann. Das geht mit modernen Computertechniken und Robotertechniken sehr gut. Ähnlich ist es mit der
00:17:28
Speaker
Kommunikationsfähigkeit, da gibt es Kommunikationsgeräte, die einem ermöglichen können, sich trotzdem noch vernünftig mit der Umwelt auseinanderzusetzen. Bei der Ernährung gibt es logopädisches Training, dann gibt es Umstellung der Ernährung von der Konsistenz her oder bei fortgeschrittenen Fällen auch eine Magensonde, also eine
00:17:54
Speaker
PEG, percutane endoskopische Gastrostomie. Und bei der Beatmung gibt es auch Atemunterstützungssysteme, das muss nicht unbedingt bis zum Luftröhrenschnitt gehen, sondern einfach ähnlich wie beim Schlafapnoe-Syndrom. So nächtliche Atemmasken, die auch schon viel Entlastung bringen können. Das sind ja viele technische Sachen auch. Werden Sie dann auch als
00:18:20
Speaker
Ist der Arzt da aktiv oder wird dann verwiesen auf irgendeine Firma? Die Feststellung des Bedarfs ist eine ärztliche Maßnahme. Natürlich ist es so, dass
00:18:37
Speaker
zum Beispiel die Versorgung mit einem Rollstuhl am besten durch ein spezialisiertes Sanitätshaus erfolgen sollte, weil man als Arzt halt nicht Schritt halten kann mit den spannendsten Entwicklungen, was so
00:18:57
Speaker
Rollstuhlversorgung angeht. Ich kann halt sagen, ein Patient braucht einen Rollstuhl, aber da gibt es wirklich, das ist total beeindruckend, was es da an Bandbreite gibt, von Klapprollstühlen, die man im Auto mitnehmen kann, bis zu vollelektrischen Rollstühlen mit Aufstehfunktionen und ähnlichen Dingen. Da muss man sich dann beraten lassen von Versorgungsmittelprovidern.
00:19:26
Speaker
Das hört sich ja nach einer großen Technik an, die wahrscheinlich auch nicht ganz billig ist. Bezahlt die Krankenkasse alles? Natürlich nicht wahllos. Man kann sich jetzt nicht in Satelliten stützen.
00:19:42
Speaker
Augensteuerung oder so in voll vergoldet machen, aber die Krankenkassen sind dazu verpflichtet und sehen das auch als ihre Aufgabe, einem Patienten die Autonomie so weit wie möglich zu erhalten. Solche Maßnahmen müssen im jeweiligen Fall angepasst werden, aber die werden dann selbstverständlich von den Kassen übernommen.
00:20:10
Speaker
Das heißt, es ist elementar wichtig, in eine ALS-Ambulanz oder zum Spezialisten zu gehen, um überhaupt zu wissen, was es für Möglichkeiten gibt und dass man da zusammen überlegt, welche Maßnahmen sinnvoll ist, auch in dieser Hinsicht auf helfende Technik. Absolut. Das vereinfacht das enorm, weil wir bei der ALS-Ambulanz natürlich schon
00:20:37
Speaker
wesentlich mehr Erfahrung mit ALS-Patienten haben als ein Arzt, der vielleicht ein oder zwei Patienten im Jahr hat, die dann auch noch sehr unterschiedliche Verläufe haben können. Das heißt, man profitiert sehr von der Erfahrung, die wir mit anderen Patienten gesammelt haben. Was ist noch sehr wichtig für die Betroffenen, für die Patienten zu wissen?
Forschung und Unterstützung von ALS-Patienten
00:20:59
Speaker
Das Wichtigste ist, dass man nicht alleine ist mit der Erkrankung. Ich habe es vorhin schon gesagt, dass nur weil eine Krankheit nicht heilbar ist, das nicht bedeutet, dass einem nicht geholfen werden kann. Und die andere Sache, die für Patienten glaube ich immer wichtig ist, ist, dass auch forschungsmäßig sich viel tut.
00:21:21
Speaker
Das heißt, es werden neue Therapieansätze entwickelt. Es ist kein Stillstand. Es gibt immer noch keine Möglichkeit, mit der die Krankheit wirklich vernünftig zum Stillstand oder irgendwie umgedreht werden kann. Aber die Forschung und die Industrie interessiert sich mehr für die Erkrankung, als sie das vor 10 oder 15 Jahren getan hat. Jetzt sagten Sie gerade, man ist nicht allein. Wo kann man sich denn Hilfe holen?
00:21:51
Speaker
Also es gibt Selbsthilfegruppen, da gibt es die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke, wo auch eine Sektion sich der ALS widmet. Dann gibt es Organisationen von Patienten, die alle lieben Schmidt, ein ALS-Patient, der sich bei uns sehr engagiert hat, der Bruno Schmidt.
00:22:11
Speaker
der so eine Anlaufstelle für ALS-Patienten ist. Wir selber haben aus Spendenmitteln unter anderem von der Organisation Alle lieben Schmidt, aber auch von unteren Patienten direkt eine Pflege- und Sozialarbeiterin finanziert, die einen quasi durch das Dickicht der Behörden und Kassen lotst, eine Art ALS-Lotse.
00:22:39
Speaker
Genau, das sind so die wesentlichen Anlaufstellen, würde ich sagen. Und die ALS-Ambulanz? Genau, die ALS-Ambulanz ist natürlich der zentrale Knotenpunkt, wo das alles koordiniert wird. Also tatsächlich ist es, glaube ich, sehr wichtig für ALS-Patienten, dass sie zumindest einmal in ihrer Karriere besser aber
00:23:04
Speaker
regelmäßig sich in einer ALS-Ambulanz vorstellen will.
Auswirkungen auf Familien und Unterstützungsbedarf
00:23:07
Speaker
So kriegt man am direktesten Zugang zu diesen ganzen Hilfsmöglichkeiten. Jetzt weiß ich, weil Sie Forscher bei uns sind hier in Bonn und am Universitätsklinikum, dass hier eine ALS-Ambulanz ist, aber wie viele gibt es denn? Ist das an jeder Universitätsklinik zu finden oder wie weit müssen die Menschen reisen?
00:23:28
Speaker
Ich würde sagen, wenn man sich das deutsche MND-Netz anguckt, dann gibt es so vielleicht 16, 17 alles Ambulanzen. Davon sind 5, 6 wirklich groß. Also die Charité in Berlin, dann die Uniklinik in Ulm, Hannover, TU München, Essen, Rostock und wir in Bonn, würde ich sagen, sind die großen Zentren. Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen.
00:23:58
Speaker
In erster Linie die Zentren für die Patienten. Mannheim ist noch ganz groß. Aber ALS ist natürlich auch eine Krankheit, die die ganze Familie betrifft oder die ganzen Freunde und Bekannte, wie natürlich jeder andere schwerwiegende Krankheit natürlich auch. Aber bei ALS durch den Verlust der Mobilität und der ganzen Fähigkeiten,
00:24:22
Speaker
ist das natürlich eine Wahnsinnsherausforderung. Gibt es denn auch für die Angehörigen Hilfe oder an wen können die sich wenden? Wo sollten die sich Infos holen? Also am Anfang steht naturgemäß immer der Patient im Mittelpunkt, aber es stellt sich ganz schnell raus, dass
00:24:43
Speaker
die Angehörigen sehr schwer mit betroffen sind, im wahrsten Sinne des Wortes, weil die Krankheit einfach so schwerwiegend ist, dass man das nicht unberührt lässt, wenn man solchen Betroffenen nahe steht.
00:25:02
Speaker
Und natürlich ist mit der zunehmenden Hilfsbedürftigkeit bleibt immer mehr auch an den Angehörigen einfach hängen, sei es die Kinder oder die Ehepartner und manchmal sogar die Eltern, wenn das sehr frühe Ausbrüche der Erkrankung sind. Da ist wieder, also ist jede Ambulanz anders organisiert, aber wir haben zum Beispiel eine eigene Psychologin,
00:25:25
Speaker
die beratend für Angehörige zur Verfügung steht, die kann keine Psychotherapien ausführen, aber die kann die Leute anleiten, wie man mit so einem, letzten Endes ist es ein Trauma, die ALS-Diagnose, wie man mit so einem Trauma
00:25:43
Speaker
umgehen lernen kann. Und die andere Sache ist, dass wir einen ganz großen Wert darauf legen, die Patienten und deren Familien dazu zu bringen, helfen, großzügig in Anspruch zu nehmen. Man hat so einen Heldenmut, dass man in guten wie in schlechten Zeiten solche Sachen alleine
00:26:08
Speaker
aus- oder durchstehen möchte, aber in unserem Gesundheitssystem mit all seinen Schwächen werden einem aber doch oft Möglichkeiten gegeben, dass man pflegeunterstützung, Pflegegrade und so bekommen kann, die man nicht zu lange vor sich her schieben sollte.
00:26:33
Speaker
Über begleitende Hilfe oder auch was die ALS mit der Psyche macht, wollen wir auch in anderen Episoden unserer Info-Reihe sprechen. Vielen Dank erstmal für Ihre Einschätzung und vielen Dank für das interessante und informative Gespräch, Herr Dr. Weid.
00:26:52
Speaker
Das habe ich sehr gerne gemacht. Ich freue mich sehr, dass das DCNE der ALS so viel Bedeutung einräumt. Das ist sehr ermutigend. Das machen wir gerne. Das gehört ja auch zu unserer Aufgabe. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
00:27:10
Speaker
Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen rund um das Thema ALS haben, schreiben Sie uns. Dr. Patrick Weidt ist über die ALS-Ambulanz des Universitätsklinikums in Bonn erreichbar und zudem auch auf Instagram sogar aktiv. Das erwähne ich natürlich gerne. Einfach mal nach ALS-Doc suchen oder als DZNE auch über Instagram, Facebook sind wir auch aktiv.
00:27:34
Speaker
und stehen immer im Austausch mit Dr. Patrik Weid. Also vielen Dank auch dafür. Und wenn Sie die ALS-Forschung finanziell unterstützen wollen, können Sie dies gerne auch tun. Zum Beispiel mit der DZNE-Stiftung. Weitere Infos dazu gibt's unter dzne.de slash spenden oder einfach mal Deutsche Demenzhilfe googeln. Genau. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge.