Einführung in das Thema Geschlechterforschung und Rechtsextremismus
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Speaker
Nachgefragt, Geschlechterforschung im Blick.
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Speaker
Und das ist ja das, was bei mir auch ganz zentral sichtbar wurde, dass das, womit die sich innerhalb der extremen Rechten beschäftigt haben, also was die zentralen Engagementthemen waren, das waren Themen aus ihrer eigenen Biografie und Familiengeschichte.
00:00:23
Speaker
Und das sind genau so spannende Fragen.
00:00:25
Speaker
Wie funktioniert da auch so eine vergeschlechtlichte Inszenierung und wie korrespondiert die nicht nur in der Selbstdarstellung von Aktivisten, sondern eben auch in den Zuschreibungen, die durch andere relevante AkteurInnen damit verknüpft sind.
Begrüßung und Vorstellung der Gäste
00:00:42
Speaker
Dann sage ich mal herzlich willkommen zur dritten Folge von Nachgefragt.
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Speaker
Schön, dass ihr wieder dabei seid.
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Speaker
Heute leider ohne Sabrina, die hängt nämlich in der Deutschen Bahn fest und schafft es nicht pünktlich.
00:00:52
Speaker
Dafür aber wieder mit zwei tollen Gästinnen und zwar heute zum Thema Rechtsextremismus und Gender.
00:00:59
Speaker
Ein Thema, das uns leider sehr beschäftigt, mit dem wir uns also auch
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Speaker
aus der wissenschaftlichen Perspektive jetzt auseinandersetzen müssen.
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Speaker
Und eingeladen haben wir dazu Michaela Köttig und Johanna Siegel.
00:01:11
Speaker
Schön, dass ihr beide da seid.
00:01:15
Speaker
Danke für die Einladung.
00:01:16
Speaker
Ich würde euch einmal ganz kurz für die HörerInnen vorstellen, damit die wissen, mit wem sie es zu tun haben.
00:01:22
Speaker
Johanna Siegel ist Professorin für politische Bildung und soziale Arbeit an der Hochschule Rhein-Main.
00:01:28
Speaker
Und ihre Arbeitsschwerpunkte sind Rechtsextremismusforschung, Präsentation,
00:01:33
Speaker
Bildung sowie Antifeminismus als Herausforderung für die soziale Arbeit, also viel Expertise hier vorhanden.
00:01:38
Speaker
Und Johanna, du hast ja schon ein paar Jährchen her mit Ursula Birsel zusammen ein vom HMWK gefördertes Projekt durchgeführt, Rechtsextremismus und Gender, Frauen als Täterinnen und Opfer.
00:01:50
Speaker
extrem rechter Gewalt.
00:01:51
Speaker
Also finde ich sehr spannend.
00:01:53
Speaker
Da werden wir sicherlich auch noch was dazu hören.
00:01:55
Speaker
Schön, dass du da bist.
00:01:58
Speaker
Michaela Köttig ist Professorin für den Bereich Grundlagen der Gesprächsführung, Kommunikation und Konfliktbewältigung an der Frankfurter Hochschule sowie Sprecherin des COMSI und Mitglied im GFFZ.
00:02:14
Speaker
Ihre Arbeitsschwerpunkte sind junge Frauen und Rechtsextremismus.
00:02:17
Speaker
Gendersensible soziale Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen und Radikalisierung und Radikalisierungsprävention, also auch hier sehr einschlägig.
00:02:27
Speaker
Und aktuell läuft noch ein BMBF-Verbundprojekt.
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Speaker
Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen und der zeitgenössischen Extremrechten.
00:02:36
Speaker
Dynamikeneffekte, Ambivalenzen, kurz GERDEA.
00:02:40
Speaker
Und hiervon werden wir sicherlich auch noch einiges hören von dir, Michaela.
Motivation und Einstieg in die Geschlechterforschung
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Speaker
Schön, dass wir jetzt ins Gespräch kommen können.
00:02:49
Speaker
Ich würde euch gleich mal die erste Frage stellen zum Einstieg, die unsere HörerInnen, glaube ich, immer sehr interessiert und mich auch.
00:02:59
Speaker
Nämlich, warum gerade Geschlechterforschung?
00:03:01
Speaker
Wie seid ihr also dazu gekommen,
00:03:03
Speaker
Was sind so eure Anfänge mit dieser Thematik?
00:03:07
Speaker
Johanna, magst du beginnen?
00:03:08
Speaker
Ich wollte gerade sagen, da Michaelas Anfänge ja zeithistorisch vor meinen liegen, könntest du vielleicht anfangen, Michaela, oder?
00:03:17
Speaker
Ja, also ich würde gleich, glaube ich, zwei Sachen thematisieren.
00:03:21
Speaker
Also warum Geschlechterforschung und warum Rechtsextremismus?
00:03:25
Speaker
Forschung und Gender.
00:03:27
Speaker
Ich finde, das ist beides ziemlich relevant.
00:03:30
Speaker
Und zur Geschlechterforschung bin, das ist unspektakulärer, finde ich, also meine Geschichte jedenfalls, weil für mich war das einfach ein Thema, das auf der Hand lag, als ich angefangen habe zu studieren und das auch damals zeitgeschichtlich auf der Hand lag.
00:03:45
Speaker
Also es gab ganz viele Auseinandersetzungen zwischen Männern und Frauen.
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Speaker
zu was weiß ich, wie leben wir zusammen, wer ist für was verantwortlich, Ungleichbehandlung.
00:03:56
Speaker
Also die Gender-Themen lagen damals auf der Straße und als ich angefangen habe zu studieren, eigentlich schon, ich glaube das erste Mal konfrontiert worden bin ich mit dem Thema ganz extrem, als meine damalige Lehrerin im Werkunterricht in meiner Erzieherinnenausbildung war.
00:04:14
Speaker
meinen gesamten Abschlussbericht gegendert hat.
00:04:18
Speaker
Also überall weibliche und männliche Form und alles war rot.
00:04:22
Speaker
Und ich habe gedacht, wie kommt die dazu?
00:04:26
Speaker
Das musste man damals noch mit Schreibmaschine schreiben und so weiter.
00:04:32
Speaker
Naja, und dann habe ich halt angefangen zu studieren und habe das Thema weiter verfolgt.
00:04:37
Speaker
Und dann, das war so in der Zeit, als die Grenzöffnung war, Fall der Mauer, DDR und so weiter, und die ersten Bilder von Übergriffen gezeigt wurden, also sowohl in Mölln als auch in Rostock, als auch überall im Bundesgebiet, wo sowas passiert ist, erspähte ich im Hintergrund klatschende Frauen.
00:05:01
Speaker
Und ich war damals richtig auf diesem Gender-Themen-Kurs drauf und habe mich sofort auf die Suche gemacht, wie kommt das eigentlich?
Frauen in extremen Ideologien und ihre Rollen
00:05:09
Speaker
Weil, also ich bin sozialisiert worden halt in diesem, in dieser Perspektive, Frauen sind immer solidarisch, wir stehen gemeinsam, wir stehen zusammen.
00:05:19
Speaker
treten voran, wir sind kreativ offen, also ausgerichtet an humanitären Values, Werten.
00:05:28
Speaker
Und ich bin davon ausgegangen, dass das so ist.
00:05:31
Speaker
Und ich konnte es überhaupt nicht zusammenbringen, dass da klatschende Frauen im Hintergrund standen und meine Welt ist zusammengebrochen.
00:05:39
Speaker
Und dann habe ich angefangen, dazu zu recherchieren zu dem Thema.
00:05:42
Speaker
Da gab es damals nur so ein paar Artikel zum Wahlverhalten und einen einzigen Artikel zu Mädchen von Birgit Meier.
00:05:50
Speaker
Und dann habe ich gedacht, weil ich eh unbedingt Biografieforschung machen wollte, damit bin ich angefangen in meinem Studium, habe ich gedacht, als ich dann die erste Hausarbeit geschrieben hatte zu dem Thema und nichts gefunden hatte, habe ich gedacht, okay, das wird jetzt mein Job werden.
00:06:05
Speaker
Und dann habe ich angefangen...
00:06:07
Speaker
mich stärker mit diesem Thema Frauen- und Rechtsextremismus, insbesondere junge Frauen- und Rechtsextremismus zu beschäftigen.
00:06:14
Speaker
Und das begleitet mich ja bis in die Gegenwart, wie man sehen kann.
00:06:17
Speaker
Ja, dann erzähle ich meinen, also schließe ich meinen Zugang zur Geschlechterforschung und zum Thema an.
00:06:26
Speaker
Also ich habe erst mal den ersten Impuls gehabt zu denken, ich bin gar keine richtige Geschlechterforscherin.
00:06:34
Speaker
Das hat aber eher was damit zu tun, weil ich nie Gender Studies studiert habe.
00:06:39
Speaker
Sondern meine Zuwendung zur Geschlechterforschung kommt aus der Soziologie heraus und kommt eben aus der Beschäftigung mit sozialer Ungleichheit.
00:06:49
Speaker
Und wenn wir uns mit sozialer Ungleichheit auseinandersetzen, dann fallen wir über Geschlecht.
00:06:55
Speaker
Weil Geschlecht unsere Gesellschaft hochgradig
00:07:00
Speaker
strukturiert und für soziale Ungleichheiten sorgt.
00:07:03
Speaker
Und das war eigentlich so mein erster Zugang zu Geschlechterforschendenfragen, weil das ist natürlich auch Geschlechterforschung, aber ich habe damals Anfang der 2000er in Göttingen studiert und da habe ich viele Freundinnen gehabt, die auch Geschlechterforschung als Studienfach studiert haben.
00:07:24
Speaker
Und das habe ich nicht genannt.
00:07:26
Speaker
Deswegen fühle ich mich da eigentlich nicht weniger zugehörig.
00:07:29
Speaker
Aber wenn es so eine disziplinäre Verortung gäbe, dann würde ich immer sagen, mein Blick auf Geschlechterforschung kommt aus der soziologischen Perspektive heraus.
00:07:38
Speaker
Ich habe auch Pädagogik studiert, da waren aber in der Tat
00:07:42
Speaker
Die Fragen, zumindest in der Zugrundelegung, was so soziale Ungleichheit und ähnliches anging, die waren da nicht so relevant.
00:07:51
Speaker
Das wurde erst spezifischer zum Beispiel auch mit Fragen wie Rechtsextremismus und Geschlecht.
00:07:57
Speaker
Micha, als du gerade darüber gesprochen hast, dass das für dich eigentlich so ein Irritationsmoment war, Frauen im Kontext von Rechtsextremismus wahrzunehmen, fand ich das spannend, weil bei mir war es eigentlich ganz anders.
00:08:12
Speaker
Bei mir war es eigentlich ein Beginn mit dem Zugang festzustellen, dass Frauen eben nicht thematisiert werden im Kontext von der extremen Rechten, sie für mich aber immer Teil davon waren.
00:08:25
Speaker
Und zwar das, was du sagst, was du nicht zusammengebracht hast.
00:08:29
Speaker
Diesen Moment hatte ich nicht, sondern ich hatte eigentlich eher die Empörung darüber, dass Frauen so unsichtbar gemacht werden in der Auseinandersetzung und in der Wahrnehmung über Rechtsextremismus.
00:08:39
Speaker
Das mag was damit zu tun haben, dass ich eben in einer anderen Zeit begonnen habe, mich dem Thema auch wissenschaftlich zuzuwenden.
00:08:47
Speaker
Das hat aber vielleicht auch was mit meiner eigenen Biografie zu tun, in der es in meiner Familiengeschichte immer Frauen gab, die also als Enkelin der NS-TäterInnen-Generationen, war mir das einfach nicht fremd.
00:09:06
Speaker
Ich kannte auf anderen Ebenen immer rechte Frauen.
00:09:11
Speaker
Und ich habe mich darüber gewundert und empört, dass die aus der öffentlichen Wahrnehmung so ausgeschlossen werden.
00:09:20
Speaker
Das war eigentlich vielmehr meine Fragestellung.
00:09:23
Speaker
Also eher nicht danach zu fragen, warum werden die so übersehen?
00:09:29
Speaker
Und mit dem Sichtbarmachen zugleich aber jetzt...
00:09:34
Speaker
kein Empowerment für diese Frauen zu betreiben, das ist ja manchmal so ein kleines erstes Missverständnis, sondern eben gesellschaftliche Wirklichkeit anders und besser abbilden zu können und damit eben auch in ihren Widersprüchen oder vermeintlichen Widersprüchen zu hinterfragen.
Historische Ignoranz gegenüber Frauen im Extremismus
00:09:53
Speaker
Genau, das war so mein Punkt.
00:09:54
Speaker
Ja, und was ich sehr spannend finde, Johanna, ist, dass...
00:09:59
Speaker
dass das sehr gut widerspiegelt, wie die Entwicklung ist.
00:10:03
Speaker
Also als ich angefangen habe, war das der Aufschrei in der Frauenbewegung, dass es solche Frauen gibt.
00:10:10
Speaker
Und in Fantifa Kassel war dann halt so eine Gruppe, oder Marburg auch, die sich dann überhaupt damit erstmal beschäftigt haben.
00:10:20
Speaker
Und das Erste, was wir dann...
00:10:22
Speaker
auch als ich dann so eingestiegen bin, mit was wir konfrontiert wurden, ist, dass die wegdefiniert wurden.
00:10:30
Speaker
Also, dass denen abgesprochen wurde, dass sie eine politische Haltung haben, dass sie einfach nur Mitläuferinnen sind, dass sie eigentlich keine eigenen Interessen haben, sondern ihren Männern in die Szene reinfolgen.
00:10:45
Speaker
Und das waren ja so die Anfänge, wo wir aufgezeigt haben,
00:10:49
Speaker
Also so ist es jetzt mal nicht.
00:10:51
Speaker
Und wir haben das versucht, mal an einem Beispiel, also Renate Bitzan und ich und Berit Schröder, wir haben das mal versucht aufzuzeigen im Hinblick auf den Umgang mit extrem rechten Straftaten damals.
00:11:07
Speaker
wo wir so einen Beitrag geschrieben haben in der Feminine, also ich weiß gar nicht mehr, wo er genau veröffentlicht wurde, aber auf jeden Fall hieß das sowas wie vom Mitmorden bis sonst wo.
00:11:18
Speaker
Und wo wir gezeigt haben, wo wir halt gezeigt haben, einmal an einem
00:11:26
Speaker
einem Zeitungsartikel, den wir ausgewertet haben und dann aber auch in der Registrierung zum Beispiel bei der polizeilichen Kriminalstatistik und so weiter, wie das politisch sein wegdefiniert wird.
00:11:40
Speaker
Sondern das ist, also wird nicht zugeordnet, Frauen werden erstmal gar nicht gezählt und so weiter und so weiter.
00:11:47
Speaker
Und unser erstes Thema und übrigens bis heute ist das noch durchgängig Thema, dass Frauen in der extremen Rechten
00:11:56
Speaker
versucht wird, das politische Sein von denen nicht wahrzunehmen.
00:12:02
Speaker
Sehr schön haben wir das dann auch aufgezeigt an Beate Ciepe und so weiter.
00:12:05
Speaker
Da konnten wir das aber wieder par excellence sehen.
00:12:09
Speaker
Genau, dieser Artikel von euch, der war ja ganz lange einer der ersten, der, und deswegen greife ich das auf, Hanna, weil du mich mit diesem Forschungsprojekt, was ich mit Uschi Bösel zusammen hatte, vorhin eingeführt hast, was nur ein sehr kleines Forschungsprojekt war,
00:12:24
Speaker
Aber was auch deswegen so klein war, weil es eben auch die wissenschaftliche Missachtung des Themas widerspiegelt, weil dieser Artikel, von dem Michaela gerade gesprochen hat, der ist aus dem Jahr 2003.
00:12:35
Speaker
Und ich erinnere mich, Michaela, dass wir...
00:12:40
Speaker
Ende der 2000er, so um 2010 herum auch mit mehreren Kolleginnen länger an einem DFG-Antrag gearbeitet haben zu Fragen von weiblicher Täterschaft.
00:12:55
Speaker
im Rechtsextremismus, also zu Frauen als TäterInnen und dass es dafür einfach super lange überhaupt keinen Forschungsrahmen gab, weil es keine Gelder dafür gegeben hat.
00:13:07
Speaker
Und dieser kleine Artikel, den ihr damals Anfang der 2000er geschrieben habt, ganz lange mit der einzige so wissenschaftliche Referenzpunkt dazu war, in dem ihr ja die
00:13:19
Speaker
unterschiedlichen Funktionen, die Frauen haben können, im Kontext von rechten Straf- und Gewalttaten, also von der Galeriefunktion hin bis zur aktiven Täterinnenschaft, aufgezeigt habt.
00:13:32
Speaker
Und in der ihr ja auch so aufgezeigt habt, wie Frauen eben nicht nur medial, sondern auch durch Ermittlungsbehörden einfach systematisch in ihrer aktiven Beteiligung übersehen werden.
00:13:46
Speaker
Und Uschi Bösel und ich haben das in dem Projekt, Hanna, was du genannt hast zu Rechtsextremismus und Gewalt, nochmal versucht systematischer zu erfassen.
00:13:57
Speaker
Das Projekt fiel in einen Stellenwechsel, den ich hatte.
00:14:00
Speaker
Deswegen habe ich das nicht zu Ende geführt.
00:14:02
Speaker
Aber Uschi Bösel hat sich noch lange damit ja auch beschäftigt.
00:14:06
Speaker
Und das ist ja auch heute noch ihr Thema.
00:14:08
Speaker
Und da ging es darum,
00:14:10
Speaker
über eine Art Ereignisdatenbank diese Beteiligung von Frauen auch mal systematisch zu erfassen und zwar über eine mediale Berichterstattung hinweg.
00:14:19
Speaker
Also wie werden eben Frauen dargestellt und eingeführt in der medialen Berichterstattung über rechte Gewalt?
00:14:27
Speaker
Was haben die für eine quantitative Anwendung
00:14:30
Speaker
Repräsentanz und gleichzeitig auch welche, welche Rollen und welche Funktionen werden ihnen zugeschrieben.
00:14:37
Speaker
Und man muss ja über die Zuschreibung sprechen dann, wenn man eine Medienanalyse macht, weil das ist ja das, was Zeitungen auf Grundlage von zum Beispiel polizeilichen Meldungen oder anderen Zeitzeugen oder anderen Interviewpartnern, die sie haben, daraus machen.
00:14:56
Speaker
Uschi Bösel hat im Anschluss danach auch noch weitere Forschungsprojekte in dem Kontext gemacht, wo dann nicht nur Zeitungsartikel oder Zeitungsmeldungen die empirische Grundlage waren, sondern auch Ermittlungsakten.
00:15:12
Speaker
Genau, in eurem aktuellen Projekt.
00:15:14
Speaker
In diesem Verbundprojekt, was du gerade angesprochen hast, hat sie ein Teilprojekt.
00:15:18
Speaker
Also das Verbundprojekt, was in Frankfurt koordiniert wird, hat aber vier Teilprojekte und eins davon sitzt in Marburg.
00:15:25
Speaker
Und da beobachten die Prozesse, so sind Prozessabläufe im Hinblick auf Geschlechterkonstruktionen.
00:15:35
Speaker
Und interviewen auch Prozessbeteiligte, also insbesondere RichterInnen, StaatsanwältInnen, NebenklägerInnen und so weiter.
00:15:44
Speaker
Und also das hat sich noch weiter, also Akten, also zuerst nur die Statistik, dann die Akten und jetzt sind sie auch bei Beobachtung.
00:15:51
Speaker
Was im Übrigen ganz, also witzig ist ja in unserem Kontext immer das falsche Wort.
00:15:56
Speaker
Aber auch ganz spannend ist, weil auch ich gerade mit ähnlichem Material noch mal beschäftigt war, weil ich mir den letzten Prozess gegen Ursula Haferbeck noch mal vorgenommen habe.
00:16:07
Speaker
Also Ursula Haferbeck als eine über viele Jahrzehnte tätige Aktivistin in der extremen Rechten, die mittlerweile verstorben ist.
00:16:18
Speaker
und die eine bekannte Holocaust-Leugnerin war und deswegen auch immer wieder vor Gericht stand.
00:16:24
Speaker
Und ich schon vor vielen Jahren, deswegen komme ich da jetzt gerade drauf, vor über acht Jahren an ihrem ersten Prozess, also in Hamburg vor Gericht, das beobachtet habe und damals mal bei euch auf der Tagung, Micha, ich glaube im Jahr 2012 auch darüber, einen Vortrag gehalten habe und jetzt war im letzten Jahr, im Sommer,
00:16:44
Speaker
Wie gesagt, über acht Jahre später der Revisionsprozess und Haferbeck stand dann mit über 90 Jahren, also konkret mit 94 Jahren erneut da vor Gericht, beziehungsweise stand nicht mehr, sondern saß in ihrem Rollstuhl.
00:16:58
Speaker
war aber geistig immer noch aktiv.
Gender-Performances und politische Botschaften in Gerichtsverfahren
00:17:00
Speaker
Und das sind genauso spannende Fragen.
00:17:02
Speaker
Wie funktioniert da auch so eine vergeschlechtlichte Inszenierung und wie korrespondiert die nicht nur in der Selbstdarstellung von Aktivisten, sondern eben auch in den Zuschreibungen, die durch andere relevante AkteurInnen damit verknüpft sind, wie korrespondiert die eben mit den politischen Botschaften?
00:17:27
Speaker
Und welche Bühne bietet Gericht oder wie werden dort auch Stereotype über weiblichen Rechtsextremismus im Zweifelsfall reproduziert oder möglicherweise aufgebrochen dann, wenn eben wirklich andere Dinge verhandelt werden?
00:17:43
Speaker
Aber ich meine, wir konnten das sehen am Prozess gegen Beate Zschäpe, der ja eigentlich genau, also sehr lange in diesen Kategorien auch funktioniert hat.
00:17:54
Speaker
Ja, also wenn man sich die mediale Berichterstattung angeschaut hat und wenn man sich dann teilweise auch ihren Auftritt vor Gericht angeschaut hat.
00:18:02
Speaker
Also dass rechte Frauen sich versuchen auch den entpolitisierenden Zuschreibungen zu bedienen,
00:18:13
Speaker
Also vorwerfen kann ich denen das nicht.
00:18:16
Speaker
Sondern ich meine, das sind eben Möglichkeitsräume, die sich aufgrund gesellschaftlich wirkmächtiger Bilder über Geschlecht und Rechtsextremismus bieten.
00:18:27
Speaker
Naja, wenn man sich diesen Prozess speziell nochmal anguckt, waren alle Frauen, die da irgendwie als Zeuginnen oder sowas aufgetreten sind, haben das geschafft, ihre eigene Involviertheit so rauszuerzählen, dass ihnen immer geglaubt wurde.
00:18:45
Speaker
Also, dass sie nur Hausfrauen sind, dass sie eigentlich gar nichts politisch machen.
00:18:48
Speaker
Also, denen konnte nachgewiesen werden, dass sie ihre Identität zur Verfügung gestellt haben, dass sie...
00:18:54
Speaker
dieses und jenes und so weiter gemacht haben, aber die haben es geschafft, in dem Prozess zu überzeugen, dass sie da eigentlich gar nichts mehr zu tun haben.
00:19:05
Speaker
Und das schließt natürlich an gesellschaftliche Geschlechterrollenbilder an, dass Frauen keine extremen Rechten sein können.
Intergenerationale Weitergabe extremistischer Ideologien
00:19:15
Speaker
Also linke, extreme rechte Frauen, die kann man haben, das sind dann halt
00:19:21
Speaker
die Hexen, sage ich jetzt mal, aber im Rechtsextremismus ist es unglaublich schwierig.
00:19:28
Speaker
Da gibt nur dieses, also die sind eigentlich mütterlich, traditionelle Frauen, aber als politische Aktivistin mit einer klaren Agenda, das ist im Rechtsextremismus echt total schwierig möglich.
00:19:44
Speaker
Und ich will nochmal was zu dir sagen, Johanna.
00:19:46
Speaker
Ich habe ja sehr lange versucht zu vermeiden, mir diese intergenerationellen Sachen anzugucken.
00:19:57
Speaker
Also dass über die Generationen auch so eine politische Haltung in den Familien tradiert wird.
00:20:03
Speaker
Und in meinen Interviews bin ich da permanent drauf gestoßen worden.
00:20:08
Speaker
Ich habe es eigentlich nur meiner Doktormutter, Gabriele Rosenthal, zu verdanken, dass ich mich irgendwann mal getraut habe, nachdem ich meine eigene Familiengeschichte recherchiert habe, mir das genauer anzugucken.
00:20:19
Speaker
Aber worauf ich eigentlich hinaus will, ist, dass es gerade über die Mütter diese Tradierung gibt.
00:20:26
Speaker
Also dass die jungen Frauen, auch mit denen ich gesprochen habe, wenn es so eine Tradierung gab, dass über die Mütter gegen die Väter,
00:20:34
Speaker
zum Beispiel passiert ist.
00:20:36
Speaker
Also dass es innerhalb der Familie eine unterschiedliche politische Ausrichtung gab und die Mädchen unbewusst oder bewusst die mütterliche Seite gestärkt haben, die eher dann, also in diesen Familien, das kann man ja nicht generalisieren, aber in diesen Familien dann eher diese rechten Haltungen vertreten haben.
00:20:56
Speaker
Und da komme ich auch drauf, dass es eigentlich schon Familientraditionen gibt, die
00:21:04
Speaker
länger als der Nationalsozialismus ist, die nationale Stimmung oder nationale Haltung in den Familien weitergegeben wurden, bis in die Gegenwart hinein.
00:21:15
Speaker
Nur ab jetzt wird es halt schwieriger nachzuvollziehen, was in der Vergangenheit in der Familie war, weil das natürlich von den Frauen, wenn wir die jetzt interviewen, merke ich auch jetzt an den Interviews, immer schwieriger ist, daran zu kommen, weil denen das gar nicht mehr bewusst zugänglich ist irgendwie.
00:21:33
Speaker
Aber bei den Interviews, die ich gemacht habe, hatten also damals so in den Ende der 90er, Beginn der 2000er, also so die hauptsächlichen auch für meine DISS, da konnte man das sehr schön hinkriegen.
00:21:46
Speaker
Und interessant war auch, dass ich dann, als ich mich auf die Familiengeschichte eingelassen habe, auch die jungen Frauen gefragt habe, ob ich Familienmitglieder habe.
00:21:57
Speaker
Und die Frauen, also die Interviewpartnerinnen, haben hier dann immer, wenn sie es ermöglicht haben, den Zugang zu ihren Müttern ermöglicht, was ja auch interessant ist.
00:22:08
Speaker
Nicht zu ihren Großvätern, obwohl sie mit denen auch ganz oft sehr identifiziert waren auf der politischen Ebene, sondern eher zu ihren Müttern.
00:22:16
Speaker
Ich habe übrigens bei dem, was du sprichst, natürlich jetzt an meine Empirie gedacht.
00:22:21
Speaker
Also Hanna, Michaela und ich sind ja beide BiografieforscherInnen.
00:22:25
Speaker
Wir haben eine gemeinsame Doktormutter und eine nicht gemeinsame.
00:22:29
Speaker
Die nicht gemeinsame ist, dass Michaela auch meine Doktormutter war, aber die gemeinsame ist Gabriele Rosenthal.
00:22:35
Speaker
Das hat halt alles ein paar Jahre zeitversetzt stattgefunden.
00:22:39
Speaker
Aber das heißt, ich habe von Michaelas Forschung und der intergenerationalen Perspektive auf Rechtsextremismus bei gleichzeitig der Einnahme einer geschlechterreflektierenden Perspektive auf jeden Fall profitiert.
00:22:52
Speaker
Und vielleicht ist das der Moment, bevor ich gleich über meine eigenen Ergebnisse spreche.
00:22:59
Speaker
Das war der Zugang, so wie Michaela und ich uns auch kennengelernt haben, dass Michaela in Göttingen in der Soziologie ein Seminar angeboten hat,
00:23:09
Speaker
wo es um grundständige Einführung in die empirische Sozialforschung ging, am Beispiel von Biografieforschung.
00:23:18
Speaker
Und ich bin damals in das Seminar gegangen und bin am Ende der ersten Sitzung zu dir gekommen und habe gesagt, hallo Frau Köttig, das bin ich und ich möchte auch rechte Frauen interviewen.
00:23:28
Speaker
Das war nicht das Thema des Seminars, sondern ich glaube, da ging es wahrscheinlich rübergefasst um politische AktivistInnen oder um politischen Aktivismus.
00:23:38
Speaker
Und Klammer auf, ich finde das auch immer richtig, gerade dann, wenn es so eine empirische Nähe gibt in der Forschung, dass man in einem Seminar das
Einfluss persönlicher und familiärer Erfahrungen auf Extremismus
00:23:48
Speaker
nicht zur Voraussetzung machen kann, dass alle jetzt irgendwie sich mit Rechten beschäftigen sollen.
00:23:54
Speaker
Das ist vielleicht auch noch ein spannender Punkt, über den wir sprechen können.
00:23:57
Speaker
Ich wusste aber, dass ich das gerne will.
00:24:01
Speaker
Und so hat es auch für mich angefangen.
00:24:03
Speaker
Und ich habe dann ja später in meiner Dissertation, in der es um sogenannte AussteigerInnen aus der Extremrechten ging, nicht nur Frauen oder weibliche AktivistInnen oder ehemalige Neonazis interviewt, sondern
00:24:18
Speaker
männliche wie weibliche Aktivistinnen.
00:24:20
Speaker
Und ich musste da jetzt gerade dran denken, weil ich einen Biografen, mich an einen Biografen erinnert habe, Michaela, bei dem diese Tradierung genauso sich über die Mutter vollzogen hat.
00:24:31
Speaker
Und alles, was er über seine, also vom nationalsozialistischen Großvater über die rechtsextreme Mutter hin in der dritten Generation zum Neonazi, zum jugendlichen Neonazi.
00:24:47
Speaker
Alles, was er von seiner Mutter an lebensweltlicher rechtsextremer Zuwendung erfahren hat, also das ging alles über diese Mutter in der Bearbeitung der Taten des Großvaters.
00:25:00
Speaker
Und gleichzeitig war sie nie, so wie ich das zumindest rekonstruieren konnte, war sie nie bekannte rechte Aktivistin, aber hat eben in
00:25:13
Speaker
in dem familialen Miteinander und in der geliebten politischen Selbstverständlichkeit in der Familie einfach den Rechtsextremismus verbreitet und gepflegt.
00:25:26
Speaker
Und aufgebrochen ist er dann quasi sichtbar dann wieder bei ihrem Sohn.
00:25:33
Speaker
Insofern würde ich hier gar keine geschlechterhomogene Linie aufmachen, aber ich glaube, das, was wir sehen, ist im Zweifelsfall diese eher unsichtbare Müttergeneration, die vermutlich in viel politischer Sozialisationsforschung, gerade dann, wenn es um vermeintlich radikalisierende Sozialisationserfahrung geht, überhaupt nicht beachtet wird.
00:26:04
Speaker
Genau, also es wird ja sowieso nicht historisch geguckt bei der Rechtsextremismusforschung oder fast gar nicht.
00:26:12
Speaker
Und dann wird natürlich nicht auf die Mütter geguckt, wenn überhaupt.
00:26:16
Speaker
Das kommt ja dann auch noch dazu.
00:26:18
Speaker
Aber die mittlere Generation, also war bei meinen Untersuchungen, hatte einen sehr zentralen Stellenwert, wie die sich ausgerichtet haben, wie die agiert haben und so.
00:26:31
Speaker
Ja, das finde ich auch ganz interessant.
00:26:33
Speaker
Und was ich auch interessant finde, wir machen ja jetzt wieder in dem neuen Projekt jetzt auch wieder biografische Interviews, allerdings ausgehend von Social-Media-Accounts, die wir dann auswerten und dann gleichzeitig die Biografien analysieren.
00:26:50
Speaker
Und da ist die Großeltern, oder dann ja schon Urgroßelterngenerationen,
00:26:58
Speaker
fast verschwunden.
00:26:59
Speaker
Also wo wir jetzt sind, ist, dass die soziale Rahmung viel stärker wird.
00:27:06
Speaker
Also wir haben jetzt gerade einen, der versucht, eine moderate rechtsextreme Haltung über die AfD einzunehmen, im Gegensatz zu seiner dörflichen Umgebung, die viel extremer drauf ist.
00:27:23
Speaker
Also, was da jetzt zum Beispiel, das müssen wir noch weiter recherchieren, aber was da zum Beispiel Thema ist, dass es auch so eine kollektive, dörfliche Tradition gibt, die immer weitergegeben wird und die sich auch...
00:27:40
Speaker
radikalisiert in gewisser Weise jetzt wieder.
00:27:43
Speaker
Also jetzt ist es ja wieder viel mehr Mainstream, extrem rechte Positionen einnehmen zu können.
00:27:49
Speaker
Die waren immer da, die waren halt nur viel stärker verborgen und jetzt dürfen die wieder nach außen treten.
00:27:55
Speaker
Und er fühlt sich zum Beispiel total unwohl, weil er findet, eigentlich ist es doch okay, schwul zu sein, aber das geht gar nicht.
00:28:06
Speaker
Und dann findet er natürlich in so jemanden wie Alice Weidel oder so zumindest mal eine Idee, dass es das auch in der extremen Rechten geben könnte und orientiert sich daran.
00:28:17
Speaker
Das finde ich ganz interessant, weil das ist bisher in meinen Untersuchungen eher die innerfamiliale Tradition und wie sich das tradiert hat ausschlaggebend und da ändert sich jetzt gerade was in der Schwerpunktsetzung.
00:28:35
Speaker
Und du hast es ja zugleich immer in Beziehung gesetzt mit den sozialen Rahmenbedingungen.
Rolle der sozialen Medien in der Verbreitung extremistischer Ideologien
00:28:40
Speaker
Also zu sagen, dass es die sozialen Gelegenheitsstrukturen geben muss, die dann auch das Sichtbarmachen des Engagements irgendwie ermöglichen.
00:28:50
Speaker
Gleichzeitig, klar, wenn ich jetzt an bestimmte Biografien denke, dann habe ich auch Verläufe rekonstruiert, in denen...
00:29:01
Speaker
Menschen ganz aktiv aus ihrem, ihnen unbewussten, also aus der intrinsischen Motivation heraus den Kontakt zu rechten Strukturen und Gruppierungen gesucht haben, obwohl die vor Ort eben überhaupt nicht zugänglich waren.
00:29:16
Speaker
Und das war dann ja sowas wie über soziale Medien oder zumindest damals dann, wenn wir eher um die 2010er rumdenken, wo soziale Medien noch nicht in derselben Form verbreitet waren, wie sie jetzt verbreitet sind.
00:29:32
Speaker
über das Internet.
00:29:33
Speaker
Also wo man das beobachten konnte, dass es eben so ein starkes biografisches Bearbeitungsbedürfnis oder so eine starke biografische Sinnhaftigkeit in der Entwicklung einer rechten Orientierung gab, dass die jenseits von fehlenden Gelegenheitsstrukturen im eigenen sozialen Umfeld eben realisiert worden sind.
00:29:54
Speaker
Und das, was du jetzt beschreibst, ist das einfach...
00:29:57
Speaker
glaube ich, eben der Möglichkeitsraum und die alltagsweltliche Begegnung und die Selbstverständlichkeit, mit der es möglich ist, mit rechten Positionen in Berührung zu kommen und mit rechten Organisationen, dass wir da einfach gerade eine total gesellschaftliche Veränderung haben.
00:30:18
Speaker
Die natürlich, könnte man jetzt sagen, nicht dazu führt, dass weniger Menschen sich dem zuwenden, sondern eben quasi ja in gewisser Weise eine Niedrigschwelligkeit von rechter Orientierung ermöglicht.
00:30:36
Speaker
Und zwar sogar schon fast wieder in Abgrenzung, also in sich zurücknehmen.
00:30:42
Speaker
Also diese Vorstellung, dass die AfD die moderatere Variante einer extremen Rechten ist, die er im alltäglichen Leben um sich hat.
00:30:53
Speaker
Also das macht sich bei ihm sehr an diesen Gender-Themen.
00:30:56
Speaker
Also einmal hier zu sein und das andere ist die Gewalt von Männern gegenüber Frauen.
00:31:02
Speaker
Also sein Vater schlägt die Mutter und er beschützt die Mutter.
00:31:07
Speaker
Und das ist so ein Thema, was in diesem dörflichen Kontext eigentlich die Normalität aus seiner Perspektive ist.
00:31:14
Speaker
Aber er kann das nicht zulassen und dann sucht er sich was anderes.
00:31:18
Speaker
Und das ist halt, also ich finde schon...
00:31:22
Speaker
Interessant, wie sich meine Ergebnisse weiterentwickeln.
00:31:25
Speaker
Also mein Ergebnis war ja so eine Verbindung zwischen dieser historischen Verstrickung in den Nationalsozialismus, welche Rolle die mittlere Generation dargespielt hat und wie die sich dazu positioniert hat, beziehungsweise zur Verdeckung der Verstrickung beigetragen hat und was das auch festgelegt.
00:31:44
Speaker
für biografische Auswirkungen hat für meine Interviewpartnerin damals und dann die sozialen Rahmenbedingungen und dass sich da jetzt was verändert am Gehalt, also das finde ich, oder an der Bedeutung, was mehr Bedeutung bekommt, das finde ich wichtig zu betonen und was ich auch wichtig zu betonen finde, ist, dass es niemals so ist, dass es zufällig ist, dass man da reinrutscht.
00:32:11
Speaker
Also wir haben ja jetzt gerade diesen Artikel geschrieben noch mal,
00:32:14
Speaker
wo du das ja auch noch mal sehr schön aufmachst, dass es immer Legitimationen gibt, auch Hinwendungsbegründungen, Bearbeitungen von biografischen Themen.
00:32:24
Speaker
Und das ist ja das, was bei mir auch ganz zentral sichtbar wurde, dass das, womit die sich innerhalb der Extremrechten beschäftigt haben, also was die zentralen Engagementthemen waren,
00:32:37
Speaker
das waren Themen aus ihrer eigenen Biografie und Familiengeschichte.
00:32:42
Speaker
Das kann Antisemitismus sein, das kann Genderthemen sein, das können alle möglichen Themen sein, aber die haben eine biografische und familiengeschichtliche Verknüpfung und das geht immer weiter.
00:32:55
Speaker
Das glaube ich auch nicht, dass sich das ändert durch die höhere alltagsweltliche Verfügbarkeit von rechten Narrativen, sondern ich glaube einfach, dass dadurch, dass
00:33:05
Speaker
das Potenzial erhöht wird, aber keine biografische Sinnhaftigkeit geschaffen wird, die nicht sowieso vorher da ist.
00:33:14
Speaker
Was ich bei dem Beispiel, was du gerade genannt hast, spannend fand, eben so deutlich daran zu machen, dass die extreme Rechte auswählen,
00:33:25
Speaker
Erklärungsangebote eben für irritierende soziale Phänomene hat und die Leute sich denen bedienen.
Ausnutzung gesellschaftlicher Themen durch die extreme Rechte
00:33:31
Speaker
Also das Beispiel von Gewalt im Geschlechterverhältnis ist ja eins, was uns gesamtgesellschaftlich viel mehr über die Maße beschäftigen müsste, als es das tut.
00:33:45
Speaker
Und gleichzeitig die extreme Rechte mit der Strategie der Ethnisierung von Sexismus
00:33:54
Speaker
Und der Verlagerung, also der damit einhergehenden Problemverlagerung, dass eigentlich Gewalt im Geschlechterverhältnis eine männliche Gewalt ist, die aber gleichzeitig von nahezu überwiegend von Männern ausgeübt wird,
00:34:10
Speaker
die sie in ihrer ideologischen Färbung jenseits des ihnen zugehörigen Kulturkreises verorten.
00:34:19
Speaker
Also diese Externalisierung von Sexismus ist ja auch eine Entlastungsstrategie, um sich eben nicht in der gleichen Form mit der selbsterlebten, also jetzt aus einer weißen, herkunftsdeutschen Perspektive gesprochen,
00:34:37
Speaker
mit der selbst erlebten Gewalt im Geschlechterverhältnis zu beschäftigen.
00:34:43
Speaker
Und das ist quasi eine Argumentationsfigur, die extreme Rechte anbietet und die ja gleichzeitig für sie selber in der politischen Agitation hochgradig funktional ist.
00:34:57
Speaker
Also wenn wir uns all die Proteste anschauen,
00:35:01
Speaker
die es gegeben hat nach Morden von migrantisierten Männern an herkunftsdeutschen Frauen, dann sehen wir daran, welches politische Potenzial das für die extreme Rechte hat.
00:35:17
Speaker
Das ist natürlich auch ein Thema, mit dem man seinen Rassismus moralisch legitimieren kann.
00:35:24
Speaker
Und das ist ja das, was so eine zentrale Bedeutung von Geschlecht im Kontext von rechtsextremen Argumentations- und Diskursfunktionen, dass es einfach gesellschaftlich anschlussfähig ist und dass es gleichzeitig für viele eben in den Figuren, die geschaffen werden, auch Entlastungsmomente birgt durch diese vorgenommene Ethnisierung von sexualisierter Gewalt.
00:35:52
Speaker
Und da sind wir auch vielleicht noch kurz, die ja gleichzeitig immer diesen Widerspruch impliziert, dass sexualisierte Gewalt oder Gewalt im Geschlechterverhältnis, um das nochmal zu erweitern,
00:36:09
Speaker
einfach auch ein Bestandteil der Extremrechten ist.
00:36:12
Speaker
Also wie viele Beziehungen von bekannten Extremrechtenaktivisten konnten wir beobachten in den letzten Jahrzehnten, in denen dann in Trennungsphasen eben genau auch solche Gewalttätigkeiten zum Thema gemacht worden sind und so.
00:36:33
Speaker
Die wissen eigentlich selber am besten, wie verbunden sie in ihrer Ideologie und in ihren Handlungsbezügen mit Gewalt sind.
00:36:45
Speaker
Und umso mehr hilft es ihnen, das zu externalisieren.
00:36:49
Speaker
Ja, und zu verdecken natürlich auch, also von sich weg zu definieren.
00:36:54
Speaker
Und in dem Zusammenhang auch ganz interessant, die jetzt so beginnenden Untersuchungen in Frauenhäusern und was es bedeutet, was da für Frauen zum Beispiel aufeinandertreffen,
00:37:07
Speaker
Nämlich, also natürlich sind sie alle von männlicher Gewalt betroffen, aber da hast du dann die Migranten, die in diesen Frauenhäusern Schutz suchen und gleichzeitig Extremrechte.
00:37:18
Speaker
Und das ballert da total aufeinander, wie auch die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen.
00:37:26
Speaker
Aber das war jetzt nur noch so eine Ergänzung.
00:37:29
Speaker
Ich wollte eigentlich nochmal auf einen anderen Aspekt und zwar...
Soziale Medien als Identitäts- und Ideologie-Experimentierfeld
00:37:32
Speaker
Ich bin ja im Moment völlig faszinierend von diesen Accounts, die wir da untersuchen und bin sehr beeindruckt, was die da machen.
00:37:44
Speaker
Das wirkt ja erstmal so als total schnelllebiges Leben.
00:37:48
Speaker
Du redest über Social-Media-Profile.
00:37:50
Speaker
Social-Media-Accounts, genau.
00:37:52
Speaker
Weil wir suchen, wir gucken ja jetzt im Moment ganz viel erstmal auf die Selbstpräsentation auf, was weiß ich, Instagram oder X oder sonst irgendwo, um zu gucken.
00:38:06
Speaker
Also wie, oder erstmal nur danach zu suchen, nach Frauen und Männern, die sich geschlechterpolitisch rechts da irgendwie präsentieren.
00:38:17
Speaker
Und ein Ergebnis, was wir jetzt schon erzielen konnten, ist, dass die auch da biografische Themen bearbeiten.
00:38:26
Speaker
Und zwar, das denkt man kaum.
00:38:29
Speaker
Also zum Beispiel war jetzt ein Ergebnis von der Analyse eines Accounts, dass es darum geht,
00:38:35
Speaker
rauszukriegen, welche schwulen Identitäten erlaubt sind in der extremen Rechten.
00:38:41
Speaker
Also wie man als schwuler Mann sich da präsentieren kann, um durchzugehen.
00:38:48
Speaker
Und da wurden alle möglichen Sachen ausprobiert und geguckt, wie die Reaktionen sind.
00:38:52
Speaker
Weil ich meine, da kriegt man unglaublich viele Reaktionen direkt ab und auch ziemlich unabhängig.
00:38:58
Speaker
geschminkt, sage ich jetzt mal.
00:39:00
Speaker
Und das ist ein hervorragendes Medium, um solche biografisch unsicheren Themen mal auszuprobieren, wie man damit umgehen kann, wie man das einordnen muss, was einem da entgegengebracht wird.
00:39:15
Speaker
Das finde ich zum Beispiel super spannend.
00:39:17
Speaker
Da habe ich auch nie drüber nachgedacht, dass das eine Möglichkeit sein könnte für Extremrechte.
00:39:24
Speaker
Das sind diese, also solche Social-Media-Accounts für solche Zwecke zu nutzen.
00:39:29
Speaker
Naja, das ist auf der einen Seite so ein ungefilterter Resonanzraum und auf der anderen Seite ist es ja aber trotzdem...
00:39:37
Speaker
eine vermittelte soziale Realität, die dich dafür schützt, wenn du deine digitale Identität entsprechend aufbaust, die dich im Zweifelsfall davor schützt, dass es dich auch damit konfrontiert, wenn du vor deine eigene Haustür gehst.
00:39:49
Speaker
Also das ist ja eine doppelt spannende Funktion da drin.
00:39:53
Speaker
Und das Thema von Geschlechterentwürfen unter extremen Rechten oder in der extremen Rechten, das ist ja auch eins, was uns schon...
00:40:02
Speaker
lange irgendwie begleitet und bei dem ja auch, bei dem, was mich auch immer interessiert, ob dieser Widersprüchlichkeit, also und zwar nicht der Widersprüchlichkeit in dem Handeln der AkteurInnen,
00:40:18
Speaker
sondern in der vermeintlichen Widersprüchlichkeit, die immer zwischen quasi Ideologie und eben Handlungspraxis der extremen Rechten aufgemacht wird.
Kontrast zwischen ideologischer Einfachheit und komplexen Geschlechterrollen
00:40:28
Speaker
Weil ideologisch ist das halt immer einfach total einfach, wenn wir über Geschlecht und Rechtsextremismus sprechen.
00:40:35
Speaker
Da hat man nicht so viele Fragezeichen.
00:40:37
Speaker
Das ist quasi eine heteronormative Kleinfamilie, in der eben Familie als Keimzelle des deutschen Volkes begründet wird und auch gebraucht wird.
00:40:51
Speaker
Und das ist alles total klar.
00:40:53
Speaker
Also ich sage das manchmal so salopp, dass ich diese ideologische Zuwendung zu Menschen,
00:41:03
Speaker
also zu den Geschlechterentwürfen in der extremen Rechten relativ langweilig finde, in dem Sinne, dass sie relativ schnell erzählt ist.
00:41:12
Speaker
Aber das, was gelebt wird in diesen Widersprüchlichkeiten, in der extremen Rechten, das ist halt was ganz anderes.
00:41:20
Speaker
Und das zeigt eigentlich, dass viel mehr möglich ist und dass wir eben die extreme Rechte nicht mit diesen ideologisch eindeutigen Zuschreibungen überformen können, weil uns dann eben ganz viel
00:41:41
Speaker
durch die Lappen geht.
00:41:42
Speaker
Und mit diesem durch die Lappen gehen meine ich eben auch analytisch, also machen können wir ganz viel analytisch nicht sichtbar machen, was wir aber eigentlich brauchen, um die extreme Rechte so abzubilden, wie sie sich konstituiert.
00:41:56
Speaker
Und nur dann, und da würde ich ja auf
00:42:00
Speaker
Auch eine Aussage, Michaela, die du im Kontext deiner Forschung weniger zu Geschlecht, denn zu der Frage des pädagogisch-politischen Umgangs mit der extremen Rechten formuliert hast, eben darauf verweisen, wir brauchen eigentlich dieses umfassende Verstehen, um Interventionen entwickeln zu können, die nachhaltig wirksam sind.
00:42:20
Speaker
Und wir verstehen eben nicht nur über die vermeintlich eindeutige ideologische Positionierung, zum Beispiel über wie hat der Mann und wie hat die Frau zu sein im Rechtsextremismus, sondern wir müssen eben auch verstehen, wie viel differenzierter das gelebt wird in den Handlungsräumen der Extremrechten.
00:42:45
Speaker
Und dafür ist das ja auch irgendwie ein gutes Beispiel.
Einstiegspfade in extremistische Bewegungen
00:42:49
Speaker
wie so viele, die wir beobachten konnten.
00:42:53
Speaker
Und also die Möglichkeiten, die die extreme Rechte bietet, bei ihnen einsteigen zu können, sind so vielfältig.
00:43:02
Speaker
Also da kann man eigentlich mit allem ankommen und man kommt irgendwie rein.
00:43:06
Speaker
Also diese Ausschlussmechanismen sind da ja viel weniger stark als in anderen parteipolitischen Kontexten.
00:43:15
Speaker
Aber gleichzeitig ist das Programm das Programm und das, was sie leben, was ganz anderes.
00:43:19
Speaker
Also sehen wir jetzt auch an Alice Weyel zum Beispiel als interessante Figur, die alles nicht hat, was man da so haben sollte.
00:43:28
Speaker
Ja, und gleichzeitig ist die ja immer.
00:43:30
Speaker
Also zum einen ist das ja so eine Frage, die wir kennen, wenn wir Veranstaltungen zur extremen Rechten machen und zu Geschlechtern, ist das, wenn man das nicht selber schon in seinem Vortrag aufgegriffen hat,
00:43:41
Speaker
eine der ersten Fragen, die kommt, wie kann man das denn erklären, dass so eine Frau mit diesem bekannten Lebensentwurf trotzdem an der Spitze steht.
00:43:50
Speaker
Und das zeigt ja immer, dass das Bild eben eigentlich ein ganz einfaches ist, was diese Idealisierung von Geschlechter drin, also diese Vereindeutlichung, so auf die soziale Wirklichkeit projiziert.
00:44:08
Speaker
Und gleichzeitig...
00:44:10
Speaker
Das haben viele Kolleginnen neben uns mit ihrer Forschung deutlich gemacht, und ich glaube, es war Renate Witzan, die das auch mal so formuliert hat, zu sagen, dass es eine Menge an Frauen gibt, die sich nicht wegen der
00:44:26
Speaker
der Geschlechterentwürfe der extremen Rechten dort wiederfinden, sondern trotz dieser Geschlechterentwürfe.
00:44:33
Speaker
Und das ja auch was ist, was ich zum Beispiel genauso in meiner biografieanalytischen Forschung wiedergefunden habe, dass Geschlecht sowohl für männliche wie auch für weibliche Aktivisten ein Bezugspunkt in ihrem politischen Aktivismus sein kann, aber es überhaupt nicht sein muss, sondern der auch zweitrangig behandelt werden kann.
00:44:56
Speaker
Wir natürlich gerade bei rechten Frauen diesen Impuls haben, die sofort in das Verhältnis zu den geschlechterpolitischen Anrufungen der extremen Rechten zu setzen.
00:45:09
Speaker
Könnte man bei Männern genauso machen, aber macht man bei Frauen nicht.
00:45:15
Speaker
häufig noch häufiger, aber dass es für alle Aktivistinnen in dem Kontext gilt, dass Geschlecht oder die Verortung oder die Bezugnahme auf eben diese geschlechterideologischen Angebote überhaupt nicht begründend sein muss für die Rechteorientierung.
00:45:37
Speaker
Oder so widersprüchlich, dass man erstmal von außen denkt, hä, wie können eigentlich Frauen Mitstreiterinnen in Sachen Antifeminismus sein?
00:45:49
Speaker
Da wird es ja am härtesten infrage gestellt sozusagen, wie können die eigentlich gegen ihre eigenen Interessen reagieren?
00:45:58
Speaker
sich stark machen, also es nicht nur tolerieren, sondern als Mitstreiterinnen da auch in Erscheinung zu treten.
00:46:06
Speaker
Und an dem Beispiel finde ich das eigentlich ganz gut, dass man es da nochmal sehr klar machen kann.
00:46:13
Speaker
Also vielleicht, um das mal ein bisschen auszutauschen.
00:46:15
Speaker
Genau, dass sie trotzdem davon profitieren können oder aber, dass das nicht der relevante biografische Bezugspunkt für das Recht der Engagement ist.
Antifeminismus als strategisches Werkzeug und Rolle der Sozialarbeit
00:46:28
Speaker
Ja, und also insbesondere auch, dass sie da...
00:46:30
Speaker
halt Anerkennung innerhalb der extremen Rechten drüber kriegen und auch die Karriereleiter relativ schnell hoch steigen können, weil das im Moment so ein Scharnierthema ist, an dem unglaublich viel ausgehandelt wird, dass wenn sie sich da richtig gut positionieren, dann sind sie richtig gleich bekannt.
00:46:49
Speaker
Also das muss man ja auch mal sehen, dass Frauen auch karrierestrategische Feuer da entfachen und es nicht einfach so völlig uneigennützig passieren.
00:47:02
Speaker
Du hast eben noch mal einen ganz interessanten Punkt angesprochen, nämlich den der Intervention.
00:47:11
Speaker
Wir sind beide Biografieforscherinnen und das Geschlecht ist ein wichtiger Punkt, den man bedenkt als Kategorie.
00:47:22
Speaker
Es ist natürlich auch immer eine biografische Frage, die dann für uns im Raum stellt.
00:47:26
Speaker
Also wie hat sich das entwickelt?
00:47:28
Speaker
Und da ist Geschlecht ein Zugang oder ein Blickwinkel, aus dem man das betrachten kann.
00:47:34
Speaker
Und natürlich fragen wir immer, welche Rolle spielt Geschlecht in dieser Entwicklungsgeschichte?
00:47:41
Speaker
Aber eben nicht nur.
00:47:42
Speaker
Es können auch andere Kategorien eine Rolle spielen, die intersektional verknüpft Wirkungen entfalten.
00:47:48
Speaker
Und wir fragen uns natürlich, in welcher Weise sich diese Wirkungen entfalten.
00:47:52
Speaker
im Verlauf des Lebens darstellen.
00:47:55
Speaker
Und im Hinblick auf die Interventionen gibt es natürlich so sehr klare geschlechterspezifische Forderungen, sage ich jetzt mal, wie zum Beispiel, dass Mädchen und junge Frauen im Kontext der Jugendarbeit zum Beispiel nicht verloren gehen dürfen, sondern dass die Beachtung im Hinblick auf ihre politische Verortung
00:48:22
Speaker
brauchen und wahrgenommen werden müssen, weil solche Sachen werden von der extremen Rechten auch strategisch eingesetzt.
00:48:29
Speaker
Dass zum Beispiel genau solche Mädchen, die eher im Hintergrund sind, aber diejenigen, die zum Beispiel Ideologiefragmente in die Gruppe reintragen oder dass die diejenigen sind, die die Flyer verteilen, weil was soll denn da schon passieren, wenn die das machen und so weiter.
00:48:47
Speaker
Weil in dieser Interaktion halt immer noch
00:48:52
Speaker
Das Thema ist, dass die jungen Frauen nicht in ihrer politischen Verortung und in ihrem politischen Kampf gesehen werden, den sie da durchaus auch als jugendliche Frauen schon führen.
00:49:04
Speaker
Also das sind so Themen, die da sowieso drinstecken und für die wir immer wieder uns engagieren, dass die wahrgenommen werden und dass wir damit arbeiten müssen.
00:49:15
Speaker
Großes Thema auch zum Beispiel im Moment,
00:49:18
Speaker
sind Altenheime oder ist fast schon wieder vorbei, wo nämlich Verfolgte und Täterinnen aufeinandertreffen und es extrem schwierig ist, das emotional auszuhalten.
00:49:31
Speaker
Also es gibt so Begegnungen von extremen rechten oder nationalistischen Frauen in Senioreneinrichtungen oder wie auch immer man das jetzt nennt,
00:49:43
Speaker
Oder in anderen Kontexten der sozialen Arbeit ist es überhaupt gar kein Thema.
00:49:47
Speaker
Also in der Drogenhilfe, in der Schuldnerinnenberatung und so weiter ist das Thema überhaupt noch nicht angekommen.
00:49:54
Speaker
Aber wir haben das da ganz extrem, gerade im Bereich Armutsbekämpfung.
00:50:01
Speaker
Und wir haben vor allen Dingen auch...
00:50:03
Speaker
eine ganz klare Haltung, dass viele Extremistinnen, also extrem rechte Frauen, als Sozialarbeiterinnen und Erzieherinnen oder als Geschichtslehrerinnen oder sonst irgendwas, die nächste Generation heranziehen wollen, ganz bewusst.
00:50:19
Speaker
Also, dass das eine Strategie ist von denen, das wird auch kaum diskutiert.
00:50:23
Speaker
Geht aber mittlerweile langsam auf, wie wir sehen.
00:50:27
Speaker
Genau, und dann haben wir aber auch noch die biografischen Themen, die da drin stecken.
00:50:32
Speaker
die bearbeitet werden.
00:50:33
Speaker
Und da hat Johanna eben ja auch gerade schon angesprochen, geht es eher darum, dass wir verstehen müssen, das historisch-biografische Gewordensein verstehen müssen, um wirklich adäquat Interventionen ableiten zu können.
00:50:47
Speaker
Da geht es nämlich nicht nur darum, so oberflächlich zu hantieren, weil das haben wir jetzt auch gesehen in den letzten 30 Jahren, dass es eher dazu führt, dass Rechtsextremismus sich ausbreiten kann.
00:50:59
Speaker
Du hast jetzt wichtige Punkte angesprochen.
00:51:01
Speaker
Ich finde, also ich würde nochmal den Punkt der aktuellen Herausforderungen auch für soziale Arbeit aufgreifen.
00:51:09
Speaker
Und ich finde, ein wichtiger Moment ist, und du hast in deinen Beispielen vermehrt jetzt über auch schon mitorganisierte oder mindestens involvierte rechte Mädchen beispielsweise gesprochen,
00:51:23
Speaker
Ich finde, das Spannende ist ja gerade, dass sich eigentlich durch die Omnipräsenz über die neu eröffneten Räume des Sagbaren und der politischen Verortung in rechten Orientierung und Einstellung geht uns eigentlich diese Organisationsebene total verloren.
00:51:45
Speaker
Also so wie wir Rechtsextremismus super lange definiert haben, nämlich als Ideologie und als Einstellungsebene und als Handlungsebene,
00:51:54
Speaker
Und die extreme Rechte wurde in diesem Handlungsraum immer als organisierter Raum gedacht.
00:51:59
Speaker
Und wir haben jetzt ja aber eine viel höhere Zustimmung zu rechten Äußerungen, zu rechten Ideologiefragmenten, als wir eine Organisiertheit in klaren rechten Räumen oder Gruppen haben.
00:52:16
Speaker
Und insofern finde ich,
00:52:18
Speaker
Das ist zum Beispiel total wichtig, das in sozialarbeiterischen Regelstrukturen zu denken.
00:52:24
Speaker
Und quasi nahezu jedes Jugendzentrum oder nahezu jeder Einrichtung der offenen Jugendarbeit muss sich mit autoritärem, antifeministischen und dann auch rassistischen Ideologiefragmenten bei ihren Adressaten auseinandersetzen.
00:52:42
Speaker
Und zum Beispiel, wenn wir jetzt bei
00:52:44
Speaker
Antifeminismus bleiben oder bei antifeministischen Geschlechterentwürfen oder auch Weiblichkeitsentwürfen, die damit zusammenhängen, dann ist es ja gerade die Frage an sozialarbeiterische Interventionen, möglicherweise diese biografische Sinnhaftigkeit mit einzubinden.
00:53:04
Speaker
Wir müssen sozialarbeiterische Räume, und das ist mir wichtig, das an der Stelle zu sagen, wenn wir uns mit menschenverachtenden Einstellungen und Themen beschäftigen, haben wir in erster Linie einen Schutzauftrag und müssen ermöglichen, dass sich alle Menschen,
00:53:24
Speaker
wenn wir jetzt im jugendlichen Bereich sind oder grundsätzlich dann alle Adressaten da drinnen aufgehoben fühlen können.
00:53:30
Speaker
Und soziale Arbeit im Kontext von Rechtsextremismus war nicht nur lange sowieso geschlechterblind im Hinblick auf Frauen, sondern war eben auch nicht auf der Seite der Betroffenen im Zweifelsfall.
00:53:43
Speaker
Also hat die Räume gehalten für die Arbeit mit Rechtsorientierten, anstatt sie aufzuhalten.
00:53:51
Speaker
zu schaffen für Betroffene von rechten Agitationen.
00:53:58
Speaker
Und das eigentlich viel stärker.
00:54:00
Speaker
Und da gibt es einen Switch in den letzten zehn Jahren, den wir in erster Linie nicht der Profession zu verdanken haben, sondern den betroffenen Initiativen, die das sehr vehement eingefordert haben.
00:54:13
Speaker
Wenn wir zum Beispiel auf antifeministische Orientierung gucken, also Micha, du hast über euer Projekt gesprochen, wo es über Social Media geht.
00:54:21
Speaker
Also der Klassiker ist ja, die Jugendlichen sitzen in irgendwelchen Jugendzentren und scrollen durch ihre Social Media Feeds und die sind alle...
00:54:29
Speaker
reproduzieren mit Sicherheit, antifeministische Narrative da drin, folgen entsprechenden Profilen oder kriegen sie in die Timeline gesetzt und da eine Antwort drauf zu finden oder zumindest vielleicht nicht eine Antwort, aber in erster Linie einen sozialarbeiterischen Umgang damit, also eine Problemwahrnehmung
00:54:52
Speaker
Und gleichzeitig dann auch professionelle Handlungsräume zu eröffnen.
00:54:56
Speaker
Ich würde sagen, das ist eine totale Herausforderung, die eben damit verbunden ist, dass es, wie gesagt, dass es jenseits der extrem rechten Organisiertheit eine viel größere Verbreiterung von rechten Diskursfiguren gibt.
00:55:14
Speaker
Ja, so sehe ich das auch.
00:55:16
Speaker
Jetzt habt ihr das Thema schon so wunderbar breit und tief beleuchtet und seid in alle möglichen Perspektiven reingegangen.
00:55:24
Speaker
Eigentlich ist ja unser Modus immer, euch zu fragen nach eurem Lieblingszitat.
00:55:30
Speaker
Aber ich habe das Gefühl, das ist jetzt an dieser Stelle vielleicht gar nicht mehr forderlich oder gar nicht mehr möglich, weil ihr schon so viel gesprochen habt, dass wahrscheinlich das, was ihr in den letzten Jahren, seit ihr euch damit beschäftigt,
00:55:44
Speaker
gelesen habt, irgendwie in alles auch eingeflossen ist.
00:55:49
Speaker
Ich würde sagen, vielleicht setzen wir hier wirklich den Punkt und ich danke euch sehr für das Gespräch, das ihr untereinander geführt habt.
00:55:58
Speaker
Und ja, schaut gerne wieder rein.
00:56:01
Speaker
Wir machen bald wieder die nächste Folge.
00:56:04
Speaker
Dann wird es um das Thema Gewalt und Geschlecht gehen und wir freuen uns, wenn ihr wieder reinhört.
00:56:10
Speaker
Tschüss und bis zum nächsten Mal.